Liebe Community,
ich versuche mal mich kurz zu fassen, weil ich weiss, dass lange Beiträge oft nicht (vollständig) gelesen werden.
Es geht um meinen Vater. Er ist Ende 60 und Spiegeltrinker. Er trinkt wirklich ausnahmslos jeden Tag abends Alkohol; zumindest in meiner Gegenwart nur "weiche" Sachen wie Bier und Wein. Lange Zeit war mir gar nicht bewusst, dass er alkoholkrank ist, obwohl er bereits in meiner Kindheit (ich bin Mitte 30) täglich sein Feierabendbier getrunken hat. Wenn er trinkt, wirkt er nicht betrunken; also er kann weiterhin klar sprechen, torkelt nicht usw. Mir ist das erst richtig bewusst geworden als er uns letztes Jahr besucht hat. Aufgrund einer großen Entfernung ist er eine Woche geblieben und hat bei uns übernachtet. Ihm zuliebe habe ich ein Sixpack Bier gekauft, was schon am ersten Abend leergetrunken wurde. Am zweiten Abend gab es dann also nichts mehr zum trinken. Als er erfahren hat, dass es keinen Alkohol mehr gibt, wurde er sichtlich nervös und ist dann noch alleine losgezogen, um Nachschub zu kaufen. Dazu muss ich sagen, dass er die Sprache hier nicht spricht und hier niemanden außer uns kennt. Er hat sich dann alleine in eine Bar gesetzt und es geschafft sich etwas zu bestellen. Jedenfalls ist mir an diesem Abend klar geworden, dass sein Feierabendbier keine harmlose Marotte ist sondern dass er Alkoholiker ist.
Als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er zugegeben, dass er täglich Alkohol trinkt und sich selber als Spiegeltrinker bezeichnet. Etwas ändern möchte er nicht, weil es ja viele Leute gäbe, die täglich trinken und er damit noch nie Probleme gehabt hätte. Dann hat er das Thema gewechselt. Meine Schwester hatte solche Gespräche auch schon mal mit ihm und da hat er wohl auch keinerlei Willen gezeigt etwas zu ändern. Meine Schwester sagt, dass wir da nichts machen können solange er nicht selber mit dem Trinken aufhören möchte. Sie ist Psychologin und weiss daher wovon sie spricht.
Ich weiss überhaupt nicht, was ich mit diesem Post bezwecken möchte. Eine konkrete Frage habe ich nicht und ich weiss, dass meine Schwester Recht hat. Trotzdem zerreißt es mich dabei tatenlos zuzusehen und nichts zu unternehmen. Ich habe Angst, dass er sich zu Tode trinkt.
Gibt es hier vielleicht andere Angehörige von Alkoholikern, die sich austauschen möchten? Oder gibt es hier vielleicht sogar jemanden, der es geschafft hat einen Alkoholiker wachzurütteln?
P.S. Meine Mutter erwähne ich hier mit keinem Wort, weil meine Eltern schon lange geschieden sind (was aber ganz andere Gründe hatte). Trotz der Scheidung hatten meine Schwester und ich regelmäßigen Kontakt zu unserem Vater.
Mein Vater der Spiegeltrinker
Beim Lesen deines Textes habe ich kurz überlegt ob du womöglich meine Schwester bist! 😅
Bei meinem Vater habe ich auch lange gedacht, er trinkt halt sein Feierabendbier, hat aber alles unter "Kontrolle". Hab ihn betrunken, wenn überhaupt, nur auf Feiern gesehen.
Die Schuppen von den Augen sind mir erst gefallen, als er sich nur noch am Vormittag treffen wollte oder wenn wir ihn Mal nachmittags besucht haben, dann ging er verdächtig oft auf's WC und roch dannach immer frisch nach Bier.
Aber was sollen wir tun? Unsere Väter wissen selbst um ihr Problem, wollen es aber nicht ändern...leider...
Es tut mir leid, dass du das auch durchmachen musst.
Was sagt denn dein Vater, wenn man ihn darauf anspricht?
"Ach, die 2-3 Bierchen", usw. Laut ihm kann er ja jederzeit das Bier weglassen - musste er auch gesundheitlich eine zeitlang (er lag 4 Wochen wegen eines Unfalls im KH). Zuhause hat halt die Gewohnheit gesiegt. Seit er in Rente ist, ist es schlimmer.
Hallo,
ich habe auch 2 Familienmitglieder die Spiegeltrinker sind.
Mittlerweile haben beide die Diagnose Leberzirrose, sie versuchen nicht mehr bzw. alkoholfreies Bier zu trinken.
Vielleicht wäre ein Gesundheitscheck hilfreich zum sensibilisieren?
Das ist eine gute Idee! Danke! Mein Vater geht nämlich tatsächlich zu Vorsorgeuntersuchungen und nimmt grundsätzlich auch ärztlichen Rat an und hat sich z.B. im Herbst auch gegen Grippe impfen lassen, weil der Hausarzt es empfohlen hat obwohl er es zuerst nicht für notwendig hielt.
Meine Eltern sind beide Alkoholiker. Deine Schwester hat leider recht.
Meine Mutter hat schon in meiner Kindheit tagelang Abstürze gehabt. Mein Vater trank „nur“ abends und ist immer am nächsten Tag zur Arbeit.
Mittlerweile habe ich keinen Kontakt mehr aber nicht nur aus diesem Grund.
Das war und ist bestimmt nicht leicht für dich. Haben denn deine Eltern mal versucht mit dem Trinken aufzuhören?
Meine Schwester ist Alkoholikerin seit vielen Jahren. Inzwischen wurde ihr gekündigt, da sie sämtliche Hilfsangebote seitens des Arbeitgebers nicht angenommen hat, sogar monatelang unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist. Der Arbeitgeber hatte wirklich viel Geduld. Seit eineinhalb Jahren hat sie einen Betreuer, seit letzten März ist sie in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht. Sie hat täglich 2 bis 4 Flaschen Wein getrunken, körperlich hat sie deshalb inzwischen einige Schäden. Du hast keine Vorstellung, was wir die letzten 15 Jahre alles versucht haben....
Wie sagte ihr Arzt einmal zu mir 'wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen"
Erschwerend kommt noch hinzu, Suchtkranke sind Lügner in Perfektion. Sie machen sich selbst so viel vor. Ich hatte oft den Eindruck, sie glaubt wirklich, was sie erzählt. Das gehört zu Krankheit wurde mir bei der Suchtberatung für Angehörige erklärt.
Das ist ja schrecklich 😔 Dagegen kommt mir mein Vater ja fast wieder normal vor. Er hat bis zum regulären Rentenbeginn gearbeitet und hat sein Leben so weit im Griff, also die Wohnung ist ordentlich, der Papierkram wird erledigt usw.
Ja, Alkoholiker ist nicht gleich Alkoholiker. Einige haben die Krankheit relativ gut im Griff. Und deshalb auch wenig Motivation / Veranlassung etwas zu ändern.
Die (Eigentums)Wohnung meiner Schwester war so dermaßen heruntergekommen und versifft, dass eine Spezialfirma (mit Schutzanzügen) für die Reinigung beauftragt werden musste. Es war unbeschreiblich und unbegreiflich.
Deine Schwester hat recht.
Mein Vater hatte Phasen, da war es mehr. Dann hatte er gesundheitliche Probleme und ich dachte er hätte den Bogen gekriegt. Da hab ich schon nicht mehr daheim gewohnt.
Tatsächlich hat er nur eine nicht mehr ganz so eskalative Phase gehabt, trotzdem gingen jeden Abend 1-2 Flaschen Wein durch.
Er ist mit 56 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben.
Die Sauferei wird ihren erheblichen Anteil gehabt haben.
Mein Beileid zum Verlust deines Vaters!
Ich habe Angst, dass Mein Vater auch früh stirbt, vor allem weil er zusätzlich auch noch raucht.
Das ist lieb von dir.
Es ist schon eine ganze Zeit her. Heirat, die Geburt des ersten Kindes, da kam vieles nochmal hoch. Da war ich so wütend auf ihn, wäre er auferstanden ich hätte ihm womöglich postwendend den Hals umgedreht. 😉 Aber die Zeit arbeitet da für mich. Man lernt damit zu leben.
Das mit der Raucherei war hier auch so. So heftig dass massiv Osteoporose entstanden ist. Dann hat er aufgehört, einige Jahre vor dem Infarkt.
Es ist sein Leben. Er stellt dafür die Weichen. Und wenn der Teufel ein Eichhörnchen ist und sich am Ende des Tages herausstellt dass seine Süchte seine Sargnägel waren dann ist es so. Mein Opa war vom gleichen Schlag. Der wurde fast 90. du steckst nicht drin.
Du kannst ihn nicht vor der Sucht retten und nicht vor deren Konsequenzen. Die Hilflosigkeit als Angehöriger ist nicht schön. Es ist ausserhalb unseres Einflussbereichs. Das zu akzeptieren ist mir lang sehr schwer gefallen.
Es gibt Hilfsangebote für Angehörige. Vielleicht wäre das was für dich?
Hallo Alkisteinarsch,
du sagst, du hast Angst, dass dein Vater sich zu Tode trinkt. Es zerreißt dich, tatenlos bei seinem Weg in den Abgrund zusehen zu müssen und fragst dich, ob du ihn noch "wachrütteln" kannst.
Nach meiner Erfahrung als trockener Alkoholiker kannst du nichts für ihn tun, solange er nicht den Wunsch hat, mit dem Trinken aufzuhören.
Selbst wenn er diesen Wunsch äußern würde, stehen seine Chancen schlecht. Solche Wünsche sind oft nur vorgeschoben, sie dienen dem eigenen Selbstmitleid und der Festigung einer krankhaften Bindung der Angehörigen. Sie sind daher kaum aufrichtig gemeint.
Du kannst aber etwas gegen deine Ängste unternehmen und dich in Selbsthilfegruppen für Angehörige austauschen und über deine seelischen Verletzungen sprechen.
Da wären etwa die Angehörigen-Organisation von AA, die Al-Anon. Al-Anon hat mittlerweile eine ganze Reihe von Zoommeetings, die man denkbar niedrigschwellig besuchen kann:
https://al-anon.de/meeting-finden/
Danke für den Tipp! Ich wusste tatsächlich nicht, dass es Selbsthilfegruppen für Angehörige von Alkoholikern gibt.