Probleme sich zu überwinden und offen für Neues zu sein

Hallo zusammen,

ich erkenne bei mir ein Muster, bei dem ich Probleme habe, es über Bord zu schmeissen:

Ich hänge extrem in Gewohnheiten fest und Dinge anders zu machen, kosten mich viel Überwindung.

Beispiel: ich bin jahrelang kein Auto gefahren, habe dann dieses Jahr Fahrstunden genommen und fahre seitdem einmal die Woche am Wochenende bei mir in der Gegend, wenn wenig Verkehr ist. Ich bin jedes Mal vorher aufgeregt und muss mich mental total darauf einstellen. Den nächsten Schritt wagen, indem ich unbekanntere Wege fahre? Traue ich mich nicht. Ich weiß nicht, wo ich parken kann? Dann: mag ich dort nicht hinfahren.

Gleiches Spiel sogar mit dem Fahrrad und Fahrradanhänger. Ich kenne die Wege nicht, weiß nicht, ob der Anhänger dort gut fährt? Dann fahre ich doch lieber nicht.

Gängige Abläufe habe ich so sehr abgespeichert, dass ich lange brauche, um mir Änderungen zu merken. Auf der Arbeit liegt plötzlich etwas an einem anderen Ort? Ich gucke das nächste halbe Jahr noch am alten Ort.

Geht es anderen genau so? Was kann man dagegen tun?

Gerade in Punkto Mobilität bin ich wirklich sehr eingeschränkt. Insbesondere, wenn ich Beobachter habe, was im Ort der Fall ist (beim Autofahren).

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Das ist eigentlich normal. Auch als Erwachsener hat man Angst vor Dingen, die man noch nie oder lange nicht gemacht hat.

Wenn du immer noch beim Autofahren Angst hast, überforderst du dich!

Kennst du diese Hundeerziehungssendungen? Wenn da ein Hund Angst hat, bspw. vorm Autofahren, geht man erst mal mehrfach mit ihm ans Auto, dann öffnet man die Tür, geht mehrfach hin, setzt ihn in den offenen Kofferraum, geht wieder raus, schließt den Kofferraum kurz, dann etwas länger, und erst nach längerer Zeit fährt man mal an und dann auch erst nur die Straße hoch und runter. Erst nach vielen, vielen Übungen und positiven Erlebnissen, bei denen der Hund ENTSPANNT war, fährt man eine längere Strecke.
Sonst lernt der Hund ja, dass schon der Weg zum Auto den großen Stress ankündigt, dem er dann wieder lange, lange Zeit nicht entkommen kann.

Mache das für dich genauso.
Setze dich mal ins Auto, spüre in dich hinein: Geht es dir gut? Bist du unsicher? Wenn es dir gut geht, fahre mal an, fahre eine kleine Strecke, vielleicht zum Bäcker, hole dir Brötchen, trinke einen Kaffee, fahre zurück. Wiederhole das so lange, bis es Routine für dich ist. Dann nimm dir die nächste Strecke vor.

Du kannst auch mal an unbekannte Orte fahren, einfach 15 min da umher fahren, mal entspannt schauen, ob du einen Parkplatz entdeckst - und dann nach Hause fahren. Das so lange wiederholen, bis du den Parkplatz sicher findest und dort mal kurz parkst, etwas in der Gegend unternimmst, nach Hause fährst.

Man muss halt auch als Erwachsener erst mal üben, sich an neuen Orten zurechtzufinden. Dabei muss man viele Informationen aufnehmen: Das Fahren selbst, der unbekannte Ort, wo ist der Parkplatz, wo ist ein freier Parkplatz, komme ich da rein, finde ich mein Auto wieder?
Irgendwann ist das alles Routine, aber am Anfang kann jeder Schritt eine Überforderung sein, weil man auf alles achten muss.

Ich kenne Erwachsene, die jahrelang nur Auto fuhren und dann mal eine längere Strecke mit dem Zug fahren mussten inklusive Umsteigen und ganz aufgeregt waren, ob sie das problemlos schaffen. Oder jemand fuhr jahrelang mit Auto und Zug oder flog auch mal, und musste plötzlich viel Bus fahren und bekam Stress, wenn beim Gelenkbus dieser runder Mittelteil in der Kurve knarzte. Da hielt der immer die Luft an, das hörte sich für ihn bedrohlich an. Mich hat mal eine ältere Frau, die wenig Geld hatte und selten auswärts aß, nachts um halb Eins angerufen, um mir stolz zu erzählen, dass sie eingeladen worden war und ganz allein zum Buffet gegangen war. Darüber kann man lachen, aber sie war unsicher und kannte so etwas in ihrem Alltag nicht.

Ich selbst fahre oft unbekannte Strecken zu wichtigen Terminen vorher einmal ab (Bus). Schaue mir unbekannte Arztpraxen etc. vorher einmal an. Wie lange brauche ich, um da hinzukommen, wo ist die Tür - manchmal auch im Hinterhof - auf welcher Etage liegt die Praxis, wo genau? Das wäre sicher für Menschen, die beruflich viel an verschiedenen Adressen sind, kein Problem, bei mir kann es aber sonst länger dauern, bis ich mich zurecht finde und ich würde ggf. zu spät kommen. Oder einfach gestresst sein.

Wichtig ist, dass du Gelassenheit und Sicherheit übst und nicht Angst und Stress.
Fahre nur so lange, wie du entspannt und zuversichtlich bist und weite das minimal aus auf jeder Fahrt. Sonst übst du, gestresst zu werden, wenn du ins Auto steigst.

Ich habe hier drei Geigen. Jahrelang war ich zum Saitenwechseln immer beim Geigenbauer, hatte immensen Stress, wenn ich mal selbst eine Saite wechseln musste, weil ich Angst hatte, dass die reißt. Irgendwann kaufte ich mir drei Sätze eines bestimmten, teureren Saitensatzes und zog dann erst testweise eine Saite davon auf eine der Geigen - mit Schweißausbruch - und am Folgetage alle anderen Saiten auf alle Geigen, also hatte ich elf mal hintereinander die Übung und bei der letzten Saite war ich deutlich entspannter als bei der ersten. Für die meisten Spieler ist so etwas Routine und die würden gar nicht überlegen, was daran schwierig sein soll. Für mich war jahrelang der extreme Stress, dass ich da etwas kaputt machen könnte und dann nicht spielen könnte, weil ich die Saite nicht aufziehen könnte.

Gib dir einfach Zeit und Ruhe und entspanne dich bewusst im Auto. Mache dir bewusst, was du jetzt schon besser kannst als vor 4 Wochen. Oft merkt man das erst, wenn man mal darüber nachdenkt. Nimm dir kurze Fahrten vor, die du schaffst und baue die erst aus, wenn sie zur kompletten Routine geworden sind.

Normale Dinge, vor denen ich im Leben Stress hatte, als ich sie zum ersten Mal machen musste:
Zum Bankautomaten gehen,
mit der Bankkarte bezahlen, ein neues Gerät zum ersten Mal benutzen, die Mailbox vom Handy abhören. Sehr lange habe ich es vermieden, den Fuß von meinem Akkustaubsauger zu reinigen oder den Filter. Weil ich Angst hatte, dass ich beides nicht mehr sicher zusammensetzen kann. Irgendwann ließ es sich dann nicht mehr verhindern, ich habe mir mehrfach Videos darüber angeschaut und es dann eine Weile täglich gemacht, bis ich es sicher konnte.

Es ist völlig normal, vor etwas unbekanntem Stress zu haben, bis es zur Routine geworden ist.
Man sollte beim Üben aber wirklich darauf achten, sich nicht zu überfordern und entspannt und zuversichtlich zu sein, sonst lernt man nur, dass diese Handlung immer Stress auslösen muss!

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Geht das schon Richtung Angst und du vermeidest, oder ist es eher "ne, keine Lust"? Ich denke man muss etwas wagen um neue Erfahrungen zu machen. Sollte Angst umspielt sein, sowieso wichtig.

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Es geht um Angst. Ich überwinde mich nun zum Beispiel auch regelmäßig zum Autofahren. Aber es wird nicht besser, die Angst wird nicht weniger

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Nimmst du die Angst wirklich mit all ihren Symptomen an, oder vermeidest du doch irgendwie? In dem Sinne dass du dich zB ablenkst. Mit Musik, etwas trinken, also alles was es erträglich macht. Das ist leider kontraproduktiv. Ist sauschwer, aber man muss die Angst tatsächlich annehmen. Sie ist unangenehm, aber nicht schlimm. Sie darf auch da sein. Man kann alles trotzdem machen. Falls man es alleine nicht schafft, würde ich zu einem psychologischen Psychotherapeuten gehen. Die sind drauf spezialisiert.

Achso, und man sollte regelmäßig üben. Ca alle 2 Tagen. Und die Übung nicht mit angst abbrechen. Das erhält weiter aufrecht. Erst abbrechen wenn die Angst spürbar weniger ist.

Bearbeitet von Hellothere
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Zum Autofahren würde ich sagen: einmal die Woche die immergleiche Strecke reicht nicht, dass du dich sicherer fühlst.

Ich würde versuchen, öfters und weiter zu fahren. Mit Navi ist das ja kein Problem. Du kannst vorher bei Googlemaps gucken wegen Parkplätzen. Und dann tastest du dich langsam ran, fährst mal in die nächste größere Stadt, parkst da vielleicht im Parkhaus? Oder zur Not halt kurz auf nem Supermarktparkplatz.

Ich gehe auch nicht so gerne aus meiner Komfortzone raus.
Seit einigen Monaten gehe ich aber zB regelmäßig allein in die Therme. Einfach, weil es abends unter der Woche günstiger ist. Mein Mann bringt dann unser Kind ins Bett. Freundinnen haben so spät oft keine Zeit oder wohnen zu weit weg.
Ich war vorher nie allein in der Therme und war auch etwas aufgeregt.
Es ist so toll!
Ich liebe es wirklich. Ich kann duschen so lange ich will, keiner muss auf mich warten :-)
Ich bin so froh, dass ich das für mich entdeckt habe. Wäre es doof gewesen, hätte ich es halt abgehakt.

Grade Mobilität ist so wichtig. Vielleicht gibt es irgendwo eine Veranstaltung oder eine Sehenswürdigkeit, wo du gerne hin möchtest? So als Ansporn?

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Ich hab auch damit zu kämpfen. ich wollte gerne noch für ein paar Std. arbeiten, nicht so viel, weil die Rente eh bald naht. leider habe ich ein paar gesundheitliche Baustellen, Knieprobleme, Schwindel, Kurzatmigkeit, so dass es mir schwer fällt, das überhaupt in Angriff zu nehmen. vor allem der Schwindel macht mir zu schaffen. ist halt manchmal weg, aber kommt urplötzlich wieder. Ärzte finden nicht unbedingt was raus, aber irgendwie muss ich den Mut bekommen , das Risiko einzugehen.

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Hi,
ich habe ein paar Situationen, wie wahrscheinlich die allermeisten anderen Menschen auch, wenn da die Abläufe nicht stimmen, dann bin ich erstmal irritiert. Im Austausch mit einer Kollegin, der es ähnlich ergeht, scherzen wir dann und sagen „da fühlt sich unser innerer Autist getriggert“. Vielleicht ist deiner ja einfach viel stärker ausgeprägt.😉
Da du dich dadurch ja sehr einschränkst, würde ich tatsächlich mal einen Profi draufschauen lassen.

vlg tina