Hallo zusammen,
auf Anraten einer Nutzerin bei Rehakids haben wir uns entschieden nun auch hier einen Post zu erstellen. Für die die doppelt lesen nicht wundern, wir haben den dortigen Post in Teilen kopiert!
Zunächst ein Hallo von uns als Familie, namentlich Isabell (35) und Benjamin (36) mit dem kerngesunden Sohn Valentin (+2 Jahre alt). Wir kommen aus der Südwestpfalz und es gibt natürlich auch einen Grund für unsere Anmeldung: Auf dem Weg zum zweiten Kind, aktuell SSW 15+0, gab es beim Ersttrimesterscreening im Ultraschall eine leicht verdickte Nackenfalte (2,5mm) und einen auf XYY Syndrom positiven Veriseq-Test. Wir waren dann am Donnerstag in Mainz zur Feindiagnostik, wo glücklicherweise im Ultraschall ein physisch kerngesunder Junge diagnostiziert wurde. Die recht präsente Nackenfalte war aber eindeutig. Wir haben uns für eine Mutterkuchenpunktion entschieden, deren Ergebnis der Kurzzeitkultur zwar einerseits weitere Gendefekte ausgeschlossen hat, jedoch in allen Zellen erneut XYY finden konnte, weshalb die Ärztin bereits ohne Auswertung der Langzeitkultur das XYY-Syndrom als wahrscheinlich ansieht. Natürlich haben wir nun begonnen zu recherchieren, zu lesen und zu überlegen, wie wir mit dem Befund umgehen. Uns ist bewusst, dass eine große Chance besteht einen unauffälligen, tollen Jungen zu bekommen. Andererseits haben wir aber Angst, dass die bei uns sowieso schon recht ausgeprägte Agilität und Impulsivität in Kombination mit dem XYY-Syndrom zu einem sehr schwer kontrollierbaren Jungen führt, der für sein Umfeld, aber auch für sich, unangenehme Situationen verursacht die die Lebensfreude etwas nehmen können. Um ggf. diese Ängste etwas besser zu visualisieren (ja, die Entscheidung und Gefühlslage wird vornehmlich durch Ängste bestimmt): Ich, der Papa, weiß für sich selbst gut, was es bedeutet ab einem gewissen Punkt die Chance zum rationalen Denken und überlegten Handeln zu verlieren. Ich musste meine Grenzen und mich als Person in der Jugend zunächst selbst kennenlernen um nun verantwortungsvoll die Spielregeln zu definieren. Noch immer gibt es aber Triggerpunkte und Situationen, wo gefühlt ein Schalter umgelegt wird und man sehr impulsiv handelt.
Wir sind extrem unentschlossen und unsere Gefühlslage schwankt von "auf jeden Fall behalten" bis zum Schwangerschaftsabbruch. Das belastet meine Frau und mich natürlich sehr, wir haben uns extrem auf das zweite Kind gefreut und fühlen uns ob der Tragweite der Entscheidung doch etwas hilflos. Daher würde es uns ggf. helfen, wenn wir hier auf Leute treffen die reale Erfahrung mit dem XYY - Syndrom haben, und ggf. bereit sind einfach zu berichten. Ebenso würde es uns interessieren, ob die Genetiker, bei denen wir nach Auswertung der Langzeitkultur einen Termin haben, auf Basis der Datenlage eine Prognose abgeben können, wie stark und in welche Richtung die Auswirkungen der XYY-Chromsomenverteilung sich ausprägen könnte?
PS: Dass es, weder bei normaler Chromosenverteilung XX oder XY, noch bei unserem XYY-Sydrom irgendwelche Garantien gibt ist uns vollkommen bewusst. Das ist auch gut so, das gehört zur Entscheidung Kinder in die Welt zu setzen dazu. Und wir haben auch nicht die Ansicht, dass alles "perfekt" sein muss.
Vielen Dank für eure Antworten im Voraus!
Beste Grüße
Isabell & Benjamin
Diagnose XYY Syndrom in Schwangerschaft, was tun?
Hallo,
ich habe zwar keinerlei Erfahrungen mit dem XXY-Syndrom, jedoch aus Interesse kurz recherchiert.
„Da XYY-Männer praktisch vollkommen beschwerdefrei sind, besitzt dieser Genotyp keine klinische Relevanz. Deshalb wird die Bezeichnung „Syndrom“ auch kritisiert.“
Man liest dann zwar auch über MÖGLICHE Verhaltensauffälligkeiten etc., aber ihr müsst euch immer vor Augen führen, dass man auch bei einem „rein genetisch unauffälligem“ Kind auch nie die Gewissheit hat, wie es sich entwickelt. Ich denke, auch im Angesicht der beschrieben eigenen Impulsschwierigkeiten, erscheint es jetzt als „Katastrophe“ und „nicht machbar“.
Aber man wächst wirklich mit seinen Aufgaben, und vor diese Aufgaben könntet ihr auch mit einem weiteren „gesunden“ Kind gestellt werden, es wird so oder so ja anders mit zwei statt mit einem Kind werden. Und auch bei einer erneuten Schwangerschaft habt ihr nie die Garantie dass „dann alles gut wird“. Es könnte auch passieren, dass ihr einen Abbruch vornehmen lasst und euch dann immer fragt, wie euer Leben wohl mit dem Junge ausgesehen hätte. Eine Garantie gibt es einfach nie.
Aber ich finde es sehr reflektiert, dass ihr euch der bereits vorherrschenden „Problematik“ bewusst seid, vielleicht wäre es dann so oder so nochmal ein Ansatz da nach Beratung/Hilfen Ausschau zu halten.
Das sind so ein bisschen meine Gedanken zu dem Thema.
Ich wünsche euch nur das Beste!
Hallo Isabell,
ich habe euren Post auch bei Rehakids gelesen, finde die Reaktionen da aber teilweise so blöd, dass ich lieber hier antworte. ;)
ich kann euer Gedankenchaos gut verstehen. Ich war in der Schwangerschaft selbst mit schwierigen (Verdachts)diagnosen konfrontiert. Es ist einfach furchtbar, wenn man so hilflos mit irgendwelchen Eventualitäten konfrontiert wird und niemand sagen kann, was sein wird.
Mein Sohn ist zwei Jahre alt und hat einen extrem seltenen Gendefekt, der ein hohes Risiko für einfach alles schlechte mit sich bringt. Tumore, schwere Fehlbildungen, ADHS, Autismus ... der Wikipedia-Artikel dazu liest sich wie ein Horrorbericht. Dennoch habe ich hier ein Kind, dass bis auf seinen schweren Start als Frühchen aktuell völlig normal entwickelt ist und ein ganz normales Leben führen wird. Er hat nur eine minimale Fehlbildung eines inneren Organs, die überhaupt keine Konsequenz hat.
Bitte haltet euch vor Augen, dass gerade bei so subtilen Syndromen wie XYY nur die Fälle überhaupt entdeckt werden bei denen die Kids sehr auffällig sind. Die "Normalos" unter den XYY fliegen ja ihr Leben lang unter dem Radar. Jede Statistik dürfte daher auch massiv verzerrt sein, hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für Probleme.
Wenn ihr ein paar Nächte drüber geschlafen habt, könnt ihr vielleicht mit etwas ruhigerem Kopf nochmal die Situation durchgehen. Es muss ja nichts sofort entschieden werden.
Fakt ist ja jedenfalls, dass die Chance, dass euer Sohn trotz XYY ein tolles Leben haben wird, extrem hoch ist. Während das Risiko, dass ein "gesundes" Kind auch ohne XYY, ADHS und Co. entwickelt und damit "schwierig" werden könnte, ja auch nicht niedrig ist. ADHS kommt ja je nach Studie schon bei 7% der Jungs vor.
Ich an eurer Stelle würde das Kind auf jeden Fall behalten. Die Chance auf einen völlig normalen Jungen sind doch sehr hoch. Und selbst, wenn er tatsächlich etwas auffällig sein sollte: ihr seid vorgewarnt und könnt mit Ergotherapie und viel Sport super gegensteuern.
Ich wünsche euch nur das Beste. Am Ende werdet ihr die richtige Entscheidung treffen und die muss nur für euch passen und nicht für einige Damen auf Rehakids. ;)
Liebe Grüße
Ach anderwelt. Es geht doch gar nicht um einige Mütter auf Rehakids. Es geht natürlich viel grundsätzlicher um die Frage, wie wir als Gesellschaft überhaupt mit Behinderungen oder Normabweichungen umgehen. Diese Debatte wird ja in der „westlichen“ Welt auch in anderem Kontext sehr leidenschaftlich geführt. Kann man ernsthaft erwarten, dass in einem Forum für teilweise schwer (Mehrfach-)Behinderte und deren Familien eine andere Tendenz als die „ProKind“ herauskommt? Dort schreiben Eltern und Betroffene, die mit unglaublicher Energie und Liebe zum Leben immer wieder mit Ausgrenzung, Intoleranz und Unverständnis zu tun haben. Und die natürlich darum kämpfen, dass ihr Leben und das ihrer Lieben als lebenswert und bereichernd wahrgenommen wird, denn genau das ist es!
Und in diesem Zusammenhang wünscht man doch allen Eltern, dass sie gesunde Kinder bekommen mögen, aber ist auch erneut irritiert, wenn selbst die (mit hoher Wahrscheinlichkeit) geringere Einschränkung durch eine gonosomale Abweichung den zunächst nicht betroffenen Familien so extrem viel Sorge bereitet. Daran wird deutlich, wie wenig Wissen über das Leben mit Behinderung in der Allgemeinbevölkerung vorhanden ist, ein weiteres Indiz für die so bedauernswerte Ausgrenzung von behinderten Menschen.
Es geht nicht um die paar Mütter. Es geht um die Erosion der Moral, die jüngst mit der Trisomie 21 ihren Anfang genommen hat durch den voll finanzierten NIPT. Kommen wir irgendwann bei einer Eugenik im Stil der NS-Zeit an, wenn wir diese Grundsatzdebatten nicht immer wieder beharrlich führen? Mit den immer weitreichenderen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik wächst die Verantwortung und die Pflicht, sich zu positionieren.
Und wenn die betroffenen Eltern sich nun für einen Abbruch entscheiden, dann ist das vielleicht zu 90% ihre Privatsache, aber wenigstens sollten in diesem Internet, das nie vergisst, ausreichend vehement die diese Entscheidung flankierenden Gedanken zum Ausdruck gebracht werden.
Und ich habe übrigens selber ein Kind mit einer schweren Mehrfachbehinderung und bin deshalb nicht das kleinste bisschen neutral. Sorry!
Man hätte vielleicht den Thread anders eröffnen sollen, so in dieser Art: „Wir erwarten einen Jungen mit xyy, hat jemand Erfahrung, was da auf uns zukommt? Punkt“
Mangels Einfühlungsvermögen (s.o.) war diese Formulierung wohl zu fern liegend.
sehe ich genauso. Mit dem nun für jeden frei verfügbaren NIPT steigt die Gefahr einer wie Du treffend sagst, moralischen Erosion bzw. einer Bewegung in Richtung Eugenik. Die Debatte hierüber müsste laut und hartnäckig geführt werden. Es gibt aber starke Bestrebungen, diese Debatte nicht zu führen bzw. Leute, die sie führen, zum Schweigen zu bringen. Hier im Forum folgen meist zeitnah Abwertungen.
Hallo Isabell & Benjamin,
für reale Erfahrungen mit XYY: Nehmt das Angebot von Leona-ev auf Rehakids an und lasst euch andere Familien vermitteln, am besten welche, bei denen der Befund wie bei euch ein Zufallsbefund war (auch wenn diese am schwersten zu finden sind, weil sie mangels Bedarf oft nicht lange Kontakt zur Selbsthilfegruppe halten).
Für die genetische Beratung: Die Genetiker werden euch hoffentlich die aktuelle, allgemeine Literaturlage gut und empathisch erklären können, aber eine individuelle Prognose dürft ihr nicht erwarten. Ich wüsste nicht, auf welche Daten sich diese bei einem Zufallsbefund wie bei euch stützen sollte.
Ich hoffe, dass ihr euren verständlichen Schock bald überwindet und nicht noch andere, wirklich beeinträchtigende Auffälligkeiten bei eurem Sohn gefunden werden. Es wäre sehr hilfreich, wenn ihr nach dieser Schwangerschaft nochmal berichtet, wie es bei euch weiter gegangen ist.
LG, Barbara
Probleme mit Emotions- und Stressregulation/Handlungsregulation wie Du sie beschreibst sind doch gut angehbare Defizite. Falls es diesbzgl. Probleme geben sollte bei eurem Kind, dann kannst Du ihm doch diesbzgl. helfen; Du hast doch selbst Erfahrung. Und wenn nicht Du allein, dann eben mit psychotherap. Unterstützung. Den Gedanken an Abtreibung finde ich hier erschreckend.
Ich kenne mich mit diesem Syndrom nicht aus, das vorne weg.
Aber ich bin der Überzeugung, dass niemand leichtfertig über eine Abtreibung nachdenkt. Insofern finde ich deinen letzten Satz nicht in Ordnung und verurteilend. Zumal ich davon ausgehe, dass du genauso wenig über dieses Syndrom weißt wie ich. Die TE hingegen wird sich aufgrund ihrer persönlichen Situation sicherlich besser in das Thema eingelesen haben und daher besser beurteilen können, ob der Gedanke an einen Abbruch gerechtfertigt ist oder nicht.
Es ist gut nachlesbar, dass beim genannten Syndrom keine schwerwiegenden Einschränkungen zu erwarten sind. So auch alle Berichte derjenigen die direkte Erfahrung haben. Was anderes wird sich auch TE nicht erlesen können. Und nein, bei derart leichten Einschränkungen ist keine Abtreibung gerechtfertigt. Da wird eine Grenze dessen, was als lebenswert gilt, ganz maßgeblich verschoben und ja, es geht mE, wie bereits eine Vorrednerin angedeutet hat bereits stark in Richtung Eugenik.
Hallo Isabell und Benjamin,
ich habe zwar privat keinerlei Erfahrung mit derartigen Diagnosen, aber ich arbeite also Soz.Päd. in einem Förderzentrum für Kinder mit körperlich-motorischen Beeinträchtigungen. Auch genetische Diagnosen wie XYY sind bei uns ein Aufnahmegrund, allerdings muss da schon auch eine gewisse geistige Einschränkung mit dabei sein. Ich kann euch daher nur aus dieser Sicht berichten. Es wäre gelogen zu sagen, dass man unserem Klientel nicht anmerkt, dass sie anders sind als andere Kinder. Allerdings spielt hier in den allermeisten Fällen das familiäre Umfeld eine sehr ausschlaggebende Rolle. Damit will ich sagen, dass die meisten unserer Kinder aus einem Umfeld kommen, das sozial schwächer gestellt ist und meistens auch bei den Eltern psychosoziale Auffälligkeiten vorliegen. Diese können ihren Kindern meistens wenig bieten, um sie zu unterstützen und zu fördern. Vor allem fehlt es meistens an: Aufmerksamkeit, Liebe, Zuneigung, geregelte Tagesabläufe, Konsequenz, ruhige und sichere Umgebung und stetige Familienkonstellationen (also häufig wechselnde Partner:innen und viel Streit als Beispiel) Diese Umstände verstärken gewisse Prädispositionen natürlich, sodass es immer schwieriger wird die Kinder "unter Kontrolle" zu bekommen.
Ich kann jetzt rein aus eurem Post natürlich nicht sehen, welche Art von Familie ihr seid. Aber ich nehme sehr stark an, dass ihr euren Söhnen sehr vieles der genannten Sachen bieten könnt, nämlich Aufmerksamkeit, Liebe, Zuneigung, Tagesabläufe und Konsequenz. Natürlich kann es Phasen geben, in denen es schwierig wird, aber wie andere auch schon geschrieben haben, gibt es 1. diese Gefahr immer und 2. welche Kinder sind im Laufe ihrer Entwicklung NIE schwierig?
Ich denke alleine, dass ihr euch Gedanken macht, zeigt schon, dass ihr eurem Kind nur das Beste wollt und ihm somit auch die nötige Unterstützung und Förderung zukommen lassen werdet. Ich kann euch natürlich die Entscheidung nicht abnehmen, aber ich habe zumindest versucht mit dieser Antwort aufzuzeigen, dass auch Kinder mit (genetischen) Auffälligkeiten wie XYY ein sehr gutes und geregeltes Leben führen können, auch wenn sie dafür unter Umständen etwas mehr Unterstützung brauchen werden, als Kinder ohne diese.
Hallo ihr Beiden, es macht euch Angst, dass ihr nicht wisst, wie genau sich das zusätzliche Y-Chromosom bei eurem Jungen bemerkbar macht und wie sehr es sich dann auf euren Familienalltag auswirken könnte. Mit der Ungewissheit zu leben, fällt euch schwer. Man hätte so gerne Sicherheit, auch in anderen Lebensbereichen. Dass es sie nicht gibt, ist euch bewusst. Jetzt gehen theoretisches Wissen und eurer aktuelle Situation auseinander und ihr seid dabei, euch darauf einzustellen und zu informieren.
Gebt euch Zeit – das werdet ihr bestimmt öfter hören 🙂
Wo wäre denn eine Grenze für euch, bis wohin ihr es euch vorstellen könnt? Wo wäre sie für dich und wo für deine Frau? Wie wäre es für euch mit Unterstützung denkbar?
Deine Frau erlebt die Schwangerschaft nochmal unmittelbarer, weil sie euren Jungen schon in sich trägt. Wo seid ihr euch einig, wo gehen eure Meinungen und euer Gefühl auseinander. Mag sie selbst mal hier schreiben – von Frau zu Frau?
Ehrlich miteinander sein, einander aufmerksam zuhören und einander so, wie man ist und fühlt, annehmen finde ich auch unbedingt notwendig.
Vielleicht würde euch tatsächlich ein direkter Kontakt zu Familien mit einem Kind mit dem XYY Syndrom gut tun. Natürlich ist jedes Kind individuell und niemand kann vorhersagen, wie es sich entwickelt - wie bei jedem anderen Kind auch. Aber Eltern selber zu hören, kann doch sehr hilfreich sein. Man nimmt sich das mit, was zu einem passt.
Was steht als nächstes für euch an? In welche Richtung beraten euch die Ärzte? Was hat man euch an Beratung angeboten?
Mit etwas Unbekanntem konfrontiert zu sein, kostet zuerst viel emotionale Kraft. Es fühlt sich nicht schön an und doch wächst man nach und nach persönlich in solchen Zeiten.
Und wenn ihr euch vorstellt, euren zweiten Sohn zu bekommen - wenn das Leben nicht perfekt läuft, wo man sich übt, den andern so anzunehmen, wie er ist, da wächst oft die Liebe und man selbst am stärksten. Man nimmt nochmal ganz andere Dinge vom Leben wahr als in Zeiten, in denen alles rund läuft. Und schätzt manches und einander viel mehr 💖
Hallo zusammen,
zunächst vielen Dank für eure Antworten, Anregungen und Wünsche! Wir hatten gestern einen erneuten Ultraschalltermin, der kleine Mann sieht noch immer kerngesund aus. Dabei wurde uns auch offenbart, dass das XYY-Syndrom alleine ohne weitere Auffälligkeiten wie bspw. ein Herzfehler keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch stellt. Medizinisch sind die Auswirkungen von XYY anscheinend so gering, weil das Y-Chromosom wesentlich weniger Informationen als das X-Chromosom enthält (nur circa 86 Gene im vergleich zu circa 2.000 beim X). Somit führt das doppelte Auftreten nur zu geringen Einflüssen. Im Gegensatz hierzu ist dann aber eine Anomalie der Geschlechtschromosmen nach Klinefelter (XXY) sehr wohl eine medizinische Indikation die einen Abbruch rechtfertigt. Das war uns so nicht bewusst, erachten wir aber als positiv, weil
Was haben wir nun alles angeleiert: Wir haben uns bei LEONA.e.V. gemeldet und bereits Antwort erhalten. Von LEONA bekommen wir Infomaterial zugesendet und Kontaktfamilien genannt. Über Rehakids haben wir ein Paar gefunden das bereit ist mit uns zu telefonieren, das beruhigt hoffentlich auch.
Und jetzt zu euren Beiträgen:
@Bikinibini:
Ja, meine Frau und ich erkennen im XYY Syndrom einige Parallelen zu meinen Charaktereigenschaften. Es spricht zwar auch einiges dagegen (Körpergröße, motorisch prinzipiell eher begabt), aber ich überlege ob ich mich aus Interesse auch screenen lasse. Wobei es wie ich verstehe keinen Zusammenhang gibt, sprich Träger von XYY haben nur ein minimal erhöhtes Risiko dieses weiterzugeben. Natürlich ist mein Leben lebenswert, aber ich kenne halt auch die Schattenseiten von Impulsivität und der Gefahr ab einem gewissen Punkt das rationale Denken zu vergessen
@Katharina:
Katastrophe und nicht machbar nein. Nur die Angst, dass die von mir sowieso schon vorhandene Impulsivität in Kombination mit XYY unkontrollierbar wird. Man liest im Internet teils Erfahrungsberichte, wo Jungs mit XYY extrem impulsiv und bereits kleinste Trigger, die im Alltag nunmal vorkommen, zum Kontrollverlust führen. Da entstehen erstmal die Ängste, dass es vorrangig für den Sohn ungemütlich wird, wenn er in normalen Alltagssituationen Kontrollverluste erleidet und diese im Nachhinein bei rationalem Verstand ständig bereut.
@anderwelt:
Schön zu lesen, es freut uns, dass bei dir alles gut gegangen ist! Das macht Mut! Ja, auch wir gehen mittlerweile davon aus, dass die Statistiken zu XYY massiv verzerrt sind weil die meisten nicht entdeckt werden. Und schön zu lesen, dass hier jemand Verständnis für unsere Gedankenwelt hat. Auch weil unser Frauenarzt total gepennt hat, sind wir in der Annahme dass Trisomie18 in den Tests auffällig ist zur Feindiagnostik gefahren. Aufgrund der perfekten Ultraschallergebnisse war das eigentlich schon vom Tisch, bis wir Ort damit konfrontiert wurden, dass eben auch XYY im Gespräch ist. Und die verdickte Nackenfalte hat unser Frauenarzt zwar entdeckt, uns im Termin aber gesagt, dass mit dem Kind alles gut ist und die Nackenfalte damals nicht erwähnt. Dann zieht es einem natürlich erstmal die Socken aus wenn man nachträglich davon erfährt.
@Barbara:
Angebot von LEONA.ev haben wir aktiviert. Danke, dass du die Potentiale der genetischen Beratung von vornherein realistisch absteckst. Und auch wir hoffen, dass nun bei der Langzeitkultur und bei der nächsten Feindiagnostik keine weiteren Auffälligkeiten entdeckt werden. Wir wären denke ich auch bereit bei einer Studie mitzumachen, einfach im mehr Datenbasis zum XYY-Syndrom für andere Betroffene zu ermöglichen.
@rma_too:
Dass es nur leichte Einschränkungen geben wird kann niemand garantieren. Korrekt, je aktueller die Literatur, je geringer scheinen die Auswirkungen wirklich zu sein. Aber wir bevorzugen immer den Worst-Case zu erwarten, um uns dann über eine positivere Entwicklung zu freuen. Das hat uns bisher geholfen, Frustrationen zu vermeiden. Und die Auswirkungen können, wenn man die schlimmsten Berichte als Basis nimmt, durchaus auch deutlich ausgeprägt sein.
@Tinchen:
Danke für deinen Erfahrungsbericht, sehr interessant jemand zu hören, der echte Praxisbeispiele hat. Wir hoffen, dass wir durch die weiterführenden Tests andere genetischen Aufälligkeiten ausschließen können. Ebenso danke, dass du das Thema Umfeld so eindeutig ins Rennen bringst - heute hat man ja fast das Gefühl, dass man sowas nicht mehr erwähnen darf. Ich denke unser Umfeld passt sehr gut. Wir wohnen ländlich mit viel Platz zum Austoben, Frau ist pädagogisch gebildet, Familienleben inkl. Omas und Opa funktioniert prächtig und Liebe, Zuneigung aber gerade bei meiner Frau auch Konsequenz sind vorhanden. Wir würden uns selbst so einschätzen, dass wir durch das Umfeld positiv prägen werden.
@Romy:
Viele Fragen, die man so eindeutig nicht beantworten kann. Es ist für uns gerade ein Entwicklungsprozess und wir merken, dass sich der anfängliche Schock und die Angst legt und immer mehr Zuversicht eintritt. Dass uns die Entscheidung ob wir das Kind behalten oder nicht genommen wurde erachten wir als positiv, denn das Kind zu behalten entspricht ja den eigentlichen Wünschen, Gefühlen und Emotionen.
Generell zur Thematik Pränataltest muss ich teils zustimmen. Das Wissen ist Fluch und Segen zugleich und uns war gar nicht bewusst, was wir durch Bestimmung der Geschlechtschromosomen wirklich lostreten. Wir wollten tatsächlich nur das Geschlecht bestimmt haben, ansonsten war die Intention Trisomie 13, 18 und 21 im Fall der Fälle zu identifizieren. So, und weil nun XYY diagnostiziert wurde sind wir automatisch durch die Punktation schlussendlich soweit, dass das gesamte Erbgut unseres Nachwuchs ausgewertet wird und wir über jede kleinste Abweichung Bescheid wissen. Einerseits ist es sicherlich gut, dass wir die Diagnose kennen um später in der Erziehung bewusst zu lenken. Andererseits darf man die Frage stellen, ob vieles was man da lenkt nicht sowieso durch elterliche Intuition passieren sollte? Eins ist klar, jegliche ältere Generation unserer Familie hätte das Kind als völlig gesund ausgetragen.
Liebe Grüße
Hallo du sorgfältiger und reflektierter und liebevoller Papa,
also insgesamt gute Nachricht und ich freue mich mit euch, dass ihr zuversichtlicher werdet. Ihr seid hoffentlich bald wieder so richtig guter Hoffnung.
Wann soll das Ergebnis der Langzeitkultur kommen? Es dauert so zwei Wochen, oder?!
Traumhaft genial, wie du euer äußeres Umfeld und eure Großfamilie beschreibst 💖 So wünscht man es einem Kind!
Du berichtest sicher nochmal kurz vom Ergebnis. Alles, alles Liebe und Gute dir und deiner Frau und eine gute Schwangerschaft!
Bei unserem Sohn wurde in der Feindiagnostik eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte entdeckt. Zweithäufigste Fehlbildung nach Herzfehlern mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:500.
Die Trisomien kommen gern damit. Die waren durch den Harmony aber schon ausgeschlossen. Die Ärzte haben uns trotzdem in eine Fruchtwasserpunktion gedrängt die sofort gemacht wurde. Hätte ich eine Nacht darüber schlafen können hätte ich sie abgelehnt und uns viele Sorgen erspart. Denn dabei kam eine Deletion raus die syndromal ist und so selten dass sie nicht mal eine Namen hat. Zur Zeit der Diagnose gab es >100 bekannte Fälle. Das macht eine „Wahrscheinlichkeit“ von 1:70Mio. Die Chance im Lotto zu gewinnen ist deutlich besser. Die Ausprägungen variieren stark und gehen von komplett unauffällig bis leichte bis mittlere körperliche und auch geistige Einschränkungen. Herzfehler. Augendefekte. Verhaltensauffälligkeiten. Kurz eine Summe an Fehlbildungen, geistigen und körperlichen Einschränkungen. Und das I-Tüpfelchen, es musste noch per Kultur geklärt werden ob ein Bereich betroffen ist der als lebensverkürzend gilt.
Die schlimmsten 2 Wochen meines Lebens.
Ich erinnere mich noch zu gut an die absolute Panik und die Sorge um meinen kleinen Jungen. Die Bandbreite dessen was kommen könnte las sich fürchterlich. Und gleichzeitig nichtsagssagend, da von den wenigen bekannten Fällen nicht wenige unauffällige Eltern mit dem gleichen Defekt stark beeinträchtige Kinder haben.
Es war ein riesengrosses erdrückendes Damokles-Schwert.
Wir hatten damals an der Genetik der Uni eine Beratung. Die hat mir ein wenig die Angst genommen weil wir an die Hand bekamen was kommen könnte und für mich damit greifbar wurde wo wir ggf gegensteuern können um dem Kind leid zu ersparen, Stichwort Schulische Leistungen zB. Und auch uns wurde gesagt dass diese Listen verzerrt sind, da man bei Kindern mit Auffälligkeiten nach Gründen sucht.
Cut zu heute. 6 Jahre später. Die Ängste waren lange recht dominant. Aber va die Tatsache dass wohl viele undiagnostiziert mit der gleichen Deletion rumlaufen hat sich bei mir mittlerweile verfestigt.
Unser genetisches Zentrum hat mittlerweile noch 2 weitere Kinder damit. Die Spalte hat uns gut beschäftigt am Anfang. Die Sorge schwang noch einige Zeit mit. Mit jedem Meilenstein wurde sie weniger. Mein Sohn hat milde körperliche Hinweise auf seine Deletion. Eher kurze Finger. Er ist sehr zierlich. Leicht kleinerer Kopf. Das alles würde niemandem auffallen wenn wir nicht wüssten dass mehr ist.
Wir haben ein ganz soziales, empathisches Wesen hier, in der sozialen Entwicklung den Altersgenossen deutlich voraus. Gleiches in der Motorik. Konzentrationsvermögen extrem gut, die Logo sieht die Einschulung extrem entspannt. Er arbeitet mit ganz viel Freude und konzentriert mit.
Sprachlich war er auffällig spät, an der Grenze zur Spracherwerbsstörung. Ob das von der Spalte oder der Genetik kam? Ob es sich von allein gegeben hätte? Ich weiss es nicht. Ich habe ihn niederschwellig für Logo angemeldet und binnen 1.5 Jahren war er wieder auf Track. Alle 2-3 Jahre stelle ich ihn in der Genetik vor. Zum einen damit sich die Statistik verbessert und Mamas heute nicht mehr so ein Horrorkabinett an hohen Prozenten lesen müssen wie wir. Zum anderen damit ich aktuell im Bilde bin worauf wir gucken müssen. So kann ich wie bei der Sprache abfangen dass sich da ein grösseres Problem entwickelt.
Es hat sich so final gelesen. Und ich habe hier unterm Stricheinen ganz liebenswerten und bis auf die eine körperliche Fehlbildung komplett fitten und „normalen“ kleinen Jungen.
Mit der Erfahrung im Gepäck schliesse ich mich dem Tenor der anderen Mamas an. XYY liest sich stemmbar und es ist wirklich Frage ob ihr überhaupt was davon merkt oder das Kind ohne diesen Zufallsbefund den Stempel charakterstark bekommen hätte. Nicht um euch eure Ängste abzusprechen, deswegen unsere Erfahrung als Bericht, nur ein aus meiner Sicht recht wahrscheinlicher Bericht was ihr in 5-6 Jahren einer frisch diagnostizierten Familie potenziell schreiben könntet. 😉
Vertraut euren Kind. Das macht das schon. Und wenn Ihr Auffälligkeiten seht geht ihr niederschwellig an ein SPZ und macht Ergo etc. Das ist der Segen des Zufallsbefundes, ja, er hat einen. 😉 du kannst ganz gezielt und schnell und früh und sanft reingehen und gegensteuern.
Kopf hoch. Es wird sich alles finden.