Hallo ihr,
meine Frage richtet sich an diejenigen unter euch, die entweder selbst ADHS haben oder eine Partnerin/einen Partner, die/der betroffen ist.
Mein Freund (33) und ich sind seit vier Jahren zusammen.
Nachdem wir uns kennengelernt haben und zusammen gekommen sind, habe ich Stück für Stück erfahren, dass er verschuldet ist. Er hat irgendwann Briefe nicht mehr geöffnet und war mit den Gläubigern überfordert.
Zudem hat er mich erst nach sehr lange Zeit in seine Wohnung gelassen, die in einem wirklich üblen Zustand war (die meisten Menschen wären dort rückwärts wieder raus). Jetzt wohnen wir seit ca. 2,5 Jahren zusammen. Ordnung zu halten und seinen Tag zu strukturieren, fällt ihm sichtlich schwer. Andere Menschen stressen ihn oft schnell und er braucht viel Zeit für sich. Am Anfang unserer Beziehung hat er Treffen manchmal kurzfristig abgesagt, weil er "nicht gut drauf war". Das hat mich zu Beginn sehr verunsichert, mittlerweile weiß ich, dass er ab und an "Schweige-Tage" hat, an denen er kaum spricht und sehr abwesend wirkt. Manchmal träumt er vor sich hin und ist so versunken, dass ich ihn mehrmals ansprechen muss. Früher war er sehr unruhig innerlich, das hat sich gelegt. Trotzdem hat er oft Konzentrationsschwierigkeiten (sagt er selbst) und schläft auch schlecht. Vor kurzem hat er mir erzählt, dass es mit 12 Jahren aufgrund diverser Schul-Schwierigkeiten den Verdacht auf ADHS gab. Aus ihm unbekannten Gründen ist dem nicht weiter nachgegangen worden, es gibt keine Diagnose.
Mir ist völlig klar, dass ein Forum diese auch nicht stellen kann. Trotzdem würde mich eure Einschätzung als Betroffene(r) bzw. Partner interessieren, ob es von dem, was ihr von euch bzw euren Partnern an Symptomen kennt ADHS sein könnte.
LG
Partnerschaft und ADHS
Kann er nicht seine Eltern fragen wieso da dem Verdacht nicht weiter nachgegangen wurde? Wäre ja schon interessant zu erfahren.
Es hört sich für mich auch eher nach ADS (ohne H) an. Typischerweise sind die Menschen ruhiger, können richtige Träumer sein, haben ebenfalls Konzentrations- und Organisationsprobleme und können Depressionen entwickeln.
Allerdings sagt man, dass bei einem Erwachsenen aus einem ADHS eben im Erwachsenenalter ein ADS werden kann. Damit habe ich aber meine Erfahrung. Der Unterschied wäre, dass dein Mann als Kind sehr lebhaft und waghalsig war, statt ruhig.
Es ist für ihn sehr wichtig, feste Strukturen in seinen Alltag einzubauen. Was liegt wo. Wie gehe ich mit Post im Detail um. Wann gehe ich einkaufen etc.
In den Tag hinein, der Situation angepasst, funktioniert meist nicht. Klare Abläufe für (fast) alles, Ordnung nicht nur für Dinge (seine Ordnung muss nicht deine Ordnung sein, aber es darf nicht wahllos sein) sondern auch für Aufgaben und Pflichten. Daran können sich AD(H)Sler besser entlang hangeln.
Danke dir für deine Antwort!
Ja, er hat mir gesagt, ich könnte sie ruhig fragen und das werde ich auch machen.
Für ihn ist das ein sehr unangenehmes Thema, was ich vollkommen nachvollziehen kann.
Es geht mir auch überhaupt nicht darum, ihm einen Stempel zu verpassen, ich möchte nur ihn und sein Verhalten besser verstehen.
Wir haben eine kleine Tochter und sind sehr oft aneinander geraten, weil ich mir mehr Unterstützung gewünscht und mich über sein Chaos und mangelnde Struktur geärgert habe.
Nachdem er in völlig anderem Zusammenhang und nur nebenbei die Sache mit dem ADHS erwähnt hat, habe ich mich gefragt, ob es vielleicht tatsächlich eher ein "nicht können/überfordert sein", als ein "nicht wollen" ist.
Hört sich schon ziemlich nach mir an und ich habe ADS. Anders als in der ersten Antwort bin ich allerdings nicht der Ansicht, dass ganz feste Strukturen das A und O sind. Warum? Als ADSler kann man sie nicht halten und das "Versagen" macht einen unglücklich und verzweifelt. Besser sind, frei nach Fluch der Karibik, "Richtlinien". Unter Umständen könnten Medikamente etwas helfen, aber bei ADSlern (ohne H) wirken sie leider deutlich weniger. Er sollte auf jeden Fall eine Diagnose stellen lassen. Das hilft schon sehr.
Mein Mann hat ADHS, wir sind seit 15 Jahren zusammen.
Bei der Struktur geh ich mit, beim Chaos auch...weder hat er je ein Treffen abgesagt noch keine Post geöffnet.
All dasklingt viel eher nach mir während meiner akuten Depression.
Das mit den Treffen. Also ich von mir kenne es, dass mich viele Menschen in einem Raum wegen dem Stimmengewirr öfter stressen. Ich kann mich nicht auf so viele Sachen gleichzeitig konzentrieren. Deswegen mache ich gleich von Anfang an weniger aus.
Richtig, DaS hat er auch, aber wie Du schon sagst: er verabredet sich dann erst gar nicht.
Absagen wegen "nicht gut drauf sein" kenne ich von mir in der akuten Phase der Depression
Warum verfolgt er das Thema nicht weiter? Nach allem, was ich hier so von betroffenen gelesen habe, ist das halt der erste wichtige Schritt. Bringt ihm ja auch Lebensqualität, wenn er weiß, was Sache ist und wie ihm manche Dinge dann leichter fallen oder auf was er achten muss :)
Ich wünsche euch alles Gute!
Ich hab selbst ADHS, aber viel von dem was du beschreibst, könnte mindestens so gut auf Asperger oder Depression passen.
Dass mit dem Schuldenmachen, nicht mit Geld umgehen können und dann Briefe nicht mehr öffnen und die Wohnung nicht in Ordnung halten können - das ist nicht wirklich ADHS-spezifisch. Aber es ist ernst. Meine Schwester war so - sie hatte nicht ADHS sondern einen Hirnschaden. Ich hab mal mit einem Therapeuten drüber gesprochen und der meinte, es wäre sowieso fast unmöglich solche Leute zu therapieren. D.h. wenn jemand einmal ein Messie ist (nun ist es bei deinem Mann vielleicht noch nicht so weit), dann braucht man ein ganzes Team um auch nur zu versuchen, solche Leute zu therapieren. Und es gelingt auch nicht immer.
Sicher, Probleme den Alltag zu strukturieren, Zeit für sich haben, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten - das kann ADHS sein. Dass er aber Treffen absagt, weil er schlecht drauf ist - das hört sich für mich eher nach Depression an. Ist aber auch nicht ungewöhnlich bei Erwachsenen mit Asperger.
Eine Sache noch: Er ist dein Partner, du bist nicht sein Therapeut. Wenn man eine Beziehung eingeht, sollte man kapabel sein, diese vernünftig zu führen. Und den Alltag sollte man auch allein bewältigen können. Der Partner soll nicht dazu gebraucht werden.
Sicher, die allermeisten mit ADHS werden wohl Symptome haben, wo der Partner dann schon mal hilft - einen mal erinnert, wenn man leicht vergisst oder so. Aber dann im Rahmen von gewöhnlichem gegenseitig helfen, wie man das in einer Partnerschaft tut. Wenn du meinen Mann fragen würdest, dann würde er sagen, dass ich ihm auch mit manchen Sachen helfe.
Hey!
Ich habe adhs und erkenne mich schon dort wieder.
"dass er verschuldet ist. Er hat irgendwann Briefe nicht mehr geöffnet und war mit den Gläubigern überfordert."
Schulden hatte ich auch, weil ich durch die Impulsivität zu viel Geld ausgegeben habe. Rechnungen, die eintrafen, habe ich oft gesammelt und nicht bearbeitet. Ich wollte mich mal in Ruhe hinsetzen und mich kümmern- aber das hat dann oft nicht geklappt.
"die in einem wirklich üblen Zustand war"
War bei mir zeitweise auch so. Mittlerweile bin ich das völlige Gegenteil.
"Ordnung zu halten und seinen Tag zu strukturieren, fällt ihm sichtlich schwer."
Jop, kenne ich.
"hat er Treffen manchmal kurzfristig abgesagt, weil er "nicht gut drauf war". Das hat mich zu Beginn sehr verunsichert, mittlerweile weiß ich, dass er ab und an "Schweige-Tage" hat, an denen er kaum spricht und sehr abwesend wirkt."
Kenne ich so nicht, wobei ich nicht der redseligste Mensch bin.
"Manchmal träumt er vor sich hin und ist so versunken, dass ich ihn mehrmals ansprechen muss." Das nennt sich Hyperfokus und kenne ich auch.
"Trotzdem hat er oft Konzentrationsschwierigkeiten (sagt er selbst) und schläft auch schlecht." Die Konzentration ist natürlich bei adhs ein Problem. Schlafstörungen kenne ich nicht. Hat er schonmal abends Kaffee getrunken?
"Aus ihm unbekannten Gründen ist dem nicht weiter nachgegangen worden, es gibt keine Diagnose."
Da soll er mal seine Eltern fragen. Viele Eltern stecken den Kopf tief in den Sand, wenn sie die vier Buchstaben hören. Solange keine Diagnose gestellt wird, ist die Welt für sie in Ordnung.
Hatte er die Probleme denn auch vor dem 7. Lebensjahr, im Kindergarten und danach in der Grundschule? Hat er noch alte Zeugnisse, in denen die Konzentration bemängelt wird?
Es kann schon adhs sein- er soll sich mal in einer ADHS-Ambulanz für Erwachsene vorstellen.
Ich bin meine Schulden noch vor der Diagnose losgeworden. Es ist also möglich und adhs kein Umstand, hinter dem man sich verstecken kann.
Meine Therapeutin sagte zu mir, dass meine Werte im Test so hoch waren, dass ich ohne die Intelligenz mit einem gesetzlichen Betreuer, der meine Finanzen verwaltet, vor ihr sitzen würde.
Das sollte dir klar sein, wenn du mit ihm ein gemeinsames Konto eröffnest oder ihn heiratest. Wenn er es nicht in den Griff bekommt, hängst du mit drin.
Von daher... überleg dir, was du möchtest.
Ist er denn einsichtig, dass er etwas ändern möchte?
Liebe Grüße
Schoko