Hallo zusammen, ich muss mir einfach Mal was von der Seele schreiben. Der Text wird lang, Vielleicht zu lange. Aber ich erzähle einfach Mal von Anfang an damit ihr euch ein Bild machen könnt.
Es geht um die Beziehung zu meinen Eltern und meinen Geschwistern.
Ich bin 30 Jahre alt und habe selbst 2 Kinder. Ich bin die jüngste von 3 Geschwistern. Ich bin sehr behütet auf einem Dorf aufgewachsen und kann mich über meine Kindheit wirklich nicht beschweren. Meine Eltern haben mir alles ermöglicht. Also materiell aber auch immateriell hat es mir wirklich an nichts gemangelt. Ich war ein Spätzünder würde ich sagen und bin spät in die Pubertät gekommen. Meine Pubertät war jetzt auch nicht so "klassisch" also ich war weder auf vielen Partys noch trinke ich bis heute Alkohol, rauche oder sonstiges. Ich war immer die schüchterne und ruhige. Aber in mir ist in der Pubertät eine unglaubliche Abenteuerlust gewachsen. Dieses behütete Leben auf dem Dorf hat mich schon früh eingeengt und ich wollte immer raus in die Welt. Ich habe mir immer so Reiseberichte aus der Bücherei ausgeliehen oder Reiseführer und habe die gelesen. 😃 Mit 16 war ich dann ein halbes Jahr in Brasilien. Diese Zeit hat mich unglaublich geprägt und voran gebracht. Als ich zurück gekommen bin war ich ein anderer Mensch. Viel selbstbewusster. Meine Eltern sind immer sehr bedacht alles "konform" zu machen. Ich würde mal behaupten viele Entscheidungen werden geprägt von der Frage "was werden wohl die anderen sagen". Moral, Werte. Meine Eltern und auch meine Geschwister machen sich auch schnell Sorgen, haben schnell Angst. So wurde auch ich erzogen. Aber diese Zeit in Brasilien hat mich das alles in Frage stellen lassen. Und ich bin damit nicht mehr zurecht gekommen. Meine Eltern stecken Menschen schnell in eine Schublade und haben generell Vorurteile. So hieß es bei uns immer Menschen mit Tattoos seien komisch oder Männer mit Ohrringen. Meine Gastmutter in Brasilien hatte viele Tattoos und sie war so ein herzlicher Mensch. Das ist jetzt ein Beispiel aber ich habe mir damals einfach von vielen Dingen eine eigene Meinung gebildet und ein anderes Weltbild geschaffen. Naja auf jeden Fall war ich dann irgendwann wieder Zuhause. Mit großen Schritten ging es dann auf das Abi zu. Und nach dem Abi bin ich dann für ein halbes Jahr nach Indien gegangen. Auch diese Zeit war wieder unglaublich prägend und sehr wichtig für mich. Wieder zurück in Deutschland bin ich dann 700 km von meinem Elternhaus entfernt zum studieren gezogen. Auch während dem Studium war ich dann nochmal in Italien im Auslandssemester und habe mehrere Praktika in verschiedenen deutschen Städten gemacht. Mein Studium lief nicht so wie erwartet und ich musste viele Prüfungen wiederholen und stand oft kurz vor der Exmatrikulation. Ich hätte das Studium wohl besser abbrechen sollen aber ich habe es durchgezogen und auch geschafft. Aber diese vielen Extremsituationen im Studium haben mich so belastbar gemacht. Es ist so als ob meine Nerven trainiert wurden. Das hat mich auch wieder mental nach vorne gebracht. Durch meine ganzen Erfahrungen die ich sammeln durfte bin ich immer risikobereiter und spontaner geworden. Ich vertraue auf mich und auf mein Leben und habe viele Entscheidungen ganz spontan getroffen und bin auch Risiken eingegangen. Ich versuche immer im Moment zu leben und mich zu fragen was ich jetzt will und was sich jetzt gut anfühlt. Wenn sich eine Chance ergibt dann ergreife ich sie. Ich habe selten Angst vor Veränderungen und manchmal glaube ich, ich suche sogar aktiv nach Veränderungen als neue Challenge. Und bisher habe ich das auch nie bereut. Oft genug bin ich mit meiner Art bei meiner Familie angeeckt. Immer wieder haben Sie sich Sorgen um mich gemacht ob ich gewisse Dinge schaffe, ob ich richtige Entscheidungen treffe etc. Und oft waren sie auch übergriffig. Haben mir ungefragte Tipps und Ratschläge gegeben und immer wieder wiederholt um mich in eine Richtung zu leiten. Manchmal bin ich sogar eingeknickt und habe es so gemacht wie sie wollten nur um nicht ständig nein sagen zu müssen. Mein Studium war für meine Eltern eine große Belastung weil ich ja so oft durch Prüfungen gefallen bin und wiederholen musste. Ich habe meinen Eltern immer wieder versichert das ich das schon mache auf meine Art und Sie sich keine Sorgen machen müssen. Aber meine Mutter hat sich einfach immer Sorgen gemacht und irgendwann habe ich dann auch nichts mehr erzählt weil mich das so runter gezogen hat. Für mich war das auch alles belastend und immer wieder meine Mutter zu beruhigen und zu besänftigen hat alles noch anstrengender gemacht. Also habe ich einfach mein Ding gemacht und sobald dann zum Beispiel eine Prüfung bestanden war habe ich es erzählt. Aber ich habe sie im Prozess nicht mehr mitgenommen. Aber eigentlich hätte ich das gerne gemacht unter der Bedingung das sie mir Vertrauen schenkt und nicht immer nur Angst und Sorgen hat. Heute denke ich mir ich war damals 19/20/21. Selbst wenn es zu einer Exmatrikulation gekommen wäre- so what? Das Leben geht weiter. Ich hatte immer das Gefühl das Vertrauen das ich in mich und in mein Leben habe das fehlt bei meiner Familie und insbesondere bei meinen Eltern. Ich hatte immer das Gefühl sie vertrauen mir nicht genug und ich muss sie immer wieder abholen in ihren Sorgen. Und das zieht mir Energie. Und ja ich habe das meiner Mutter schon einmal gesagt aber sie meinte damals ich würde übertreiben, das es nicht stimmt und das sich Eltern immer Sorgen machen.
Also ich bin einfach immer wieder angeeckt und habe dadurch einfach immer weniger erzählt. Vor allem keine negativen Dinge. Ich bin damit einfach nicht klar gekommen. Es gab dann auch Situationen wo meine Eltern Dinge durch Zufall erfahren haben die ich aktiv nicht gesagt habe und dann wurde mir vorgeworfen ich hätte sie angelogen und ihr Vertrauen missbraucht. Dabei habe ich mich aktiv dafür entschieden diese Sache nicht zu erzählen und das hat nichts mit Lügen zu tun. Sie erwarten von mir die vollkommene Transparenz so wie es meine Geschwister auch machen. Aber ich kann das nicht und ich will das auch nicht aus oben genannten Gründen.
Die Jahre sind vergangen und ich habe durch einige Jobwechsel (worüber sich natürlich auch wieder Sorgen gemacht wurde) Karriere machen können. Mit jedem Erfolg, mit jeder positiven Sache dachte ich das Vertrauen in mich wächst endlich und meine Eltern erkennen meinen Charakter und meine Art und lassen mich einfach machen voller Vertrauen in mich.
Dann kamen die letzten 3 Jahre und ich musste erfahren dass es nicht so ist.
Die letzten 3 Jahre meines Lebens sehr turbulent waren. Wirklich sehr. Ich war mit einem Mann 7 Jahre zusammen und wir wollten heiraten und die Hochzeit war auch schon organisiert und dann habe ich mich wirklich total zufällig Hals über Kopf in jemand anderen verliebt. Es war verrückt. Das war für mich eine totale verzwickte Situation aber für meine Eltern der Supergau. Ihr könnt euch vorstellen wie viel Leute darüber geredet haben und geurteilt haben. Es ist auf jeden Fall zur Trennung gekommen, die Hochzeit ist geplatzt. Nur so am Rande mein Ex hat 4 Monate später eine andere Frau geheiratet also ich glaube heute wirklich das sollte alles so kommen und so sein.
Auf jeden Fall bin ich dann mit dem Mann in den ich mich Hals über Kopf verliebt habe zusammen gekommen. Und bin dann auch sehr schnell ungeplant schwanger geworden. In dieser Zeit kam wirklich eins auf den anderen. Schlag auf Schlag. Und in dieser Zeit stand ich unter Beobachtung. Das habe ich mit jedem Schritt gespürt. Wieder war da so viel Misstrauen da. So viele Sorgen die man sich über mich gemacht hat. In dieser Zeit hätte ich meine Mutter gebrauchen können aber ich hatte eher das Gefühl jetzt muss ich ihr wieder Mal beweisen dass ich das alles schaffen werde. Und ja ich habe es geschafft. Mittlerweile haben wir 2 Kinder und es läuft alles. Es sind zwei zufriedene, gesunde und glückliche Kinder. Nur mit meinem Freund und Vater der Kinder läuft es nicht so klassisch. Wir wohnen in zwei getrennten Wohnungen. Bei uns ging alles so schnell das wir dabei auf der Strecke geblieben sind. Hinzu kommt das er sich noch selbständig gemacht hat und das war einfach alles zu viel. Ich will da gar nicht näher drauf eingehen. Bitte urteilt nicht. Für uns passt es so. Wir lieben uns immer noch sehr. Unsere Kinder wachsen ohne Streit und Stress auf. Wer weiß was die Zukunft bringt aber so ist die momentane Situation.
So, ich habe jetzt Mal alles gesagt was man wissen muss. Ich kann einfach immer weniger ich selbst sein bei meinen Eltern und Geschwistern. Ich trage immer eine Maske. Ich überlege was ich sagen kann und was nicht. Ich überlege wie ich mich verhalte und was ich mache. Klar könnte ich einfach so sein wie ich bin aber ich komme nicht klar mit den Sorgen und Ängsten die direkt entstehen, mit ungebetenen Ratschlägen wie ich es doch anders machen soll etc. Meine Familie und ich sind einfach komplett anders. Aber sie haben dennoch so einen großen Einfluss auf mich. Vor allem meine Eltern. Ich will es ihnen immer noch Recht machen. Und ich möchte davon loskommen. Aber wie mache ich das? Ich will endlich genauso sein wie ich bin. Und ich will das mir die Reaktionen nichts mehr ausmachen. Ich weiß das ich mein Leben auf die Reihe kriege. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Und ich will das es mir endlich egal ist ob sie mir Vertrauen oder nicht. Nur mein Vertrauen in mich zählt. Das verhältnis zu meinen Eltern blockiert mich. Wie schaffe ich es da raus? Den Kontakt will ich natürlich nicht abbrechen. Ich will ja auch das meine Kinder mit Oma, Opa und Onkel und Tante aufwachsen.
Beziehung zu Eltern und Geschwistern tut mir nicht gut
Ich bin ein großer Fan davon, dass Kinder/Jugendliche fortgehen um lernen zu können, eigene Entscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen.
Das hast du ja auch getan. Du hast gemerkt, dass du raus wolltest und hast es gemacht.
Ich frage mich nur: warum bist du wieder zurück gegangen?
Ich denke, du musst dir ganz und gar schonungslos eingestehen: das was du von deinen Eltern und deiner Familie willst: Anerkennung - wirst du nicht dadurch bekommen, dass du etwas in ihren Augen Unorthodoxes tust (auch wenn noch so viele Menschen das vielleicht toll finden).
Anerkennung wirst du dann bekommen, wenn es dir egal ist, ob du sie bekommst.
Du musst innen an dir arbeiten, stark werden und dich abgrenzen lernen, nicht außen etwas ändern.
Eine Therapie und viel mehr Abstand zu deiner Familie wären wahrscheinlich hilfreich.
Ich habe mich teilweise in deinen Beschreibungen wiedererkannt. Ich bin ebenfalls 30 und in wenigen Tagen Zweifachmama.
Meine Mutter z.b. ist ebenfalls eine Person, die schnell über andere urteilt und ich habe irgendwie gelernt, das nicht zu tun. Je erwachsener ich wurde, und vor allem seit ich selbst Mama bin, entfremde ich mich immer mehr von ihr und meinem älteren Bruder.
Einerseits finde ich das schade, ich hätte auch gerne eine innige Mutter-Tochter-Beziehung wie ich sie manchmal anderswo sehe. Stattdessen achte auch ich genau drauf was ich ihr erzähle, woran ich sie teilhaben lasse, wo ich sie um Rat frage.
Bei uns ist es nur nicht unbedingt so, dass sie sich ständig Sorgen um mich macht, sondern dass ich einfach mit ihrer Art nicht mehr gut klarkomme und mich ständig be- und verurteilt fühle.
Trotzdem hat meine Mutter einen Stellenwert in unserem Leben, sie sieht ihren Enkel und mich regelmäßig und ich sehe auch keinen Grund den Kontakt zu ihr abzubrechen o.ä.
Inzwischen habe ich mich einfach damit abgefunden wie unsere Beziehung eben ist und ich denke das musst du auch (wie du ja auch selbst erkennst). Du kannst die anderen nicht ändern, aber du kannst deinen Umgang damit ändern. Ich lese heraus, dass du dir einerseits Anerkennung wünschst. Andererseits willst du, dass dir deren Meinung egal ist. Irgendwie stehst du dir noch selbst im Weg. Du hast ja schon alles was du brauchst um selbstbewusst zu sein und du weißt, dass du dein Leben gut auf die Reihe bekommst.
Ein richtiger Rat war das jetzt auch nicht, aber ich dachte ich teile einfach mal meine Gedanken dazu und vielleicht kannst du für dich etwas daraus ziehen.
Ich wünsche dir alles Gute 🍀