4jährige nimmt vieles persönlich, fühlt sich ungeliebt

Ich habe zwei Kinder, 7 und 4. Beides waren ersehnte Wunschkinder.
Mein Großer ist eine Art "Vorzeigekind", ich bekomme immer viel positive Rückmeldung, sowohl von Krippe, Kiga und Schule.
Meine Kleine ist 4 und hatte einen schweren Start. Es kamen viele ungünstige Umstände zusammen, sie hat zudwm eine körperliche Einschränkung. Ich hatte nach ihrer Geburt immer mehr Depressionen und Aggressionen, habe kaum Gefühle oder Bindung aufbauen können, bzw. war das Gefühl für sie schon mal kurz da und dann war es wieder so stressig dass ich sie "gehasst" habe. Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt sie wegzugeben, weil ich den Eindruck hatte dass es ihr nicht gut geht und ich mich nicht so um sie kümmern konnte wie ich sollte. Ich wusste ja wie es laufen sollte/kann vom 1.Kind. Mein Mann liebte sie von Anfang an, er ließ mich aber tagsüber meist alleine mit den Kindern und ignorierte alle Probleme solange es ging.
Ich habe mich nach Kräften um Hilfe bemüht, Psychotherapie gemacht, vom Jugendamt eine Familienhilfe bekommen, eine Familienhebamme genommen, Mutter Kind Kur gemacht und war alleine für ein paar Wochen in der Psychiatrie, die Kinder solange mit meinem Mann daheim.
Das war alles in ihrem 1.Lebensjahr, seitdem ging es mir dann besser und wir konnten eine stabile Beziehung aufbauen und sie ist soweit auch gut und unauffällig entwickelt.

Aber oft fällt mir auf, dass sie vieles persönlich nimmt. Wenn ich streng und laut das 3.Mal sage: Räum jetzt endlich dies und das auf!!! fängt sie an zu weinen: "Gar keiner hat mich lieb. Das macht mich traurig!"
Generell deutet sie jede Ablehnung (z.B. ich will sie nicht die Treppe hochtragen, ihr nicht alles anziehen, ihr nicht alles hinterherräumen) immer als Liebesentzug. Ihr Bruder will nicht mit ihr spielen: "Er mag mich nicht!"
Oder:
Ich lobe ihren Bruder weil der sich, im Gegensatz zu ihr, schon die Schuhe angezogen hat: "Du hast nur Theo lieb!".
Ich versuche immer (wenn dann) nur ihr Verhalten zu kritisieren und nicht ihren Charakter, aber trotzdem kommt es bei ihr immer falsch an. Im Kiga gibt es das Problem nicht.

Kann ich ihr da irgendwie helfen? Ich denke sie spürt da unterschwellig eben doch noch die Abneigung von damals bzw. kann kaum gegen ihren Bruder ankommen (der ja fast immer alles besser kann als sie).
Und ehrlich gesagt nervt es auch sehr und ich hab da keine Lust mehr ständig drauf einzugehen und sie zu trösten bzw ihr zu versichern dass ich sie liebhabe aber mich xy eben an ihrem Verhalten ärgert/stört.
Haben Sie noch einenTipp?

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Hallo,

Sie haben eine schwierige Zeit geschafft. Wichtig finde ich, dass Sie anerkennen, was Sie alles geschafft haben und wo sie als Familie inzwischen angekommen sind.

Fühlen Sie sich inzwischen gut unterstützt von ihrem Mann? Ich denke, dass das ein sehr zentraler Punkt ist. Belasten ihn die Aussagen der Tochter ebenfalls oder ist das in deren Bindungsbeziehung weniger Thema?

Sie hatten einen schweren, gemeinsamen Start. Mit ihrem Sohn war es leichter, unbeschwerter. Sehr wichtig ist, dass man Geschwister nicht miteinander vergleicht. Beschreiben Sie vor allem ein Verhalten und bringen Sie z.B. Freude darüber zum Ausdruck. Dieses sog. beschreibende Lob ist oft sehr beziehungsstärkend.
Natürlich ist das erstgeborene Kind in vielerlei Hinsicht kompetenter und schneller. Für die zweiten Kinder ist das oft ein großes Thema. Dass ihre Tochter sehr sensibel darauf reagiert ist sehr verständlich: Da ist ein älteres Kind, das vieles sehr viel besser kann. Deshalb sucht sie sehr häufig die Rückversicherung.

Ihre Tochter ist wirklich noch klein. Sie befindet sich mitten in der Autonomiephase. Kinder dieser Altersgruppe sind oft sehr absolut in ihren Aussagen und können nicht gut differenzieren. Die Kinder sagen dann: "Du bist blöd, ich mag dich nie mehr. Oder immer bist du so gemein.". Es ist wichtig, Kinder ernst zu nehmn, aber manche Aussagen auch nicht persönlich zu nehmen.
Sprechen Sie viel mit Ihrer Tocher über ihre Gefühle: Du hast dich geärgert. Du bist traurig. Ihre Tochter reflektiert schon gut über ihre Gefühle, das ist toll! Dieses sog. emotionale Coaching macht Kinder langfristig kompetent. Hören sie ihr zu, spiegeln sie ihre Gefühle und überlegen sie gemeinsam, was ihrer Tochter helfen kann, damit sie weniger traurig ist.

Wenn die Möglichkeit besteht, dann unternehmen Sie einmal die Woche etwas alleine mit ihrer Tochter. Gehen sie zusammen auf den Spielplatz. Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sie. Das ist oft eine gute Möglichkeit, dass der Bindungtank des Kindes gut gefüllt wird.


in diesem Podcast spreche ich über die Entwicklung im Kleindkindalter: https://www.spiegel.de/familie/bindungsorientierte-erziehung-und-wenn-sich-mein-kind-im-supermarkt-auf-den-boden-wirft-a-7ba10eb1-a2e9-4bce-9832-c7cf2d904230

herzliche Grüße,

Eliane Retz