Ständig Angst, ausgenutzt zu werden

Hallo liebe Community,

ich wüsste gern mal eure Erfahrung und Einschätzung.

Ich neige (laut meinem Freund) dazu, mich immer wieder in negative Gedanken reinzusteigern. Wenn irgendwas z.B. nicht (sofort) so läuft, wie ich erwarte/mir erhoffe, neige ich dazu, Dinge sehr negativ/falsch zu interpretieren und denke, der andere wollte mich belügen oder ausnutzen. Gerade wenn ich allein bin, denke ich viel nach und steigere mich dann in (falsche) Interpretationen rein und bekomme ganz schlechte Stimmung.

Sehr oft habe ich Angst, dass mir der andere was Schlechtes will und ich mich gegen Übergriffigkeit oder Benachteiligung wehren müsste. Ich vermute, das kommt aus meiner Kindheit, als meine (narzisstische) Mutter immer wieder grenzüberschreitend und übergriffig war. Das prägt mich bis heute, vor allem aktuell meine Beziehung.

Oft habe ich gar kein Gefühl mehr dafür habe: Ist meine Angst vor Grenzüberschreitung und Ausgenutztwerden bei meinem Freund wirklich gerechtfertigt oder nicht.

Ein paar Beispiele:
Wir wollen dieses Jahr zusammenziehen und auch bald eine Familie gründen. Es ist erst Januar und trotzdem habe ich das (wahrscheinlich falsche) Gefühl, er will vielleicht gar nicht mit mir zusammenziehen, weil wir noch nichts Konkretes festgelegt haben.

Wenn er stressige Phasen auf der Arbeit hat und sehr oft müde ist, interpretiere ich das manchmal so, als würde er mich ablehnen oder mich vernachlässigen.

Wenn ich Essen koche, habe ich manchmal das Gefühl, als würde er meine Bereitschaft dazu ausnutzen. (Obwohl er mich dafür manchmal zum Essen einlädt.)

Wenn ich für unseren Urlaub die meisten Sachen allein raussuche, habe ich Angst ausgenutzt zu werden. (Obwohl es einfach daran liegt, dass ich mehr Zeit habe, ich arbeite weniger als er und kenne mich besser mit Online-Portalen aus.)

Ich bin jedenfalls immer auf der Hut und habe schnell Angst ausgenutzt zu werden.

Kennt das jemand oder habt ihr Tipps, wie ich solche Gedanken ablegen und Dinge realistisch einschätzen kann?

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Hallo Ferrii,

Willkommen im Club. Ich bin auch so. Bei uns stimmt etwas im Gehirn nicht glaube ich. Gesundes misstrauen ist normal. Aber bei uns ist das schon etwas heftiger. Schlechte Erfahrungen mit Menschen sind eigentlich normal und erfährt jeder. Aber manche stecken das glaub besser weg als andere.

Ich schätze hier hilft nur, sich selbst umzuprogrammieren. Sich öfter mal einreden, dass es keinen Grund zum misstrauen gibt. Keinen Grund, schlecht zu denken und sich selbst klarzumachen, dass nicht alle Menschen böse sind. Einfach öfter positiv zu sich reden.

Und wenn man doch ausgenutzt wird, ist man eine Erfahrung reicher. (Schon wieder)

Ich zb. Habe auch Angst, dass immer alle schlecht von mir denken. Dadurch mache ich mich so klein, dass ich ausgenutzt werde. Das ist nicht gut.

Ansonsten könnte noch eine Therapie helfen. Ich selber lehne diese aber ab, da ich Angst davor habe. Vielleicht wagst du den Schritt?

Auf jeden fall sollst du wissen, du bist nicht alleine damit.

Bearbeitet von ExternF
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Warum hast du Angst vor einer Therapie?

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Hat verschiedene Gründe. Einerseits habe ich irgendwo Angst, abgestempelt zu werden. Angst, dass ich nicht ernst genommen werde. Angst, vor den Kosten. Angst, dass es nichts bringt. Angst, dass es vielleicht doch einen ernsteren Hintergrund hat. Manchmal hat man Angst vor der Wahrheit.
Und jemandem wirklich so seine tiefsten Geheimnisse erzählen.. Für mich unvorstellbar..Und sehr beängstigend selbst von einem Therapeuten abgestempelt zu werden.

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Ja, kenne ich und aus meiner Sicht ist das auch meistens so. Leider. Daher bin ich lieber vorsichtig und nicht zu naiv.

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Hallo,

ich denke, das steckt in dir und wie du selbst sagst, du neigst ohne Grund dazu negativ zu denken, immer auf der Hut zu sein.

Meine Art ist die umgekehrte, ich denke immer, dass jeder Mensch mir nur etwas Gutes will und muss mich auch etwas bremsen. Dabei bin ich keinesfalls naiv sondern bin einfach so, habe positive Erwartungen auf meine Mitmenschen und habe generell eine positive Einstellung.

Wenn du aber reflektieren kannst und dich wieder darauf besinnst, dass die negativen Gedanken grundlos sind, ist es doch gut.

VG

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Ich empfehle dir eine Psychiotherapie (Verhaltenstherapie) Das wird dir sehr helfen.

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Ich kenne das auch. Mit der gleichen Vergangenheit. Als erstes hilft der Kontaktabbruch zum Verursacher. Danach hilft es, realistisch abzuschätzen, wo man wirklich ausgenutzt wird und wo wird es vllt jeder. Manche Menschen sind manipulativ und es fühlt sich genauso an, die nutzen aber dann jeden aus. Darauf musst du nicht reinfallen, du kannst dagegen argumentativ eingehen oder dich dem entziehen.
Ich habe kein richtiges Rezept. Wenn du Grenzen zu setzen lernst, wirst du auch nicht ausgenutzt. Du kannst Nein sagen. Du kannst lernen, selbstbewusst deinen Weg zu gehen.
Ich tu mich auch schwer mit Partnerschaft, weil ich auch denken würde, dass er mich nur ausnutzt. Alle Ex Freunde taten dies, rückblickend habe ich mich gefragt, ob nicht jeder Mann mich auch irgendwo betrogen hat.. ist total traurig, wenn man denkt, dass jeder Mann nur dafür da ist, um einen auszunutzen. Aber ich habe es auch zugelassen. Damals hatte ich nicht den Selbstwert wie heute zu sagen: ich bleibe lieber Single bis jmd. kommt, der genauso gern gibt wie ich. Aber man muss sich aus dieser Opferrolle rausholen. Opfersein ist ein klassisches Symptom für Kinder narzisstischer Eltern. Heißt so viel wie: du kannst nicht ausgenutzt werden, wenn du das, was du tust, für dich machst.
Du musst auch nicht die Sachen deines Partners packen, er ist erwachsen! Kannst du doch nichts für, dass er mehr arbeitet. Wenn du darauf gar keine Lust hast, dann mach das auch nicht. Mach nur das, was dir Freude in eurer Beziehung bereitet.

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Ein Rat den mir mein Therapeut gegeben hat (auch wenn ich wegen einer andere Sache bei ihm war).
Such dir Dinge/Momente in deinem Leben, die dein festgefahrenes Bild widerlegen.
Also in deinem Fall, wenn dich dein Freund zum Essen einlädt, eine Wohnung in den Anzeigen entdeckt, etc. Oder wenn andere Menschen dir zeigen, dass du ihnen wichtig bist. Wer mir offenen Augen durchs Leben geht und diese Dinge nicht als alltäglich oder übersehbar ansieht merkt schnell, die positiven Ereignisse sind in der Regel viel häufiger als die negativen.

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Wenn es dich einschränkt im Leben solltest du deine Kindheitserlebnisse mit einem Therapeuten aufarbeiten.
Gesundes Misstrauen ist ein Selbstschutz, aber ständig hinter Kleinigkeiten etwas Negatives/ Böses zu vermuten könnte sich irgendwann zu Verfolgungswahn steigern.
Eine Verhaltenstherapie könnte dir helfen.
Du unterstellst deinem Freund und Anderen böse Absichten, obwohl dir im Grunde klar ist dass dem so nicht ist.
Lasse deine narzisstische Mutter nicht so viel Macht über dich und dein Leben als Erwachsene haben. Sie hat dich geprägt und du wirst vermutlich immer etwas skeptisch Menschen gegenüber bleiben, aber einschränken sollten dich deine Kindheits Erfahrungen in deinem Leben nicht. Alleine wird es schwer da raus zu kommen, deshalb würde ich dir raten, dich jemandem anzuvertrauen der dir den Weg da raus zeigt.

Bearbeitet von Klarheit
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Hallo Ferrii,

deine Schilderung hat mich ein bisschen alarmiert. Deine Weltansicht, "alle sind gegen mich, alle nutzen mich aus" ist dein Schutzpanzer. Das verstehe ich. Wer das aber so verinnerlicht, steht der eigenen Zufriedenheit und Glück im Leben im Weg.

Das eigene gegenwärtige Denken beeinflusst dein künftiges Denken und Fühlen wie in einer Schleife. Hier wurde schon Verhaltenstherapie vorgeschlagen. Klingt plausibel, vielleicht aber auch andere Herangehensweisen.

Versuche dir erst mal zu vergegenwärtigen, dass die Wahrheit eine andere ist. Nicht alle Menschen wollen andere ausnutzen. Nächstenliebe, Altruismus und einfach Freundlichkeit gegenüber andern Menschen existiert und sind meiner Erfahrung nach sogar das Normale. Entweder wollen Menschen einfach ihre Ruhe und sich um sich selbst kümmern oder aber eine gute Bindung zu ihrer Umwelt und sind gern bereit zu helfen, entgegenkommend zu sein, auch mal in Vorleistung zu gehen.

Deine gegenwärtige pessimistische Sicht auf die Welt könnte euch künftig im Paar viele unnötige Konflikte einhandeln, weil du dich falsch behandelt fühlst, Freundlichkeiten und Entgegenkommen nicht würdigst dafür aber Kleinigkeiten oder eine Unaufmerksamkeit seinerseits auf die Goldwaage legst. Wenn du ihm dann etwas vorwirfst wird er sich - vermutlich dann zumeist auch völlig zu recht - grundlos angegriffen fühlen.


Deine selbstkritische Einsicht und deine Frage hier im Forum ist so wertvoll! Versuche darauf aufbauend das als Anstoß zu nehmen, deine Weltsicht zu ändern. Nicht nur für dich auch für deine weitere Zukunft, deine Zufriedenheit, für deine Liebsten und deine künftige Familie.


=== Achtung Küchenpsychologie..... ====
Wie siehst du dich selbst? Wer von allen annimmt, dass sie schlechtes wollen, verliert womöglich die Hemmschwelle, selbst egoistisch zu sein oder gar anderen Schlechtes anzutun. Der Gedankengang wäre dann in etwa: Es wollen mich ja ausnutzen und mir was Schlechtes, dann kann ich dem auch zuvorkommen.

Diese Angst vor Ausnutzung sollte in Beziehung und Familie keinen Raum bekommen. Est mal sollten beide davon ausgehen, dass beide auch das ihre zum gemeinsamen Leben beitragen wollen und werden (in guten wie in schlechten Zeiten). Von Kindern kann man ohnehin nichts erwarten. Elternschaft ist erst mal immer eine sehr einseitige Angelegenheit. Darauf solltest du dich gedanklich unbedingt einstellen.

Was könnte alles passieren, wenn dein sorgenvolles Weltbild fortbesteht und du dich gegenüber dienen Kindern dann nach obiger Logik "folgerichtig" egoistisch verhältst? Du hast die Chance das zu durchbrechen und deinen Kindern da einen besseren Start zu geben als du ihn hattest.

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Ich kann dich gut verstehen, denn ich neige zu ähnlichen Mustern und würde das gerne hinter mir lassen. Es ist aber unfassbar schwer...
Wenn du Lust hast, schreib mir gerne eine Nachricht, dann können wir uns ein bisschen austauschen. Manchmal hilft das.

Das gilt auch für alle anderen, denen es so geht oder die helfen können und die Lust haben zu schreiben. :)