Mutter und toxische Positivität

Hallo,

ich bin 33 Jahre alt, meine Mutter ist 62.
Ich bin vor 1,5 Jahren Mutter geworden, meine Mutter hat sich früher schon oft in mein Leben eingemischt, beziehungsweise immer gerne ihre Meinung zu allem kund getan.

Seit meiner Kindheit stand es mir nie zu, mich negativ zu äußern, traurig oder wütend zu sein. Meine Gefühle wurden immer klein geredet, immer Vergleiche hergestellt, dass es vielen anderen Menschen doch schlechter geht.

Egal was war, wenn ich erkältet war oder die Grippe hatte, meinte sie, ich solle doch einfach an die frische Luft und mir ginge es dann sofort besser. Sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass ich mich meinem „Gefühl des krank seins“ ausliefern würde, und es eigentlich ja nur rein psychisch sei, ob man sich wirklich krank fühlt oder nicht… Sie hat also stets meine (subjektiven) Gefühle nicht für voll genommen.

Dieses Verhalten war mir in den letzten Jahren nie bewusst, doch seitdem ich jetzt selber Mama bin, merke ich, wie sehr mich ihre Art nun triggered.

Sobald mein Kind nörgelt, bin ich total genervt, und möchte auch nicht, dass negative Gefühle zum Ausdruck kommen. Ich arbeite sehr stark an meinem Verhalten und merke dabei aber einfach, wie sehr mich das einfach aus meiner Kindheit prägt.

Und: Seitdem ich Mama bin, ist meine Mutter ständig der Meinung, dass ich das oder das falsch mache in der Erziehung. Ich habe ihr schon so oft gesagt, dass sie sich nicht so negativ dazu äußern soll und dass ich selber ja feststelle, dass mein Verhalten sehr stark aus meiner eigenen Kindheit ruht.

Ich habe sie mit meinen eigenen Gefühlen konfrontiert, auch mit der Art und Weise, wie ich selber aufgewachsen bin. Ihre „toxische Positivität“ geht mir richtig auf die Nerven. Sie ist aber überhaupt nicht offen für meine Kritik, sie sagt, sie sei so und werde sich nicht ändern.

Nun ja, sie hat eine sehr enge Bindung zu meinem Kind. Sie sehen sich alle zwei Wochen, ich weiß nur nicht, wie ich den Kontakt so weiterführen soll, wenn wir so häufig emotional aneinandergeraten. Reden bringt einfach nichts, dafür ist sie überhaupt nicht reflektiert. Hat jemand ähnliche Erfahrungen mit der Mutter oder dem Vater seit der Geburt des eigenen Kindes?

Oft weiß einfach nicht wie ich ihr Grenzen aufzeigen soll. Ich liebe sie sehr und ich bin ja auch sehr glücklich, dass mein Kind mit so einer engagierten Oma aufwächst. Nur dieses ständige alles gut reden und meine Gefühle absprechen wollen geht mir so auf die Nerven.

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Also ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich wenig negatives daran finde, dass deine Mutter dich motiviert hat die Dinge im Leben positiv zu sehen!
Die ganze Gesellschaft ist nur noch im Jammer Modus! Mit nichts zufrieden und alle liefern sich gegenseitig ein Battle wer es schwerer hat. Ein ausgelassenes fröhliches Treffen ist nirgends mehr möglich weil die Leute sich gegenseitig nur noch zu erzählen haben wie schlecht es ihnen geht …

Das man bei einer Erkältung ohne Fieber vielleicht einfach an die Luft geht und sich dann definitiv gleich besser fühlt als wenn man wegen eines Schnupfens seinem Leiden erliegt, ist doch wirklich nichts Neues!

Manchmal habe ich den Eindruck die Menschheit hat mit dem Begriff „toxisch“ einfach nur ein neues Wort gelernt und man versucht es einfach nur möglichst oft anzuwenden - egal wie unangebracht es auch sein mag!


Wieso ist man nicht wütend wenn es tatsächlich angebracht ist, statt sich in jede Kleinigkeit derart reinzusteigern und alles zu einem Staatsdrama zu erklären? Gibt es kein natürliches Empfinden mehr dafür ? Was ist los mit euch?

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Ich habe hier lediglich zwei Beispiele aufgeführt. Und nein ich führe im Leben keinen Kampf darum wie schlecht es mir geht. Meine Gefühle haben *für mich• dennoch eine daseinsberechtigung.

Ich hatte einen Notkaiserschnitt und danach eine Wochenbettdepression und musste antidepressiva nehmen. In der Zeit hat sie mich nicht einmal gefragt wie es mir geht, sondern war nur auf mein Kind fixiert..
Sie meinte nur ich solle mich glücklich schätzen dass es meinem Kind gut geht. Wie es mir dabei ging, war aber total egal.

Wenn du das und als „Motivation“ empfindest, habe ich wohl ein falsches Verständnis von allem 🤷🏼‍♀️

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Ich stell mir das ganz schrecklich vor und kann diese Relativierung einer Vorrednerin überhaupt nicht verstehen.

Man liegt mit Grippe krank im Bett. Als Kind! Und es wird sich nicht gekümmert. Stattdessen "geh an die frische Luft" und "andere haben ihr Bein verloren, was sollen die denn sagen".

Es ist super, dass du das so reflektieren kannst. Tatsächlich würde ich mir da auch Hilfe suchen, auch mit dem Blick auf sein Kind, und dass du mit den Gefühlen deines Kindes besser umgehen kannst, als deine Mutter mit deinen.

Ich weiß nicht, ob "Akzeptanz" hier besser ist, und seine Mutter hinzunehmen wie sie ist, oder ob man versuchen sollte sie auf den besseren weg zu bringen. Ich denke, das hat sich eigentlich erledigt, aber für dich und dein Kind, kannst du noch viel tun.

Ich fahr ganz gut mit dem Gedanken "Oma macht das so" und das ist ok. Sie sehen sich alle zwei Wochen, da wird dein Kind keinen Schaden nehmen. Wenn ihr zusammen seid, macht ihr es wieder anders und besser. Nur du musst dich dann ggf einfach sehr zurück nehmen, wenn du das kannst und willst. Ich mach immer die Wäsche, wenn die Schwiegermutter hier ist. 😅

Bearbeitet von Inaktiv
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Hallo du,
Ich bin in einer sehr ähnlichen Situation. Viel möchte ich nicht schreiben. Aber ich habe mir tatsächlich psychologische Begleitung gesucht. Erst habe ich meine Kindheitsdinge nochmal aufgearbeitet und jetzt bin ich (hat 1 Jahr gedauert, bis ich es mich dann doch getraut habe), das Thema mit meiner Mama angegangen. Mein Psychologe ist dabei der Mediator zwischen mir und meiner Mutter.
Vlt ist das ja auch ein Weg für euch.

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Toxische Positivität, man lernt bei urbia nicht aus 🙄 Dass das ein Widerspruch in sich ist, ist Dir schon klar? Was soll sie denn lieber tun?
Dich am laufenden Meter bedauern wegen einer Grippe? Du liiiebe Güte, das ist aber schon gehöriges "Mimimi", aber echt.
Wenn ich überlege, was meine Tochter durch hat mit der drohenden Frühgeburt ihres Kindes, dann mit dem Extremfrühchen monatelang in der Klinik, dann 2 Jahre weiter in Krankenhäusern wegen Hüftoperationen samt Gipsen und Schienenbehandlungen der Maus....sie war mehrfach psychisch und physisch platt.
Später sagte sie, dass sie sich meinen Wahlspruch "Augen zu und durch, hilft ja nix" immer wieder gesagt hätte - und es ihr geholfen hat.

Heute rennt jeder gleich in jahrelange Therapie, kein Wunder, man bekommt erst nächstes Jahr Termine, selbst in echten Notfällen.
Weißt Du, ich hatte in den letzten Monaten zwar etliche wunderschöne Aufs, aber auch richtige Abs, körperlich wegen übertriebener Diät und auch psychisch wegen eines ziemlichen Gefühlschaos. Dann hab ich meine Sportschuhe angezogen und marschierte durch die wunderschöne Natur, teils sogar laut vor mich hin schimpfend und jammernd, hörte mich ja Gottseidank keiner - und ja, frische Luft und sich beim Laufen abreagieren hilft wirklich bei vielem.
Sei froh, dass Du einen positiven Menschen um Dich hast und keine Jammerliese.
Übrigens, der Begriff "triggern" kommt aus der Behandlung schwerster Traumata und PTBS - hat mit Alltagsproblemchen wirklich garnichts zu tun und ist als Modebegriff in meinen Augen fragwürdig, da ich Menschen mit durchgestandener PTBS kenne.
Versuche einfach, in Deinem Leben auch das Positive zu sehen und nein, das ist absolut nicht "toxisch".
LG Moni

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Liebe Moni, das ist leider so nicht richtig.
Informier dich gern bevor du Menschen, die hier ihr Leid klagen, so vor den Latz knallst.
Dem Begriff gibt es durchaus und ja, das kann richtig schlimm sein.

Und wenn urbia deine einzige Quelle für alles ist, herzlichen Glückwunsch. Woanders wäre dir der Begriff schon mal über den Weg gelaufen.

Die TE klingt nicht nach Heulsuse. Im Gegenteil.

Hast du deine Tochter unterstützt, während das Kind im KH war? (Bin selbst Frühchenmutter)
Hast du sie mal in den Arm genommen?
Und ja natürlich muss man da durch. Aber man darf doch auch mal sagen, dass es gerade kacke ist!
Ist deine Tochter 10 Jahre alt? Oder eine gestandene Frau?
Läufst du auch mit 40 Fieber durch den Wald oder freust du dich wenn dir jemand eine Suppe bringt?

Es geht der TE um ihre Kindheit.
Knie aufgeschürft? Stell dich nicht so an!
Wütend? Hör auf zu heulen!

Ich verstehe nicht, warum sich so wenige in andere Situationen hineinversetzen können.
Und wenn man nichts nettes zu sagen hat, (hier schreib ich nicht weiter, sonst werd ich gesperrt).

Sorry!

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Danke!!!

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Sorry, ich wollte gar kein Bashing starten.
Mit deinem Problem ist dir mit dem aktuellen Verlauf der Kommentare ja leider nicht geholfen.

Außer, dass deine Gefühle hier mal validiert werden. ;) das ist ja vielleicht auch nicht schlecht.

Ich kann mir ganz schwer vorstellen, wie es sein muss das eine gelernt zu haben, aber etwas anderes vermitteln zu wollen.
Das hat meine Mutter bei uns Kindern Recht gut hinbekommen, weshalb das für mich eine gute Leine zum langhangeln ist.

Aber wenn man ohne eine solche Richtlinie aufwächst, was ja sehr, sehr viele Kinder tun, stelle ich mir das sehr schwer vor, wenn man sie sich bei seinen eigenen Kindern erarbeitet muss.

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Alles gut ☺️☺️ Es war interessant, die anderen Ansätze zu lesen.

Ich glaube die negative Kritik, die hier geäußert wurde, entspricht eben der Denkweise meiner Mutter…

Das Thema belastet mich halt, weil es sich auf mein Kind überträgt, man fühlt sich so, als würde man „vom Opfer zum Täter“ werden, wenn man manchmal seinem eigenen Kleinkind die Gefühle absprich…

Aber wie gesagt, ich bin mir dessen bewusst und versuche wirklich täglich darauf zu achten, dass all die Gefühle meines Kindes eine Berechtigung haben, sei’s auch, dass es sich nur ganz kurz den Kopf anstößt und getröstet werden möchte.

Ich glaube, meine Mutter hat es nie böse gemeint, sie ist halt so aufgewachsen, und für sie war es wahrscheinlich ein Schutzmechanismus, um so durch ihr eigenes Leben zu kommen.

An all jene, die der Meinung sind, dass die kleinsten negativen Gefühle keine Daseinsberechtigung haben. Genau diese werden dann als frisch gebackenes Elternteil an die eigenen Kinder weitergegeben, und sie lernen nicht mit Wut, Trauer, Angst & Enttäuschung umzugehen.

Ich habe Jahrelang in der Familie rebelliert, um irgendwie zu bewirken, dass meine Gefühle endlich mal wirklich für voll genommen werden, ohne dass sich die Gegenseite (meine eltern) direkt mal angegriffen fühlt. Geklappt hat es leider immer noch nicht und deswegen fühle ich häufig noch eine Enttäuschung in mir.

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Geh auch da mit deinem kind ins Gespräch. Klingt komisch. Aber ich habe mir irgendwann vorgenommen, mich für meine Fehler auch bei meinem Kind zu entschuldigen. Etwas, was meine Mutter bis heute nicht kann. Hat sie aber eben auch nie gelernt. Das ist OK, bei ihrer herkunft.
Ich entschuldige mich immer bei meiner tichter, erkläre ihr, warum Mama gerade so "blöd" war.
Das zeigt deinem Sohn auf lange Sicht, dass dir auch deine Fehler bewusst sind.

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Ich bin/war in einer ähnlichen Situation.

Ich kann dir nur raten, dir psychologische Hilfe zu suchen.

Ich habe bin 250km weg gezogen und habe max 1x im Jahr direkten Kontakt und max 2-4 pro Monat schriftlich Kontakt.
Mir geht es so besser, weil meine Mutter auch meinen Kindes gegenüber das gleiche Verhalten gezeigt hat.

Und sie wird sich auch mit fast 80 nicht mehr ändern... Aber ich kann mich schützen.

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Der Psychologe Jeffrey Young, der die derzeit sehr beliebte Schematherapie begründet hat, definierte (wie einige andere) psychologische Grundbedürfnisse. Eines davon ist der freie Ausdruck von Bedürfnissen und Emotionen. Wird dieses Grundbedürfnis nicht erfüllt, kann es sein, dass man sich selbst als unzulänglich oder "falsch" wahrnimmt. Gefühle kann man nicht abschalten. Sie sind normale (physiologische) Reaktionen auf erfüllte (angenehme Gefühle) oder unerfüllte (unangenehme Gefühle) Bedürfnisse. Wenn ein Kind diese Gefühle wahrnimmt, aber eine Bindungsperson diese nicht ernst nimmt, klein oder wegredet, kann es daraus schließen, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Eine Bindungsperson ist für ein (kleines) Kind überlebenswichtig. Deswegen wird es eher seine Gefühle und somit sich selbst als falsch wahrnehmen, als zu hinterfragen, ob die Aussage der Mutter/ des Vaters wahr ist.
Diese Herangehensweise war leider früher sehr verbreitet ("Ein Indianer kennt keinen Schmerz", "Große Jungs weinen nicht", Wut schickt sich nicht für Mädchen, etc.). Dass sich daran etwas verändert, halte ich für einen großen Gewinn für unsere Gesellschaft und jeden einzelnen, der davon profitiert.
Ich denke, deine Mutter durfte selbst ihre Gefühle nicht entsprechend äußern, hat es vermutlich nie wirklich gelernt und war sich dessen, als Kind ihrer Zeit auch nie bewusst. Somit macht es wenig Sinn ihr Schuld zuzuweisen. Umso schöner, dass du viel reflektierter als deine Mutter bist (und sein kannst). Somit hast du die Möglichkeit es bei deinem Kind anders zu machen. Nichts desto trotz verfallen wir in Stresssituationen häufig in kindlichere Verhaltensmuster zurück. Das ist vollkommen normal und kostet Zeit und Mühe dies zu verändern. Ein klagendes/Schreiendes Kind ist für dich (und mich und viele andere) ein Auslöser von Stress. Großartig, dass du wahrnimmst, wie du dich verhältst. Erlaube dir bei der Veränderung des Verhaltens ein wenig mehr Nachsicht. Sei geduldig mit dir selbst.
Und was den Kontakt zu deiner Mutter angeht. Was meinst du würde deinem Kind und dir gut tun? Du brauchst ihn ja nicht abzubrechen, aber deine Mutter zu begrenzen, ist vielleicht wichtig und richtig für euch. Was sagt dir dein Bauchgefühl? ;-)

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Ich verstehe dich. Denn ich kenne das auch.
und das was deine Mutter getan hat hatte ncihts mit positivem Blick geben und motivieren wollen zu tun. Du hast das ganz anders empfunden und ich schließ jettz einfach mal von mir auf dich. Deine Gefühle sind nachvollziehbar und deine Mutter hat da ihre Themen an dir abgearbeitet. Und tut es ncoh. Und du erkennst ja auch, wie das Muster sich nun bei dir und deinem kind wiederholt, aber du erkennst, dass es nciht richtig ist und das nicht die Gefühle deines Kindes falsch sind, sondern du damit nicht umgehen kannst. Du beginnst diese Dynamik, die bei euch durchgereicht wird zu durchbrechen. Das ist gut.

Und wenn du dich reflektierst, und merkst was bei dir zu dem Verhalten geführt hat, kannst du vielleicht, ohne das deine mutter selbst bereit wäre sich zu reflektieren, eine Idee entwickeln, wo deine Mutter das her hat. Eben vermutlich von ihrer Mutter.

Bei meiner mutter war es dann auch so, dass sie meinem Kind gegenüber dann immer so verzeihlich und geduldig gegenüberstand. Also was sie an mir als Kind nervig fand, wofür sie mich abgewertet hat, was bei mir also dazu geführt hat, dass mein Kind mich antriggert, dass hat sie dann bei meinem Kind so liebevoll/gelduldig betrachtet und mich kritisiert, wenn ich genervt war. DAs hat mich doppelt wütend gemacht. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich wegen ihr angetriggert werden, wegen ihrem Verhalten, dass sie mir als Kind gegenüber gezeigt hat. Und jetzt tut sie so "wie kann man so sein, schau mal wie geduldig ich mit kindern bin". Und ich hatte wieder das Gefühl abgewertet zu werden. Diesmal nicht als Kind, sondern als Mutter.

naja bei mir half nur an mir selbst arbeiten, in Distanz gehen und nicht mehr über emotionale Dinge mit meiner Mutter reden. Keine potentiell verletzbaren Themen ansprechen. Nicht über die eigenen Sorgen und Schwächen reden.