Wenn die Krankheit des Partners einen selbst ausbremst

Hallo,

Mir geht es aktuell nicht gut. Ich bin Ende 30 und seit über 20 Jahren mit meinem Partner zusammen. Vor gut 15 Jahren ist bei ihm MS diagnostiziert. Es handelt sich um eine Mischform - es gibt also Schübe, aber insgesamt auch einen progredienten Verlauf.

Es fällt mir schwer das zuzugeben, aber es fällt mir zunehmend schwerer, die Kompromisse, die die Krankheit erfordert, mitzutragen. Seine Gehfähigkeit ist eingeschränkt, sodass im Guten eigentlich nur Strecken unter 100m gehen. Er ist viel müde, sodass soziale Kontakte gegen null gehen. Das Intimleben findet nur mit Einschränkungen statt. Bei Unternehmungen muss immer ein WC sofort verfügbar sein.

Das sind jetzt die gravierendsten Einschränkungen kurz zusammengefasst.

Ich komme mir so unglaublich schlecht vor, dass ich wegen einer Erkrankung die Beziehung allmählich verschwinden sehe... Aber ich kann mich zunehmend weniger mit den Einschränkungen arrangieren und finde vieles ziemlich abturnend... Und bin so langsam echt verzweifelt, weil ich einfach nicht sehe, was für eine Partnerschaft übrigbleiben soll, wenn sowohl die erotische Anziehung, als auch das "making memories" verloren geht.

Vielleicht war jemand von euch in einer ähnlichen Situation und kann mir berichten, wie das ausgegangen ist.

Liebe Grüße!

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Ich hab gut reden, denn ich bin nicht in deiner Position. Aber ich liebe meinen Partner, nicht „nur“ wegen unseres Intimlebens oder gemeinsamen Unternehmungen. Sondern ihn als Mensch.

Ich glaube, ich würde bei ihm bleiben, selbst, wenn er nicht mehr mit raus kann.

Trotzdem finde ich nicht, dass DU (wenn’s dir fehlt und du Ressourcen hast) dein soziales Leben usw einschränken musst.

Du gehst viele Kompromisse ein, das ist dann ein Kompromiss, den dein Partner eingehen muss - du unternimmst Dinge, machst Ausflüge und Urlaube, aber halt eben ohne ihn. Eventuell kann man das auch aufs Intimleben ausweiten, aber das ist noch mal ne andere Nummer, denke ich.

Anyway: das wäre mein Ansatz. Für dich ist aber eben etwas anderes in einer Beziehung wichtig und das kann dein Partner dir eben nicht mehr erfüllen, dahin werdet ihr auch nie wieder kommen. Wenn es für dich nicht mehr tragbar ist, musst du dich trennen 🤷‍♀️

Aber vielleicht wäre es ja eine Überlegung, wie es wäre, wenn ihr in umgekehrter Position wärt - was würdest du dir dann wünschen oder erhoffen? Was, wenn du mal nicht mehr kannst, wie du willst; ist es ok wenn sich dann die Menschen, die du liebst und die dich lieben abwenden?

Ich weiß, es klingt sehr vorwurfsvoll. Es ist halt meine Einstellung zu Partnerschaft und zum Leben; aber das ist auch nur MEINE Einstellung.

Wenn du eine andere hast, dich trennen möchtest, dann ist das legitim und ich würde es nicht verurteilen. Aber vielleicht findet ihr ja einen Mittelweg.

Aber drüber reden müsst und solltet ihr wohl…

Alles Gute euch!

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Hallo,

Danke für deine Antwort.

Ich will mich im Grunde nicht trennen. Ich sehe nur gerade nicht, wie bei der Entwickung eine echte Beziehung und nicht "nur" eine Freundschaft übrig bleiben soll.

Ich mache schon Dinge alleine (teils auch Kurzurlaube). Allerdings habe ich das Gefühl, dass mich das eher mehr von ihm entfernt, weil es ohne ihn viel "einfacher" ist. Das klingt furchtbar, ich weiß.

Er steht mir dabei auf den ersten Blick auch gar nicht im Weg, teilt mir aber andererseits stets direkt mit, wie sehr er mich vermisst oder dass er gerne dabei wäre. Das erdrückt mich irgendwie, weil es mit ein schlechtes Gewissen macht. Habe ich ihm auch gesagt, aber er sagt, dass er es so gar nicht meint, ändert aber nichts daran.

Viele Grüße!

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Habt ihr Kinder ? Schwierige Frage natürlich aber ich finde nicht, das man aus Mitleid in einer unzufriedenen Partnerschaft bleiben muss. Wenn du dich nach "mehr" sehnst, dann ist das okay und verständlich. Du bist ja auch noch jung.
Wie ist die Beziehung sonst so ? Gibt es gute Gespräche? Liebst du ihn noch ?
Ich finde aufjedenfall dass du nicht verpflichtet bist nur wegen der Krankheit bei ihm zu bleiben.

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Hallo,

Danke für deine Antwort.

Ja, wir haben eine Tochter (15), die in zwei Jahren Abitur machen wird.

Ich selbst fühle nich einfach gerade so leer, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich fühle. Gespräche sind mal so, mal so, da er sehr weit ab des Mainstreams unterwegs ist (teils inhaltlich okay, teils irgendwelche Verschwörungstheorien) und stundenlang irgendwelche Texte lesen kann, die mich einfach null interessieren. Das klammern wir in unserer Kommunikation dann einfach aus und das ist dann auch okay. Trotzdem gibt es Tage, an denen ich nicht weiß, was ich mit ihm bereden soll. Das ist aber, so glaube ich, grundsätzlich normal.

Generell ist er sehr liebevoll und steht mir auch auf den ersten Blick gar nicht im Weg, wenn ich was alleine machen will, teilt mir aber andererseits stets nach gefühlten fünf Minuten mit, dass er mich vermisst oder gern dabei wäre. Glaube ich ihn sogar, aber mich erdrückt das einerseits und macht mir auch ein schlechtes Gewissen (hab ich ihm gesagt, aber er meint nur, dass er das so gar nicht meint und ändert halt nichts daran).

Außerdem würde ich echt gerne Dinge mit ihm zusammen machen, aber von ihm kommt da einfach nichts. Er ist zufrieden, wenn er am PC seine Texte lesen kann und wor abends mal nen Film zusammen schauen. Gleichzeitig kommt er gerne mit, wenn ich etwas vorschlage, was für ihn machbar ist. Allerdings ermüdet mich das zunehmend, hier dauerhaft diejenige zu sein, die ihn mitzieht (und dann noch für Dinge, bei denen ich selbst vielleicht lieber was anderes tun würde, aber eben auf seine Einschränkungen Rücksicht nehme und einen Kompromiss finde). Ich würde mir wünschen, dass auch von ihm mal was kommt, aber das passiert irgendwie nicht.

Ich will mich auch gar nicht trennen, ich sehe gerade einfach nur nicht, wie bei der Entwicklung am Ende noch eine Beziehung und nicht "nur" eine Freundschaft übrig bleibt.

Viele Grüße

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Puh, ich bin die andere Seite in deiner Geschichte, kein MS, aber ein Unfall udn zwei kleine Schlaganfälle, die mich aus dem Leben geschossen haben, als unsere Tochter noch sehr klein war. Von topfit plötzlich auf ein Leben mit vielen Einschränkungen, damit musste ich erst zurechtkommen.

Alle drei Punkte, die du als gravierend beschreibst, die sind für mich Alltag, mit dem ich leben muß. Und ja, sie betreffen leider auch meinen Mann, meine Tochter und Freunde. Ich muß meine Kräfte so einteilen, das alle ein bißchen was davon haben. Spontan geht nur auf mein "Go" hin. Ich selber sorge durch passende Hilfsmittel dafür, das ich teilhaben kann, aber es gibt klare Grenzen. Ich denke also nicht wirklich vergleichbar mit MS.

Die schlimmste Vorstellung für mich ist, das mein Mann nur aus Pflichtgefühl oder Mitleid an meiner Seite bleibt. Das ist wirklcih eine unerträgliche Vorstellung für mich. Und ja, ich habe ihm schon meine Möglichkeiten und Alternativen für ein Leben ohne ihn aufgezeigt.

Von daher kann ich dir nur sagen, bleibe nur bei ihm, wenn du das wirklich willst. Kannst du das nicht mehr, dann ist das okay. Niemand will Menschen seiner Seite, die nur aus Mitleid da sind. Du darfst gehen, wirklich. Sorry wenn cih das so nenne, aber so eine Scheiße muß man einfach mittragen wollen, anders geht es nicht.

Ich kann dir leider nicht sagen, wie das ausgegangen ist...wir stecken mittendrin. Aber ich würde von ganzem Herzen verstehen, wenn er das alles nicht mehr mittragen kann oder will.

Trotzdem möchte ich auch noch ein anderes Wort dalassen, ich kann jetzt schlecht nachvollziehen, warum du nicht alleine aktiv bist....Freunde, Unternehmungen (die er nicht mitmachen kann), sogar Urlaube ohne mich sind hier selbstverständlich und aus meiner Sicht extrem wichtig. Mein Mann ist und bleibt trotz allem ein eigenständiger Mensch udn wir haben trotzdem sehr viele Möglcihkeiten schöne Erinerungen zu schaffen,....auch wenn diese doch irgendwie anders sind, als wir uns das früher vorgestellt haben. Kann dein Partner nicht mehr alleine bleiben? Auch da gibt es Alternativen und Möglichkeiten.

Bearbeitet von Butterstulle
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Liebe Butterstulle,
dein Text hat mich sehr berührt.
Herzliche Grüße und alles Gute für euch 🩵

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Hallo,

Ganz lieben Dank für deine Antwort.

Zuerst auf deine Frage: ich tue schon Dinge alleine (Freunde treffen, mal ein Kurzurlaub). Da steht mir mein Partner auf den ersten Blick auch gar nicht im Weg. Er teilt mir dann aber auch umgehend mit, wie sehr er mich vermisst oder dass er gern dabei wäre. Das macht mir dann direkt ein schlechtes Gewissen. Hab ich ihm gesagt. Er meint, dass er das so nicht meint, lässt es aber eben auch nicht.
Schwierig ist, dass gemeinsame Freunde sich mittlerweile anders orientieren, sodass dort die Treffen deutlich weniger werden. Er kümmert sich da nicht sonderlich drum und ist zu Hause mit mir allein zufrieden. Wenn ich da mehr Treffen will, muss immer ich das initiieren. Es schlaucht mich, dass er das nicht tut, aber er scheint es eben einfach nicht zu brauchen, sodass ich da wieder meine Bedürfnisse runterschrauben muss. Habe ich auch 13 Jahre gerne getan, aber ich merke in den letzten beiden Jahren immer mehr, dass mich das zunehmend stört...

Vielleicht wäre ich "zufriedener", wenn er wie du entsprechende Hilfsmittel in Anspruch nehmen würde (z. B. Elektrorollstuhl) oder mehr medizinische Hilfsmittel. Leider will er das aus diversen Gründen nicht (teilweise zu "stolz", teilweise Ablehnung gegen Schulmedizin). Wahrscheinlich liegt da der Hund begraben: ich muss Kompromisse eingehen, die objektiv betrachtet vielleicht gar nicht nötig wären...

Viele Grüße!

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Liebst du ihn noch?
Falls ja, würde ich bei ihm bleiben trotz aller Einschränkungen. Mein Vater hat eine schwere Erkrankung diagnostiziert bekommen als er noch keine 5 Jahre mit meiner Stiefmutter verheiratet war. Er ist ähnlich eingeschränkt wie du es von deinem Partner beschreibst. Sie ist geblieben. Bis heute. Und erträgt es - sie liebt ihn einfach. Ob sie noch intim sein können geht mich nichts an, aber sie unternehmen noch Dinge gemeinsam. Sie haben sich Dinge gesucht, die trotzdem gehen: Gemeinsam am Meer sitzen, Eis essen gehen, mit der Gondel zum Gipfel rauf,.. sie wirken trotz der Umstände glücklich.
Falls nein, würde ich gehen. Dein Mann hat nichts davon, wenn du nur aufgrund eines schlechten Gewissens einen Kranken zu verlassen bei ihm bleibrn würdest.

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Sagen wir eine Frau wird krank, z. B. Krebs und verändert sich stark durch die Therapie. Schöner wird man von Chemo nicht gerade, und je nach Stadium der Krankheit, sind gemeinsame Unternehmungen auch nicht mehr möglich. Der Mann "will mehr", und sieht die Partnerschaft schwinden.
Würden dann die Reaktionen auch so verständnisvoll ausfallen?

Kann nicht eine andere Person bei deinem Mann bleiben für ein paar Stunden, dass du mal Luft schnappen oder dich mit einer Freundin treffen kannst? Er muss ja nicht dabei sein. So würde ich das machen...

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"Kann nicht eine andere Person bei deinem Mann bleiben für ein paar Stunden, dass du mal Luft schnappen oder dich mit einer Freundin treffen kannst? Er muss ja nicht dabei sein. So würde ich das machen..."
Das ist wohl nicht das Problem. Eher, dass sie kein gemeinsames Leben mehr haben, weil er sich zurückzieht und auf Hilfsmittel, die ihm Teilhabe ermöglichen, verzichtet. Wenn sie dann alleine loszieht, erhält sie Nachrichten, die ihr ein schlechtes Gewissen machen. Dabei ist es ja im Grunde seine Wahl gewesen, zu Hause zu bleiben. Im Grunde bleibt ihr ja nur die Möglichkeit, mit ihm zu Hause zu bleiben- und so ihr eigenes Leben ziehen zu lassen, wenn sie Zeit mit ihm verbringen möchte.

Insofern hinkt dein Vergleich, da eine Krebspatientin die Wahlmöglichkeit nicht hat.

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Ich bin in fast genau der gleichen Position wie du, gleiches Alter nur andere Krankheit (und die, die immer ein WC braucht bin ich, nicht er😜). Bei mir sind es knapp 10 Jahre schon so. Ja, es fällt mir manchmal auch schwer und manchmal stelle ich mir die gleichen Fragen. Aber wie eine andere Userin schreibt: ich liebe meinen Mann als Menschen, daher kann ich mir nicht vorstellen, ihn zu verlassen.

Ich treffe mich dann halt an den Wochenenden ab und wann mal auswärts mit Freunden oder gehe alleine zu gemeinsamen Einladungen (z.B. Nachbarn). Bei Einladungen enger Freunden (die wissen ja von seiner Krankheit) gehen wir entweder nur relativ kurz (das tut schon der Psyche gut, sowohl ihm als auch mir) oder bei längeren Feiern gibt es immer einen Rückzugsort für ihn wo er sich dann z.B. hinlegen kann. Jeder hat Verständnis und will unterstützen. Ich hoffe, ihr habt auch so gute Freunde, das ist mehr als Gold wert.

Wir laden auch oft ein. Die Leute wissen, dass mein Mann nicht mehr so mobil ist und kommen gerne vorbei. Wir haben unser Haus inzwischen entsprechend eingerichtet, sprich: sehr grosser Wohnbereich mit langem Tisch, draußen inzwischen auch ein grösserer Bereich zum Essen/Sitzen, ein Zimmer wird jeweils ein Game/Spielzimmer für die Besuchskinder, Planschbecken im Garten etc.. So haben wir doch immer mal wieder Leute um uns und versauern nicht in unseren eigenen 4 Wänden.

Ich wünsche dir viel Kraft, ich weiss ganz genau, in welcher Situation du steckst.

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Sehr schöner Text, dir alles Gute

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Die Frage ist doch, ob du ihn noch liebst. Wenn ja, gilt: in guten und in schlechten Zeiten.

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Ich bin nie in der Situation gewesen und sage dir einfach, was mir durch den Kopf geht.

Ihr seid sehr unterschiedlich, habt nicht viele Gemeinsamkeiten, er geht nach Gesprächen nicht auf dich ein (sagt einfach weiter "ich vermisse dich") und macht dir dadurch ein schlechtes Gewissen und ihr habt wenig bis kaum Zärtlichkeit.
Du spürst, dass es keine Liebe mehr ist sondern immer mehr zu Freundschaft (wenn überhaupt) wird.

Für mich, ist die Krankheit nur ein winziger Teil der Realität und ich glaube, du hättest fast den gleichen Text auch ohne seine Krankheit geschrieben, vielleicht erst 2 Jahre später...

Es kann sein, dass ich völlig daneben liege, aber ich wollte es mal erwähnen.

Ich glaube, wenn es wirklich noch Liebe wäre, dann wäre es auch schwierig, aber du hättest nicht hier geschrieben.

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Seid ihr verheiratet, falls nein, woran ist das gescheitert?