Kind schläft trotz vielreicher Maßnahmen ganz schlecht ein

Guten Tag Frau Dr. Retz,

die folgende Nachricht ist leider sehr sehr lang geworden... Dafür entschuldige ich mich bei Ihnen in aller ehrlichster Form. Jedoch ist die Systematik so komplex, wie auch das Verhalten unserer Tochter und ich wollte Ihnen alle nötigen Informationen geben, damit Sie gutes Verständnis von unserer Situation haben.

Wir haben seit Monaten Probleme mit dem Einschlafverhalten unserer Tochter und sind mittlerweile nahezu ratlos... Ich hoffe ich bin bei Ihnen mit dieser Anfrage richtig und Sie können uns ein paar Tipps oder Ratschläge geben :(

Unsere Tochter ist am 08.02.2020 geboren und schon immer ein sehr schnell entwickeltes Kind gewesen. Sei es, dass Sie seit dem 9. Monat läuft oder bereits jetzt ein ausgeprägtes Empathiegefühl entwickelt hat, was nicht nur Segen ist :-D
Noch dazu ist sie laut Perzentilen im oberen Bereich 97% was Gewicht und Größe angeht. Sie ist schon stets "auf zack" gewesen und hält uns ständig auf Trapp und fordert uns, was wir sehr begrüßen :) Sei es, dass wir uns täglich die gleichen 20 Bücher immer wieder zusammen anschauen, stundenlang auf Spielplätzen sind oder sie nach einem ereignesreichen aktiven Tag um 19 Uhr noch immer um den Kletterbogen gefangen werden möchte...
Dabei versuchen wir ihr stets die Wahl zu lassen, zwingen Sie nicht zu Dingen, sondern versuchen Kompromisse zu finden. Außer im allerletzten Fall, wenn wir ganz sicher sind und sehr viel versucht haben ein gewünschtes Verhalten von ihr zu bekommen, "schnappen wir sie uns", wie im Falle des Schlafens gleich ersichtlich wird.

Jetzt zum Problem: Unsere Tochter Elsa schläft seit Monaten abends an den allermeisten Abenden so gut wie gar nicht ein. Sie hat stets "Hummeln im Hintern". Ich möchte Ihnen einmal kurz unsere 2 Schlafrituale näher bringen, die wir in der Zeit angewendet haben:
- Das erste Ritual bestand aus dem gemeinsamen Abendessen mit anschließendem gemeinsamen Aufräumen (zu immer einem bestimmten Lied was läuft). Anschließend werden die Zähne geputzt und das Schlafzimmer vorbereitet. Danach geht es zum Wickeln mit Streicheln und anschließend gibt es das Fläschchen im Bett.
- Das zweite Ritual, was wir vor ein paar Wochen eingeführt haben, weil es mit dem Einschlafen partout nicht klappen wollte sieht deutlich intensiver aus. Nach dem Abendessen wird aufgeräumt (wieder zum selben Lied). Danach das Schlafzimmer vorbereitet. Anschließend geht es zum letzten Austoben 5 - 10 Minuten ins Bett oder irgendwo wo wir noch einen kleines Hindernisparcour aufbauen. Darauffolgend zum üblichen Zähneputzen - Wicklen mit Streicheln und zum Schluß schauen wir uns noch im Bett mit ihr 5 - 10 Minuten ein Buch ihrer Wahl an. Danach holt einer das Fläschchen und es geht ins Bett.
Soviel zu den Ritualen.

Jetzt ein paar wichtige Fakten:
- Unser Kind hat einen Schlafbedarf von 11 - 12 Stunden.
- In der Regel schläft sie aktuell nachts 10 und seit ein paar wenigen Wochen tagsüber mittags 1,5 - 2 Stunden.
- Sie schläft nachts und mittags seit dem sie 4 oder 5 Monate alt ist durch. Einzige Ausnahme bilden Zahnschmerzen, die sie ab und zu wecken.
- Sie schläft grundsätzlich von jeher direkt neben unserem Bett mit ausgebautem Gitter zu uns, damit sie bei Bedarf problemlos zu uns kommen kann. Das nutzt sie auch sehr regelmäßig - es gibt selten Nächte, wo sie im eigenen Bett schläft. Das finden wir sehr schön und haben sehr gerne den engen Kontakt mit ihr nachts :) Es war für uns von vornerein keine Frage unser Kind in einem eigenen Zimmer alleine schlafen zu lassen.

Zum Abschluss zu ihrem Verhalten:
Sie ist, wie bereits erwähnt, im Bett noch sehr zappelig, wenn sie ihr Fläschchen trinkt. Die Beine bewegen sich dauerhaft und versuchen irgendwo dran rumzuspielen. Auch kuschelt sie dabei immer ihre Kuscheltiere ( was jedoch klarerweise kein Problem ist :) ). Sie trinkt dann die Flasche recht langsam bis 1/3 auf. Dabei werden nochmal Auge, Nase, Mund etc. erwähnt und bei sich und uns gezeigt.
Dabei kommt es sehr selten vor, dass sie mit Flasche einschläft. Irgendwann ist die Flasche leer oder noch zu 1/3 gefüllt und sie setzt sich hin. Entwender nimmt man sie dann und legt sie auf sich drauf in der Hoffnung, dass sie einschläft oder sie will nicht und wehrt sich woraufhin sie verschiedene beliebige Positionen hat in denen sie liegen will.
Sie bekommt jedoch leider nicht die Kurve. Sie ist müde, gähnt 15 mal, reibt sich die Augen aber schafft es nicht einzuschlafen, egal wo. Wenn man sie sich dann schnappen will um sie auf sich drauf zu legen will sie meist nicht, sagt nein und flüchtet irgendwo anders ins Bett. Wie gesagt wollen wir darauf verzichten sie einfach zu nehmen und zu zwingen, solange es nicht überhand nimmt.
Das Einschlafen dauert so von 45 Minuten bis manchmal 1,5 Stunden. Wenn wir hören, dass die meisten Freunde ihr Kind einfach nur hinlegen müssen, kurz streicheln und es schläft ein, verstehen wir nicht, was bei uns das Problem ist.
Wir haben auch bereits versucht den Mittagsschlaf ausfallen zu lassen, soweit ist sie jedoch noch nicht. Auch ein Verkürzen des Schlafes durch Aufwecken endet häufig darin, dass sie sich ihren Schlaf die nächsten Tage zurückholt. Sie ist anscheinend was den Schlafbedarf angeht am perfekten Punkt.
Wir wissen nicht, was wir noch tun können, um es für sie und uns angenehmer zu machen...
Beim Mittagsschlafen z.B. läuft es ähnlich, wobei es dort meistens "nur" 30 Minuten dauert. Sie hüpft und purzelbaumt durchs Bett, legt sich irgendwann hin und schläft nicht ein. Teilweise schnappen wir sie uns dann, legen sie trotz Gegenwind auf uns drauf und in den allermeisten Fällen bleibt sie nach ein paar Flüchtungsversuchen liegen und schläft innerhalb weniger Sekunden ein, obwohl das Kind eigentlich nicht will und vor ein paar Momenten noch durchs Bett geturnt ist. Auch Müdigkeitsanzeichen sind nicht immer eindeutig. Mal zeigt sie sehr viele - schläft aber nicht und mal zeigt sie gar keine und ist nach 10 Minuten friedlich eingeschlafen.

Ich hoffe, Sie können uns ein paar Tipps geben und danke Ihnen sehr, wenn sie meine Nachricht bis hierhin gelesen haben!

Viele Grüße

Kevin Krauss

1

Hallo Herr Krauss,

Es ist normal, dass ein kleines Kind die Anwesenheit der Eltern beim Ein- und Durchschlafen braucht. Ebenso ist es normal, dass Babys und Kleinkinder oft eine längere Einschlafbegleitung brauchen, denn das beruhigen, zur Ruhe kommen, muss erst im Lauf der Kindheit erworben werden. Deshalb ist es sehr wertvoll, dass Sie ihr Kind beim Schlafen begleiten. Das stärkt die Bindung und ist wichtig.
Es wäre sehr wichtig, dass Sie auf sehr viel Struktur im Alltag achten, auf feste Schlafenszeiten achten und auch Reize reduzieren. Gerade sehr wache, aktive Kinder können von vielen Eindrücken förmlich überflutet werden. Bitte beginnen Sie damit ein Schlafprotokoll zu führen: https://www.kindergesundheit-info.de/fileadmin/user_upload/kindergesundheit-info.de/Download/Schlafen/Schlafprotokoll-BZgA_kindergesundheit-info_01.pdf das kann dabei helfen, dass wieder mehr Strukturen im Alltag für Sie erkennbar werden und Sie zudem ein Gefühl entwickeln, wieviel Schlaf ihr Kind wirklich braucht.

Eine Einschlafbegleitung von 30 bis 45 Minuten kann als angemessen in diesem Alter betrachtet werden und ist keine Seltenheit. Bei einer längeren Dauer ist jedoch die Frage, ob das Kind bereits zu übermüdet ist und deshalb nicht einschlafen kann. Oder ob es noch nicht müde genug ist. Gerade dann, wenn ein längerer Mittagsschlaf gemacht wird, dauert es natürlich bis ein Kind auch wieder wirklich müde ist.

Und noch ein Gedanke: Ist die Flasche abends noch notwendig? Das würde ich einmal reflektieren, insbesondere wegen der Zahngesundheit (da Sie vorher die Zähne putzen). Das könnte jetzt ein wichtiger Entwicklungsschritt sein.

Herzliche Grüße,

Eliane Retz