Angst vor Ausgrenzung

Ich bin in einem sehr unschönen Umfeld aufgewachsen.
Mein Vater war regelmäßig aggressiv(verbal nicht körperlich) und ein Narzist wie er im Buche stand.
Ich selbst bin als Kind fast ausschließlich draußen gewesen,weil ich den Ärger zu Hause nicht aushalten konnte.
Meine Mutter war mit uns 5 Kindern und meinem Vater maßlos überfordert und hat denk ich bis zur Scheidung resigniert.
Besonders meine kleine Schwester und ich wurden sehr vernachlässigt was körperhygiene, schule und Ernährung betraf. Leider sorgte dies auch oft für Ausgrenzung und Hänseleien. Bei meiner Schwester war es regelrecht mobbing, in meinem Fall würde ich bei Hänseleien wörtlich bleiben. Der Vorteil bei mir war, dass ich eben noch recht sportlich gewesen bin und dadurch a) Punkten konnte bei anderen und b) nicht so übergewichtig war wie sie.
Irgendwie habe ich dann die Schule geschafft und auch eine Ausbildung absolviert. Mit 18 bin ich direkt ausgezogen, da ich ja sowieso immer auf mich gestellt war und ich so zumindest dem schlechten Einfluss meiner Eltern entgehen konnte.
Ich hab mir ein solides Leben aufgebaut mit Familie, Job, Haus....was ich aber bis heute nicht abgelegt habe, ist die Angst vor Ausgrenzung und gleichzeitig das Misstrauen anderer Menschen gegenüber.
Ich gehe immer davon aus,dass mir andere etwas böses wollen. Ich fange stark an zu schwitzen in Kontakt mit neuen Menschen und sorge immer Irgendwie selbst dafür, dass ich keine festen Freundschaften aufbauen.
Kurz bin ich dann erleichtert, dass ich mich nicht mehr konzentrieren muss zu gefallen,aber am Ende des Tages fühle ich mich dann schlecht, weil ich keine Freunde habe😥
Ich will meinem Kinder das auch so nicht vorlegen, aber wie durchbreche ich meinen Teufelskreis?

1

Hallo SozialeAngst,

ich finde es gut, dass du dich überwinden konntest, deine Ängste mit uns hier im Forum zu teilen, denn du willst dich nicht länger von ihnen beherrschen lassen. Du willst dazu gehören oder besser gesagt, du willst endlich das Gefühl in dir haben, dazu zu gehören.

Du kannst richtig stolz auf dich sein, dich aus den sozialen und wirtschaftlichen Belastungen deiner Kindheit herausgearbeitet zu haben, das schaffen viele Menschen nicht.
Aber jetzt, mit Familie, Haus und Job merkst du, die Wunden deiner Kindheit holen dich immer und wieder auch in deinem erwachsenen Leben ein.
Du leidest an deinen Ängsten, deiner menschlichen Isolation und an deinen sozialen Phobien. Hinzu kommt deine nicht unberechtigte Sorge, deine Muster an deine eigenen Kinder weiter zu vererben.

Wie könntest du deinen "Teufelskreislauf" durchbrechen?
Nach deiner Schilderung vermute ich, du könntest unter den Folgen einer kindlichen Traumatisierung, einer sogenannten komplexen PTBS leiden.
Dafür gibt es inzwischen gute therapeutische Möglichkeiten, die dir helfen würden, langsam mit deinen Verletzungen besser leben zu lernen und aus ihnen herauswachsen zu können. Ganz heilbar sind solche Störungen allerdings nicht, gewisse Automatismen bleiben meist ein Leben lang.
Ich würde dir Mut zusprechen. Geh zu einem fähigen Therapeuten, öffne dich und sei bereit, an dir selbst zu arbeiten. Du wirst es nicht bereuen.

Eine erste Information könntest du dir durch Bücher verschaffen. Ich kann dir hier folgende Werk zu dem Thema k-PTBS empfehlen:

Pete Walker:" Posttraumatische Belastungsstörung - Vom Überleben zu neuem Leben: Ein praktischer Ratgeber zur Überwindung von Kindheitstraumata"

Deutlich allgemeiner gehalten sind die Bücher von Stefanie Stahl, aber als Ergänzung nach meiner Meinung gut geeignet:
"Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme"

2

Hallo SozialeAngst,


deine Kindheit war alles andere wie man sich von einer normalen Kindheit vorstellt. Ein aggressiver Vater, Vernachlässigung, Demütigung,
Erniedrigung und Ausgrenzung standen auf der Tagesordnung. Das alles hat deine Kindheit geprägt. Ihr wurdet ausgegrenzt und gemobbt. Du warst auf dich allein gestellt. Das Gute an dem Ganzen ist das du deinen eigenen Weg gefunden hast. In meinen Augen hat auch euer gesamtes Umfeld versagt und euch nicht die nötige Hilfe und Unterstützung zu kommen lassen. Man hat scheinbar lieber weg geschaut wie helfend einzugreifen.

Durch die Erlebnisse aus deiner Kindheit hast du weiter Angst vor Ausgrenzung und starkes Misstrauen gegenüber anderen Menschen. Nach deinen Erfahrungen ist es für mich auch verständlich das du diese Ängste noch Hast. Gibt es denn diese Ausgrenzung noch oder ist es mehr ein Gefühl? Auf Menschen zu zugehen ist nicht einfach wenn man negative Erfahrungen damit gemacht hat. Hast du denn in der letzten Zeit negative Erfahrungen mit anderen Menschen gehabt?

Versuche bitte all das zu sehen was du erreicht hast. Du hast unter den schwierigsten Umständen dein Leben selbst in die Hand genommen und hast aus meiner Sicht sehr viel erreicht. Für mich zählt das was du erreicht hast doppelt weil du es selbst erarbeitet hast. Du darfst für das Erreichte stolz auf dich sein. Versuche tief in dich zu gehen und schaue was du noch alles erreicht hast. Das was du geschaffen hast solltest du nicht als selbstverständlich ansehen, es ist von dir hart erarbeitet.

Ich denke auch, das du eine sehr gute Mama bist. Du wirst alles in deiner Macht stehende unternehmen damit deine Kinder eine glückliche Zukunft haben.

Versuche dich bitte zu öffnen. Heute hast du mit deinem Beitrag schon einen sehr großen Schritt geschafft. Ich denke es werden noch weiter Schritte folgen.


Wenn du möchtest kannst du dir auch gern bei mir dein Herz ausschütten.


Vg blaue-Rose

3

Danke für eure verständnisvollen Worte🙏

Eigentlich ist mir bewusst, dass ich Hilfe von einem Therapeuthen benötige, allerdings überkommt mich auch da die Angst.
Überhaupt einen Therapeuten zu finden, ist schwer und dann auch noch den richtigen.
Bei meiner Schwester hat die therapeutische "Hilfe" dazu geführt, dass sie in ein tiefes Loch gefallen ist und da bis heute nicht raus gekommen ist.
Das möchte ich nicht für mich und meine Familie.
Die Buch Empfehlung habe ich direkt angenommen und bestellt...ich bin gespannt,wenn es auch keine Wunderwaffe sein wird.

Ich merke oft, dass ich nach selbsterfüllenden Prophezeiungen agiere. "Der/die macht das doch mit Hintergedanken" und dann suche ich unterbewusst nach Fehlern und noch bevor der andere einen machen kann, boykottiere ich selbst die Bindung indem ich mit haltlosen Anschuldigungen agiere. Dann hab ich kurz das Gefühl "ich wusste es doch" und fühle mich bestätigt. Ein funken Wahrheit ist bestimmt immer daran, aber nach längerer Zeit merke ich wie unfair ich eigentlich war und das ich auf den Bruch selbst (unbewusst) hingearbeitet habe,damit der andere es nicht mir mir machen kann. Ist sicherlich Selbstschutz, aber gleichzeitig auch selbstzerstörerisch.😕
Von neuen Personen fühle ich mich sofort negativ bewertet, hab den Eindruck, dass schlecht von mir gedacht wird und handle impulsiv und vorallem in Kurzschlusshandlungen. Kritik oder auch nur Hinweise zu anderen Vorgängen lösen in mir Versagensgegühle gepaart mit Abwehrhaltung aus.
Dann möchte ich wieder alles anders machen und lasse alles mit mir geschehen, obwohl ich eigentlich weiß, dass ich etwas sagen müsste. Dies ist zb in Kitas der Fall. Ich möchte nicht negativ auffallen (für meine Kinder) und nicke alles ab, obwohl ich es anders sehe. In solchen Momenten fühle ich mich unglaublich schlecht und mein Mann bekommt dass dann meistens ab. Er ist sehr einfühlsam und verständnisvoll, aber auch da frage ich mich "wie lange wohl noch?".
Ich muss einfach was ändern.

4

Hallo SozialeAngst,


therapeutische Hilfe ist in aller Regel sinnvoll und es ist auch meist sehr schwer passende Hilfe zu finden. Das was bei deiner Schwester passiert ist sollte eigentlich nicht vorkommen. Vielleicht sollte sie versuchen den Therapeuten oder die Therapieform zu wechseln. Therapeut und Therapieform müssen zum Patienten passen.

Du hast dir gewisse Verhaltensweise ( Prophezeiungen) angenommen. Sie werden durch wiederholte negative Erfahrungen gekommen sein und du möchtest jetzt vorbeugen das so etwas dir nicht wieder passiert und boykottierst diese Bindung. An dem Punkt solltest du ansetzen und versuchen diese " Vorurteile" keinen Raum zu geben und es wirklich darauf ankommen lassen wenn sich eine neue Bindung andeutet. Du weißt das dies Verhalten auf der einen Seite ein Selbstschutz ist, aber auf der anderen Seite behinderst du dich damit selbst und isolierst dich ganz unbewusst.

Das du dich von neuen Personen sofort negativ bewertet fühlst kann mit einem mangelnden Selbstwertgefühl und einem falschen Bild das du von dir hast zusammen hängen. Auch wenn jemand lacht wenn du kommst oder gehst heißt es nicht das man dich auslacht. Das Lachen kann sich einfach aus der Situation ergeben haben und muss nichts mit dir zu tun haben.

Du empfindest Kritik oder Hinweise als abwertend und bekommst Versagensgefühle und gehst auf Abwehr. Ich empfinde sachliche Kritik und Hinweise als gut und bin auch dafür dankbar. Die meisten Hinweise und auch Kritik sind gut gemeint und sie können helfen etwas anders und damit auch besser zu machen. Das selbe ist es mit Fehlern die man begeht. Fehler gehören einfach zum Leben dazu und aus Fehler kann man sehr gut lernen. Niemand ist fehlerfrei.

Sich alles gefallen lassen ist auch nicht gut. Du darfst und solltest deine eigene Meinung haben und die darfst du auch kundtun. Die eigene Meinung muss nicht immer richtig sein. Dann kann man sich aber mit seinem Gegenüber sachlich reden und eventuell seine Meinung ändern wenn man im Gespräch feststellt das sie nicht richtig ist.

Deine Kinder werden irgendwann mitbekommen das du immer alles abnickst. Sie werden irgendwann das Verhalten annehmen und später eventuell auch zu allen Ja und Armen sagen. Das ist wiederum für die kindliche Entwicklung nicht förderlich. Unser Kinder dürfen und sollen ihre eigene Meinung haben und auch sagen. Dann setzen wir uns zusammen und reden gemeinsam ganz ruhig und sachlich bis wir eine Lösung finden.

Dein Mann bekommt oft alles ab! Darf ich fragen was er dann ab bekommt? Das Ab-bekommen ist das eine. Hilfreich ist danach wenn ihr in Ruhe über alles redet und gemeinsam nach Lösungen sucht.


Vg blaue-Rose

5

Den Therapeuten zu wechseln,stellt sich als gar nicht so leicht raus ^^

Mein Mann bekommt es dann ab im Sinne von schlechter Laune oder das ich sehr weinerlich bin, manchmal auch im Wechsel.
Wir reden schon recht Viel, meist kommen wir dann zu der Lösung, dass er nochmal das Gespräch in der Kita sucht und zb unseren Standpunkt vermittelt.

Mit sachlicher Kritik auf der Arbeit beispielsweise komme ich gut zu recht. Im privaten trifft es mich allerdings emotional und das kann ich nicht gut verarbeiten.

Bearbeitet von SozialeAngst
6

gegen das schwitzen helfen spezielle Cremes die es für das Gesicht und auch für den Körper gibt. Helfen sehr gut, da es vor allem in diesen Situationen für dich vermutlich ein „ich schwitze und komme nicht mehr aus der Situation raus“ und dazu führt, dass du eigentlich nur damit beschäftigt bist, deinen Körper in Panik zu versetzen und dadurch noch mehr zu schwitzen… Nimm dich bewusst raus, trink einen Schluck wenn du iwo ankommst und atme bewusst und ruhig ein und aus. Probier es mal mit Atemtechnicken wie der „4-7-8-Methode“. Dies in Kombi mit den Cremes sollten dir helfen und da du weißt, wie du es bekämpfen kannst, bringt dich deine Psyche dann auch nicht mehr in diese Situationen. Gern geschehen! Viel Erfolg, bin sicher dass es klappen wird!