Nur eine Option, aber keine Priorität

Mein Mann kommt aus einer Berufsgruppe mit einer sehr hohen Scheidungsrate und nun hat es uns auch erwischt.
Ich kenne meinen Mann mein halbes Leben lang. Wir kamen als Patchworkfamilie zusammen und haben diese mit der Geburt unseres gemeinsamen Kindes perfekt gemacht. Natürlich hatten auch wir unsere Höhen und Tiefen, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich die Scheidung aussprechen muss. Aber aus diesem Tief kommen wir nicht mehr raus und es bricht mir das Herz.
Wir hatten wenig Zeit als Familie, was der Beruf mit sich bringt. Damit hatte ich selten ein Problem. Ich wusste worauf ich mich einlasse, bin an meinen Aufgaben gewachsen und konnte mir viele Dinge aneignen, die ich mit Sicherheit nie erlernt oder erlebt hätte, wäre ich nicht an meine Grenzen gestoßen. Ich kann mittlerweile sogar schweissen.
Mein Mann hat narzisstische Züge, die ihm vor etlichen Jahren auch bei einem Beurteilungsschreiben vermekt wurden. Es passt sehr gut zu der Charakterbeschreibung meines Mannes. Er steht sehr gerne im Mittelpunkt, braucht viel Anerkennung von außen, ist zu seinen Gunsten nicht sehr loyal und zieht eher mich in Mitleidenschaft, ist eher Pessimist, ständige Schuldumkehr, keine Anerkennung für Mitmenschen, keinerlei ehrliche Empathie, ein sehr guter Schauspieler nach außen, Sarkasmus, keine Selbstreflektion u.s.w. Trotz der ganzen Aber habe ich immer einen Weg gefunden zu kommunizieren. Sicherlich, unsere Streitkultur ist ganz anders als bei "normal tickenden" Partnerschaften. Mir ist auch durchaus bewusst, dass sein Verhalten aus seiner Kinderzeit stammt...
Aber seit einem Jahr hat sich bei mir etwas verändert. Lügen, auch wenn es nur im Auge des Betrachters kleine Lügen waren und sind, fühlt sich an wie betrogen werden. Wenn er außer Haus war hat mein Mann ein ganz anderes Leben geführt, eines um das ich oft gebeten habe aber nie aufgrund fehlendem Interesse erhalten habe. Ab da habe ich ihn mit meiner Kommunikation nicht mehr erreicht und habe viele mentale Feder lassen müsssen.
Unsere Kommunikation ist völlig eingeschlafen und wenn er Probleme hat teilt er diese plötzlich nicht mal mehr mit mir. Nicht, dass mein Mann in der Vergangenheit ein offenes Buch war, ganz im Gegenteil. Wenn etwas nicht nach seinem Gusto lief wurde er zu einem sehr zynischen, toxischen Menschen aber ich konnte ihn immer irgendwie abholen und er war in der Lage mir zu sagen was ihn ärgert. Jetzt werde ich mittlerweile abgespeist und regelrecht ignoriert. Es fällt mir schwer auf seine Abfuhr nicht einzugehen und nachzugeben, denn es ist mehr als eindeutig, ich werde gerade abserviert. Damit hatte ich in dem Moment sehr zu kämpfen, denn das ist wirklich untypisch für ihn.
Jetzt gerade bin ich erschreckend emotionslos, sehr untypisch für mich, obwohl mein Puls vor einer Stunde nach der komischen Reaktion noch an der Belastungsgrenze war und ich ihm am liebsten mitgeteilt hätte, wie unschön das Gefühl ist ausgeschlossen zu werden und nicht zu wissen was los ist. In jeder anderen intakten Beziehung würde man es hinnehmen, den Partner Kraft, eine gute Nacht, Erholung wünschen. Oder im Gegenzug würde der Partner anrufen und sich erkundigen wie der Geburtstag des Kindes war, sich positiven Input holen.
Ich hingegen weiß ganz genau, dass es Auswirkungen haben wird auf uns. Ich muss auch damit rechnen ausgetauscht zu werden.

Und wisst ihr was ein riesen Problem ist in solchen langjährigen und ungesunden Beziehungen? Man wird emotional abhängig. Ob es der Austoß vom ständigen Cortisol ist oder die emotionale Obdachlosigkeit, ich weiß es nicht.
Das Problem ist auch, es gibt mittlerweile so eine angestaute Wut, eine erreichte Frustrationsgrenze, eine kaum zu bändigende Impulskontrolle und so viele Worte die gesagt oder geschrieben werden müssten, weil man sonst glaubt daran zu ersticken. Nicht, dass es mein Gegenüber erreichen oder verstanden werden würde, davon sind wir mittlerweile Lichtjahre entfernt, aber einfach mal all den Frust sachlich und wohlwollend abladen zu können, das wäre schön.

Ich bin so froh über die Entwicklung meiner Kinder. Sie können sich klar abgrenzen, können für sich und ihre Bedürfnisse einstehen, sind empathisch und einfach wunderbar. Wahrscheinlich auch weil ich seit vielen Jahren alleinerziehend bin.

Jetzt werde ich meinen Mann im nächsten Gespräch mitteilen müssen, dass ich für mich in Zukunft einstehen und ich meine Grenze nach jahrelangem Übertritt zurück erlangen werde. Ich bin so viel mehr wert. Ich will eine Priorität und keine Option sein.
Wenn ich überhaupt so weit kommen sollte und mir nicht schon vorher der Wind aus den Segeln genommen wird, wird das einer meiner schwersten Entscheidungen sein. Und bitte versteht mich nicht falsch, ich handel nicht gegen einen Menschen sondern für mich.

Bearbeitet von fuschelklee
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Gute Abend,

Erstmal, herzlichen Glückwunsch für diese tolle Entscheidung, die du für dich nun getroffen hast was diese destruktive Beziehung angeht.

Im Nachhinein würde sich im Fall einer Trennung nicht sonderlich viel ändern, offenbar war dein Mann ohnehin sowohl emotional als auch physisch im geringfügige Maße verfügbar, wenn überhaupt.

Dass der Absprung in erster Linie nun mal kein zuckerschlecken ist, erklärt sich von selber.
Wichtig ist auch, den Kindern kein schlechtes Beispiel einer Partnerschaft vorzuleben, sondern lieber gleich auf das ganze Trara verzichten.
Dann bewahrst du wenigstens deine Energie und Ressourcen für dich und deine Kinder, ihr steht jetzt an erster Stelle.

Alles gute 🍀

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Guten Morgen RosaBala.
Vielen Dank für deine Worte, die du sehr gut gewähl hast.
Richtig, mein Mann war weder emotional noch physisch greifbar. Außer er war euphorisch, erfolgreich. Dann war unser Leben traumhaft.
Die Trennung wird mir noch mal alle Reserven abverlangen. Es wird psychisch eine absolut unschöne Herausforderung. Aufgrund meiner Abhängigkeit habe ich viele gute Freunde verloren und stehe ziemlich alleine da. Aber ich werde es schaffen.
Lachhaft und erschreckend, im Hinterkopf züngelt noch immer eine kleine naive Flamme die glaubt, es könnte sich zum Guten wenden.Die muss ich ersticken!
Meinen Kindern möchte ich das Drama ersparen. Bei meinen Eltern habe ich bereits mit sechs Jahren gehofft, sie mögen sich scheiden lassen. Es hat noch weitere 12 Jahre gedauert bis es endlich passierte.

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Für mich liest sich das auf jeden Fall nach Narzissmus bei deinem Mann, in der grandiosen Phase kann der Mensch sich öffnen und man erlebt eine gute Zeit.

Ich verstehe, man möchte diese Zeit natürlich nicht missen und man erinnert sich bestimmt immer wieder gerne daran.
Doch von langfristiger Konsistenz ist es leider nicht, das muss man sich vor Augen halten.

Vielleicht verspürt dein Mann ebenfalls einen Leidensdruck im Zusammenhang mit seiner psychischen Konstitution, auch wenn man es ihm nicht ansieht.
Wahrscheinlich muss er mit seinem ,,Doppelleben“ eine gewisse innere Leere füllen, welche alleinig durch eine intakte Partnerschaft nicht befriedigt werden kann.

Manchmal passt man nicht zusammen, aber immerhin weißt du jetzt, was du willst, und zwar emotionale Nähe, Transparenz, Verbindlichkeit und menschliche Wärme.
Und wer dir dies nicht bereit ist zu bieten, ist es auch nicht würdig sich dein Partner oder Mann zu nennen.

Und du hast es verdient geliebt, respektiert und geschätzt zu werden, bitte halte dir es immer vor Augen, wenn du an deiner Entscheidung doch noch zeitweise zweifeln solltest.

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Alles Liebe. Du kannst dich so toll ausdrücken, Wahnsinn. Du machst das Richtige. Sei gedrückt

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Liebe Fuschelklee,
ich fühle mit dir. Um ihm und deiner Sorge vorzukommen, spreche die Scheidung doch umgehend an. Ich frage mich gerade worauf du wartest.
Dein Text war nicht sehr konkret, aber du hast viel zu lange etwas mitgemacht und erduldet und die Kraft die du gerade aus dir selber schöpfst umgehend nutzen um tatsächlich für dich einzustehen. Sei konsequent. Mach Nägel mit Köpfen. Narzissten neigen im übrigen dazu wieder anzukommen. Daher kann ich dir schonmal den Rat auf den Weg geben, dich nicht einlullen zu lassen denn ein Narzisst ändert sich nicht. Sowas wäre maximal nur in einer Therpaie möglich und auch nur bei ernsthaftem Wunsch. Es wäre aber sehr müßig. Du hättest also keinen Gewinn wenn du dich nochmal oder weiter drauf einlässt.
Alles Gute für dich.

Bearbeitet von Marisa
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Guten Morgen Marisa. Vielen Dank für deine Antwort.
Ich gebe die vollkommen recht. Entweder er kommt wieder an oder aber ich werde sehr schnell ausgetauscht. Egal wie es läuft, es wird eine sehr anstrengende, unschöne und nervenaufreibende Zeit. Eine Therapie bei einem Narzissten ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Die Persönlichkeitsstörung ist nicht heilbar.
Was fehlt dir konkret in meinem Text?
Ich werde die Trennung aussprechen, allerdings muss ich dafür erstmal wieder in den Fokus meines Mannes gelangen, damit er überhaupt mit mir spricht. Er hat momentan ein Problem über das er mit mir nicht sprechen möchte, mich nicht an sich heran lässt und jeglichen Kontakt abblockt. Das ist auch mit einer der Gründe warum es mir jetzt noch bewusster wurde, dass es mit uns nicht mehr geht.

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Guten Morgen Fuschelklee,
ich stolperte beim Lesen deines Textes über folgenden Satz von dir:

„Ich werde die Trennung aussprechen, allerdings muss ich dafür erstmal wieder in den Fokus meines Mannes gelangen, damit er überhaupt mit mir spricht.“

Du brauchst für eine Trennung seine Zustimmung nicht und bräuchtest deshalb seinen Fokus auch gar nicht.
Möchtest du wirklich weiterhin um Aufmerksamkeit betteln und darauf hoffen?

Wenn deine Entscheidung gefallen ist und er sich dir derart entzieht und ignoriert, kannst du ihm die Trennung auch schriftlich mitteilen in Form eines Briefes, den du ihm auf den Tisch oder sein Kopfkissen legst.
Im Brief kannst du ihm auch die Begründung für selbigen mitteilen: er redet ja nicht mehr mit dir.
Außerdem kannst du dir auf diesem Weg alles von der Seele schreiben und ihm alles mitteilen, was sich all die Jahre anstaute.
Das wäre auch für dich ein guter Abschluss.

Mache dir vorab einen guten Plan und ziehe diesen dann durch.
Du wirst merken, dass es einfacher ist, als gedacht.
Denn du stemmst schon viele Jahre dein Leben mit den Kindern alleine. Er ist doch nur sporadisch da.

Sorge nun für dich selbst. Fange nochmal neu an und baue dir dein Leben so auf, wie DU es gerne willst.
Das hast du dir verdient und ich könnte mir vorstellen, dass es eine große Befreiung für dich wird.
Lebenszeit ist kostbar, zu kostbar um sie zu verschwenden und in Einsamkeit und Enttäuschung zu fristen.
Jeder Tag, den du weiter mit ihm zusammen bleibst ist verschwendet und enttäuschend.
Komme aus deiner Starre raus und handle.

Bearbeitet von Briefschreiber
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https://www.urbia.de/forum/16-partnerschaft/5822903-sieht-so-meine-zweite-lebenshaelfte-aus-ich-habe-es-getan

Dein Posting ähnelt sehr diesem Fall, finde ich. Kannst das auch mal so durchlesen.
Mir ist klar, dass man nach vielen Jahren Ehe und Kindern nicht einfach so nebenher eine Trennung durchziehen kann, dass man müde und verletzt ohne Ende ist; aber wenn es nicht mehr geht, dann muss man sich aufraffen - und nicht noch weiter warten, nur weil man immer noch ein bisschen Hoffnung hat.
Ich weiß, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, aber Dir tut doch jeder neue Tag weh.
LG Moni

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Hallo fruehchenomi.
Das sind lange Texte und zum Teil stimmen sie etwas überein. Vielen Dank für den Link.
Diese unendliche Müdigkeit ist wohl einer der Gründe die mich bisher gebremst haben.

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Es mag sein das du dich gut artikulieren und dich auch gut reflektieren kannst ( evtl. auch dein Gegenüber), aber ich habe den Eindruck bei deinem Text das dein Lebensinhalt fast nur daraus besteht einer Laus in den Hintern ( sorry, so sagt man das bei uns ) zu schauen um zu verstehen.Du analysierst ja alles....

Ich mag tiefsinnige, hinterfragende Menschen super gerne, aber du bist mir dahingehend viel zu penetrant und dann kann das mit der Zeit irre nervig werden wenn man schon überlegen muss wie man was sagt oder macht weil "fuschelklee" wirklich alles in Frage stellt warum, wieso er/sie/es das jetzt so oder so macht/sagt denn so sonst macht er/sie/es es doch so oder so.....du würdest mir die Luft zum Atmen nehmen.

Ich kann mir gut vorstellen das du irgendwann sogar einen Narzisten in die Flucht schlagen kannst mit dieser Art.

Auf mich wirkt als wärst du in einem psychologischen Bereich tätig, leider zählt da meist nur der eigene Denkradius und auch wenn diese sich gerne als offene Menschen bezeichen, zählt letztlich nur das eigens erlernte.

Vielleicht solltest du mal etwas einfach nur laufen lassen....

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Hallo Kleeblatt. Nein, ich komme absolut nicht aus dem Bereich und so wie ich hier schreibe, könnte ich nicht mit meinem Mann kommunizieren. Das wäre für ihn wie eine Übermutter, die ihr Kind durch ihr Verhalten in die Flucht schlägt oder wie du sagst, die Luft zum Atmen nimmt. Ich bin auch kein Mensch, der alles hinterfragt. Sicherlich, so eine Beziehung wie diese lässt viele Fragen offen, kann man aber nur verstehen wenn man mal mit einem Narzissten viel Zeit verbracht hat. Narzissmus ist ein sehr komplexes Thema und hätte ich nicht die Empathie und die Reflektion, würde ich ganz sicher nicht mehr in der Lage sein ein normales Leben zu führen oder wäre nur noch eine Hülle. So einen Menschen zumindest ansatzweise zu "verstehen" ist mein mir angeeigneter Panzer.
Klar habe ich auch einfach alles laufen lassen. Was meinst du ist das Resultat? Ein Ehemann der mir vorwürft ich würde mich distanzieren, der meint ich würde seine Autorität untergraben, ich würde nichts für die Beziehung tun, ein absolutes Chaos zuhause etc pp
Und du hast tatsächlich Recht. Einen Narzissten könntest du damit in die Flucht schlagen. Weil man nicht mehr so funktioniert wie er es braucht und ihm auf den Zahn fühlt.

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Hallo,
ich habe keinen Rat in der Sache, möchte dir aber trotzdem einen Hinweis geben.
Man(n) übersieht in deinen vielen Worten leicht den Kern deiner Aussage.
Für Urbia bestimmt super, dein Mann könnte sich aber am Ende fragen, was jetzt Sache ist.

Also statt: "(irgendwas positives...) aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich die Scheidung aussprechen muss. "
Direkter kurzer Satz: "Ich lasse mich scheiden!"

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Hallo VaterOhneFrau. Ich weiß was du meinst und habe diese Plattform für mich genutzt ohne mal an meinen Mann oder die Kinder oder sonst irgendeinen Menschen zu denken, dem ich es recht und unkompliziert machen muss. Einfach mal den Brocken aus dem Kopf befördern. Die kommunikation mit meinem Mann wird nicht verkompliziert werden.