Wertschätzung

Mein Freund und ich sind seit 3.5 Jahren zusammen und die letzten 4 Monate habe ich ihn durch eine extrem schwere Phase begleitet ( arbeitslos, Alkohol, Depression). Bin mit ihm emotional und auf der Handlungsebene alles zusammen gegangen. Beziehung stand manchmal auf Kippe und es war unglaublich hart. Jetzt geht es ihm besser...kein Alkohol, Antidepressiva, Jobzusage. Für ihn ist nun alles erledigt, will über diese Monate nicht reden, ist aber emotional viel flacher als früher und was mich am meisten belastet: habe das Gefühl er sieht nicht, dass uns diese Monate als Paar betroffen haben bzw. Hat keine Ahnung oder will gar nicht wissen wie es mir dabei jetzt geht! Verlange kein Danke oder so sondern will einfach auch wieder gesehen werden und das Gefühl haben dass es ihm was bedeutet dass ich da war! Was ist eure Meinung?

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Hi,
ich denke, das ist unglaublich anstrengend für den Betroffenen und ich denke auch, dass das nach 4 Monaten eben noch nicht vorbei ist, im Gegenteil, jetzt kommt ja erst der richtig anstrengende Teil: er muss sich ja permanent bewähren - bleibt er drogenfrei, schafft er den Job usw.
Ich kann da schon auch nachvollziehen, dass er da sehr mit sich beschäftigt ist und für dich keine Ressourcen hat. Und ich denke, jemand, der so abrutscht, hat ja vielleicht wenig positive Emotionalität und somit sind Wertschätzung und Dankbarkeit (doch, die kannst du eigentlich schon erwarten) tief verborgen, die auszugraben ist auch anstrengend.
Wie war er denn vor der schlimmsten Phase? War er denn überhaupt ein wertschätzender lieber Kerl?

vlg tina

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Er war wechselhaft... liebevoller Macho...aber sehr lieb und wir waren sehr innig und eng...jetzt alles flacher und natürlich mit seiner Situation erklärbar ..wie gesagt ich hätte nur gerne das Gefühl von vermittelt dass er froh war/ist mich zu haben...ich hab ihn das einmal gefragt und er hat nur gesagt Ja sicher ...

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Tja, liebevoll, aber Macho.

Der Macho ist ja der Überlegene. Kann sein, dass er sich mit seiner Rolle des Bedürftigen, der deine Hilfe brauchte, sehr unwohl fühlt und dir nicht noch mehr für eine emotionale Überlegenheit "geben" will. Kann auch sein, dass er das so schnell wie möglich verdrängen will.

Macho, Alkohol, Depressionen. Da klingt was an, was mit ungesunder Prägung und Rollenmustern zu tun haben kann.

Nimmt er nur Medikamente oder macht er auch Therapie gegen die Depressionen? Letzteres wäre wichtig, um gesund zu werden.

Bearbeitet von Naima68
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Vielleicht will er diese Zeit nicht immer und wieder hochholen und wiederkäuen, was ich nachvollziehen kann. Er WEIß doch, dass er Dich als Stütze hatte, ihr habt sicher nicht nur einmal darüber gesprochen, vielleicht lieber mal nach vorne schauen als dauernd nach hinten.
Habe meinen Freund auch schon durch eine schwierige Situation begleitet, nach zwei eingehenden Gesprächen war es durch und ich werde es sicher nicht mehr thematisieren. Er weiß schon, was er da an mir hatte.
LG Moni

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Die eingehenden Gespräche die ihr hattet...war das eine Art Aufarbeitung oder einfach nur eine Art Abschluss? Das würde ich auch gut finden...bin dann auch für das nach vorne schauen

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Das war eine Besprechung samt Abschluss beim zweiten Mal, das vorherige Gespräch war nur "Revue passieren lassen" und seine Einsicht, dass da was aus dem Ruder gelaufen war.

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Es kann ganz schlicht sein, dass die Antidepressiva seine Gefühlswelt sehr verändern und ihn ein wenig "stumpf" machen. Dann kann er einfach nicht so gefühlvoll sein.

Dann gibt es aber auch noch die Möglichkeit, dass durch deine viele Hilfe eure Beziehung in Bezug auf Geben und Nehmen und auf Augenhöhe außer Balance gekommen ist. Das passiert häufig unbewusst. Wenn jemand ganz stark gibt und jemand anderes ganz stark nimmt, vor allem emotional, dann baut sich oft so eine innere Schuldwaage auf. Das ist oft zu viel für die Beziehung, der "Schuldner", in dem Fall dein Partner, empfindet dann einen Widerwillen.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass du deine Hilfe auch mit einer starken Erwartungshaltung verknüpfst. Ich finde, das spricht aus deinem Post. Du hast so gelitten und gegeben, dass du jetzt eine gewisse Gefühlstiefe und Dankbarkeit erwartest. So in etwa?
Das geht nie gut, denn dann hast du mit einer inneren Berechnung gegeben. Dann war das Geben nicht bedingungslos. Das spürt der andere. Ich kenne das so, dass es das auch in Freundschaften gibt und dass die Freundschaft dann oft kaputt geht. Die Anlässe im Außen sind meist unbedeutend, aber im Inneren ist dann eine selbstzerstörerische Dynamik.

Eines ist klar: Dein Partner ist noch nicht frei und gesund. Er steht unter Medikamenten und Erfolgsdruck. In seinem neuen Job muss er sich bewähren. Für dich wird noch wenig Raum sein. Die Anfänge sind oft sehr anstrengend. Und dazu kommt der Druck, wieder gesund zu werden und keinen Alkohol zu trinken. Dass er Alkohol genutzt hat, zeigt ja auch eine Neigung zur Sucht. Die geht ja nicht einfach weg, sondern daran muss er lebenslang arbeiten. Ist es das, wie du leben willst?

Ich kann mir vorstellen, dass du dich in naher Zukunft eher mit deiner Erwartungshaltung beschäftigst, zur Not auch mit ein paar Stunden Beratung von Profis. Denn was genau erwartest du jetzt, was dein Partner tut, um dir deine Hilfe zu danken? Könntest du ein Helfersyndrom haben? Dann gilt es das für dich anzuschauen.

Und als nächstes braucht es sicher Zeit, dir klar zu werden, wie du leben willst. Ob sich die Beziehung und dein Partner in die Richtung entwickeln, wie du wirklich auch lieben willst. Und schau dir auch mal kritisch an, ob du Gefühlstiefe suchst, indem du Menschen mit Problemen suchst und du dich dann größer und wichtig fühlst, wenn du helfen kannst.
Es gibt nämlich auch starke Gefühlstiefe, ohne dass einem Partner geholfen werden muss, und das ist dann auf Augenhöhe. Alles Gute.

Bearbeitet von Naima68
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Danke für deine direkte Meinung und du hast Recht das alles habe ich auch schon überlegt und gehe jetzt auch zum Therapeuten!
Aus Berechnung ist übertrieben, es war für mich selbstverständlich, ich erwarte auch nicht die überschwängliche Dankbarkeit...ich will nur gesehen werden aber vielleicht ist das wirklich mehrheitlich mein Ding...und du hast/ alle habt ihr Recht, dass seine Situation ihn noch einnimmt und ich überlegen muss ob und warum und wie ich das will!

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Du hast vollkommen Recht. "Aus Berechnung" war das ganz falsche Wort, das finde ich im Nachhinein auch. Ich würde es eher "Bedürftigkeit" nennen. Auch das hört sich nicht so schön an. Aber trifft es oft. Und wir machen das ja nicht aus bösem Willen, sondern da ist im Innern einfach eine Leerstelle, die aus der Vergangenheit kommt.

Ich kenne das übrigens aus eigener Erfahrung. Und hab da auch viel dran gearbeitet.
Es ist schön zu lesen, dass du bei dir selbst gucken willst. Für mich war das ein sehr spannender Weg, über die Selbsterkenntnis hin zu einer erfüllten (neuen) langjährigen Beziehung und sogar neuem Beruf.

Da eröffnet sich ein ganzer neuer Kosmos, und es fühlt sich so viel besser an, sich selbst und die eigenen Motive zu kennen. Da kriegt "lebenslanges Lernen" eine ganz neue Bedeutung.

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Es ist das was ich immer wieder höre von Menschen die Antidepressiva nehmen. Sie haben wieder die Kraft um den Alltag zu meistern, sind aber gefühlsmässig/emotional total stumpf.
Ich würde mir genau überlegen ob und wie weiter mit der Beziehung.

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Stimmt leider auch!

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Ich weiß nicht. Finde es immer schwierig wenn man für freiwillige Dinge oder gar so finde ich selbstverständliche Dinge (in guten wie in schlechten Zeiten) immer ein Danke hören möchte.
Für mich wäre die kurze schlechte Zeit jetzt auch als Thema durch und muss nicht nochmal angesprochen werden

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Ja wenn wieder Nähe da ist und alles passt finde ich diesen Ansatz gut!

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Eure Antworten und Gedanken haben mir wirklich sehr geholfen!! Danke!:-)!!!!

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Da kann doch noch gar nicht alles wieder gut sein. Nicht nach der kurzen zeit....zumal er ja bisher nur die Jobzusage bekommen hat und eben noch nicht wieder im Berufsleben ist.

Und ich glaube, du willst das jetzt nur von ihm als Bestätigung hören, das die Zeit wirklich vorbei ist. Quasi als Sicherheit. Der Zeitpunkt ist aber noch nicht gekommen.

Das man danach nicht große Lust hat, darüber zu sprechen, das kann ich gut verstehen...falls du da Bedarf hast, dann suche du dir dafür passende Gesprächspartner, damit du die Zeit für dich aufarbeiten kannst.

Die Frage, die du dir wirklich selber stellen und beantworten solltest, ob du dieser Sache gewachsen warst und sein wirst. Alkohol, neuer Job, Depression....das sind schon ziemliche Hausnummern für sich alleine, alle zusammen eine echte Herausforderung. Wenn nur ein Punkt ins Straucheln gerät, dann bricht erneut alles wie ein Kartenhaus zusammen, zumindest die Gefahr ist sehr groß.
Also lastet auf ihm aktuell ein ziemlicher Druck, durch so eine gewünschte Aussage an dich, erhöht sich der Druck massiv.

Kurzum, es ist absolut nicht der richtige Zeitpunkt für deine Gedanken und Wünsche.

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Danke!! Sehr nüchtern sehr realistisch ich brauche dieses Korrektiv...du hast in allem Recht...es war halt eine extrem harte Zeit und man existiert dann als Partner gar nicht und die Freude wenn es besser ist macht einen schnell zu optimistisch und die Sehnsucht nach früher und nach diesem Menschen ist wieder da...aber natürlich noch längst nicht alles vorbei ...

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4 Monate sind eine sehr sehr kurze Zeit und ich kann mir kaum vorstellen dass er sich so schnell wirklich davon erholt hat. Ich würde dem ganzen noch Zeit geben.

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Ja das versuche ich! Manchmal ist die Situation sehr herausfordernd...

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Ich glaube es dir. Das klingt enorm hart. Und ich kann verstehen dass du irgendwo Anerkennung und Verständnis suchst für das was du da gerade leistest. Dein Partner ist aber sehr wahrscheinlich da momentan die falsche Adresse dafür.

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