Freund braucht Selbständigkeit, behält keinen Job

Hallo zusammen,

bisher habe ich nur mitgelesen, aber jetzt könnte ich einen Rat gebrauchen.
Mein Freund und ich sind seit 6 Jahren zusammen und haben 3 Kinder. Wir sind sehr glücklich.
Allerdings haben wir ein Problem. Mein Freund ist Flüchtling aus Syrien und trägt jede Menge Altlasten mit sich herum. Wir schaffen es meistens, seine "Dämonen" in Schach zu halten aber für ihn ist es doch sehr schwer in Deutschland. Vor allem hat er Probleme mit einem geregelten Tagesablauf. Er hatte schon einige Jobs, aber konnte diese nie lange halten, da er immer irgendwann an den Punkt gekommen ist, an dem er nicht aus dem Bett kam und zu spät kam. Meist in der Probezeit. Einen Job hatte er 1 1/2 Jahre lang und wurde schnell zum Vorarbeiter. Er kann anpacken,sieht die Arbeit und ist engagiert. Zu dieser Zeit war ich in Elternzeit und konnte ihn jeden Morgen wecken. Er musste dort morgens um halb fünf anfangen. Also ich weiß! Dass er das kann. Und arbeiten kann. Fleißig sein kann. Aber er braucht meine Hilfe. Er ist ein guter Mann und Mensch. Aber er hat einen enormen Selbsthass, jedes Mal wenn etwas nicht klappt. In Syrien war er selbständig und liebte seine Arbeit. Was ich von seinem Umfeld mitbekommen habe, war er ständig am arbeiten und das machte ihm auch nix aus, er hatte eine Tankstelle und belieferte zum Beispiel auch Haushalte. Er hatte alles selber im Griff. Aber seit ich wieder arbeite und morgens nicht da bin um ihn zu wecken und zur Arbeit zu schicken, passiert es dass er verschläft. Und seine Arbeit verliert und sich dann hasst und alles hinschmeißen will weil er denkt er packt das nicht. Er hat einfach Probleme mit unserem System und Rhythmus. Er ist nicht faul, aber seine Depressionen sind manchmal einfach so schlimm, dass er den ganzen Tag am liebsten im Bett wäre. Wenn er aber Mal die Kurve gekriegt hat, dann ist alles gut. Aber da ich nun Mal arbeiten muss, bin ich nicht jeden Tag da um ihn zu unterstützen. Er hilft mir viel und er wünscht sich Arbeit aber bisher hat es eben nur geklappt als ich Zuhause war.
Nun war meine Idee um ihm auf die Beine zu helfen, ob eine Selbständigkeit für ihn eine Lösung wäre. Einfach etwas, was er im Griff hat und wo er sieht, dass er es wert ist und es auch kann.
Habt ihr Erfahrungen mit dem Selbständig machen oder irgendwelche Ideen, wie ich das Ruder rumreißen kann? Er braucht das für dich einfach und ich würde ihm da sehr gerne helfen. Habt ihr Ideen was eine gute Arbeit für ihn wäre?

Sorry für den langen Text. Ich bin für jede Idee dankbar.

Liebe Grüße Ina

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Die Möglichkeit, seine Depressionen medikamentös / therapeutisch zu bearbeiten, besteht nicht?

Ich würde im ersten Moment bezweifeln, dass eine Selbstständigkeit in Syrien mit einer in Deutschland vergleichbar ist und würde daher gucken, wie er es schaffen kann, auch ohne dich aufzustehen, gerne auch mit Medikamenten gegen Depressionen.

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Danke für deinen Rat. Ja in diesem Richtung gehen meine Gedanken auch schon. Ich muss da vorsichtig mit ihm darüber sprechen.
Ich weiß auch nicht genau was ich machen soll. Ich weiß dass er anpacken kann, deshalb will ich ihm gerne helfen.
Danke dir

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Also er hat massive Probleme, die er scheinbar aktuell nicht aufarbeitet. Diese Probleme behindern ihn so massiv, dass er nciht arbeiten kann - und da denkt ihr an Selbständigkeit?

Von dem Gedanken würd ich mal ganz ganz schnell wieder wegkommen.
Er sollte sich dringend Hilfe suchen, um seine Probleme therapeutisch aufzuarbeiten.

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Danke dir!! Ich werde es Mal mit ihm besprechen.

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Selbstständig sein erfordert erstmal weitreichende Fachkenntnisse auf einem Gebiet, ausreichend Geld für die Existenzgründung, Information über alle gesetzlichen und auch steuerlichen Vorschriften/Regelungen usw. usw. Stell Dir das nicht so einfach vor. Nicht umsonst gibt es Existenzgründungsseminare. Die Bank verlangt bei einem Kredit einen fundierten Businessplan und Sicherheiten. Ab dem Tag der Selbstständigkeit muss er sich auch privat krankenversichern, von Altersvorsorge rede ich noch nicht mal. Und wenn er dann wieder depressiv wird und nichts mehr macht, was dann? Dann kommt kein Geld rein aber die Verbindlichkeiten laufen weiter.
Überleg Dir das gut, besonders was Du mit unterschreibst!
Informiert euch erstmal bei Handwerkskammern o.ä., was möglich wäre.
Wie es aussieht, habt ihr ja beide noch keine Ahnung, wie Selbstständigkeit abläuft, das kann ganz schnell furchtbar in die Hose gehen, da braucht's nicht mal Corona dazu.
LG Moni

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Danke dir!
Selbstständigkeit ist natürlich ein großes Ding. Und in diesem Umfang würde ich es vermutlich nicht anfangen. Keine Ahnung was ich mir erhoffe ehrlich gesagt. Einfach etwas wo er jeden Tag sehen kann, dass er etwas auf die Reihe kriegt, egal ob er erst um 10 aufsteht, um 11 oder 12. Klingt doof, ich weiß, tut mir leid. Natürlich hängt da viel mehr dran, danke für den Ausblick!

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Ich habe meinem Mann 25 Jahre bei seinem Nebengewerbe geholfen, das war richtig Arbeit, als Vollzeit - never! Allein der Schreibkram....
Mir fiele im Moment echt kein Job ein, wo es egal ist, wann er zu arbeiten anfängt - und ich habe bis zur Rente 10 Jahre in der Erwachsenen-Berufsberatung gearbeitet.
Er MUSS vorrangig seine Depressionen angehen, sonst wird das alles nichts, für ihn selber nicht und für die Familie auch nicht.

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Er muss etwas gegen seine Depression unternehmen. Wenn er keinen gewöhnlichen Job hinkriegt, dann solltet ihr wirklich nicht an Selbstständigkeit denken. Da steckt ihr dann Geld rein - oder nehmt Kredite auf, und er bleibt im Bett und dann?

Mein Tip wäre - Depression behandeln lassen und dann schauen, ob er einen Job finden kann, der ihm Freude macht. Eigentlich muss er doch gar nicht selbstständig sein. Ähnliche Jobs kann man doch auch als Angestellter machen. Vielleicht würde es ihm gut passen ein bisschen hin und her fahren zu können und nicht nur in einem Lager festzusitzen. Vielleicht ist er gern draussen, oder er unterhält sich gern ein bisschen mit Leuten. Dann sollte man etwas suchen, wo er das hat.

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Danke für den Tipp. Vielleicht finden wir etwas, das ihn aus dem Loch holt.
Sehr Lieb von dir, deine Gedanken.

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Keine Ursache. Vielleicht hat man auch z.B. beim Arbeitsamt solche Tests, wo man testen kann, welche Faktoren einem am wichtigsten sind, was den Arbeitsplatz angeht. Also, so dass er mal drüber nachdenken könnte - was ist ihm eigentlich am wichtigsten - Abwechslung, eigenständige Aufgaben, draussen sein, oder Kontakt mit Menschen, usw.

Aber er muss auch zum Arzt und was gegen seine Depression tun. Das verschwindet nicht von allein.

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Ist die Depression diagnostiziert???? Ist er in Behandlung???

In Syrien wird er seine Tankstelle doch auch nicht erst mittags geöffnet haben, oder?
Wie ist es dort gelaufen?
Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass er hier in Deutschland mit diesem Problem beruflich auf die Beine kommt.
Was sagt er denn selber dazu? Wenn du ihn aufweckst, dann klappt es doch scheinbar auch - trotz Depression, oder wie?

Kann es mir echt nicht vorstellen, meinem Mann morgens wecken zu müssen wie ein Schulkind, nur damit er seinem Job nachgehen kann.
Da muss dringend was geschehen! Und ich bin sicher, dass Selbständigkeit (im Beruf) nicht die Lösung des Problems ist.

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Ja in Syrien hat das alles super geklappt. Er hatte Angestellte, hat jede Schicht übernommen, außerdem im Büro oder Auslieferungen gemacht.

Seine Erfahrungen die er gemacht hat im Krieg, sind brutal und menschenverachtend. Ich wünsche nicht meinem ärgsten Feind das, was mein Freund mit ansehen musste und was seiner Familie wiederfahren ist. Er ist geflohen und kämpft seither darum auf die Beine zu kommen.

Danke dir für deine Gedanken.

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Ich glaube dir, dass er schlimme Sachen miterleben musste - keine Frage.
Kann auch durchaus damit zusammenhängen, dass er derzeitig nix auf die Reihe kriegt.

Drum meine Frage. Ist die Depression diagnostiziert und wird er behandelt???

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Ich kann verstehen, dass er die Ereignisse vom Krieg vielleicht einfach vergessen will und weiter funktionieren möchte.
Dass das bei einem Menschen nicht funktioniert, zeigt sich in solchen "Kleinigkeiten" wie dem Aufstehen.
Das muss man absolut ernst nehmen, denn die Probleme werden sonst großer.

Ich rate euch auch zu einer Therapie oder einem stationären Aufenthalt. Und gleichzeitig muss er sich krankschreiben lassen, evtl geht das nur mit einer Diagnose. In Deutschland ist sowas durch das Gesundheitssystem möglich und bei so einem akuten Fall würde ich das in Anspruch nehmen


Deinem Mann droht der größte psvhische Zusammenbruch, wenn er seine Geschichte nicht verarbeiten kann.

Geht bitte nicht in die Selbstständigkeit. Da ist so viel Druck dahinter, was alles eingehalten werden muss. So viele Kosten am laufenden Band, man denke zu den genannten Bereichen auch nur Mal an die Buchhaltung. Das Finanzamt steht ganz schnell da und hebt die Hände auf.

Nehmt psychogische Hilfe in Anspruch. Das kann wirklich funktionieren.

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Wir sind selbständig. Jemandem, der so eine Arbeitsmoral an den Tag legt, rate ich dringend davon ab!!!!
Selbständigkeit bedeutet - vor allem zu Beginn - IMMER auf Zack zu sein, immer parat zu sein. Man muss zu dem Job die Finanzen in den Griff bekommen (Steuer sind kein einfaches Thema).

Und „einfach selbständig“ werden ist auch recht naiv. Mit was denn? Was kann denn anbieten? Hat er Qualifikation in dem Bereich? Da fällt er doch nur vom Regen in die Traufe und bricht sich das Genick.

Wenn er diagnostizierte Depressionen hat, dann muss er diese in den Griff bekommen. Ist er denn in Therapie? Wenn das angegangen ist, dann klappt auch ein Job. Verschlafen ist dann nur eine Ausrede.

Also Gesundheit angehen und dann anstellen lassen. Und direkt mehrere Wecker im Raum verteilen.

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Kiosks, kleine Tankstelle, Taxiunternehmen, Franchise, Paketzustellung… je nach dem wie seine fachlichen Kenntnisse sind wäre das selbstständig schon denkbar.

Allerdings wird die deutsche Bürokratie mit allem was er dann abliefern muss nicht mit den Anforderungen in seinem Herkunftsland vergleichbar sein. Könntet ihr gemeinsam was auf die Beine stellen?

Als Frau gibt es ja z.B. auch Möglichkeiten a La Mary K., Tupperware oder ähnlich wo
man ja selbst festlegt wie viel man sich einplant. Vielleicht gibt es das auch in anderen Bereichen
Ähnlich konzipiert?

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Woher soll das Geld dafür kommen?
Taxiunternehem? Die kämpfen alle mit den Spritpreisen! Genauso die Tankstellen.
So wie die Arbeitsmoral ist, sollte er es lassen!

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Ein paar Gedankenspiele müssen doch erlaubt sein. Ob / was davon passt, können wir nicht entscheiden! Wir kennen ihn weder persönlich noch wissen wir welche Fähigkeiten er hat.

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Du schreibst, dein Mann hat Depressionen. Das was du beschreibst, kenne ich sehr gut aus depressiven Episoden. Es gab Zeiten, da habe ich keinen Job länger als 3 Monate gehabt. Wie es besser wurde? Mit Verhaltenstherapie und antriebsteigernden Antidepressiva. Dadurch habe ich mein Leben seit 3 Jahren im Griff. Ich arbeite nicht vollzeit, dass schaffe ich nicht.
Dein Mann stammt aus Syrien, er hat vielleicht Krieg erlebt, eine Flucht und seine Eigenständigkeit verloren. Jeder einzelne Punkt könnte schon ausreichen, um in eine Depression zu fallen.
Ohne Hilfe und Therapie geht es nicht. Auch für dich. Denn häufig neigen Angehörige von depressiven Menschen dazu, in Verhaltensmuster wie Co-Abhängige zu verfallen. Ihr habt 3 Kinder, für die tragt ihr Verantwortung, auch ist es doch für ihn ein guter Zustand. Hat er einen Hausarzt, dem er vertraut? Das könnte der ersten anlaufpunkt sein