"Ihn kannst Du nicht ändern, aber die Art, wie Du ihn wahrnimmst und beurteilst" - stimmt das???

"Ihn kannst Du nicht ändern, aber die Art, wie Du ihn wahrnimmst und beurteilst"
Diese Zeile habe ich in einer anderen Diskussion zum Thema Partnerschaft gelesen und frage mich, inwieweit es so ist. Das ist es nämlich, was ich so lange geglaubt habe und versuche, versuche, versuche, ...und immer wieder scheitere und mich nun frage, ob das realistisch ist und wo der Punkt erreicht ist "ich kann das eben nicht", " es ist nicht mein Leben" ,"Wir passen einfach nicht zusammen"

Das ist die Situation:
Mein Partner und ich sind SEHR unterschiedlich. Das wussten wir von Anfang an, klar. Wir hatten über Jahre hinweg immer mal wieder eine Affaire, wenn wir beide frei waren. Irgendwie war lange klar, für etwas "Richtiges" sind wir zu unterschiedlich. Doch wir kamen enger zusammen. Und es war schön...so schön...Und ich habe mich trotz meine vielen "aber" darauf eingelassen mit der Bereitschaft viel an mir zu arbeiten und dem Vertrauen, "es soll so sein und steht unter einem guten Stern". Nach etwa einem Jahr Partnerschaft hat sich unser kleiner Sohn als ungeplantes Wunschkind dazugemogelt. Wir sind beide absolut glücklich mit ihm!! Wir sind dann während der Schwangerschaft zusammen gezogen - obwohl wir u.a. unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit haben.

Jetzt zu den Unterschieden:
Er: gemütlich, ehrlich gesagt schon (fast) ein bisschen faul, zurückgezogen, langsam, Hygienetick, gerne viel drinnen, macht wenig, anfangs kritisch
Ich: schnell und aktiv, finde übertriebenes Putzen Zeitverschwendung, bin gerne draußen, genieße Freunde und Hobbies, schnell zu begeistern.
Ich mache einfach viel mehr und kriege viel mehr hin in der gleichen Zeit. Ich regele das Meiste im "Außen", bietet sich an da ich mehr Leute kenn und weil ich Sachen anpacke. An sich müsste das alles kein Problem sein, doch mich stört es ziemlich, dass so viel an mir hängt. Wenn er mit dem Kleinen daheim ist und ich arbeite, ist fast nichts gemacht und sobald ich da bin, hab ich den Kleinen. Wenn er von der Arbeit kommt, ist gekocht, sauber gemacht und ich hab auch noch paar Bürosachen erledigt. Ich frage mich: "das ist doch nicht so schwer?" Ich arbeite deutlich mehr, verdiene auch mehr, da ist auch eine Ungleichheit. Ich kann echt so schlecht wertschätzen, dass er eine halbe Stunde lang 4 Geschirrstücke spült und sie dann von allen Seiten blitzen und blinken. Oder dass man am Wochenede IMMER lang ausschlafen muss und wenn man überhaupt mal einen Ausflug macht nicht vor Mittag loskommt. Vor allem der Hygienefimmel nervt mich. Andere Klamotten in der Wohnung als draußen, immer die Hände SEHR lange mit Seife waschen viele Male am Tag, immer SEHR lange duschen jeden Tag. Und alles dauert so laaaange...Inzwischen bringe ich unseren Sohn ins Bett obwohl ich am Abend noch von zuhause aus arbeite, wenn er es macht MUSS er vorher duschen und es zieht sich alles viel länger als wenn ich es halt schnell mache. Er braucht viel Platz für sich, ist gerne allein und meint, eigentlich sei er nicht für Gesellschaft geschaffen, wobei er sehr umgänglich ist und die meisten ihn sehr gerne mögen. Er hat ein eigenes Zimmer obwohl wir nur 3 haben, beansprucht für seine Sachen fast den ganzen Keller- aber ich bin es, die organisiert dass wir überhaupt Kellerstellplatz haben. Einerseits denke ich, ich muss das halt akzeptieren, dann mache ich halt deutlich mehr, fällt mir ja auch leichter - das ist in manchen Beziehungen so und sie funktionieren trotzdem. Andereseits macht es micht echt wütend, weil ich es unfair finde. Und ich komme schlecht mit seiner Trägheit zurecht, würde gerne mehr unternehmen an den Wochenenden und nicht immer bitten und betteln müssen ob wir mal einen kleinen Ausflug machen. Ja, man muss Kompromisse machen - aber können wir uns da wohl fühlen? oder ist die "Mitte" immer noch so weit weg von dem wie es uns eigentlich entspricht? Kann ich mich dementsprechend ändern, dass ich seine Langsamkeit, Gründlichkeit und Reinlichkeit schätze? WIE soll ich das machen? Verarsche ich mich nicht irgendwann selbst? Er macht schon Sachen im Haushalt, es ist nur alles viel langsamer und umständlicher. Er ist tolerant und nicht eifersüchtig. Ich kann viel auch mit Freunden ohne ihn unternehmen. Aber verlieren wir uns dann nicht? Sollten wir nicht schauen dass wir möglichst viel zusammen machen das wir beide gern tun? Es gibt nicht vieles, doch ein paar Sachen schon. Außerdem nervt mich, dass er finanziell schlecht da steht mit seiner Selbstständigkeit, und meine Festanstellung die einzige finanzielle Sicherheit ist. Da kommt immer der Gedanke, ich hab beruflich viel erreicht auch als Alleinerziehende weil ich viel geleistet habe - warum leistest du so wenig? Ja - das ist unschönes Leistungsdenken und hat wenig mit Liebe zu tun, doch es sitzt tief in mir drin. Ich hab echt viel hingekriegt unter schlechten Umständen und bin schon auch stolz darauf und da ist ein Teil von mir, der gerne einen Parter hätte der beruflich auch viel hingekriegt hat.

In der Praxis ist es so, dass mir ein paar Mal im Jahr der Kragen platzt, ich ausflippe, dass ich so nicht leben kann, dass er mir nicht passt etc. Das ist dann schlimm und ich verletze ihn sehr. Es macht viel kaputt und hinterher tut es mir leid und wir brauchen Tage bis Wochen bis das Vertrauen wieder da ist. Vielleicht ist auch diese Wut an sich das Problem, die ich nicht ganz nachvollziehen kann? Ich muss sorgen, dass es sich nicht so anhäuft. Aber wie? Ich weiß, dass ich echt hohe Anforderungen an die Männer habe und das nicht realistisch ist - doch wie ändere ich das? Scheint sehr schwierig und langwierig zu sein, da das recht tief sitzt. Ich kann schon Antworten finden in meiner Herkunftsfamilie und unschönen Erfahrungen mit Vater, Beziehungen und Männern finden. Doch die Frage ist ja: "(wie) kann es gelingen?" Erkennt sich jemand wieder oder hat Tips? Bin grade sehr am Wurschteln mit dem Thema und würde mich riesig über ein paar neue Blickwinkel freuen. Ja - es ist immer wieder Liebe und Zuneigung da, auch wenn sie phasenweise in den Hintergrund tritt. Ich möchte gerne die Herausforderung annehmen und mein "inneres Wertesystem" etwas menschlicher und weniger leistungsoprientiert gestalten. Nur scheitere ich immer wieder daran...geht es jemandem ähnlich?

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Huhu,
Ich denke wir haben eine ähnliche Situation. Und ich denke, dass es diese Beziehungen schaffen können.
Mein Vorgehen ist folgendes: Ich versuche gelassener zu sein, ihm auch entgegen zu kommen. D.h., haben wir nichts vor entschleunige ich. Dafür macht er auch mit, wenn ich was plane. Jeder hat seine Hobbys, ich eher außerhalb, er eher zuhause. Der Vorteil ist, dass ich mir um die kinder betreuung keine gedanken machen muß, da er da ist und zuverlässig.
Wichtig ist für uns nur, dass die Chemie stimmt, jeder nach seiner Vorliebe leben kann und wir uns immernoch attraktiv finden.
Ich meine damit, dass er mich auch vervollständigt, und ich vielleicht auch die Art brauche. Und ich empfinde das Leben mit ihm als große Bereicherung.
Daher stimme ich dem zu.
Lg

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Dann bist du ja schon sehr weit mit deinen Überlegungen. Mir hat sehr das Kennenlernen des inneren Kindes geholfen. Vielleicht ist das auch etwas für dich.

Sonnige Grüße

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Ist er denn mit seiner Art noch eine Bereicherung für dein Leben oder eher ein Bremsklotz? Für mich liest es sich so, als sei letzteres der Fall. Das kann ich auf jeden Fall verstehen. Aber dann solltet ihr doch eher getrennte Wege gehen.

Zu deiner eigentlichen Frage, wie du es schaffst, ihn mit seinen Eigenschaften mehr wertzuschätzen, kann ich dir leider keine Antwort geben. Mir würde das auch nicht gelingen. Jemand, der von sich selbst so vereinnahmt und sich selbst eigentlich genug und damit wohl auch das liebste ist, könnte ich nicht lieben. Ich finde das, was du beschreibst (halbe Stunde perfektionistisch Spülen, eigenes Zimmer, immer ausschlafen) so dermaßen egoistisch und unattraktiv. Dem würde ich wohl er täglich die Hölle heiß machen.

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Mir fehlt in deiner Schilderung ehrlich gesagt der Teil, in dem du beschreibst wo er Kompromisse eingeht oder mit seinen Stärken die hilft?

Falls er stur auf seiner Linie bleibt und hauptsächlich nur du diejenige bist, die versucht das ganze Konstrukt am Laufen zu halten, würdest du mir leid tun. Ich fand eure „Aufgabenteilung“ schon beim Lesen anstrengend, um ehrlich zu sein und würde nur sehr ungern deinen Part übernehmen. Der deines Mannes klingt dagegen wir lebenslanger Urlaub.

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Tausend Fehler, sorry.

Ich bin von der konservativen Sorte, die total ungern zur Trennung raten würde. Deshalb noch eine Frage: hast du schon versucht, von ihm deutlich mehr Entgegenkommen zu fordern? Oder bleibt es bei dem krassen Streit in regelmäßigen Abständen und du musst alles wieder glattbügeln?

Falls nicht, wäre es jetzt höchste Eisenbahn ihm klarzumachen, dass er sich auch mal ins Zeug für euch legen muss.

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Ja, er kommt schon entegegen. Es beibt halt mühsam.
Ich merke - auch beim Lesen der so unterschiedlichen antworten, dass wir BEIDE da gefragt sind, nicht nur entegegen zu kommen sondern auch an uns zu arbeiten.
Also, ich denke schon, dass ich auf gewisse Art schwierig bin mit meiner inneren Struktur - doch nicht nur ich bin das Problem

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Wenn ihr so unterschiedlich seid, werdet ihr euch wohl beide schwer ändern können. Und das zu hoffen, ist in meinen Augen mehr als naiv.

Dein Partner scheint dich in sofern zu akzeptieren, dass du machen kannst, was du willst (weg gehen, Dinge unternehmen usw). Du jedoch möchtest ihn eigtl schon ändern.

Mein Gefühl sagt mir, es war von Anfang an irgendwie keine so schlaue Sache und zum scheitern verurteilt 😅 aber vllt irre ich mich auch.

Vielleicht wäre eine größere Wohnung möglich. So dass er seinen eigenen Raum habt und trotzdem noch jeder Platz.

Dass er Dinge anders erledigt ist so. Aber vllt hilft eine (kurze!) To-Do Liste. Er ist vllt auch genervt, dass du 1000 Dinge erledigst, aber dafür vllt nicht so ordentlich (putzt)?

Also, Kompromisse werden schwer und vllt nur wenige, aber möglich ist es. Ihr müsst eben schauen, was der kleinste gemeinsame Nenner ist und ob euch das beide glücklich macht. Da müsst ihr ehrlich zueinander sein. Und zu euch selbst.

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Ja, eine größere Wohnung ist der Plan. Sobald wir eine finden die wir bezahlen können. Wenn alle sklappt wird er in Kürze mehr verdienen, dann wird es einfacher. Mit dem momentanen Budget ist es eher schwierig.

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Wenn mein Partner so undankbar und abwertend über mich reden würde/ denkt wie du es hier über deinen Mann tust wäre er definitiv nicht mehr mein Partner.

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Ihr passt einfach nicht zusammen. Dir geht es auf den Geist und er akzeptiert es einfach. Passt ja zu seiner faulen und bequemen Art. Ich sehe hier eine Zeitverschwendung.

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Gibt es nix, was er gut kann? Putzen ist bei ihm zwar hygienisch aber dauert auch stundenlang?
Ich würde versuchen, ihm mehr Bereiche/Aufgaben zu übertragen. Gibt es so wenig dass er gut kann?
Schriftkram? Einkaufen? Kochen? Wäsche waschen? Putzen? Reparaturen? Garten?

Für andere Aufgaben, die dir zu stressig sind und er nicht dafür geschaffen ist, würde ich mir Hilfe suchen. Babysitter? Putzfrau? Haushaltshilfe? Trockner? Staubsaugerroboter?

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Er ist nicht unbegabt im Heimwerken und macht schon die Sachen: Lampen aufhängen, Waschmaschine anschließen, was es so gibt. staubsaugen ist meistens sein, und dann ist es sehr gründlich gemacht.

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Sein 'Hygienetick' wirkt krankhaft, da könnte er eine Therapie machen. Duschen, damit er das Kind ins Bett bringen kann......Das ist nicht normal. Diesen Aspekt könntest du durchaus anderes bewerten.

Ansonsten scheint er ein Egoist zu sein und lässt schlichtweg Dinge an dir hängen. Ich würde aus 'seinem' Zimmer ein Kinderzimmer machen. Dann habt ihr ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer und ein Wohnzimmer. Im Keller muss er auch Platz machen und ihr vereinbart, dass er dich ebenso gekocht und mit einer sauberen Wohnung empfängt, wie du ihn.

Hier helfen Gespräche oder, bevor es zur Trennung kommt, eine Paartherapie.

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Ja, leider ist der Hygientick schon krankhaft. Es beeinträchtigt ziemlich. Ich habe schon ageregt, dass er eine Therapie macht, doch er hält nichts davon (im allgemeinen). Die ansicht teile ich nicht. Aus seinem zimmer ein kinderzimmer machen ist absolut nicht möglich. Der Klein darf zwar zu ihm rein - darüber bin ich so froh - halt mir sauberen klamotten, notfalls zieht er ihn vorher um. Ich darf nicht rein. Hab schon ein paar mal gesagt, dass das für mich nicht stimmt. Dann durfte ich mal widerwillig rein - gerade geduscht mit ganz frischen Klamotten und dann noch extra Hauschuhe von ihm. Er zieht immer die Hausschuhe aus wenn er in sein Zimmer geht. Es ist also schon echt extrem. Für mich war ein Punkt, dass er SIEHT, dass das sehr ungewöhnlich ist, und dass er viel beansprucht. So ganz eiht er es nicht. Wir sind vor kurzem umgezogen in eine etwas größere Wohnung, zum Glück! Jetzt ist sein Zimmer kleiner, der Gemeinschaftsbereich größer. Er hat ein wenig gemotzt, dass kaum Bücher in sein Zimmer passen. Da knn ich nicht ernsthaft Mitglied haben. Mir stinkt es schon, merke ich.

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Warum tut er das? Hat er Angst vor Keimen und Bakterien? Wie verhält er sich im Urlaub im Hotel? Meidet er generell Menschen um sich nicht anzustecken? ( lassen wir jetzt Corona beiseite) Ich habe einen Onkel, der war ähnlich. Er war in seiner Jugend schon so und bis heute geblieben. Er lebt in Australien, was jetzt gerade in Corona Zeiten veranstaltet, das könnte mit einem Isolationszimmer auf der Intensiv mithalten 😁

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