Hilfe! Ich war grob zum 3 Monate alten Baby!

(Lesezeit ca. 3,5 min)
Liebes Forum,

ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll oder wo mir der Kopf steht. Ich brauche eure ehrliche Meinung, weil die einzige Therapeutin in der Nähe, bei der ich Zeitnah einen Termin bekommen könnte, im Urlaub ist und ich mit meinen Nerven einfach am Ende bin. Das könnte etwas länger werden und ich beginne am Besten ganz von vorn:

Unsere kleine Tochter ist jetzt 3 Monate alt und nach 2 Abgängen unser lang ersehntes, absolutes Wunschkind.
Die Schwangerschaft war leider von Anfang an nicht besonders schön. Hyperemesis Gravidarum bis zur 21. Woche und danach Symphysen- und Ischias-Beschwerden vom feinsten.
Ich hatte mir eigentlich eine natürliche Geburt im Wasser gewünscht. Aber Mausi hatte andere Pläne und blieb in Beckenendlage. Also Kaiserschnitt. Das ganze auch noch 4 Wochen zu früh (Blasensprung). Ich war noch gar nicht vorbereitet und hatte furchtbare Angst. Bei mir war schon einmal eine Spinalanästhesie schief gegangen, aber ich wollte auf keinen Fall die Geburt verpassen, also ließ ich sie trotzdem machen. 2x ist mir der Kreislauf abgeschmiert und die Kleine wurde uns nur kurz gezeigt, weil sie viel Fruchtwasser geschluckt hatte und blitzeblau war. Aber kurze Zeit später hatte ich sie dann bei mir. Sie war doch recht fit für die Umstände.
Ich wollte unbedingt stillen, also hat die Hebamme mit mir versucht, sie anzulegen. Sie meinte allerdings, meine Brustwarzen wären zu flach und schwatzte mir sofort ein Stillhütchen auf. Ich nahm es natürlich auch her. Woher hätte ich es auch besser wissen sollen?
Jedenfalls hat das Ding unsere gesamte Stillbeziehung komplett kaputt gemacht. Ich kam mir so doof vor mit dieser Silikonmauer zwischen uns und wollte es unbedingt wieder loswerden, was natürlich überhaupt nicht klappte. Zudem war die Kleine von Geburt an schon trinkschwach. Stillen wurde ein stundenlanges Unterfangen, weil sie immer wieder einschlief oder mir das Hütchen runterzog. Ich habe jede Nacht geheult und die Kleine auch, sodass ich nach 4,5 Wochen schweren Herzens abgestillt hab. Ich fühlte mich wie eine Versagerin.
Trotzdem hab ich probiert, auf andere Weise eine gute Bindung aufzubauen. Hab viel gekuschelt... Aber irgendwie war es nicht dasselbe.
Ich habe sehr oft geweint in der ersten Zeit. Manchmal wusste ich nichtmal, warum.

Jetzt aber zum eigentlichen Problem:

Ich merke, dass ich einfach keine Geduld mehr habe, wenn die Kleine schreit. Ständig rege ich mich auf und muss dann wieder weinen.
Und heute ist mir was wirklich schlimmes passiert. Bevor mich jemand kreuzigt:
Mir ist durchaus absolut bewusst, dass es ein Fehler war und bin so traurig, dass mir das passiert ist. Ich liebe unsere Maus über alles und weiß einfach nicht, was da in mich gefahren ist.
Ich hatte schon eine knappe Stunde probiert, sie ins Bett zu verfrachten. Immer wieder schrie sie, obwohl sie satt, müde und trocken war. Jedes Mal, wenn ich aus dem Zimmer raus war, ging es von vorne los. Ich nahm sie hoch und sie dämmerte auf dem Arm etwas weg. Also legte ich sie ganz vorsichtig in ihr Bettchen... und dann gings richtig los. Sie schrie wie am Spieß... Und mir platzte der Kragen. Kurz dachte ich sogar über eine Ohrfeige nach, aber soweit hab ich mich zum Glück noch zurückgehalten. Stattdessen schrie ich sie an, sie solle endlich still sein, nahm sie wieder (unsanft) hoch und klopfte ihr auf den Po. Das beruhigt sie normalerweise. Aber ich tat es viel zu fest. Die Kleine fing darauf hin richtig an zu schluchzen und es tat mir sofort leid und ich beruhigte sie sanft, sagte ihr, dass ich sie liebe und dass das nie wieder passiert und weinte mit ihr. Dann machte ich ihr eine kleine Portion Milch fertig, die sie trank und dann schlief sie endlich ein.
Und jetzt sitze ich hier und mache mir unendlich viele Gedanken und Vorwürfe. Bin ich einfach nur übermüdet und überfordert? Hab ich ein zu hohes Aggressionspotential? Oder ist es eine verschleppte Wochenbettdepression?
Hat jemand Erfahrung mit sowas oder war vielleicht selbst betroffen und kennt die Anzeichen?

Und noch etwas, was mir SEHR wichtig ist: Kann sich die Kleine da später noch dran erinnern? Hab ich ihr Vertrauen in mich kaputt gemacht? Oder nimmt sie das noch gar nicht so richtig wahr und hat es morgen wieder vergessen?

Wie gesagt, ich möchte gern in Behandlung gehen. Egal, was es ist. Ich sehe die Problematik und mein heutiger Fehler hat mir gezeigt, wie dringend es ist. Deswegen frage ich hier vorab nach. Vielleicht gibt mir das schonmal ein bisschen Klarheit oder zumindest einen nüchternen Blickwinkel von außen.

Danke fürs lesen und eventuell fürs antworten!

Eine komplett untröstliche Mami

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Wir haben alle ein Idealbild im Kopf: Wunderschöne Schwangerschaft, bei der man höchstens mal Ananas oder saure Gurken essen möchte, ansonsten aber wunderschön und liebevoll den Bauch streichelnd einer Wassergeburt mit Kerzenlicht und Aromakerzen entgegenwatschelt. Dann ein hübsches Baby, das von Anfang an kräftig an der Brust saugt und dabei täglich zunimmt, während wir im Schaukelstuhl ein Disneylied vor uns hinsummend es lächelnd betrachten.
Und dann kommt die Realität: Schwangerschaft und Geburt mühsam und voller Komplikationen. Stillen klappt nicht, Baby schläft nicht, hat Blähungen, schreit viel und lässt sich nicht beruhigen.
Das zehrt dermaßen an den Nerven, dass sich niemand ohne Kinder das vorstellen kann. Der Schlafmangel tut sein übriges dazu.
Und dann wird das Baby angeschrieen, zu fest angepackt, aufs Bett geworfen, auf den Windelpo geschlagen.
Ich glaube in gewissen Maßen kennt das jede Mutter.
Mach Dir nicht zu viele Vorwürfe. Ich glaube noch nicht einmal, dass Du eine Therapie brauchst. Es wird mit der Zeit leichter. Und damit so eine Situation nicht noch einmal vorkommt, schaff Dir Entlastung. Wenn Du nicht stillst ist ja der Vorteil, dass auch der Papa oder die Oma füttern kann. Geh mal mit einer Freundin weg, mach etwas, was Dir gut tut.
Dein Baby erinnert sich nicht mehr an den Klaps.

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Vielen Dank, tut gut zu hören, dass es anderen auch so geht.

Ich versuche schon immer mal, mich rauszuziehen, aber irgendwie denke ich mir dann wieder: "Hey, es ist nur ein Baby. Und es braucht dich. Das wirst du ja wohl schaffen!"
Und dann entstehen solche Situationen, in denen es mir einfach zu viel wird.
Wahrscheinlich muss ich einfach noch lernen, mehr zu entspannen, weniger Aufgaben zu übernehmen und die kleine meinen Mann öfter mal aufs Auge zu drücken...

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Puh… wenn ich das so lese denke ich nur, dass du bei dir mal ganz viel Druck raus nehmen solltest!
Regelmäßig Maßregel in meine Maus und sage ihr ziemlich deutliche, dass hier jetzt Schluss ist. Auch fasse ich sie fest an, wenn sie mir an den Haaren zieht oder mir weh tut.
Vielleicht wäre es nächstes Mal eine Option Kopfhörer rein zu machen, dann muss dann das Geschrei nicht so hören, den Partner oder die Partnerin hinzu zu ziehen oder das Kind einfach mal an einem sicheren Ort (wo es nicht fallen kann) liegen lassen, raus gehen durch Atmen. Sie wird keine Massenmörderin, nur weil du sie mal 5 min schreien lässt.

Versuch dich zu entspannen. Es werden noch viele Situationen kommen, bei denen es nicht so läuft wie du es willst und ja man darf laut werden!
Jeder der dir hier sagt, dass er sein Kind noch nie aus dem Fenster werfen wollte oder an die babyklappe gedacht hat (bildlich gesprochen, ehe ich gesteinigt werde) lügt!

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Achso und ein Nachtrag.. dein Verhalten ist völlig normal und nicht pathologisch. Eine Therapie halte ich für ziemlich übertrieben.

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Ganz ehrlich, normal finde ich das nicht. Klar, es kann passieren, tut es aber längst nicht jedem, und wenn es schon nach so kurzer Zeit derart eskaliert, sollte man sich schon Gedanken machen. Das tut die TE hier, dafür 👍, aber herunterspielen finde ich unangemessen.

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Hallo, ein Tipp von mir: immer wenn du das Gefühl hast, gleich die Nerven zu verlieren, gehe in ein anderes Zimmer und haue z.B. auf ein Kissen ein und lass deine Gefühle raus, das hilft zum Runterkommen. Nie beim Kind auslassen.

LG

Bearbeitet von sarina68
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Danke für deinen Tipp :-)
Ja, das habe ich bereits probiert. Dann höre ich sie aber so bitterlich schreien, dass es mir im Herzen weh tut und ich laufe sofort zurück und versuche, sie zu beruhigen.
Ein Teufelskreis..

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Hallo,

Erstmal finde ich es toll, dass du siehst, dass du Unterstützung brauchst!
Hast du eine Hebamme? Sie könnte eine gute Hilfestellung geben.
Je nachdem, wo du wohnst, gibt es auch Kinderkrankenschwestern, die Hausbesuche machen.
Die erste Zeit mit einem Baby ist häufig sehr viel anstrengender und ganz anders, als man sich vorgestellt hat. Es ist keine Schande, sich da Hilfe zu suchen.
Wenn du das nächste Mal kurz vor dem Durchdrehen bist, versuche kurz rauszugehen aus dem Zimmer (sofern das Baby sicher liegt), schrei in ein Kissen, oder mach dir laute Musik im Kopfhörer an. Aber bitte lang dein Baby nicht an. Leider sind das Situationen, in denen Babys auch geschüttelt werden.
Tu deswegen alles, was dir in der Situation hilft, um etwas aus dem Stress rauszukommen.

Hast Du es schon mit einer Trage versucht? Es ist nicht ungewöhnlich, dass Babys sich nicht ablegen lassen.

Und falls es einen Partner gibt, bitte auch ihn um Entlastung.

Gutes Durchhalten! Es wird besser 🙂

Bearbeitet von Albita
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Ja, ich habe eine Hebamme.
Aber die hat uns nur bis zur 8. Woche begleitet.

Beim Kinderarzt sind wir am Montag. Vielleicht spreche ich es da mal an.

Ich versuche schon ab und an, aus dem Raum zu gehen, wenn es so schlimm ist. Aber dann tut sie mir so leid und ich gehe zurück und nehme sie auf den Arm.
Die Trage mag sie. Aber sie lässt sich grundsätzlich eigentlich gut ablegen.
Das sind nur vereinzelte Situationen, in denen es so schlimm ist.

Wahrscheinlich wärs gut, wenn ich mich öfter mal komplett rausziehe.
Das muss ich wohl noch lernen :-)

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Naja nur Sonnenschein haben die wenigsten Mamas - und an manchen Stellen in deinem Text habe ich das Gefühl du hast ein Idealbild im Kopf und alles was davon abweicht lässt bei dir eine Welt zusammenbrechen..

Ich hatte auch keine Geburt wie vorgestellt - betrifft leider viele… (hat etwas gedauert mich damit auseinander zusetzen, aber letzten Endes bin ich aus vollem Herzen froh darüber dass es uns beiden gut geht)

Wir haben auch mit Stillhütchen gestillt.. 5 Monate lang, dann haben wir es geschafft sie abzutrainieren und konnten so fast ein Jahr voll stillen.. (hab das Hütchen immer als Hilfe gesehen.. 1. kaum Wunde Brustwarzen, 2. ohne hätten wir’s nicht geschafft.. sein Zungenbändchen war zu kurz, wie viel später erkannt wurde, die Brustwarze zu flach.. als er größer und kräftiger war, waren die Brustwarzen rausgesaugt 🤦‍♀️ und er hatte trotz eingeschränkter Zunge genug Kraft)

Mein Baby hat bis zum 1. Lebensjahr kein einziges Mal alleine in einem Bett geschlafen… nie.. er konnte nur beim Stillen oder im Kinderwagen einschlafen.. und nur mit Körperkontakt oder fahrenden Kinderwagen weiterschlafen.. alle 45min mussten wir stillen (sicher eine Folge der mangelnden Kraft/ weniger Milch pro Durchgang)
Ja es war mein erstes Kind somit konnte ich mir die Zeit nehmen jeden Tag mehrere Stunden mit schlafendem Baby auf mir zu verbringen.

Such dir eine Therapie, versuche die Dinge realistischer zu betrachten.. kaum eine Geburt, Wochenbett, das erste Jahr mit Baby verlaufen so perfekt wie man möchte..
Sieh das große Ganze, das kleine Wunder das vielleicht einfach etwas mehr Mama an seiner Seite braucht.
Ihr schafft das schon!

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Danke, das war sehr schön geschrieben. So schön dass ich schon wieder Pipi in den Augen habe!

Hut ab, dass du das so durchgehalten hast. Das war sicher alles andere als einfach und rosarot.
Leider bin ich viel weniger stark und taff als ich dachte.
Aber vielleicht hilft das ein oder andere Gespräch ja, die Dinge aus einer anderen Perspektive und weniger schwarz zu sehen :-)

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Mein Tipp wäre: Geh aus dem Raum, wenn du es nicht mehr aushältst. Leg das Baby in den Laufstall oder ins Bettchen, gehe kurz in einen anderen Raum und atme tief durch.

Mein Baby schrie einmal so doll über Stunden und es ließ nicht beruhigen- ich versuchte alles, bis ich vor Wut und Verzweiflung hätte durchdrehen können. Außerdem musste ich seit einer Stunde auf Toilette, konnte aber mein Kind nicht ablegen. Schließlich legte ich das weinende Kind in den Laufstall und ging zur Toilette. Atmete tief durch und heulte auch kurz selbst. Als ich zurück ins Zimmer ging, war mein Baby im Laufstall eingeschlafen.

Und nein, ich bin prinzipiell nicht dafür Kinder schreien zu lassen. Wenn es aber über Stunden geht und man völlig am Ende ist, halte ich es für das Beste den Raum zu verlassen, bevor Aggressionen und Wut hochkommen und du etwas unüberlegtes tust. Das Kind spürt wie angespannt man selbst ist. Meines schlief wie gesagt einfach ein als ich den Raum verließ- was ich stundenlang zuvor verzweifelt versuchte.