Ich denke in schwarz und weiß Kategorien und bin unflexibel, wie ändern?

Hallo liebe Community,

ich bin als Kind recht streng erzogen worden. Für alles schienen meine Eltern einen Plan zu haben und so wurde es über Jahre konsequent beibehalten. Es gab quasi nur eine Art es richtig zu machen.
Das habe ich mir angenommen und bin in dem Glauben aufgewachsen, alle anderen würden auch nach solchen Regeln groß werden und sich dran halten.

Ich nenn mal ein paar Beispiele:

Es gab immer drei Mahlzeiten am Tag, mindestens eine warm.
Morgens und Abends putzt man sich die Zähne
Man geht gewaschen oder geduscht aus dem Haus
Jogginghose oder andere gemütliche Kleidung, die wenig Halt gibt, ist nichts für die Öffentlichkeit
Man liegt nicht mit Schuhen auf dem Bett
Wenn man von draußen hereinkommt wäscht man sich die Hände
Beim Autofahren sitzen alle korrekt auf dem Sitz und sind angeschnallt
Man kommt pünktlich, vor allem zur Schule, zur Arbeit oder bei festen Arztterminen, bei Freunden kann man sich ausnahmsweise kurz verspäten, aber das sollte nicht zum Dauerzustand werden

Man grüßt wenn man irgendwo dazu kommt
Man sagt bitte und danke
Man behält seinen Gemütszustand für sich und lächelt freundlich und gibt sich Mühe es für die andren angenehm zu machen
Man steht in der Bahn vom Sitz auf und macht Platz wenn jemand kommt der den Platz dringender braucht

Die Wohnung ist sauber und ordentlich, die Kleidung liegt ordentlich im Schrank
Im Winter bekommen die Kinder warme Schuhe, oft auch zwei Paar, auch eine warme Jacke,usw.
Im Sommer bekommen die Kinder leichte Jacken und Schuhe, oft auch Sandalen
Im Herbst gibt es Gummistiefel und Regenkleidung
Man trägt immer heile und farblich zusammenpassende Socken
Überhaupt sollte die Kleidung aufeinander abgestimmt sein
Zu bestimmten Anlässen gibt es passende Kleidung

Vor Arbeiten wird gelernt
Am Vorabend wird der Schulranzen kontrolliert und die Stifte angespitzt
Unterlagen werden in extra Hüllen oder Ordner geordnet
Der Müll wird getrennt, das Glas extra entsorgt
Das Auto wird korrekt geparkt

Das sind jetzt so ein paar Beispiele die mir einfallen.
Für mich hat das alles seine Richtigkeit und ich fühle mich mit den Dingen wohl. Das es einem eine gewissen Selbstdisziplin abverlangt das alles einzuhalten, ist klar aber soviel Kraft sollte eigentlich jeder im Alltag aufbringen können, außer man hat besondere Ausnahmezustände wie einen akuten Trauerfalll, eine andere Katastrophe oder kurze Krankheit.

Wer das alles nicht kann oder will, hat in meinen Augen (bisher) meist ein anderes Problem. Nämlich eine psychische oder psychiatrische Baustelle.

Das es einfach viel Menschen gibt, die aus freien Stücken so ganz anders leben schockiert mich irgendwie.

Beispiel Geundheitsfürsorge. Mein Mann meinte, es ist bei Kinderärzten inzwischen eher die Ausnahme das Eltern regelmäßig ihre Kinder zu den Vorsorgen bringen und ein Interesse daran haben das die Kinder bestmöglich versorgt sind. Ebenso die Ernährung und die Körperpflege optimal gestalten (Ja, was ist optimal?)

Bei den meisten Eltern gibt es hier und da Schwächen, Desinteresse oder sogar schlimmere Versäumnisse. Und da wäre die Toleranz was eine gute oder schlechte Fürsorge ist extrem breit. Solange die Kinder nicht eindeutigen Missbrauch oder starke Vernachlässigung erfahren, müsste man das tolerieren.

Ich bin so geschockt was (heutzutage) alles als normal durchgewunken wird.

Da purzeln die Kinder fröhlich durchs Auto, Körperpflege und saubere Kleidung werden auch nicht groß geschrieben, fehlende Schulsachen und unzureichende Ausstattung (ja, was reicht?) für die aktuelle Witterung.

Wie geht es euch wenn ihr Kinder ohne warme Jacke, ohne Regenkleidung und ohne Essen erlebt, die Eltern und das Kind aber behaupten es ginge ihm gut?

Ich hab mich heute aufgeregt über "solche Zustände" und dabei gerieten wir in Diskussion was sein muss oder nicht. Und ich merke das ich anscheinen ziemlich festgefahrene Prinzipien habe und wenig Tolerant bin.
Ich überlege dann ob ich etwas ansprechen, melden oder selber ändern müsste, anstatt die Leute einfach machen zu lassen.
Und das tut mir nicht gut. Ich kann nicht die Mutter Theresa für alle sein. Und womöglich möchten das die meisten Familien auch nicht, ist völlig klar.
Dennoch hab ich oft den Eindruck in einem Umfeld zu wohnen wo Verwahrlosung und Gleichgültigkeit immer mehr zum Trend wird. Und dann fühle ich mich dann unwohl.

Habt ihr einen Rat?

Bearbeitet von schwierige
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In erster Linie solltest du eine Therapie machen.... Dringend

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Es gibt Dinge, die sind objektiv wichtig und Dinge, die sind ziemlich unwichtig. Aufeinander abgestimmte Kleidung, zusammenpassende Socken? Klarsichthüllen? Es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise, dass man nur so ein glückliches, erfüllendes Leben führen könnte. Nur weil es nicht 3 Mahlzeiten am Tag gibt, bedeutet das doch nicht, dass ein Kind nichts zu essen hat. Vielleicht isst es 5, vielleicht nur zwei Mahlzeiten - solange es satt und die Ernährung ausgewogen ist, ist doch alles i.O. Besser als eine warme Jacke kann das Zwiebelprinzip sein.

Das Problem ist, dass Du Dich an den Regeln, die Dir eingetrichert wurden, festklammerst und sie zur Allgemeingültigkeit erhebst. Wer ihnen nicht folgt, verwahrlost. Und das erscheint mir tatsächlich krank.

Grüsse
BiDi

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Alles gut und wichtig aber Übergriff nicht.
Also beibehalten und Fokus mehr bei Dir behalten (alles andere wäre auch ungesund).

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Es geht bei den betreffenden Kindern aber so aus:

Bei den jetzigen Temperaturen trägt der eine Bruder eine luftige Windjacke, ohne Futter (also viel zu dünn)
der andere Bruder eine alte Winterjacke, mit ausgeleierten Bündchen, etwa 2-3 Nummern zu groß (viel zu lange Ärmel)

Die Kinder werden ohne Frühstück zur Schule geschickt.
Sie tragen beide keinen Fahrradhelm, beide Fahrräder haben kein Licht. Das eine Rad ist nicht mal für den Straßenverkehr geeignet.
Nachmittags holt die Mutter die Kinder teilweise mit dem Auto ab, ich sehe das, und es gibt keinen geeigneten Sitz,
Laut STVO müsste es altersmäßig aber noch einen geben. Wird einfach ignoriert!

Die Körperpflege lässt auch zu wünschen übrig (immer dreckige Fingernägel) und die Kleidung ist selten Witterungsangemessen. Von hübsch brauch ich erst gar nicht anfangen.
Sowas wie Handschuhe und Mütze scheint es nur selten in dem Haushalt zu geben. Oder die Mutter hat vergessen diese bereit zu legen (das empfinde ich als Vernachlässigung).

Beim Ausflug regnete es extrem und das ältere Kind wurde klatschnass, weil es entgegen der Ansage keine Regenkleidung trug (kam schon klatschnass zur Schule, auf dem Fahrrad). Es entstand die Diskussion ob man das betreffende Kind deshalb nicht mit zum Ausflug nehmen sollte oder nicht, sondern es in einer anderen Klasse den Unterricht mitmachen soll damit es wenigstens im warmen ist.
Ich hatte auch hier gleich wieder eine Wut in mir, warum das Kind vernachlässigt wird. Immerhin wird in Kauf genommen das es sich erkältet. Meine Kollegin fand das alles noch nicht so schlimm und wäre gar nicht auf die Idee gekommen das Kind ins Warme zu schicken.

Bearbeitet von schwierige
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Hallo,


viele Punkte sehe ich genauso wie du und finde es auch nicht gut das oft so locker darüber weg gesehen wird. Eltern haben das Recht ihre Kinder so zu erziehen wie sie es für richtig halten so lange dadurch keine Kindeswohlgefährdung entsteht. Ich finde vieles auch nicht gut, aber es lässt sich so gut wie nichts dagegen tun.

Bei Sicherheitsrisiken fehlt mir jedes Verständnis. Das betriff in dem Fall die Sicherung der Kinder im Auto und auch das fahren mit Fahrädern in der Dunkelheit ohne Licht usw. .

Bei der Bekleidung stellt sich mir die Frage: Wie ist die Familie finanziell aufgestellt. Liegt es eventuell daran das die Finanzen zu gering sind und die Eltern nicht wissen wo sie das Geld hernehmen sollen. Ich weiß, das entschuldigt absolut nichts, es gibt aber leider genug Familien die finanziell mit sehr wenig auskommen müssen und dafür nichts können.

MfG blaue-Rose

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Danke, ich denk manchmal ich bin völlig allein mit meinen Gedanken.

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Ich denke nicht das du mit deinen Gedanken allein bist. Es sind sozusagen gewisse Grundwerte auf die lange bei der Erziehung Wert gelegt wurde und es sind in meinen Augen auch gute Grundwerte.

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Ich hab einscheinend einen starken Beschützerinstinkt und gerade bei Kindern, oder wenn es öffentliche (also auch mich) Einrichtungen betrifft, möchte ich nicht umgeben sein mit Gleichgültigkeit.

Ein Kind was nicht ordentlich gekleidet ist, in diesem Fall sind beide Eltern Akademiker und arbeiten beide Vollzeit - an mangelndem Geld liegt es also nicht - fehlt mir einfach jegliche Toleranz.
Und ich hab oft das Gefühl, man soll weggucken und es als Toleranz und Coolness verkaufen, dabei ist des einfach nur Bequemlichkeit.
Vieles davon müsse "eigentlich" beim Jugendamt gemeldet werden. Aber auch die kümmern sich nur noch um extreme Kindeswohlgefährdungen. Alles was noch einigermaßen überlebbar ist, wird übersehen und ausgesessen.

In einem Fall leben zwei Kinder beim alleinerzeihenden Vater. Dieser trinkt und fördert die Kinder nicht optimal. Die rutschen zunehmend in der Schule ab. Für mich ein Zeichen von Vernachlässigung und Kindeswohlgefärdung.
Ich dachte früher immer, solche Eltern werden gemeldet, da wird Druck gemacht das sie sich in ärztliche Behandlung begeben und eine Therapie machen müssen. Aber nein, wird ignoriert. Das die Kinder nicht den Schulabschluss erreichen werden den sie eigentlich kognitiv leisten könnten, finde ich traurig und unnötig. Aber ich musste mir anhören, das wäre dann eben ihr Schicksal. Viele würden hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben weil sie in ungünstigen Bedingungen groß werden.

Man könnte jetzt meinen ich lebe in einem Problemviertel. Nein, eher gehobene Mittelschicht.

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Wann LEBST DU ???
Du kannst weder die Welt retten noch die fremden Familien "umerziehen".
Ich bin 70 Jahre alt und habe auch solide Grundwerte, die ich in meinem bunt gemischten Umfeld auch vertrete, allerdings nicht rund um die Uhr.
Leben und leben lassen.
Nach etlichen äußerst schwierigen Jahren bin ich wieder ein fröhlicher umgänglicher Mensch geworden und erreiche bei Menschen so viiiel mehr als sauertöpfisch dauerbelehrende andere Bekannte, wovon ich Gottseidank nur zwei kenne.
Glücklich klingst Du nicht.
LG Moni,
mit extrem strenger mütterlicher Erziehung samt unzähliger Prügel.

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Liebe Schwierige,

ich glaube, Du musst hier zwei unterschiedliche Dinge trennen.

1. Du bist sehr strukturiert aufgewachsen, sehr durchorganisiert, auch sehr streng geregelt.
Das kann man so machen, muss man aber nicht. Es gibt Dinge, die sind essentiell (Essen, Arzt, Arbeitsmaterialien, warme Anziehsachen usw). Und es gibt Dinge, die sind weniger wichtig (Klarsichthüllen, Auto parken, gleiche Socken usw.) Da, finde ich, muss man auch loslassen können, da muss nicht alles pikobello sein, das habe ich mit steigender Kinderzahl gelernt. Manches gewinnt auch an Spannung und man selber verliert an Anspannung, wenn nicht alles absolut durchstrukturiert ist. Es gibt auch ein genussvoll nicht zueinander passende Socken anziehen, Kinder freuen sich da sehr und uns Erwachsene kann es lehren, dass nicht immer alles perfekt sein muss.
Und so kann an man die Regelungen bei unwichtigeren Dingen in anderen Familien genauso milde schauen. 😊

2. Du bist Lehrerin oder Erzieherin, oder?
Es geht mir auch so, ich sehe jeden Tag Kindesvernachlässigung. Ich sehe Läuse, rutschende Hosen, kalte Fingerchen, Goldzähne, fehlende Regenkleidung, Sandalen bei 10 Grad, nur über Fernsehserien sprechende 3 Jährige, fiebernde Kleinkinder, unpassende Windeln, Kinder, die keine Stifte kennen oder halten können, 5 Jährige.l, die ie Knete essen, Kinder mit Zigarettennarben, blauen Flecken...
Alles, was Misshandlung ist, melde ich an die Leitung. Für alles andere muss jede und jeder im pädagogischen Bereich einen Weg finden, sich zu arrangieren. Wie weit man Rücksprache mit den Eltern hält und halten muss, um vor sich selbst noch zu bestehen, muss man ausloten. Du kannst nicht jedes Kind retten in Deinem Beruf, es geht nicht. Du kannst auch nicht Deine persönlichen Lebensmassstäbe anlegen, sie greifen nicht. Ich trenn mich auf in ich als Mensch und Mutter und ich als pädagogisches Personal, bei letzterem gibt es Definitionen, was Vernachlässigung ist, da muss man eingreifen.
Das andere, das ich für mich "Wohlstandsvernachlässigung" nenne, ist aber auch schrecklich, es ist schrecklich, dort zusehen zu müssen.

Aber irgendwie ist es einfach so. Man kann die Kinder dort auffangen, wo man ihnen begegnet. Ich im Kunstbereich, schreiben, lesen, Kultur... Du kannst das anderswo. Warum keine extra Garnitur Regenkleidung nereitlegen, wenn Du weisst es kommt so. Vielleicht solche kleinen Dinge, die es Dir leichter machen, es zu ertragen.

LG

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Ich finde diese Grundhaltungen in Ordnung, ok manche sind zu extrem und absolut nicht notwendig, andere dafür machen das Leben halt leichter und schön geordnet.
Man muss für sich einen Weg finden.
Aber ich bin bei den anderen: wenn es nicht um Gesundheit oder Sicherheit (da hab ich auch kein Verständnis, und da sind wir wirklich beim Kindeswohl) geht sollte man das lockerer sehen.

Immer zu lächeln wenns einem nicht gut geht halte ich zb für nicht sinnvoll. Meine persönliche Meinung.