Warum kann ich meinen Partner nur lieben, wenn er was leistet?

Hallo Zusammen,
ich habe mal eine Frage an die Hobbypsychologen unter euch.
Mir ist aufgefallen, dass ich meine jeweiligen Partner nur wertschätzen kann, wenn sie aus meiner Sicht ausreichend "Leistung" bringen.
Wenn mein Partner 3x niest und das als Entschuldigung nimmt, seine Aufgaben im Haushalt nicht zu übernehmen, wenn er verspricht, er würde morgens früh aufstehen, damit wir Nachmittags noch gemeinsame Zeit haben, und dann liegen lebt, wenn er sich ständig über Arbeitskollegen beschwert, anstatt selbst mal zu reflektieren, was er selbst ändern könnte... Dann bin ich einfach nur genervt.
Wenn ich hier Beiträge von Userinnen lese, die ihren Partner jahrelang durch eine Depression oder andere schwierige Zeiten begleiten, schäme ich mich, denn vermutlich würde ich meinem Partner dann (innerlich) noch vorwerfen, er wäre faul.
Ich selbst stelle hohe Ansprüche an mich, gehe auch mit Fieber arbeiten, räume noch auf, wenn ich lieber auf der Couch liegen würde etc . Ich würde auch sagen, dass ich einen großen Teil meines Selbstwertes aus der Arbeit ziehe und meine Grenzen oft erst im Nachhinein erkenne.
Bei meinen Partnern fokussiere ich mich immer stark auf die Schwächen und kann wenig Verständnis, geschweige denn empathievolle Unterstützung aufbringen.
Dabei bin ich selbst so aufgewachsen, dass ich nur Anerkennung/Liebe bekam, wenn ich 'funktionierte' und habe mir nichts mehr gewünscht, als einfach um meiner selbst Willen geliebt zu werden und auch mal 'schwach' sein zu dürfen. Meinem Partner geht es genauso, er hat mir schon oft gesagt, dass er sich nicht richtig geliebt fühlt. Und er hat recht, denn natürlich sollte Liebe nicht leistungsabhängig sein.
Ich weiss aber nicht, was ich ändern kann. An ihm liegt es definitiv nicht, denn diese Gedanken hatte ich in bisher jeder Beziehung.

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Ein Tipp ...
An der Stelle, wo du dich selbst beschreibst, beschreibst du den perfekten Weg in einen Bournout!

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Ich vermute mal, dass es (so wie Du schreibst) mit Deiner eigenen Kindheit zusammenhängt.

Dieser "Perfektionismus" ist anerzogen und lässt sich nicht so einfach abschütteln.
Weiß Dein Partner das auch?
Das soll es natürlich nicht glattbügeln. Würde ihm aber vielleicht etwas zum Verständnis helfen.

Dir würde ich eine Therapie empfehlen.
Das würde Dein Leben sicherlich um einiges entspannter machen.

Alles Gute

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Vielen Dank für deinen Beitrag. Mein Partner kennt natürlich meine Eltern und ihre Ansprüche an ihre Umwelt (einschließlich ihn) , für ihn ist es aber leichter, sich davon abzugrenzen. So wie er generell weniger danach strebt, es allen recht zu machen und zu gefallen. Daher ist sein Verständnis für mein (irrationales) Verhalten eher gering.

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Ich finde diesen Beitrag sehr interessant und reflektiert verfasst.
Du scheinst dir über deine persönlichen Baustellen ziemlich bewusst zu sein.

Kann es sein, dass du diesen Leistungsdrang von klein auf schon infiltriert bekommen hast ?

Die Tatsache, dass du Zuneigung und Stolz alleinig mit Leistungen und Fleiß verknüpfst,
empfinde ich persönlich nicht wirklich verhältnismäßig in einer partnerschaftlichen Beziehung.
Schließlich sollte man alle Facetten des Partners lieben, darunter gehören die Fehler, die Erfolge, die positiven sowie die negativen Eigenschaften.
Und die tragen wir alle in uns sonst wären wir als Menschen ,,nicht Ganz“.

Was ich damit sagen will, wir sind nicht nur immer produktiv, erfolgreich und perfekt.
Nein, wir normalsterblichen Menschen haben auch Makel und Durchhänger, somit können wir nicht immer 100% funktionieren sowie allen Erwartungen im Außen gerecht werden.

Dennoch sind wir alle von Grund auf es wert geliebt und geschätzt zu werden egal auf welchem Leistungsniveau wir uns auch immer befinden.
Und sobald du diese Erkenntnis für dich annehmen kannst, auch wenn nur zu einem Bruchteil, so wirst du auch lernen andere Menschen in ihrem Wert zu erkennen.

Denke bitte über diese Worte nach, arbeite dran und zu Not suche dir Hilfe.

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Ja das hast du selbst schon sehr gut erkannt, dieses Muster. Du wurdest nur anerkennt, wenn du Leistung brachtest. Das wurde dir so beigebracht. Kennst es nicht anders und kannst es anders nicht umsetzen.
Du setzt es bei dir um, bei deinem Mann und wahrscheinlich, wenn vorhanden, bei deinen Kindern.

Wie man es ändern kann, ist eine schwierige Sache. Da würde ich bei mir selbst ansetzen zuerst. Dir selbst die liebe und Anerkennung geben, grundsätzlich. Unabhängig von Leistung.
Ich denke, wenn du das schaffst wirst du das auch bei deinem Mann schaffen.
Aber das ist einfach gesagt, ist mir klar. Es bedarf nunmal einem Umdenken.

Wie ist es für dich, wenn du Mal nicht Anerkennung bekommst auf Arbeit? Denkst du, du seist ein schlechter Mensch?
Oder wenn du gekündigt würdest, was wärst du in deinen Augen dann wert?
Du bist grundsätzlich gut und liebenswert. Genau wie dein Mann.

Bearbeitet von Leilachuchu
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Danke für deinen Beitrag. Die Sache mit der Selbstliebe ist einleuchtend, dieses Umdenken zu erreichen gar nicht so einfach. Ich habe auch ein Kind und Gottseidank kann ich sie ohne jeden Anspruch lieben (das erste Mal, das ich verstanden habe, was bedingungslose Liebe ist). Sie ist allerdings noch klein und ich möchte ihr nie das Gefühl geben, dass sie nicht gut so ist, wie sie ist. Auch deshalb muss ich einen Weg finden, diese destruktiven Gedanken loszuwerden.

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Die Diskrepanz, die dabei entsteht, kann man gut nachvollziehen. Dass du deine Partner nur deshalb liebst, wenn sie Leistung erbringen klingt so als würdest du dich auch nur lieben, wenn du Leistung erbringst. Man kann den anderen immer nur so sehr lieben wie man sich selbst für liebenswert hält. Und wenn du dir Kranksein und Füße hochlegen nicht gönnst, dann ist es schwer zu ertragen, wenn der andere es rechtzeitig tut. Im Grunde achtet er auf sich und möchte krank nichts machen, während du deine Grenzen überschreitest und dir die Zeit für dich nicht nimmst. Leider hat man für Liebe keinen Platz, wenn man nur funktioniert. Die Prägungen der Kindheit kann man ändern, dafür muss man sich selbst/seinem inneren Kind auch mal Faulheit gönnen und sich mit diesen Schwächen neu lieben lernen. Es sich erlauben ruhiger zu treten.. sich dafür loben, dass man etwas "nur gut oder überhaupt" gemacht hat. Achtsamkeitsübungen, Aussitzen des Nichtstuns kann helfen. Vielleicht auch ein Coach oder eine Therapie. Auf jeden Fall eine Änderung in dein Leben herbeiführen, weil sonst wird nicht nur deine Beziehung, sondern auch du selbst daran kaputt gehen.
Es ist auf jeden Fall machbar, kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Mit der Zeit weiß man auch Dinge, die man nicht leistet, wertzuschätzen. Ich empfinde solche Leute mittlerweile sehr anstrengend, die immer nur funktionieren. Es tut richtig gut Menschen zu begegnen, die das Leben entspannter sehen.
Ganz viel Erfolg!

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Hallo Wasstimmtnichtmitmir,

Dein Empfinden, nur bei einer Gegenleistung deinen Partner lieben und wertschätzen zu können führst du in meinen Augen ganz reflektiert auf die Prägungen deiner Kindheit zurück.

Dein inneres Kind hat wohl gelernt, ich genüge nur, wenn ich mich anpasse und funktioniere, dem Bild meiner Eltern entspreche. Dahinter verbirgt sich wohl auch eine tiefe Angst, zu versagen und den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen.

Bei mir war es Zeit meines Lebens ähnlich, aber ich konnte mich durchaus davon lösen, nachdem ich - natürlich mit entsprechender Hilfestellung - erstmals darüber reflektieren konnte. Und mich nicht mehr zum Sklaven meiner falschen Grundüberzeugungen machen wollte.

Für den Anfang könnte dir etwa das Buch/Hörbuch von Stefanie Stahl "Das innere Kind muss Heimat finden.." einen ersten Einblick verschaffen.
Ein gutes Werkzeug waren für mich auch die Methoden und Übungen der kognitiven Verhaltenstherapie.

Aber es gibt natürlich keine "Heilung" von den eigenen Prägungen, weil sie eben zu tief sitzen. Nur wenn ich ständig am Ball bleibe, dann falle ich seltener in meine alten Muster zurück und ich bemerke zumindest, wenn ich wieder in meine alten Fehlhaltungen zurückfalle.

Ich kann dir nur raten, es funktioniert, wenn du dazu bereit bist und den steinigen Weg nicht scheust.

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Genau an das Buch habe ich auch sofort gedacht, als ich deinen Beitrag gelesen habe.

Da du gut reflektierst, wirst du sicher mit den darin beschriebenen Methoden weiter kommen.

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Vielen Dank für den Buchtipp. Tatsächlich habe ich mir das Buch auf Empfehlung einer Freundin, der es sehr geholfen hat, schon gekauft. Aber ich hatte noch keinen richtigen Aufhänger, es auch durchzulesen (und habe etwas Vorbehalte gegen universelle Selbsthilfe Bücher). Jetzt habe ich aber den Anstoß bekommen, damit anzufangen. Danke dafür!
Hast du vielleicht auch Tipps zum Selbststudium von Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie, von denen du sprachst? Ich habe das Gefühl, mit meinem Problem vielleicht Leuten einen Therapieplatz wegzunehmen, die ihn viel nötiger bräuchten (eine Freundin von mir wartet seit 6 Monaten auf einen Platz, sie hat schwere Depressionen, ist krankgeschrieben etc, aber ist scheinbar nicht krank genug für eine stationäre Behandlung, denn dort steht sie auch schon seit Monaten auf einer Warteliste).

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Ich finde, wie einige andere auch, du bist schon auf einem guten Weg.
Du hast erkannt, woher diese Muster kommen und möchtest sie ändern.

Das bedarf viel Arbeit an dir selbst. Aber sie wird sich lohnen.

Du könntest es erst einmal allein versuchen. Dich wirklich bewusst beobachten, schauen, wann du wieder in die alten Muster fällst, zum Beispiel: dein Mann ist krank und legt sich ins Bett statt die Bude zu putzen. Deine erster Gedanke wird sein: das kann doch nicht wahr sein, ich gehe selbst mit Fieber arbeiten. Sag dir ganz laut stopp. Erkenne an, dass er für sich sorgt und dass das viel wichtiger ist.
Und dann bleib ich mal einen Tag zu Hause, wenn du dich nicht gut fühlst.

Geh mit deinem Mann spazieren/ins Kino/ zum Konzert statt die Bude auf Hochglanz zu bringen. Du wirst sehen, dadurch entstehen viele schöne innige Momente und die Welt dreht sich trotzdem weiter .

Falls du es allein doch nicht schaffst, kann dir ein Coach oder Therapeut helfen.

Bleib dran, du bist auf einem guten Weg.

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Hallo nadberlin,
du hast meine Gedanken sehr treffend zusammengefasst. Danke dir!

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Eigentlich gibst du dir die Antwort schon selbst. Die Ursache liegt wohl in deiner Kindheit, du glaubst, man ist nur was wert, wenn man etwas leistet. Diese Maßstäbe legst du sowohl an dir selbst als auch an deinem Partner an.

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Weißt du, woran mich dein Beitrag erinnert? An ein Gespräch mit einer Kollegin aus einer anderen Institution, als es um unsere FSJler ging. Einige von ihnen sind extrem engagiert, kommen krank, machen Überstunden, halten gesetzliche Ruhezeiten nicht ein. Und sie sprach einen von ihnen darauf an, woraufhin er zu ihr sagte: "Aber du machst das doch auch." Ihre Antwort darauf war: "Ja, aber du musst mir ja nicht meine Fehler und falschen Entscheidungen nachmachen!"

Das fand ich großartig, weil es stimmt. Es hat mir selber auch die Augen geöffnet, wie dämlich ich an manchen Punkten bin, wirklich. Man stellt sich selber nicht nur hohe, zu hohe Ansprüche - man macht sich selber kaputt. Das, was du machst, habe ich auch sehr oft gemacht. Und auch heute passiert es öfter, aber ich habe einen Mann, der mir auf den Kopf zusagt: "Du bist krank, leg dich ins Bett oder ich blamiere dich zu Tode und rufe selber bei der Sekretärin an, um dich abzumelden!" Ich hasse es, obwohl ich weiß, dass er recht hat. Es ist ein schmaler Grat zwischen hoher Leistung und ungesunder Aufopferung. Verwechsel das nicht. Es ist keine Auszeichnung wert, wenn man krank arbeiten geht, die Ruhezeiten nicht einhält und auch im Urlaub noch mit der Firma telefoniert. Man lässt es sich nur leicht einreden, weil es eben immer um Leistung geht. Aber am Ende schlittert man in den Burn-Out, weil man für sich selber keine Grenzen ziehen konnte.

Insofern: Die eigenen Ansprüche prüfen und reduzieren. Das macht einen dann auch nachsichtiger gegenüber jenen, die klüger sind als man selbst - und nur vermeintlich fauler ;-)

Bearbeitet von roseately
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Das kann ich echt unterschreiben. Ich weiss eigentlich, dass es nicht sinnvoll ist, krank arbeiten zu gehen. Aber der Moment des Anrufs beim Chef ist so unangenehm für mich, dass ich dann lieber angeschlagen zur Arbeit gehe und insgeheim hoffe, das er mich nach Hause schickt (was nie passiert). Total bescheuert, damit schiebe ich die Verantwortung für meine Gesundheit einfach weiter.