Nähe fällt mir schwer.

Hallo,
Jetzt muss ich mal schwarz schreiben.
Ich finde seit vielen Jahren etwas komisch. Ich kuschele nicht gerne. Nicht mit meinem jetzigen Mann und nicht mit den Männern davor.
Ich mag es nicht umarmt zu werden.
Wenn ich mich mit meinen Eltern treffe, umarmen wir uns auch nicht. Es gibt auch kein Küsschen von meinen Eltern oder ich für meinen Eltern. Ich vermisse das auch nicht. Wir halten auch kein Händchen. Ich kann mich auch nicht erinnern, wann wir uns umarmt hätten. Meine Eltern lieben mich aber sehr. Ich sie auch. Wir telefonieren auch täglich. Wir sehen uns aber selten, da ich vor 13 Jahren nach Deutschland gezogen bin. Wir sehen uns aber dennoch etwa 4-6x im Jahr, jeweils für 1-2 Wochen. Ich habe auch viele Fotos, wo ich Kind war und wir uns umarmen und so.
Das ganze ist mir erst aufgefallen, als meine große Tochter klein war. Ich wollte das ändern bei ihr. Ich wollte, dass wenn sie groß ist, wir uns oft umarmen, dass wir kuscheln, dass wir uns Küsschen geben. Sie ist nun 13 und es fühlt sich für mich komisch an, ihr Küsschen zu geben, sie einfach so zu umarmen. Ich Kuschel auch nicht gerne mit ihr. Mit niemanden.
Worblieben uns aber sehr, sie ist ein ausgeglichenes Mädchen, gute Schülerin, talentiert in vielen Sachen, wir unternehmen sehr viel gemeinsam, lachen viel gemeinsam, sie erzählt mir Geheimnisse. Ich gebe ihr bewusst Küsschen und umarme sie bewusst, aber nicht von mir aus, sondern muss dran denken.
Vor kurzem habe ich noch ein Kind bekommen und ich liebe es und kuschele gerne mit dem Baby, trage es ganz viel (wie auch die Große damals), gebe täglich hunderttausend Küsschen. Von mir aus. Hier habe ich das Verlangen. Und auch hier wird sich das bei mir sicherlich ändern, wenn sie groß ist. Ich würde gerne dieses Verlangen aufrecht erhalten bei mir.
Mit meinem Mann mag ich es auch nicht. Ich mag es nicht gestreichelt zu werden oder kuscheln oder Küsschen bekommen. Gut, zum Glück ist er auch nicht der Typ dafür. (Oder ich habe ihn zu so einem gemacht)
Ich habe kein Trauma als Kind erlitten, ich wurde nicht missbraucht oder so. Ich hatte eine tolle Kindheit. Ich bin eine sehr ausgeglichene 40 Jahre alte Frau, gehe Hobbys nach, habe viele Freunde, einen guten Job mit gutem Geld, bin sehr optimistisch (außer bei Krankheiten, da bin ich ein Hypochonder 😅🙈) Alles stimmt. Mich stört auch nicht, dass ich nicht kuscheln mag. Aber wenn ich es doch jetzt mit dem Baby mag, warum ändert sich das dann?
Ich möchte nicht zur Therapie deswegen. Es gibt nix zum aufarbeiten. 😅
Vielleicht geht es jemandem auch so. Vielleicht habt ihr einen Tipp, wie ich diesem entgegen wirken kann. 😃

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Hallo,

mir geht es ähnlich. Bei mir geht zwar das Umarmen mit meinem Mann und den Kindern. Bei meinen Eltern und fremden Menschen geht es aber eigentlich gar nicht.

Inzwischen habe ich für mich 2 Erklärungen gefunden, die passen könnten: Erstens befinde ich mich wahrscheinlich im Autismusspektrum und zweitens war vor 50 Jahren eine Frühgeburt, die lange alleine im Brutkasten gelegen hat.

Ob davon etwas stimmt, weiß ich natürlich nicht.

Alles Gute für dich.

Bearbeitet von auchbeimir
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Hey, ich erkenne mich in deinem Text einfach wieder. Ich hatte ebenfalls eine wunderbare Kindheit. Mein Papa war einfach der tollste und meine Mama sowieso. ☺️ ABER ich bin auch absolut nicht die Kuscheltante. Ich habe zwei kleine Mäuse (2 Jahre und 8 Monate). Mit beiden kuschel ich total viel und könnte sie den ganzen Tag knutschen. Ich möchte es auch beibehalten, nehme ich mir zumindest fest vor. Aber bei älteren Personen, wie meinen Eltern, meinem Mann, finde ich es komisch. Ich wurde von meiner Schwiegermutter bereits angesprochen, ob es überhaupt bei uns noch gut läuft, da wir ja nie kuscheln und sie uns nicht küssen sieht. Ich meinte dann zu ihr, ich bin nicht der Typ für sowas. Vor allem nicht, wenn jemand dabei ist. Meine Eltern haben sich damals vor uns geküsst und alles war rosig, aber keine Ahnung, wieso ich so bin. Mein Papa ist leider früh verstorben. Da musste ich mich anfangs am Krankenbett etwas überwinden, als er plötzlich auf seine Küsschen "bestand" (Küsschen auf die Stirn). Nach einigen malen, fand ich es aber irgendwie total schön und habe mich auch über mich gefreut, dass ich das einfach mache. 🥰😅 Ich hatte das Gefühl, ich habe damit meine Bindung zu meinem Papa nochmal stärken können, bevor er dann endgültig gegangen war.

Damit möchte ich einfach sagen ... Vermutlich ist es auch Gewohnheit. Sich einfach überwinden und das ältere Kind einfach Mal in den Arm nehmen. Vielleicht wird es dann bald Gewohnheit und dann wiederum etwas wunderschönes und für uns "normales". ☺️🤍

Du bist aber damit nicht alleine. Es gibt scheinbar mehrere von uns. 😀 Ganz liebe Grüße

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Vorhin bin ich auch ins Zimmer vom großen Kind, gute Nacht sagen. Umarme sie und gebe Küsschen. Ich mache es. Aber weil ich dran denke. Sie wollte dann, dass ich noch bleibe und noch mal Küsschen gebe. Klar, habe ich gemacht. Aber warum denke ich nicht selbst mal dran, 2 Minuten da zu bleiben. Kam mir wieder so blöd vor.
Seit dem die Kleine da ist, sieht die große so Mega Mega groß aus. 😅 quasi erwachsen. Sie rasiert sich schon an den Beinen/Achseln, ist größer als ich, trägt größere Schuhe…
Weiß ich auch nicht.
Ich versuche noch öfters an Küsschen zu denken.

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Mhm, wenn keiner einen Leidensdruck hat, ist doch alles super. Von Chapman oder so ähnlich wurden mal die "fünf Sprachen der Liebe" postuliert:
Worte der Anerkennung
Geschenke
Hilfsbereitschaft
Gemeinsame Zeit/Zweisamkeit
Körperliche Berührung/Intimität
Du siehst, körperliche Nähe ist nur eine von vielen Möglichkeiten, sich seine Liebe und Wertschätzung zu zeigen. Es gibt ja auch Kinder, die so gar keine Kuschelleidenschaft haben und auch ab dem frühen Kleinkindalter wirklich wenig körperliche Nähe suchen. Ist dann wiederum für Eltern manchmal schwierig :-)
Wichtig ist nur, dass das Gegenüber die "gleiche Sprache" spricht und übersetzen kann, damit es sich eben auch geliebt fühlt.

Bearbeitet von EsIstWieEsIstx2
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An sich kommen wir gut so klar. Manchmal möchte die Große halt mehr kuscheln. Mache ich dann aber auch. Aber eben nicht von mir aus.
Aber bei der Köeiken fühlt sich das so toll an. Ich würde so gerne dieses tolle Gefühl behalten.

Ich bin Lehrerin und da wollen mich auch andauernd Kinder umarmen. Das mag ich ja überhaupt nicht. 😅 von 1-2 Kindern ertrage ich es, dem Rest sage ich immer, ich bin erkältet. 😅 aber die mögen mich dennoch alle sehr sehr 🤩

Also so, in dem Sinne, kein Leidensdruck, bei niemandem, ich würde gerne dieses schöne Gefühl behalten.

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Es gibt Asexuelle Menschen, vielleicht gehörst du dazu auch ohne etwas erlebt zu haben.

Vor ein paar Jahren war das Thema ein Tabu, jetzt wird es ein wenig lockerer, leider outen sich permanent irgendwelche Promis mit dem Thema, bei denen man es nicht lesen möchte.

V.G.

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Asexuell bin ich auf keinen Fall. Sex mag ich, aber halt ohne Gedöns und rumkuscheln 😅

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Same here 😅.. Mit Baby Kleinkind habe ich es genossen, als großes Kind /Erwachsener nicht mehr.

Küsschen beim begrüßen.. Aber es gibt keine Umarmung.

Kuscheln streicheln mag ich nur am Rücken 😅.. Dafür könnte das stundenlang gehen bis ich einschlafe.

Ebenfalls goldene Kindheit gehabt.

Nehmen wir es einfach so hin 💪

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Na gut. Dann ist es einfach so. 😅
Ich sehe nur oft Freunde/Bekannte, dass die die eigenen Eltern/erwachsene Kinder mit richtig herzhaftem Umarmen begrüßen und auch oft einfach so umarmen, streicheln, Küsschen geben.

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So wie du dich beschreibst ist mein Partner. Mag auch kaum Kuscheln oder Umarmen bzw Küsschen zwischendurch. Das muss ich für mich aktiv einfordern, da ich das brauche. Bei seiner Familie gibt sich zur Begrüßung die Hand und sein Vater klopft ihn noch auf die Schulter. Selbst unser gemeinsamer Sohn (6 Jahre) wird so vom Opa begrüsst. Mehr nicht. Bei meiner Familie ist das völlig anders. Wir umarmen uns, es gibt Küsschen, es wird geknuddelt.
Das mache ich auch mit meinen Kindern.
Unser Sohn kuschelt daher hauptsächlich mit mir und mein Partner findet das doof, weil er sich ausgeschlossen fühlt. Kann es aber von sich aus nicht selbst iniziieren. Er mag es auch nicht, wenn Junior beim abendlichen Sandmann schauen sich an ihn ankuscheln will. Er rückt sofort ab, es wäre ihm viel zu warm. Dann muss ich ran.
Oder auch. Junior wird am Wochenende spätestens 7:30 meist eher wach und kommt zu uns ins Bett. Schlüpft mit unter meine Decke, kuschelt sich an und schläft manchmal nochmal ein. Versucht er das bei Papa wird fast sofort ein Gerangel daraus und nach kurzer Zeit steht Papa total angepisst auf. Als Junior ein Baby war, war das total anders. Da wurde ständig gekuschelt und geknutscht.
Gelegentlich haut mein Partner dann Spitzen raus wie ....durch dein Gemuttle kann er nur zum Muttersöhnchen werden... . Da merke ich das er darauf eifersüchtig ist, auf unser enges Verhältnis, und das es ihn stört. Aber ändern will und wahrscheinlich kann er es nicht.

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Willkommen im Club 😎. Ich mag auch keinerlei körperlichen Kontakt, ich habe es versucht als mein Sohn klein war, aber er hat auf Nähe genauso reagiert wie ich, er mochte es nicht. Er hat es toleriert, war aber froh wenn man ihm nicht zu nahe kam. Die Familie meines Mannes ist da ganz anders, ständig Küsschen und Umarmungen. Für mich ist es schwer das zu tolerieren, da wir uns nicht so oft sehen geht es aber. Mein Mann hätte am liebsten ständig Körperkontakt, da habe ich mir einfach Routinen angewöhnt. Ich hatte auch eine schöne Kindheit und habe keine Ahnung woher das kommt. Da mein Sohn aber genauso ist, denke ich es ist einfach Charaktersache 🤷.

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Als Kind wurdest du umarmt usw, später aber nicht mehr - auch vielleicht so ab Pubertät? Dann wäre es nicht ungewöhnlich, dass es sich „fortführt“.

Mag deine Tochter denn körperliche Nähe? Bei Babys ist er evolutionär festgelegt, daher machst du es automatisch. Später ist es nicht mehr überlebensnotwendig. Vielleicht lässt es deshalb nach?

Wobei Menschen trotzdem körperliche Nähe „brauchen“, nur die Häufigkeit unterscheidet sich.

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Meine Tochter hätte schon gerne mehr. Wenn sie es sagt, mache ich es auch. Mir fällt es aber von alleine nie ein.
Und beim Baby ist es so extrem, dass es 50 cm weiter weg im Beistellbett liegt und ich es kaum erwarte, dass es bald wach wird und die ganze Nacht ganz eng neben mir schläft.
Ich weiß nicht, ab wann mich meine Eltern nicht umarmt haben. Ich habe viele Fotos, wo sie mich ganz dolle umarmen und ich sie auch. Ich war da aber noch ein Kind/Kleinkind.

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Das wäre spannend zu erfahren, oder? Frage deine Eltern doch mal :)

Wenn es quasi „Normalität“ war und dein Bedürfnis nach Nähe in einem bestimmten Alter ignoriert wurde, kann es durchaus sein, dass es „abtrainiert“ wurde, du es als unnormal ansiehst und es daher selbst nicht mehr zulassen kannst.

Das sage ich erstmal recht wertfrei, denn du sagst, eure Beziehung ist sehr liebevoll. Und das glaube ich dir auch. „Fehler“ machen trotzdem alle Eltern, durchaus auch mit weitreichender Konsequenz. Das kann man dann selbst reflektieren und aufarbeiten.

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Guten Abend Schwerfurmich,

Da sitzen wir beide im selben Boot. Dein Satz "Nähe fällt mir schwer" spricht mir aus der Seele. So war ich mein ganzes Leben, immer auf einen gewissen Sicherheitsabstand zu anderen Menschen bedacht.
Kein großer Freund von Kuscheln, was meine Frau auch nicht ist.

Du hast nun mit deinem Baby erleben dürfen, wie du mühelos deine liebevolle, verschmuste und innige Seite zeigen kannst. Ganz spontan aus dir heraus und ohne dich zu überwinden. Das gibt dir ein Gefühl, das du bisher von dir kaum kanntest und das du gerne weiter behalten würdest.

Mir hat bei der Beschäftigung mit meiner Scheu vor zu großer menschlicher Nähe, vor zu einengenden Beziehungen, vor Auftritten vor größeren Menschengruppen neulich eine Fortbildung geholfen.
Dort ging es um Persönlichkeitstypen nach dem sog. Riemann-Thomann Modell:

https://www2.daad.de/medien/riemann_thomann.pdf

Nach einem kurzen Test wurde mir klar, ich bin ein ziemlich eindeutiger sog. Distanztyp mit einem gewissen Daueranteil. Mein Näheanteil ist hingegen unterentwickelt.

Was hilft mir diese Einsicht?

Ich stelle mir das mittlerweile so vor: Mein dominanter Distanztyp ist sozusagen meine "natürliche Haut", in der ich mich mehr oder minder zuhause fühle und auf vertrautem Boden bewege.
Natürlich hatte und habe ich Sehnsüchte nach mehr Nähe zu anderen Menschen und nach besseren Selbstdarstellungsfähigkeiten, wenn ich mich mit anderen Menschen verglichen hatten, denen diese Eigenschaften quasi angeboren schienen. Das ist in der Tat so.

Immer wenn ich mich aus meiner "natürlichen Haut" meiner Distanzierung herausbewegen will, dann habe ich eine kleine innere Hürde oder Barriere zu überwinden, weil ich mich auf ein Beziehungs- und Gefühlsgebiet bewege, in dem ich Schwächen habe. Ich fahre ja "aus meiner Haut heraus".

Ich bin mittlerweile froh, das bei mir erkennen zu dürfen und nun zu wissen, warum ich mich in zwischenmenschlichen Nähesituationen zuerst instinktiv unsicher und unwohl fühle. Aber allein das Akzeptieren meiner Prägung und meines Typus macht es mir leichter, mir einen Impuls zu geben und einen Schritt aus meinem Gehege auf dieses Neuland zu wagen.
Für mich war es einfach enorm wichtig zu realisieren, warum ich mich in Nähesituationen zuerst instinktiv zu einer Abwehr und zu einem Rückzug gedrängt fühle.