Frage zur Diagnose/Erfahrungen (schwerste Fehlbildungen)

Hallo,

mir wurde im "Frühes Ende Forum" empfohlen meinen Text bzw. mein Problem auch hier nochmal zu schildern. Mir geht es primär um die Art der Fehlbildungen und ob es evtl. jemand dazu Diagnosen oder ähnliche Fälle kennt. Wir haben viel Zeit verbracht nach ähnlichen Fällen zu suchen, wurden aber leider nicht fündig. Der Text ist etwas lang, aber Danke, an alle die sich dennoch die Zeit nehmen und vllt. sogar etwas dazu sagen können, ganz egal ob es eigene Erfahrungen oder ähnliche Fälle sind.




"Hallo zusammen,

nach einer Fehlgeburt im 1. Trimester mussten wir leider auch unseren Sohn in der zweiten Schwangerschaft am Ende des 6. Monats gehen lassen. Alle Untersuchungen waren immer einwandfrei und ohne irgendwelche Auffälligkeiten. Bei der Feindiagnostik (DEGUM II) wurden dann völlig unerwartet schwerwiegende Fehlbildungen an allen(!) Extremitäten festgestellt, die von einem Spezialisten (DEGUM III) dann leider auch so bestätigt wurden:

- alle Röhrenknochen, teilweise stark, verkürzt
- Femur sehr stark gebogen
- beide Wadenbeinknochen (Fibula) fehlen komplett
- Füße fehlgebildet, schwere Fehlhaltung (nach außen)
- eine Hand fehlt komplett, die andere hat nur 3 Strahlen
- beide Füße mit nur 3 Strahlen
- Fixierung der Gelenke (Knie- und Ellenbogen)

Später, am Tag des Spätaborts, in der Klinik, kamen dann noch weitere Dinge hinzu, wie zu wenig Fruchtwasser & eine nun immer mehr auffällige Kopfform. An diesen Punkt war die Entscheidung jedoch schon gefallen. Die Organe & das Gehirn waren zu diesem Zeitpunkt auch (noch) unauffällig und zeitgerecht entwickelt.


Gerade der letzte Punkt (Fixierung der Gelenke) hat laut Ärzten sehr große Auswirkungen. Unser kleiner Schatz konnte sich dadurch nicht im Mutterleib großartig bewegen. Bei allen Ultraschalluntersuchungen, allein 7 mal nach der 21. SWW, war er immer in der selben Haltung, egal wieviel Mühe sich die Ärzte gaben ihn zum Bewegen zu Motivieren. Am Ende wussten wir nun leider auch warum...weil er sich nicht bewegen und seine Arme und Knie nicht strecken konnte. Leider werden dadurch lt. Ärzten auch keine/wenig Muskeln angelegt werden, da diese primär bereits durch die Bewegungen im Mutterleib angelegt und trainiert werden. Beim Ausbleiben von Bewegungen, weil es z.B. nicht möglich ist, wird an Stelle der (wenigen) Muskeln nur Bindegewebe angelegt. Das allein führt zu sehr vielen Folgeproblemen.


Wir haben uns sehr viel informiert, viel mit den Ärzten gesprochen, sehr viel im Internet recherchiert (was für Behandlungen/Operationen sind möglich, welche Einrichtungen gibt es...) und vieles mehr, aber leider konnten und haben uns auch die Ärzte sehr wenig bis keine Hoffnung gemacht, obwohl wir bereit gewesen wären große Opfer zu bringen. Einer kündigt seinen Job, Umzug in eine neue Wohnung, neues Auto, jährlich monatelang in Spezialkliniken verbringen und vieles mehr. Trisomie 21, das fehlen von beiden Armen oder Beinen etc. wären für uns keine Gründe für einen Spätabort gewesen. In diesem Moment hätten wir wahrscheinlich Freudentränen geweint, wenn es doch "nur" so etwas gewesen wäre.


Selbst DEGUM III Experten, die täglich viel sehen und erleben, meinten, dass die aktuelle Medizin an dieser Stelle an ihre Grenzen stößt und man durch die Kombination der Fehlbildungen keine bisher heute bekannte Therapie/OP/Prothese nutzen könne. Niemand traute sich auch irgendeine Verdachtsdiagnosen zu stellen.
Unser Schatz wäre laut den Ärzten wohl auch nicht in der Lage gewesen zu sitzen und es wäre ein lebenslanger schwerster Pflegefall geworden ("Er benötigt 4-5 Menschen für die Betreuung"). Das aber nur unter der Voraussetzung, dass nicht mehr dazu gekommen wäre, was sich leider in der Klinik am Ende der 24. SSW dann schon andeutete. Letztendlich zeichnete sich einfach ein Bild der Verzweiflung ab und egal wie viele menschenmögliche Opfer und Dinge wir erbracht hätten, es hätte unserem Schatz für sein Leben kaum etwas gebracht. Es gab einfach keine Perspektive oder positive Prognose.


Wir haben uns trotz der späten Diagnose noch einmal viel Zeit, knapp 3 Wochen, für die Entscheidung genommen und uns letztendlich für eine stille Geburt mit vorangehenden Fetozid entschieden. Diese Entscheidungszeit war sehr schwer, aber auch unheimlich wichtig und wertvoll. Wir haben bis zum letzten Tag mit unseren kleinen Schatz gesprochen, den Bauch eingeölt und gestreichelt, seine wenigen und schwachen Bewegungen ab der 24. SSW gespürt und ihm alles erklärt & uns entschuldigt, auch wenn es uns dabei jedes Mal das Herz zerrissen hat. :(


Abschließend bleibt zu sagen, dass wir nach der stillen Geburt noch einige Zeit mit unserem Schatz verbracht haben und uns auch am Folgetag, vor der Abreise, noch einmal in aller Ruhe mit ihm Zeit verbringen konnten. Diese Zeit war unglaublich wertvoll. Die Klinik, die Ärzte, Schwestern und Hebammen waren eine unglaublich große Stütze und wir waren froh, in dieser Zeit solche tollen Menschen um sich zu haben.


Falls jetzt noch jemand wach ist und bei dem vielen Text nicht eingeschlafen ist, dann sei noch die Frage gestattet, ob jemand ähnlich Diagnosen einmal bekommen hat oder ob jemand vielleicht sogar weiß, ob es sich um einen bekannten Gendefekt handelt. Chromosomenstörungen lagen für unseren Schatz nicht vor und auch die Humangenetik hat bisher leider nichts rausbekommen.

LG"

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Hey Du,

es tut mir leid, das ihr schon so viel durchmachen musstet ! ;(

Ich bin Mama eines Kindes mit einer sehr seltenen und unheilbaren Stoffwechselstörung und weiß daher gut, wie sich das Leben verändert, wenn das Kind nicht „der Standard“ ist..

Und daher möchte ich Dir meinen tief empfundenen Respekt aussprechen für eure Entscheidung, dass ihr bereit wart, viele der bekannten Fehlbildungen wissentlich zu akzeptieren. Das ist nicht selbstverständlich, gerade wenn man schon vor der Geburt davon weiß und nicht davon überrascht wird und quasi keine Wahl mehr hat..

Zu deiner Frage nach der Diagnose kann ich nichts beitragen, möchte Dir aber die Seite RehaKids empfehlen. Ich könnte mir vorstellen, dass du da Antworten von Mithliedern erhältst.

Liebe Grüße und alles Gute für Euch!

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Hallo stern-23,
euer Verlust tut mir sehr leid.
Könnte es ein sehr schwer ausgeprägter Femur-Fibula-Ulna-Komplex gewesen sein? https://de.wikipedia.org/wiki/Femur-Fibula-Ulna-Syndrom und https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/Disease_Search.php?lng=DE&data_id=1952
Wenn die Humangenetik keine Ursache finden konnte, sollte die Chance auf eine sporadische Fehlbildung recht gut sein.
LG, Barbara

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Hallo,

vielen lieben Dank für die Antwort und die Zeit, die Sie sich genommen haben.

Das Femur-Fibula-Ulna-Syndrom könnte es sein, aber so richtig auch wieder nicht. Dafür spricht, dass alle Organe, Rumpf, Gehirn etc. in Ordnung waren (Stand 21. SSW), jedoch wurde in der 24. SSW dann auch schon eine auffällige Kopfform und fehlendes Fruchtwasser entdeckt.

Auch war bei unserem Schatz die linke Seite stärker betroffen (FFU-Syndrom meist rechts). Dazu kam, dass beide Tibia betroffen & verkürzt waren, ebenso der Radius beidseitig. Auch beide Oberarmknochen waren verkürzt. Es war also leider jeder Knochen der Extremitäten betroffen und die Fehlbildungen nicht asymmetrisch, wie beim FFU-Syndrom. Dazu kommen dann ja auch noch die Fixierungen in allen 4 Gelenken. :(

Sie haben aber vermutlich recht, dass die Chancen für eine sporadische Fehlbildung recht gut stehen. Das ist natürlich kein Trost, aber irgendwie versucht man ja trotzdem immer dem Ganzen einen Namen zu geben.

Ich habe großen Respekt für Ihre Arbeit und den Aufwand, den Sie hier betreiben! Noch einmal ein ganz großes und von Herzen kommendes Dankeschön! Das, was Sie hier tun und leisten, ist alles andere als selbstverständlich.

Edit: PS: Sie könnten mit FFU doch recht haben. Mitunter können die bei uns aufgetretenen Symptome ebenfalls vorkommen, aber eigentlich nicht wirklich ALLES auf einmal. :(

Bearbeitet von stern-23