Hallo :),
ich habe irgendwie die Hoffnung hier ein paar Gleichgesinnte zu treffen, die an einem ehrlichen und empathischen Austausch interessiert sind.
Ich gehe seit mehreren Jahren zur Psychotherapie. Die ersten 1-2 Jahre waren wirklich hart. 30 Jahre habe ich mir mein Leben mit vielen Schutzmauern aufgebaut, die nach und nach abgebaut wurden. Mit vielen Tränen, Wut, neuen Fragen und Unsicherheiten.
Es wurde die Kindheit und Jugend aufgearbeitet, Verhaltensmuster entdeckt und Skills und Verhaltensregeln im „Ausnahmefall“ (also an schlimmen Tagen) etabliert.
Ich habe viel gelernt und bin froh, meine Verhaltensmuster aufgrund der Skills oft durchbrechen zu können. Es klappt natürlich nicht immer. Manchmal bin ich dann traurig, dass das Leben mit psychischen Problemen oft einfach soooo anstrengend ist. So anstrengend im Sinne, dass es so oft so viel Arbeit ist gar nicht erst in ein Tief zu kommen oder halt möglichst schnell wieder da raus zu kommen.
Nun bin ich Mama. Ich gehe in diesem „Job“ mehr als auf und liebe es jeden Tag.
Doch auch meine Nerven sind manchmal am Ende. Anstrengende Nächte, anstrengende Tage.
Mein Mann unterstützt mich wunderbar. Wenn ich einen wirklich schlechten Tag habe, nimmt er unser Kind und verbringt einen schönen Tag ohne mich, sodass ich tun kann, was mir hilft. Schlafen, Sport, ein Tag mit Freunden.
Und dann gibt es diese Momente, die mich so wütend machen. Zb Wenn die einschlafbegleitung mal wieder 1,5 Stunden dauert, unser Kind zum x.ten mal über mich geklettert ist, mir die Brille aus dem Gesicht gezogen oder an meinen Haaren gerissen hat.
Ich bin dann manchmal so genervt und schalte irgendwie auf standby. Gefühlt sind meine Emotionen dann aus, die Empathie meinem Kind gegenüber weg und ich funktioniere in aller Ruhe, aber auch ohne Gefühle irgendwie. Schwer zu beschreiben. Manchmal werde ich auch scharf im Ton und sage sehr deutlich, dass mir weh tut wenn in meinen Haaren gezogen wird.
Wenn das Kind dann schläft, an mich gelehnt oder gekuschelt, habe ich so ein schlechtes Gewissen.
Ich wollte so gerne und unbedingt die perfekte Mama sein, die nie genervt ist oder die Stimme erhebt. Es klappt aber nicht.
Und ich kann mir das nicht verzeihen.
Auch in diesen Situationen, wenn ich meinem Mann erzähle wie blöd ich wieder war und wie arm dran unser Kind doch ist, schüttelt er den Kopf und sagt mir dass ich einen tollen und liebevollen Job mache und jede Mama mal genervt von ihrem Kind ist. Dass es nicht am Kind oder daran liegt dass ich es weniger liebe, sondern einfach an der Situation und der Tatsache, dass der Geduldsfaden leider nicht immer unendlich ist.
Ja, man könnte fast meinen dass mein Mann mein Therapeut ist :D.
Aber ich.. ich kriege es kaum hin mir diesen Ausflug aus meinem Ziel (der perfekten Mami) zu verzeihen. .
Dieses zwanghafte Perfektionismus ist so eingebrannt, dass ich mir auch nach Jahren der Therapie gewisse versagensverhalten tagelang nicht verzeihen kann. Ich fühle mich dann schlecht, stelle meine Mutterrolle in frage und meine Gedanken zirkulieren tagelang um mein Verhalten.
Ich weiß, dass es für viele total übertrieben klingt und fast alle ehrlich sagen und sich eingesehen können, dass wir alle mal genervt sind oder uns im Ton vergreifen. In der Theorie weiß ich auch, dass ein Kind nur mit ehrlichen Gefühlen gut groß wird und die ewig perfekte Mama auch ein falscher Ansatz ist.
Trotzdem habe ich so hart diesen Anspruch an mich, eben nie genervt zu sein, dass in diesem Fall kein Skill und kein gegensteuerndes Verhalten greift.
Kennt das jemand? Eventuell auch aus anderen Situationen? Wie geht ihr damit um? Habt ihr einen Weg gefunden die Sachen schnell abzuhaken?
Sich selber verzeihen / Ansprüche beiseite legen
Mir hilft am besten sich mit anderen (netten und ehrlichen) Müttern auszutauschen. Vielleicht in einer Krabbelgruppe oder Baby Kurs. Da wirst du dann so oft hören, dass es bei anderen ganz genauso oder schlimmer ist und du kannst vielleicht leichter annehmen, dass es völlig normal ist.
Außerdem halte dir immer vor Augen, dass es so wichtig ist, dass du deinem Kind gegenüber authentisch bleibst. Also auch malgenervt oder ärgerlich. Babys merken sofort, wenn da etwas unstimmig ist und das verunsichert sie. Sie müssen von Anfang an lernen, dass sie auf ihr Bauchgefühl vertrauen können.
Ich kann deine Situation zum Teil nachvollziehen (u.a. den Teil aus verschiedenen Gründen nicht so viele psychische Reserven zu haben wie andere und deshalb manchmal emotional runterzufahren). Es ist doch OK, wenn man immer wieder emotional auf Durchzug schaltet, gerade wenn man psychisch viel zu verarbeiten hatte, hat man einfach nicht so viele Reserven und da muss man sich auch abgrenzen. Das sorgt ja auch dafür das du dich Emotional nicht überlastest. Solange du in der Situation zurecht kommst ist es doch ok wenn dein Kind mit einem "scharfen Ton" leben muss wenn es Mist baut. Und ein schafer Tonfall (ohne tutsitutsi bittebitte) gehört zum Grenzensetzen ja auch dazu va. wenn das Kind gerade zum X-ten mal den gleichen Mist baut (zumindest für die Eltern die ich kenne).
Wenn du deinem Kind gegenüber im allgemeinen liebevoll und zugewand bist und in entspannten Momenten/nicht Mistbau-Momenten emotional präsent bist würde ich mir da keine Sorgen machen.
Bei dem Perfektionismus Problem kann ich dir leider keinen Tip geben, ich kenne das bei mir nicht, ich kann dir nur sagen was du vermutlich eh schon weißt: keine Mutter ist perfekt, alle Menschen machen Fehler, auch Mamas und Papas (und ein deutliches Zurechtweisen wenn Scheiße gebaut wird ist meiner Auffassung nach notwendig und kein Fehler). Und das du dir so viele Gedanken darüber machst ob du gut zu deinem Kind bist zeigt das du eine gute Mama bist.
Vielleicht hilft es zumindest ein bisschen das von Außenstehenden zu hören :)
PS: Jemand hat vor mir was zu Krabbelgruppen usw. geschrieben, ich will dir nicht davon abraten, wenn du eine für dich gute Gruppe findest kann das sicher toll sein. Ich würde dir nur empfehlen sehr aufzupassen wo du da reingerätst. Das sind häufig die schlimmsten mom-shaming Veranstaltungen und wer ein bisschen aus der "perfekten" Schein-Fassade ala Alles-selbstgekocht--Praemilch-ist-Gift--Männer-schaden-Babys--und-wer-noch-Bedürfnisse-hat-die-über-sich-ums-Baby-kümmern-hinausgehen-ist-der-Teufel ausbricht ist der Buhmann. Nichts gegen selbstgekocht usw. ich will nur illustrieren das manche Menschen sehr konkrete Vorstellungen davon haben wie das Leben anderer Menschen auszusehen hat und es nicht akzeptieren wenn es jemand anders macht als sie selbst und sich sie nicht zum Vorbild nimmt.