Hallo,
ich sage selten "Nein" zu meinem Partner. Und wenn ich es dann doch mal mache, habe ich direkt ein schlechtes Gewissen.
Eben habe ich unser Kind hingelegt und dann gedacht, dass ich seinen Mittagsschlaf nutzen möchte, um ein paar Mails zu schreiben, die Wäsche aufzuhängen und in Ruhe meinen Kaffee zu trinken. Der Vormittag war sehr stressig.
Kaum schläft er, kommt mein Partner und fängt an, mich zu küssen. Ich sage ihm, dass ich nicht in der Stimmung bin und außerdem meine Tage habe. Er meinte daraufhin, ich könnte ja ein bisschen massieren und lässt seine Hose runter.
Meistens gebe ich dann nach. Eben sagte ich: "Nein, gerade wirklich nicht." Er hat das akzeptiert, die Hose wieder angezogen und ist ins andere Zimmer gegangen.
So ... und jetzt ist das Problem, dass ich mich direkt richtig schlecht fühle. Dabei weiß ich rational, dass ich nicht falsch gehandelt habe. Aber meine innere Stimme sagt direkt: "Jetzt ist er deinetwegen enttäuscht. Wenn du dich kurz überwunden hättest, würdet ihr euch jetzt beide besser fühlen."
Dasselbe ist es auch in anderen Bereichen. Es ist mir zum Beispiel immer wichtig, dass ihm mein Essen schmeckt, dass ich mehr im Haushalt als er mache und ihn auch in anderen Bereichen unterstütze, während ich selbst ganz schlecht Unterstützung annehmen kann.
Wie kann ich dieses ungesunde Verhalten ablegen?
Viel zu schnell ein schlechtes Gewissen
Hallo liebe TE,
hmm ... klingt für mich, als ob du ausgesprochen harmoniebedürftig bist und befürchtest, nicht mehr geliebt oder wertgeschätzt zu werden, wenn du der Ansicht bist, deinem Mann kein erfülltes Dasein zu bieten. Warum das so ist, wird hier wohl keiner von uns sagen können, aber grundsätzlich finde ich schonmal die Situation & Reaktion von vorhin zwischendurch etwas merkwürdig ....
Also, wenn Herr Deichbrise mit so nem Spruch inkl. heruntergelassener Hose ankommen würde, wenn ich gerade nicht so wirklich Lust auf Intimitäten hätte, würde ich ihn auslachen. Aber garantiert nicht denken, dass ich ihn enttäuscht hätte.
Warum glaubst du das denn? Gab es schon Anlässe, die deine Interpretation wirklich bestätigt haben oder ist das einfach deine eigene Wahrnehmung? Wie war es denn früher? Zum Beispiel in deiner Kindheit? War es da schon so, dass du dich nur geliebt gefühlt hast, wenn du entsprechende Leistungen (z.B. in der Schule) erbracht hast?
Fragt sich die deichbrise
Danke für deine Antwort. Ja, ich bin sehr harmoniebedürftig.
Ich hatte dieses Gefühl bisher in all meinen Beziehungen. Mein erster Freund hat das sehr ausgenutzt und mich viel auf diese Weise manipuliert.
In meiner jetzigen Beziehung wurde das Gefühl durch eine Krise, die wir hatten, verstärkt. Da fühlte mein Partner sich oft abgewiesen und dadurch ungeliebt und hat mit Wut und Frustration reagiert. Jetzt ist schon länger wieder alles gut zwischen uns. Aber trotzdem verursacht jedes “Nein” von mir ein schlechtes Gewissen bei mir und auch Angst. Und auch wenn er sich in anderen Bereichen nie negativ geäußert hat, habe ich das Gefühl auch da.
In meiner Kindheit war das glaube ich meine Rolle. Mein Bruder war sehr sportlich und musikalisch und erhielt dadurch Anerkennung. Meine Schwester war “das Problemkind”. Und ich war fleißig und habe zuhause geholfen und wurde dann in diesem Bereich oft als positives Beispiel hervor gehoben. Wenn ich zu viel geredet habe, hab ich oft gehört, ich solle mich nicht für zu wichtig nehmen. Ich musste krank zur Schule gehen, sollte mich da “zusammenreißen”. Wenn ich um Hilfe gebeten habe oder eine Anleitung wollte, kam ein abwertender Blick und die Aussage “Das solltest du aber alleine können.” Ich glaube, daher kommt meine Unfähigkeit, Unterstützung anzunehmen.
Hallo auch von mir! Nein, Du bist nicht alleine. Mir geht es genauso.
Um ehrlich zu sein, habe ich die gleichen Züge wie Birkenhexe. Bei mir gibt es zwei Gründe dafür: Ich möchte den anderen nicht verletzen (gefühlsmäßig) / enttäuschen. Und der andere Grund ist echt die Angst davor, dass man mich nicht mehr mag.
Das ist schon echt ne Krux. Aber auch ich bin fleißig dabei, daran zu arbeiten. Und es geht. Ich komme voran.
Es gibt neben dem Buch von Martin Sellin auch noch ein anderes, das heißt „Leben kann auch einfach sein: So stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl“ von Stefanie Stahl. Das ist auch sehr hilfreich.
Ich selber mache keine Therapie, aber ich arbeite halt viel mit diesen Tipps.
Was mir auch selber hilft, ist, dass ich mir sage, dass ich mir selber was wert sein muss. Es gibt nur eine Person, der ich etwas schulde. Und das bin ich. Es gibt auch noch den Begriff Selbstschutz, der hier auch eine große Rolle spielt.
Neulich habe ich was schönes gelesen: Man soll den Mut-Muskel trainieren. Der wird auch größer, wenn Du Dich was traust.
Und wir trainieren eben den Nein-Sage-Muskel
“Ich möchte den anderen nicht verletzen (gefühlsmäßig) / enttäuschen. Und der andere Grund ist echt die Angst davor, dass man mich nicht mehr mag.”
Das kann ich leider sehr gut nachempfinden. Vor allem das Enttäuschen.
Auf die Spitze getrieben, ist es so, dass ich andere nicht korrigiere, wenn sie meinen Sohn für ein Mädchen halten, weil ihnen der Irrtum vielleicht unangenehm wäre. Ich weiß, dass das absolut lächerlich ist. Aber in solchen Situationen schaffe ich es nicht, kurz zu korrigieren.
Von Stefanie Stahl habe ich schon mal was gehört. Ich schaue mir das Buch mal an.
Ja, den Muskel muss ich wirklich trainieren.
Denk einfach etwas mehr an dich selbst als an ihn.
Wenn er Sex haben will und du zu dem Zeitpunkt vielleicht auch, dann macht die Aufgaben vorher zusammen oder trinkt zusammen einen Kaffee und dann habt ihr beide schneller Lust und Zeit auf/für Sex.
wieso sollst du auch mehr im Haushalt machen als er? Bei uns ist das aufgeteilt. Mein Mann wäscht Wäsche und ich bügle. Beim Putzen teilen wir uns rein. Wer grad mehr Zeit dafür hat. Kochen tut meist er. Einkaufen tu ich dafür öfter.
Warum sollte ICH mehr machen? Weil ich eine Frau bin und er ein Mann? Glaub aus den Zeiten sind wir raus.
Und wenn es soweit ist, dass man sich "überwinden muss", um Sex zu haben, sollte man vielleicht ein paar andere Dinge auch überdenken und bereden.
Danke für deine Antwort.
Nein, es liegt nicht daran, dass ich eine Frau bin. Sondern ich habe einfach das Gefühl, mehr leisten zu müssen, um kein schlechtes Gewissen zu haben. Er bringt sich auch im Haushalt ein. Und das finde ich gut, solange ich auch was mache. Aber wenn ich nach Hause komme und die Wohnung schon geputzt ist, ist mir das richtig unangenehm und dann suche ich mir krampfhaft eine Aufgabe, um das auszugleichen, um mich nicht schuldig zu fühlen. Wenn er hingegen viel Stress hat und ich mehr im Haushalt mache und er sich im Idealfall noch dafür bedankt oder einfach mal einen Satz sagt wie “Du arbeitest viel zu viel”, erfüllt mich das und ich habe das Gefühl, “genug” zu sein. Ich weiß rational, dass das bescheuert ist.
Ich könnte ihm niemals sagen, dass ich mich manchmal überwinde, wenn ich keine Lust habe. Das würde ihn zu sehr verletzen.
Boah, lass uns ne Selbsthilfegruppe machen. Lust? Ernsthaft.
Ich bin keine Leidensgenossin, finde es aber schon gut, dass du dein Verhalten selbst als ungesund einordnest.
Hättest du nicht schon in deinen weiteren Beiträgen von deiner Kindheit und anderen früheren Erfahrungen geschrieben, hätte ich danach gefragt, denn derart selbstschädigendes Verhalten hat ja meist einen lange Vorgeschichte.
Meine Mutter ist auch jemand, der es allen recht machen möchte. Sagt sie mal ab, geht das nicht ohne Riesengedöns, ob ich auch nicht böse bin. Dazu hat bei uns in der Familie nie jemand Anlass gegeben, bei ihr liegt der Hintergrund in ihrer Kindheit. Sie hat ein geringes Selbstwertgefühl und meint, sich so was (nein sagen) nicht erlauben zu können, ohne in Ungnade zu fallen. Umgekehrt meinte sie aber auch, uns in unserer Kindheit zu ähnlichem Verhalten anzuhalten: Das hat zum Glück nicht funktioniert, aber sie hat lange versucht, auf Familienmitglieder (vor allem mich und meinen Vater) einzuwirken, wenn jemand (aus ihrer Sicht falsch) zu irgendwas nein gesagt hat.
Vielleicht hilft es dir, wenn du dir vorstellst, du hättest es mit dir als Freundin / Partnerin / Verwandte zu tun:
Hättest du Freude an einer Einladung, die der andere notgedrungen annimmt, um den anderen nicht zu verletzen, obwohl der gar nicht will? Wer möchte schon am Tisch sitzen mit jemandem, der eigentlich gern anderswo wäre. Und das gilt für alle Bereiche: Wer möchte schon, dass ein anderer sich aufopfert und dann noch genauestens darauf achtet, dass er auch immer mehr macht als der andere? Von anderen würdest du dergleichen nicht erwarten, warum sollte das bei dir der Fall sein?
Rücksicht auf dich selbst zu nehmen ist auch Rücksicht gegenüber anderen.
Bei der folgenden Stelle habe ich mich allerdings gefragt, ob es hier wirklich „nur“ um ein unangebrachtes schlechtes Gewissen geht:
"Ich sage ihm, dass ich nicht in der Stimmung bin und außerdem meine Tage habe. Er meinte daraufhin, ich könnte ja ein bisschen massieren und lässt seine Hose runter."
Wenn das die Art einer sexuellen Annäherung ist, wie sie dir gefällt und du nur eben gerade nicht wolltest ist alles in Ordnung (natürlich von deinem Ausgangsproblem abgesehen). Wenn es aber so ist, dass es dir unangenehm ist, wenn gleich die Hose runtergezogen wird in Erwartung, nun aber wenigstens bedient zu werden, wenn du schon keine Lust hast, sehe ich hier ein zusätzliches Problem. Die Reaktion Hose runter auf ein „nein“ erscheint mir, na ja, eher nicht angebracht. Es ginge dann nicht „nur" darum, dass du bei Ablehnung ein schlechtes Gewissen hast, sondern dir gar nicht erst erlaubst, negative Gedanken bezogen auf das Verhalten anderer zuzulassen, die über deine Grenzen latschen, das ausblendest und dir dann zusätzlich noch den Schuh anziehst, für eine (echte oder auch nur vermeintliche) Enttäuschung anderer verantwortlich zu sein.
Leider etwas schwurbelig ausgedrückt, hoffentlich trotzdem irgendwie verständlich.
Aber wie auch immer:
Weiß dein Partner, wie es dir geht und wie problematisch es für dich ist, was für ihn wahrscheinlich selbstverständlich ist? Hol ihn mit ins Boot. Er könnte dir sicher viele Situationen erleichtern, wenn er entsprechend sensibilisiert ist. Du schreibst ja, eure Beziehung sei wieder in Ordnung, das setzt dann auch voraus, dass Kommunikation bei euch kein Problem ist. Es sei denn, dass alles in Ordnung ist, weil du dich bemühst, zu funktionieren, wie er es erwartet, aber das kannst nur du beurteilen.
Ich habe den Eindruck, dass dein Leidensdruck erheblich ist und dich auch im Alltag belastet. Wahrscheinlich wird eine Änderung auch nicht unbedingt sofort Unterstützung finden. Wer einen Wunscherfüller an seiner Seite gewohnt ist, wird sich vielleicht erst mal schwer tun, umzudenken. Einer früheren Mitarbeiterin hat der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe geholfen, vielleicht wäre das ja auch etwas für dich.
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Die Idee, mich selbst aus einer anderen Perspektive zu beurteilen, finde ich gut. Aber theoretisch weiß ich oft, dass mein Verhalten / mein Denken nicht notwendig ist. Praktisch kommt das aber nicht wirklich bei mir an.
Dass er seine Hose runterlässt, stört mich nicht. Allerdings finde ich es nicht gut, wenn ich vorher nein gesagt habe. Das Problem ist, denke ich, dass ich ihn etwas dazu erzogen habe. Er weiß, wenn ich sage, dass ich etwas nicht möchte, kann er es noch mal probieren und in den allermeisten Fällen gebe ich dann nach. Auch um mir danach ein blödes Gefühl zu ersparen. Denn ich weiß ja schon, wenn ich ihn zurückweise, habe ich anschließend ein schlechtes Gewissen und mache mir selbst Vorwürfe. Da wäre es auch für mich meistens angenehmer, nachgegeben zu haben.
Jein. Wir haben mal darüber gesprochen, wie mein Ex-Freund mich manipuliert und ausgenutzt hat. Das hat ihn richtig wütend und traurig gemacht. Aber ich glaube, ihm ist selbst nicht bewusst, dass ich auch ihm gegenüber Schwierigkeiten habe, für meine Bedürfnisse einzugestehen.
"Wer einen Wunscherfüller an seiner Seite gewohnt ist, wird sich vielleicht erst mal schwer tun, umzudenken." Dieser Gedanke macht mir auch Angst. Ich denke oft, dass es schwierig bis hin zu falsch wäre, plötzlich zurückzuschrauben und ganz anders zu werden, als er mich kennen und lieben gelernt hat.
Achachach. Ich erkenne mich so wieder in deinen Erzählungen. Mein Exmann sagte oft, mehr oder weniger verzweifelt: Aber ich weiß nie, was du wirklich willst, wann dein Nein ernst gemeint ist und wann nicht, wann du wirklich Lust auf was hast und wann nicht..
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Und dieses ewige Bilanzieren von mir "Wer hat wie viel gemaxht" kam bei ihm auch schräg an. Er meinte immer, ich wolle ihm damit suggerieren, er tue nicht genug. Dabei bilanziert mein innerer Buchhalter nur, weil ich es nicht ertrage ins Minus zu rutschen. Wie dir geht es mir am besten, also oberflächlich, wenn ich mehr gebe als nehme. Hat mit Kontrolle zu tun und damit, dass ich quasi Anspare fpr den Fall, dass ich mal nen Fehler mache. Dann ist es, so meine Berechnung, ja gut, wenn die Habenseite fett gefüllt ist.
Mir dämmert langsam, dass meine Art zu denken und meine Ängste das Zusammenleben mit mir ganz schön kompliziert machen. Anstatt Verantwortung für mich zu übernehmen, füjle ich mich lieber für die ganze Welt verantwortlich. Für alle, bloß nicht für mich.
Das kann wirklich gefährlich werden!!
Und noch was: ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe oft gar keine Lust mehr auf nichts, weil ich mich permanent übertakte. Das ist doch kacke, so will ich nicht lenen. Also üben, üben, üben. Ich frage mich mittlerweile bewusst mehrmals am Tag: Was will ich eigentlich? Denn selbst das wusste ich bis vor kurzem gar nicht, da hatte ich gar keinen Zugriff drauf. Und dann versuche ich so zu agierenn, wie es meinen Bedürfnissen entspricht.
Das kostet Mut, wie oben iemand schrieb. Also: Mutmuskel trainieren. Das schlechte Gewidden ist dann der Muskelkater. Aber der wird ja weniger bei regelmäßigen Training.