Macht die Fruchtwasseruntersuchung Sinn? Frage an Leu

Hallo ihr lieben,

Ich bin 20J und mittlerweile in der 23 Ssw mit einem Mädchen und war vor ein paar Tagen bei der Feindiagnostik. Dort kam raus, dass beide Nierenbecken erweitert (Pyelektasie) sind (6mm) und, dass das Kind eine Retrognathie hat.

In der 12 Ssw war ich beim Ersttrimesterscreening auch dort und es war alles in Ordnung mit der Nackenfalte. Sonst auch keine Auffälligkeiten nur eine milde Retrognathie und ganz mild betonte Nierenbecken. Es hieß, dass alles in Ordnung ist, da das Kinn sehr wahrscheinlich vom Vater kommt.

Der Nipt Test war auch unauffällig und alles war gut.

Jetzt heißt es jedoch, dass ich eine Fruchtwasserpunktion machen sollte um alles andere auszuschließen, da es ja Auffälligkeiten im Ultraschall (Kinn und Nierenbecken) gibt.

Ich wollte euch mal gerne nach eurer Meinung fragen. Denkt ihr es ist das Risiko wert die Fruchtwasserpunktion zu machen, oder ist es nicht nötig?…

Bearbeitet von Sonne72738
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Hallo Sonne,
pauschal kann ich eine solche Frage nicht beantworten. Die erste und wichtigste Frage ist, ob du dir in dieser Schwangerschaftswoche (bzw. frühestens in ca. 2 Wochen mit den Ergebnissen) und angesichts der praktisch sicheren Lebensfähigkeit deines Kindes noch einen Schwangerschaftsabbruch vorstellen kannst. Wenn nein, kannst du ohne weitere Überlegungen auf die Fruchtwasserpunktion verzichten.
Wenn ja, ist die Entscheidung schwieriger. Die (vermutlich sehr geringe) Möglichkeit für einen schwerwiegenden Befund steht dem (sehr geringen) Risiko einer Punktionskomplikation gegenüber, vor allem aber auch der Möglichkeit, dass die Punktion zu nichts als wochenlangen, nutzlosen Beunruhigungen führen wird, schlimmstenfalls bis zur Geburt oder sogar darüber hinaus. Denn vermutlich planen die Ärzte nicht nur eine Chromosomenanalyse, wie noch vor wenigen Jahren, sondern ein Exom, also eine Sequenzierung sämtlicher, ca. 36 Millionen Genbausteine. Dabei gibt es immer eine relativ hohe Gefahr für Befunde unklarer Bedeutung. Ein Beispielthread mit ganz anderen (und wesentlich schwerwiegenderen) Auffälligkeiten wurde gerade heute abgeschlossen: https://www.urbia.de/forum/172-praenataldiagnostik-schwangerschaftsvorsorge/5822152-ssw-26-kurze-roehrenknochen-5-perz-ansonsten-unauffaellig-verdacht-hypochondroplasie
LG, Barbara

P.S.: Übrigens: "alles andere ausschließen" kann man sowieso nicht, noch nicht einmal mit einem Exom. Ich denke, hinter der Empfehlung zur Punktion steckt auch zu einem guten Teil ein (sogar verständliches) juristisches Absicherungsbedürfnis.

Bearbeitet von -leu-
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Hallo Barbara, vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Ich hätte da noch eine Frage. Weißt du vielleicht wie weit wir über dem Grenzwert mit unserer Nierenbeckenerweiterung mit 6mm liegen? Das habe ich auch heute meinen Frauenarzt gefragt, dieser hat jedoch keine klare Antwort gegeben und nur drumherum geredet. Auch habe ich gefragt, wie es ist, wenn sich die nierenbeckenerweiterung in den nächsten Wochen verwächst. Da hieß es auch, dass das nichts am ,,Risiko‘‘ ändert. Was sagst du dazu?
Liebe grüße

Bearbeitet von Sonne72738
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Hallo Sonne,
alles zwischen 5 und 10 mm gilt als "leichte" Nierenbeckenerweiterung. Einen solchen Befund haben ca. 0,7% aller Feten zwschen der 16. und 26. SSW. Die Wahrscheinlichkeitssteigerung für Chromosomenabweichungen ist bei isoliertem Befund nicht signifikant erhöht. In Anwesenheit anderer Softmarker beträgt die Steigerung ca. Faktor 2. Das Problem ist, dass ich keine vergleichbaren Daten für Retrognathie kenne - ab wann sie überhaupt auffällig ist, ob es dafür objektive Kriterien gibt und wie die Steigerung dann aussieht. Ich erinnere mich aber an keinen Fall, bei dem die Retrognathie ein ausschlaggebendes Merkmal war.
Man kann auf dem Standpunkt stehen, dass eine Normalisierung des Befundes die Risiken nicht mehr verändert - ähnlich wie bei der NT. Ob das für Nierenbeckenerweiterung jemals wissenschaftlich überprüft wurde, weiß ich nicht.
Als ein weiteres Problem empfinde ich, dass inzwischen ein Exom bei nahezu jeder Art von "Ultraschallauffälligkeiten" im Raum steht. Das ist meiner Überzeugung nach einfach nur übertrieben, aber die Dynamik ist praktisch unaufhaltsam: wenn eine große Praxis damit anfängt, müssen die anderen nachziehen, wenn sie sich keinen juristschen Risiken aussetzen wollen.
LG, Barbara