Die Gesellschaft macht mich müde

Hallo alle,

ich schreibe meine Gedanken nieder, um auch Eindrücke von euch zur heutigen Gesellschaft zu bekommen.
Das ist mein Thema, mein Umfeld/Freundschaften/Familie/Kollegen, meine persönliche Veränderung und die Gesellschaft im Allgemeinen.

Möglicherweise begann meine innere Veränderung schon vor Corona. Ich hatte eine einschneidende Veränderung in meinem Leben. Schon bewältigbar, nichts elementar schlimmes, eher etwas umständliches, etwas, dass eben im Leben passiert und blöd ist. Emotional fühlte ich mich ein wenig ausgelaugt, aber durch meine überspannten Nerven, begann ich irgendwie klarer zu sehen.
Ich erkannte zum Beispiel meinen Bekanntenkreis. Wer es gut mit mir meinte und wer nicht. Und endlich war ich in der Lage, da auch mal klare Kante zu zeigen und sortierte die eine oder andere Person aus.
Soweit so gut.

Ich hatte mein Leben dann kurz drauf wieder gut in der Reihe und neu sortiert - da kam Corona.
Damit begannen die Diskrepanzen. Plötzlich benahmen sich die Leute alle wie die letzten Menschen mit ihren Nudeln und Klopapier. Und auch im Freundeskreis entbrannten teils unschöne Diskurse. Mich hat das alles tief getroffen und die damit einhergehende Ausgrenzungspolitik Gesamtgesellschaftlich bis heute sehr negativ geprägt.

Inzwischen ist ja etwas Zeit vergangen, aber die Wunden sitzen. Mein Bekanntenkreis hat sich dramatisch verkleinert - von mir gewollt. Ich kann die Menschen nicht mehr in dem Maße ertragen. Möglich, dass es vorher auch schon so war, aber durch diese dunklen Zeiten sind so viele Masken gefallen und ich habe erkennen müssen, zu was Menschen fähig sind - das macht mich heute noch sprachlos. Und irgendwie habe ich im Laufe der letzten 3 Jahre immer weniger Lust auf die Menschen, die mich früher begleitet haben.

Im erweiterten Freundeskreis können heikle Themen nicht mehr kommuniziert werden, weil die Gefahr zu groß ist, dass man sich streitet. Also wird da nur noch über Belanglosigkeiten geredet. Das führt aber dazu, dass die Verbindung zueinander immer mehr bröckelt. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Und wir waren lange Zeit eine eingeschworene Clique! Da stellte sich mir schon die Frage: War es überhaupt je Freundschaft?

Der Kollegenkreis ist mir viel zu angepasst, Obrigkeitshörigkeit und devot..wir hatten eine zeit lang eine wirklich inkompetente Führungskraft, die ihre Neurosen an uns abgearbeitet hat. Bei mir führte das reflexartig zu Widerstand, während sich -bis auf einer-, alle anderen weggeduckt haben. Ähnlich wie zu Corona Zeiten, wurde auch hier nach dem Motto verfahren, "Wird schon alles richtig sein". Teils wurde richtig "Speichelgeleckt", um Anerkennung zu erhalten....Unreflektiert und feige eben. Mich macht das so müde.

(Merke: es geht hier nicht um Pro oder contra Corona. Es geht nur um den allgemeinen Gesellschaftswandel und was es mit einem macht). Mir ist das vorher nie so bewusst gewesen.

Auch die jetzige Regierung mit ihrem angeblichen Gutmenschtum- aber wehe, du hast eine andere Meinung...mir geht das alles so dermaßen auf die Nerven.

Inzwischen fühle ich mich am wohlsten, wenn ich für mich alleine oder nur noch mit einem ganz engen Kreis und meiner Familie zu tun habe. Zu allen anderen Menschen bin ich freundlich, aber möchte nicht weiter einsteigen. Auch nicht bei Bekannten.
Die meisten verachte ich einfach nur. Das trifft es wohl ganz gut. Verachtung.

Ich bin inzwischen 52 Jahre alt, das dazu. War immer politisch interessiert. Ich habe viele Interessen und bin mir selbst gut Freund. Trotzdem ist das schlimm, wie sich Einstellungen aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung ändern. Aufgrund meines Alters bin ich vielleicht auch nicht mehr so Kompromissbereit.
Allerdings beobachte ich das auch bei anderen. Scheint also ein Phänomen zu sein, dass noch mehr betrifft.

Kennt das einer hier? Mir ist das unverständlich, dass über so was so gar nicht gesprochen wird...nirgends...irgendwie kann mir doch keiner erzählen, dass der gesellschaftliche Wandel nur mir auffällt?

Danke !

Bearbeitet von Genervthochvier
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Guten Morgen Genervthochvier,

Mich hat bei all deiner "Genervtheit" vor allem ein Satz in deinem Beitrag angesprochen: "Die meisten verachte ich einfach nur. Das trifft es wohl ganz gut. Verachtung"

Das ist schon recht heftig. Mir kam da aus meiner Erinnerung - bin alter Lateiner - ein Ausdruck von Seneca hoch, den ich erst mal wieder googlen musste:
Taedium vitae, das bedeutet Lebensekel, Lebensüberdruss. So würde ich deine Befindlichkeit und dein gewandelte Lebenseinstellung deuten.

So ein durch Abscheu und Verachtung für Gesellschaft und andere Menschen gekennzeichneter Rückzug zeigt für mich Elemente einer depressiven Grundstimmung. Siehst du bei dir Anhaltspunkte, eventuell in eine Depression abzugleiten?

Für mich wäre an deiner Stelle die Frage wichtig: Was macht die empfundene Veränderung von Gesellschaft und Menschen mit mir? Wie habe ich mich in den letzten Jahren verändert?

Habe ich mich zum Guten oder zu meinem Nachteil verändert, fühle ich mich besser oder schlechter wie vorher?

Ich glaube, du wirst aus deinem Inneren eine erwartbare Antwort erhalten. Du fühlst dich seelisch schlechter als zu den verflossenen Zeiten, in denen du deine Mitmenschen noch nicht verachtet hast!

Da bin ich auch schon bei meiner Essenz meiner Gedanken:
Die Gesellschaft und die anderen Menschen sind eben so wie sie sind und sie interessiert nicht im Geringsten, was du über sie denkst.

Aber es gibt EIN Opfer und das bist du selbst. Du zahlst langfristig gesehen einen furchtbar hohen Preis für deine veränderte Einstellung. Den Preis der Selbstisolation, der inneren Verbitterung.
Dieser Teufelskreislauf hat sich, wie ich aus deiner Schilderung gut heraushören kann, in den letzten Jahren bei dir zunehmend verstärkt und für mich fast wahnhaften Charakter angenommen.

Es gibt aber eine Lösung gegen deine fortschreitende Selbstzerstörung: Wenn du es willst, kannst du deine Einstellung verändern und versuchen, wieder am Leben teilzunehmen. Nur Mut, es lohnt sich.

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Hallo Christoph,

vielen Dank für deine Mühe, auf meinen Beitrag einzugehen. Ich gestehe, ich musste mir ein Schmunzeln unterdrücken.
Auf was für Ideen die Leute kommen, köstlich,.

Ich kann dir versichern, dass eine Depression nicht zu Grunde liegt. Ebenso bin ich durchaus ein geselliger Mensch, der soziale Kontakte pflegt. Ich bin sehr belesen, kreativ und grundsätzlich interessiert am Leben. Das eine schließt das andere nicht per se aus.

Möglicherweise konnte man das meinem Text nicht entnehmen. Und sicherlich wirke ich eher unsympathisch, bei so einem von mir angesprochenem Randthema.

Ich sehe dir deine laienhafte Einschätzung meiner psychischen Gesundheit nach. Ich weiß ja, dass du hier im Forum gerne den Küchentischpsychologen gibst. Ab und an sind deine Ansätze im Alltagsbereich durchaus brauchbar, und ich werde ganz sicher auch mal 5 Minuten investieren und meine wahnhaften Züge analysieren. Vielleicht bringt es mich nach vorne.

Mehr nach vorne hätte mich allerdings eine themenbezogene Antwort zur heutigen Gesellschaft und deren Entwicklung gebracht. Reflexartig getroffene Analysen über Mituser überlass doch bitte den Leuten, die davon Ahnung haben. Wenn überhaupt.

Danke dir und LG!

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Netterweise gibst du dir die Antwort selbst, was in dieser Gesellschaft schief läuft:
Menschen äußern sich herablassend über Menschen, die sich Mühe geben, auf sie einzugehen. Der Respekt füreinander geht bei einem Teil der Bevölkerung vollends flöten und ausgerechnet dieser Teil der Bevölkerung empfindet sich als reflektiert, belesen und meint noch viel mehr als alle anderen, den Durchblick zu haben.
Ich bin auch Misantroph, wenn es die breite Masse angeht. Ich pack mir zum Beispiel an den Kopf, wie man Trump, Höcke und Co wählen kann, verstehe aber in Einzelgesprächen oft, woher die große Verdrossenheit kommt. Man hat dennoch immer die Wahl, egal, ob man viel Mist erfahren und von vielem frustriert ist, ob man ein Menschenfreund bleibt oder ein Arschloch wird. Und immer mehr Menschen entscheiden sich für letzteres und suchen die Schuld bei anderen.

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Ich umgebe mich einfach nur noch mit Menschen die mir gut tun.

Allerdings ist der Kreis nicht kleiner geworden es sind nur andere Menschen.

Zu denen ich keinen Kontakt mehr pflege, die vermisse ich auch nicht.
Aber ich habe durch die Zeit unheimlich viele interessante, liebevolle, kluge, hilfsbereite Menschen kennen und schätzen gelernt.

Liebe Grüße

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Mein Bekanntenkreis hat sich auch verändert. Gott sei dank. Am Ende stellt man eben fest, wer bleibt oder nicht.
Aber tatsächlich stressen mich viele Kontakte eher. Auch eine Feststellung, die neu ist.

Aber die, die da sind, sind wertvoll. Definitiv! Mit den meisten allerdings kann ich nichts anfangen und möchte es auch nicht.

LG

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In einer Zeit der Krise.. Mein Mann wurde innerhalb kurzer Zeit zum Pflegefall trennte sich die Spreu vom weizen was die sogenannten Freunde angeht.

Von einem bin ich besonders enttäuscht, ihm haben wir nämlich oft und viel geholfen. Von seiner Seite kamen nicht einmal telefonische Fragen wie es geht bzw waren die spärlich.

Andere zwei halfen viel und zuverlässig.. Fragten nicht viel sondern waren immer zur Stelle.

Das hat mich nachdenklich gemacht dass es nur wenige Menschen gibt die im Leben was zählen und auf die man zählen kann.

Ich bin niemand der die Gesellschaft verachtet.. Wozu auch.. Jeder hat sein Pinkerl zu tragen, aber ich habe meine lehren daraus gezogen. Im Bezug auf "Freunde" werde ich egoistischer sein, besonders mit dem einen.. Da wir beruflich verbunden sind wird die Freundschaft einfach auf eine neutrale emotionsfreie Ebene gelegt bzw aufs ewige Eis.

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Das tut mir leid, dass du so schlechte Erfahrungen gemacht hast.

Das habe ich tatsächlich nicht in dem Maße.
Aber ich finde die Menschen generell so doof irgendwie. Das ganze Benehmen damals und auch heute, ich kann damit nichts anfangen. Und ich bin überzeugt, käme die nächste Situation, dann würde das wieder ganz genauso laufen.

Der Mensch lernt einfach nichts.


Das Verachten ist vielleicht etwas zu hart ausgedrückt. Grundsätzlich bin ich ein Menschenfreund, das schon. Aber immer wieder beobachte ich dieses angepasste Verhalten, dieses nicht mal für sich einstehen oder für andere. Wenns hart auf hart kommt, denkt jeder an sich selbst. Und das - ja, das verachte ich. Und das ich den Menschen keinen Lerneffekt zutraue.

Den einen Freund da von dir, den würde ich auch auf Eis legen. Auf ewig.

LG

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Der braucht mich nicht mehr zu brauchen 😅.. Der Drops ist gelutscht der Fisch geputzt.

Mein Mann hat ihm oft aus der Patsche geholfen und es kam absolut nichts zurück 😇.. Das merke ich mir.

Ganz auf Eis legen kann ich ihn nicht wegen der Arbeit... Wie gesagt.. Geschäftlich ja, privat nein und ich bin fein damit 😇.

Die beiden die mir echt halfen können auf mich zählen.. Bis in Ewigkeit 💪

Ich habe mich oft für andere engagiert, und habe es gern gemacht. Daraus lerne ich es in Zukunft nur mehr für die Menschen zu tun die es wert sind.

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"Kennt das einer hier?"

Ja, hier 🙋

Allerdings schlägt es bei mir in eine völlig andere Richtung.

Ich hab auch viele Leute aussortiert. Unter anderem solche, die nur meckern und immer intoleranter werden. Mich nervt das.

Wir haben die Coronazeit mit Kinderwunschbehandlung verbracht. Dadurch haben sich viele Ansichten verändert. Wir haben Behandlungen mitgemacht, die wir früher kategorisch ausgeschlossen hätten. Unsere eigenen Grenzen immer weiter verschieben müssen.

Wir sind dadurch toleranter und offener geworden gegenüber Menschen, die außerhalb der üblichen Grenzen liegen. Wenn man selbst die üblichen Grenzen mal überschritten hat, merkt man, dass vieles nicht selbst erwählt, sondern so hingeworden ist.

Wir haben uns wegen Lockdowns phasenweise nur noch in der Natur statt unter Menschen aufgehalten. So viel weniger Hass und Verachtung, die auf einen einprasseln. Dann fällt einem das so viel mehr auf, wenn man dann zurück unter Menschen kommt.


"Mir ist das unverständlich, dass über so was so gar nicht gesprochen wird...nirgends...irgendwie kann mir doch keiner erzählen, dass der gesellschaftliche Wandel nur mir auffällt?"

Dann hast du ein seltsames Umfeld und liest wenig Nachrichten. Gefühlt geht es doch um nix anderes mehr 🤔

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Ich schaue absolut keine Nachrichten mehr - oder zumindest nur noch sehr selten. Das deprimiert mich tatsächlich, die täglichen Katastrophen, mit denen man zugeballert wird. Da bin ich wohl auch eher schlecht informiert, gebe ich zu. Allerdings wäre es mir neu, dass nur Ansatzweise eine Aufarbeitung punkto Corona stattgefunden hätte.

Seit Corona habe ich von den Nachrichtensendern Abstand genommen. Manchmal erweckt es den Eindruck, man möchte nur noch Angst und Schrecken schüren. Das lehne ich kategorisch ab.
Irgendwie spiegelt sich das auch in der Gesellschaft wieder..die vielen Duckmäuser, die vielen ängstlichen Gesichter, wenn unvorhersehbare Ereignisse passieren etc.

Die Natur ist ein guter Ratgeber, ich bewege mich bevorzugt in dieser - schon vor dem Lockdown. Aber innerhalb der Krise half die Natur ungemein. Gott sei Dank gibt es noch einige Flecken in meinem Umfeld, die wenig bis gar nicht von anderen frequentiert werden.

Meckerköpfe und negativ behaftete Menschen, sowie die Leute, die einen einfach nur benutzen, sind bei mir im laufe der letzten Jahre auch aussortiert worden.

Die Menschen, die wärend Corona andere diffamiert haben, bewegen sich nur noch am Rande in meinem Umfeld. Mit denen befasse ich mich nur noch oberflächlich, wenn überhaupt. Ja, die Leute verachte ich. Und ich vergesse das nicht, das gesprochene Wort.

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Hi,

Ich bin zwar Mitte 30, aber ich empfinde es wie du.
Menschen strengen mich zunehmend an. Leider sind meine Kinder noch in dem Alter, dass ich mich wohl oder übel mit vielen auseinandersetzen muss.
Oberflächige Gespräche mit oberflächigen Themen.
Ein "wie geht's dir?" möge doch bitte nur kurz mit einem "gut und selbst?" beantwortet werden und bloß nicht mit der Wahrheit.
Wieso fragt man etwas auf was man sowieso keine ehrliche Antwort haben möchte?
Richtige Freundschaften habe ich nicht mehr, dass hat sich mit meinen Kindern immer mehr aufgelöst.
Ich kann nicht mehr die Zeit aufbringen, die viele in Freundschaft investiert sehen wollen.
Am liebsten bin ich mit meiner Familie zusammen, also mein Mann, meine Kinder, meine Eltern, meine Schwiegereltern. Bei denen darf ich so sein wie ich bin, auch mal eine Meinung haben, die nicht Mainstream ist oder auch einfach mal scheiß Laune haben!
Bei allen anderen muss ich mich verstellen und bloß nicht gegen den Strom schwimmen oder gar die Wahrheit sagen.
Ich hab im übrigen gar kein Problem damit, wenn jemand eine andere Meinung hat als ich und man in eine Diskussion kommt. Ich fühle mich auch nicht angegriffen, wenn man mich kritisiert. Ich erlebe einfach nur, dass keiner mehr diese Aufrichtigkeit aufbringt und jeder immer direkt beleidigt ist, wenn man nicht sofort konform miteinander ist. Das nervt mich total und deswegen gehe ich den meisten so gut es geht aus den Weg.
Auch dieses ständige Nörgeln über alles ohne das Problem in die eigene Hand zu nehmen, ist für mich nicht auszuhalten.
So hatte ich eine enge Bekannte(bezeichnete sich als Freundin), die unaufhörlich über die Krippe ihres Sohnes geschimpft hat,alles war kacke und sie würde sich sooo unwohl fühlen. 2 Jahre habe ich mir das angehört, hab Verständnis aufgebracht. Dann war der Sohn im Kindergarten und endlich war das Thema durch dachte ich! Dann war die kleine Tochter im Krippenalter und wo meldet diese Bekannte ihre Tochter an? Genau in der Ach so schlimmen Krippe ihres Sohnes 🤦‍♀️ Grund: sie wäre näher am Wohnort! Die andere Krippe ist ca 5min weiter entfernt, dass wäre es mir wert gewesen und das habe ich ihr auch mitgeteilt. Das ich es nicht verstehe wie man sich jahrelang so beschweren kann und dann wegen 5min den gleichen Fehler wieder macht...Ende Vom Lied: sie ist total beleidigt!

Ne sorry, dafür ist mir meine Zeit zu schade hab ich keine Lust drauf. Solche Beispiele könnte ich noch 1000 aufzählen.

Fazit:
Ich bin auch der Meinung, dass das soziale Miteinander für jemanden mit eigener Meinung, politischen Interesse und dem Hang zur Ehrlichkeit immer schwieriger wird.

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Danke! Du hast es verstanden, was ich meine.

Besonders DAS trifft meinen Eindruck Haargenau:

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Ich hab im übrigen gar kein Problem damit, wenn jemand eine andere Meinung hat als ich und man in eine Diskussion kommt. Ich fühle mich auch nicht angegriffen, wenn man mich kritisiert. Ich erlebe einfach nur, dass keiner mehr diese Aufrichtigkeit aufbringt und jeder immer direkt beleidigt ist, wenn man nicht sofort konform miteinander ist. Das nervt mich total und deswegen gehe ich den meisten so gut es geht aus den Weg.--

Das ist der Punkt. Den Eindruck habe ich schon seit Jahren. Seit Corona verstärkt. (Ich muss Corona immer wieder benennen, weil das für mich irgendwie für den Beginn einer neuen Zeit steht).

Ich meine, all die von dir benannten Punkte oder auch meine Eindrücke gab es sicher auch schon ewig vorher. Auch das Nörgeln etc. Aber ich finde, es verstärkt sich inzwischen.

Und du siehst ja - spricht man sein Befinden an, werden einem unter anderem "wahnhafte Züge", Depressionen o.ä. unterstellt. Christoph hat eigentlich sehr gut dargestellt, wie die Mehrheit der Leute heute ticken:

Ist man ehrlich und spricht eben mal seine (unpopuläre!) Meinung aus oder spricht sensiblere Dinge an - siehe oben. Dann bekommt man gleich suggeriert, das mit einem selbst etwas nicht stimmt - die Gesellschaft aber ja völlig ok ist.

Und DAS ist ein Kurs, den finde ich gefährlich. Das das Gros der Leute, die - nenne wir es mal -, etwas unreflektierter Unterwegs sind, andere in Schubladen stecken. Den Trend, ala "bist du nicht für mich, bist du gegen mich" gabs ja schon mal. Ähnlich ist es dieser Tage. Hast du eine Meinung, die gegen den Mainstream ist oder findest du eben manche Bewegungen nicht so toll - wird einem reflexartig eine rechte Gesinnung unterstellt.

Ist ja auch einfach, die Leute zu diffamieren - kann man sich ja sicher sein, dass die Mehrheit Beifall klatscht.

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Wie kommst du darauf, dass es heute so ist ? Als ob gegen den Strom schwimmen früher leichter gewesen wäre 😅.
Ich bin mein ganzes Leben schon Außenseiter, also 43 Jahre und kann dir sagen, wenn du erst seit der Coronakrise so fühlst, ist es natürlich schwierig, deinem Umfeld klar zu machen, wie es dir geht. Selbstverständlich denken dann alle, du wärst depressiv, oder so .
Was du noch lernen musst, ist ausblenden 😉.
LG

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Ich kenne das nicht. Ich habe auch nicht ganz verstanden, worüber du jetzt reden willst. Mach doch mal ein Beispiel, damit sich eine simpel gestrickte Person wie ich auch vorstellen kann, worum es geht. Also früher warst du mit deinen Bekannten eine eingeschworene Clique, in der man über alles reden konnte, auch wenn man gegen den Strom schwamm, und heute geht das augenscheinlich nicht mehr. Welche Themen sind das denn?

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Sorry, aber das einzige, was ich bemerke, ist, dass es immer mehr Menschen gibt, die so wie Du nicht mehr damit klar kommen, dass ihre Meinung eben nicht mehr immer dem absoluten Mainstream entspricht, und die mehr und mehr verlernen, mal beim Gegenüber hinter die Fassade zu schauen und sich zu fragen, warum er so handelt, wie er handelt.

Was war denn so "brutal" am Nudelgehorte? Dass Menschen Angst hatten? Unsicher waren? Auf der einen Seite erwartest Du "Gutmenschentum", dass Dir andere bitte genug Nudeln und Klopapier im Regal lassen, aber wenn Dir das Ergebnis nicht passt (was ist es denn was Dich an der Regierung triggert? Verbrenneraus? GEG? Atomausstieg? Alles übrigens schon zumindest in groben Zügen vorher beschlossen??) wie bei unserer Regierung, verurteilst du es?

Ja was ist denn "wehe" wenn Du anderer Meinung bist wie "die Regierung?" Wirst Du verhaftet? Oder sagt Dir einfach nur öfter als früher jemand, dass er nicht (mehr) Deiner Meinung ist? Trauen sich mal mehr Leute, Dir und Deiner Einstellung zu widersprechen? Sorry, aber so ist das halt im Leben, es ist nicht immer unbedingt die Mehrheit der eigenen Meinung. Wer sich für Umweltschutz, LGBTQ etc einsetzt, kennt das Gefühl genauso, fühlt sich schon lange hoffnungslos und müde, und das nicht erst seit Corona, sondern eher seit Jahrzehnten.

Ich empfinde es umgekehrt, mich hat es 40 Jahre müde gemacht, wie jeder immer nur sich selbst der nächste war, Ich finde es gut, dass man mal darüber redet, was für eine Welt wir überhaupt unseren Kindern hinterlassen sollten, und welche Welt wir anderswo gestalten, dass unangenehme Dinge mal angesprochen und nicht totgeschwiegen werden.

Für mich gehört Diskurs schon immer dazu, es gehört schon immer dazu, dass Menschen meine Ideen, meine Einstellung nicht verstehen.
Was ich sehe, ist dass teilweise aggressiver auf das eigene Recht bestanden wird. Dass wie bei Dir Verachtung hochkommt, Hass, Hetze.

Bearbeitet von LGVUSD
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Was mich sehr getröstet hat, war unlängst ein Interview mit Juli Zeh. Zentrale Aussage war, dass es auch Demokratie sei, wenn einem das Ergebnis nicht passe und Zeh, als überzeugte Sozialdemokratien, konnte dem sogar was Positives abgewinnen, dass heute wieder mehr diskutiert wird und gestritten…

Was mich halt irritiert ist der Hass, der einem aus diversen Richtungen entgegenschlägt: Ob die Hater nun das Kalifat in Deutschland fordern, Autos von AfD-Politikern anzünden oder Hatz auf Geflüchtete machen oder Frauen vermöbeln, um Alpha zu sein… das macht mir Angst und all diesen Menschen/Gruppierungen ist eins gemeinsam: Verachtung für andere Menschen.
Und die TE verachtet andere Menschen. Da sollte man meines Erachtens mal ansetzen und sich sehr ernsthaft fragen: Was rechtfertigt, dass ich mich im Duktus der Verachtung über andere erhebe?
Aber an dem Punkt wird meist dicht gemacht und die Huhn und Ei-Frage aus dem Hut gezaubert: Man sei nur so als Re-Aktion geworden…

So kommen wir sicher nicht weiter. Mittlerweile denke ich: Ok, dann muss der Karren offenbar noch mal wieder so richtig an die Wand fahren.

Vielleicht sind Menschen wie Lemminge: Werden es zu viele, hüpfen sie die Klippen runter…

Das einzige, was einem offenbar bleibt, ist das, was Rio Reiser schon empfohlen hat: Halt dich an deiner Liebe fest.

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Bei mir kam schon beim Betreff das dringende Bedürfnis nach Tippen auf.

Ich lese es vermehrt, die Verweise auf diese Gesellschaft, aber wir sind alle Teil davon. Wir tragen jeder auch ein Stück zu unserer Gesellschaft bei. Reihe ich mich dann z.B. ein in die, die alle meckern, oder die andere verachten oder immer intoleranter werden (beliebige Beispiele), dann kann ich mich selbst hinterfragen, ob ich ins gleiche Horn blase oder anders agiere. Reagiere ich auf "alle kümmern sich nur noch um sich" mit "dann mach ich das auch so", trage ich noch dazu bei, dass dieses Bild sich weiter verstärkt. Ich kann aber auch sagen "nö ... muss ich nicht. Ich kann Menschen anlächeln auf der Straße" oder was auch immer ... ich weiß, das kllingt merkwürdig, aber mir ist diese Referenz auf eine anonyme Masse an Gesellschaft zu wenig. Wie gesagt trägt jeder dazu bei. Ich finde, es gibt viele tolle, liebenswerte Menschen, die für andere auch da sein wollen, die empathisch sind. Darauf richte ich meinen Blick, die anderen ... nun ja ... ich möchte so nicht sein, also lebe ich es anders, voller Freude und Zuversicht

PS: nein, ich nehme keine komischen Substanzen zu mir.. :D

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Danke für den tollen Beitrag.
Genauso empfinde ich es auch.

Ich engagiere mich ehrenamtlich, ich versuche jeden Tag, die Welt ein bisschen besser zu machen... und bekomme dafür auch verdammt viel zurück. Ich hatte schon mehrfach sehr nette Gespräche, einfach aus dem Alltag, aus einer netten Geste heraus entstanden.

Es gibt inzwischen auch diverse Veröffentlichungen zu dem Thema "Spaltung der Gesellschaft" die sagen, dass die "Spaltung" auch von diversen Mächten herbeigeredet wird, weil sich eben mit negativen Gefühlen mehr Geld, mehr Klicks, mehr Likes und mehr Werbeeinnahmen generieren lassen.

Heute zb. B*ld: "Hecken Hammer - Schweiz verbietet Kirschlorbeer - Kommt das Verbot jetzt auch bei uns". natürlich der "HECKEN HAMMER in grossen Lettern, fett, schwarz rot, Gefahr, Alarm ...

Polarisierender kann man eine Schlagzeile fast nicht formulieren. Weil man weiß, dass wenn man Emotionen weckt, mehr auf die Mitteilung klicken. Dabei sollte Journalismus aufklärend und eher nüchtern sein. Sachlich.
Hinter der Schlagzeile gibt man dann zwar zu, dass die Pflanze viele Nachteile hat... aber was will man damit bewirken? Damit werden nur Emotionen aufgeheizt. Wir spalten uns nicht, wir werden gespalten, zumindest wenn wir nicht aufpassen. In anderen Ländern haben die Presseorgane Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben, in denens ie sich geloben, sorgsam mit ihrer Macht die sie ja wirklich haben umzugehen. Und in Belgien zb wird nicht so aufmerksamkeitsheischend geschlagzeilt.
Wenn uns dauernd Leute erzählen, dass wir nicht mehr miteinander reden können, und wir das glauben, dann wirds zur selffullfilling prophecy. wenn wir nicht daran glauben ... eben nicht. Weil es ja irgendwie doch an jedem von uns liegt, ob wir miteinander reden, ob wir es aushalten, wenn jemand nicht unserer Meinung ist, ider nicht.