Erfahrungen mit Mediation?

Hallo,

ich bin vor längerer Zeit mal auf dieses Forum gestoßen und hatte den Eindruck, dass hier viele kluge, erwachsene Menschen unterwegs sind .. meine Frage hat nichts mit Kindern zu tun, aber vielleicht könnt ihr mir trotzdem weiterhelfen.

Die Situation in meiner Herkunftsfamilie ist seit Jahren schwierig und hat sich kürzlich nochmal verschlechtert -- mein Vater liegt im Sterben (demenzkrank seit vielen Jahren), meine Mutter agiert in meinen Augen maßlos egozentrisch, mein Bruder kommuniziert nur noch im Befehlston mit mir (bzw versucht es; ich lebe nicht am gleichen Ort und lege inzwischen einfach auf, wenn er so anfängt).

Zuletzt hat mich meine Mutter sehr aggressiv "weggebissen", als ich mich um meinen Vater kümmern wollte. Ihr Verhalten passt insgesamt recht gut zu dem, was oft als narzisstische Persönlichkeitsstörung beschrieben wird (möchte aber nicht ferndiagnostizieren -- ich ertrage ihr Ego einfach nicht mehr, das "Etikett" ist mir egal); ich habe meinen Besuch abgebrochen, bin nach Hause gefahren und danach war Funkstille.


Sie hat mir jetzt eine E-Mail geschrieben: "Ich hoffe sehr, dass es noch in diesem Jahr zu einer klärenden Aussprache kommt, um die Unstimmigkeiten zwischen uns zu bereinigen". Ob das bedeutet, dass sie ein Gespräch initiieren will oder ich das tun "soll", weiß ich nicht. Meine bisherige Erfahrung (ich bin 50 und der Konflikt mit ihrem Ego reicht in meine Kindheit zurück) ist, dass Gespräche mit ihr nichts bewirken, weil sie einfach negiert, was sie gesagt und getan hat -- alles nur bösartige Unterstellungen, sie ist das Opfer.

Jedenfalls: wenn sie ein Gespräch will, wäre meine Bedingung, dass das mit professioneller Begleitung einer außenstehenden, neutralen Person (Mediatorin, Familientherapeutin …) geschieht und ich per Videochat o.ä. teilnehme.

Mit sowas habe ich allerdings überhaupt keine Erfahrung -- ich kenne zwar Leute, die als Mediator*in tätig waren und das hat sich auch super sinnvoll angehört, war aber alles im beruflichen Kontext, keine Familiensachen / persönlichen Konflikte.


Und das würde mich jetzt interessieren: habt ihr sowas schon mal gemacht? Ist das ein vernünftiger / sinnvoller Vorschlag, insbesondere auch dass eine Partei remote teilnimmt? Kann eine einzelne Sitzung überhaupt irgendwas bewirken?

Ich erhoffe mir davon nichts Konkretes .. höchstens dass der tausendmal wiederholte Zirkus mit "was hab ich dir getan, dass du mich so hasst?" "du hast das und das getan und ich hasse dich im übrigen nicht" "hab ich nicht gemacht, das erfindest du" nicht das tausendunderste Mal unverändert stattfindet. Ich werde das auch nicht in die Wege leiten, das müsste sie machen (ansonsten wäre es 100% "meine blöde Mediatorin", die ich ihr "aufschwatze") -- ich möchte aber nichts vorschlagen / zur Bedingung machen, was von Vornherein total unrealistisch ist.


Da wär ich für Erfahrungen / Input sehr dankbar!

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Hallo Springerin,
Mediation kann sehr hilfreich sein. Der Kontext (beruflich, familiär, wahtever) macht wenig Unterschied, es geht darum, das eine neutrale und möglichst erfahrene Person für Struktur sorgt. Z. B. so einfache Sachen wie Redezeit, Wortwahl, "beim Thema bleiben"... Ein Mediator ergreift keine Partei. Das kann sich auch sehr ungerecht anfühlen. Bestenfalls bietet der Mediator beiden Seiten Nachsorge an, z.B. Möglichkeit von telefonischem Kontakt.
Grundvoraussetzung wäre, dass dir und deiner Mutter an einer Klärung gelegen ist. Das Ziel muß nicht innige Freundaschft sein, es kann auch der Punkt unter der Beziehung sein, mit dem du dann Frieden findest.
Aus meiner Sicht ist die persönliche Anwesenheit wichtig. Ihr könntet euch irgendwo in der Mitte treffen, beide getrennte Ferienzimmer buchen für 2 oder 3 Tage, euch mit dem Mediatior für einen oder mehrere Termine verabreden. Viel Aufwand, ja.
Wenn ich dich richtig verstehe, hast du nicht wirklich Lust drauf, was ich auch vertehen kann.
Du könntest den Ball zurück spielen und deine Mutter fragen, wie sie sich eine klärende Aussprache denn vorstellt. Sagen, dass du dir Mediation wünschst.
Wenn du gar nicht reagieren willst auf die Mail - ja, auch eine Möglichkeit und gut, wenn es dir damit gut geht. Die Entscheidung liegt bei dir. Jede Entscheidung hat ihren Preis, das ist einfach so und das ist in Ordnung. Du mußt nichts, du darfst alles.
Viel Kraft dir und liebe Grüße!

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Danke für deinen Input! Deine Beschreibung find ich sehr anschaulich, das hilft =). "Nachsorge" klingt ja super, das wusste ich gar nicht, dass es sowas auch gibt.


Du schreibst "Aus meiner Sicht ist die persönliche Anwesenheit wichtig" -- weshalb denkst du das? Also welche Aspekte gibt es da in deinen Augen, die nur mit körperlicher Anwesenheit funktionieren?

Wir haben mit Familienmitgliedern schon oft Videochats gemacht, weil wir lange über mehrere Länder verstreut waren -- das ist für uns nichts Ungewöhnliches, auch für meine Mutter nicht (drei von fünf Enkeln leben auf anderen Kontinenten). Nur falls sich das jetzt wie eine "Sonderkondition" anhört =)

Ich würde tatsächlich extrem ungern hinfahren, aber vielleicht gibts ja einen wichtigen Grund dafür, an den ich nicht gedacht habe. Anfassen lasse ich mich von meiner Mutter nicht, falls du dabei an Umarmungen o.ä. denkst (hab ich als Kind schon nicht gewollt und sie hat das nie respektiert).


Und zu "Du könntest den Ball zurück spielen und deine Mutter fragen, wie sie sich eine klärende Aussprache denn vorstellt. Sagen, dass du dir Mediation wünschst"

In meinen Augen liegt der Ball 100% bei ihr. Sie hat mich ja aus dem Haus geworfen (verbal, nicht körperlich), als ich zuletzt da war.

Da gings um die Erwachsenenvertretung meines Vaters (ähnlich wie Betreuung/Vormund? in Deutschland); sie war seine gewählte Vertretung und hat die aufgekündigt, als er schon nicht mehr ansprechbar war. Weil sie sich nicht vom Gericht kontrollieren lassen will. Er wäre deshalb beinah ins Krankenhaus geschleppt worden zum Sterben, was er absolut nie wollte (er hat keine Patientenverfügung, keine Vertretung, garnichts -- d.h. dann entscheiden die Ärzte).

Und jetzt gings darum, dass er irgendwie noch eine Art Notfall-Vertretung bekommt, um ihm das zu ersparen (Termin mit einer Palliativbereuung, wo die Angehörigen über den Willen des Sterbenden befragt werden), deswegen bin ich hingefahren. Eigentlich um den Termin zu organisieren, das Pflege-Team hatte das dann aber sogar schon selbst angeleiert.

Und sie hat allen Ernstes gefragt, was ich bei dem Termin überhaupt verloren hab. "Für mich würdest du das ja nicht machen", "du hältst mich wohl für zu blöd", giftig und feindselig. Für sie dreht sich selbst bei seinem Tod alles um sie und ihr Ego, ich finde das derartig widerwärtig, ich ertrags nicht mehr und will mit so einer Person nichts zu tun haben.

Aber einfach ohne Erklärung den Kontakt einzustellen widerstrebt mir trotzdem .. hatte ich in einer anderen Antwort schon geschrieben, das hat mit mir mal jemand gemacht und ich fand das sehr daneben. Und wer weiß, was sie sich dann erst für Geschichten zusammenspinnt -- war jetzt schon so, "du willst sein Testament aufreißen" (er hat keins, sagt sie selber) und solche Sachen. Das wird ja alles nicht einfacher, wenn er stirbt und wir dann irgendwie klarkommen müssen mit Erbe usw .. auch dafür wärs vielleicht nicht verkehrt, eine Mediation zumindest schon mal ausprobiert zu haben. Notar*innen dürften damit ziemlich überfordert sein (oder?).


Wenn sie sich also wieder meldet und von sich aus sagt, dass sie mit mir sprechen will (nicht "ich hoffe, es kommt dazu", sondern was konkretes), dann würd ich deswegen anbieten, an so einem begleiteten Gespräch teilzunehmen, wenn sie es organisiert. Das was du beschreibst mit Struktur geben, ausreden lassen, Wortwahl .. hört sich wirklich hilfreich an für die Situation. Danke dafür!

Bearbeitet von Springerin
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Mediation kann schon hilfreich sein, ob eine Sitzung reicht, wage ich zu bezweifeln. Dafür sind eure Rollen zu eingefahren.

Ob ein Videochat sinnvoll ist, müsste der Mediator einschätzen können. Schlage deiner Mutter das mal vor und dann weißt du, ob sie sich überhaupt darauf einlassen möchte.

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Stimmt, das kann natürlich auch sein, dass sie sich sowieso weigert.

An eine grundsätzliche Veränderung glaube ich eh nicht -- das ist auch schon lang so, dass sie einfach sagt „ich bin eben so und ich werde mich nicht mehr ändern". Sie ist inzwischen 80. Und wenn mein Vater nicht wäre, hätte ich den Kontakt schon längst abgebrochen.

Was ich mir glaube ich am Meisten erhoffe -- hab vorhin nochmal nachgedacht --, wäre dass die Gründe, warum ich den Kontakt abbreche / reduziere / nicht mehr ertrage, ein einziges Mal zu ihr durchdringen. Von mir hat sich ein früherer Partner getrennt und jede Erklärung verweigert .. das fand ich richtig schlimm, sowas macht man nicht, möchte auch ich nicht machen.

Bearbeitet von Springerin
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Meinst du, das käme bei deiner Mutter an? So wie du sie schilderst glaube ich das eher nicht. Ihre Aussage, dass sie sich nicht ändern wird, solltest du ernst nehmen.

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Ich denke, dass ein:e Mediator:in, Familientherapeut:in da durchaus vermitteln könnte.

Allerdings sind diese Menschen nicht dazu da, in Deinem Sinne zu Deiner Mutter durchzudringen sondern um beiden Parteien faire Bedingungen für einen Austausch zu ermöglichen.

Wenn Deine Mutter nicht will, dann könnten die Sitzungen eventuell "nur" darauf hinauslaufen, dass jeder von euch sagen kann, was er sagen will - bestenfalls wird ein gegenseitiges Verständnis erarbeitet. Wenn sich aber eine Seite stur stellt, dann hilft eine Mediation relativ wenig. (Ich bin Mediatorin, daher meine Einschätzung)

Wäre es für Dich eine Option, Dir einen eigene:n Therapeut:in für Dich zu suchen? Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass Du das, was Du Dir eventuell von Deiner Mutter erhoffst von ihr nicht erhalten wirst - und das muss man auch erstmal verdauen und dann einen passenden Umgang damit finden. Und dieser Weg der Verarbeitung kann mit Unterstützung durchaus gelingen, auch wenn es ein harter Weg ist, der aber auch zu Kontaktabbruch führen darf (aber nicht muss).

Dir alles erdenklich Gute!

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Danke dir. "Gegenseitiges Verständnis" wär weit, weit jenseits meiner höchsten Erwartungen, muss ich sagen .. "Austausch zu ermöglichen", wie du schreibst, wäre tatsächlich so ungefähr das, was mein Ziel dabei wäre.

Therapieplatzsuche hab ich schon mehrmals durch (Depression, Burnout, Angstzustände) und wieder aufgegeben, weils einfach keine Plätze gibt. Ich bin aber safe -- ich hab tatsächlich seit ein paar Jahren die beste Zeit meines Lebens, auch wenn das jetzt vielleicht überraschend kommt =).

Ich hab Antidepressiva, die was taugen, eine tolle Hausärztin, die auch Ängste etc vollkommen ernst nimmt, eine glückliche Beziehung mit Heiratsplänen und allem, neuen Beruf mit eigener Firma, der mir sehr viel Freude macht .. und ich bin in meiner Wahlheimat, weit weg von der Herkunftsfamilie, und da werd ich auch bleiben. Das schreib ich jetzt nicht, um anzugeben, sondern weils vielleicht irgendwann jemand liest, der ähnliche Probleme hat und noch mitten drinsteckt. Deine Eltern oder wer auch immer haben kein Recht, dir dein Leben kaputtzumachen -- es ist deines, du bist nicht deren Eigentum und du bist zu nichts verpflichtet.

Also wenns hier demnächst Therapieplätze regnen würde, würd ich nicht nein sagen -- lernen würd ich sicher was. Aber mich noch ewiglang am Ego meiner Mutter abzuarbeiten seh ich eher nicht kommen .. wer weiß wie lange ich noch gesund und fit bin, die Zeit will ich lieber für mein eigenes Leben nutzen.


Und von meiner Mutter erhoffe ich nichts, ich hätte wie gesagt schon längst keinen Kontakt mehr, wenn mein Vater nicht wäre .. u.a. genau wegen Depression/Burnout: ich war vor ca 15 Jahren ein ganzes Jahr weg vom Fenster und suizidal und von ihr kamen nur Vorwürfe, dass sie meine Patientenakte nicht bekommt ("Ich bin die Mutter, ich hab ein Recht darauf" wtf), dass ich ihr das Weihnachtsfest versaue, dass ich ihre Silvesterfeier versaue, weil ich krank bin ... so jemanden braucht wirklich niemand. Das war auch der Punkt, an dem ich auf einmal gemerkt habe, wie sich das anfühlt, wenn einem jemand völlig egal ist. Das kannte ich vorher nicht.

Mein Vater war früher immer derjenige, der sie eingebremst und mir beigestanden hat, und das kann er nicht mehr. Mir lag es deswegen auch so am Herzen, ihm wenigstens ein bisschen beizustehen mit seiner Krankheit und seinem Sterben, selbst wenn ich dafür immer wieder den gleichen Fight mit meiner Mutter austragen musste .. sonst hätte ich das ja nie gemacht; wenn sie für sich selbst keine Pflege will, dann halt nicht.

Aber er hat jetzt immerhin dreimal täglich einen Pflegedienst und verabschiedet hab ich mich von ihm schon seit Jahren jedes Mal, als ob es das letzte Mal wäre. Mehr kann ich dann eben nicht mehr tun.

Bearbeitet von Springerin
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Das solltet ihr in Person machen und nicht einen Videocall.

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Das kommt nicht in Frage. Ich wohn da nicht, ich wäre 2 volle Tage unterwegs.

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Dann wirds auch keiner für voll nehmen 🤷‍♀️ Kann mans sichs klemmen

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Kommt mir bekannt vor.
Ich hatte mal eine Meditation mit meiner Mutter .

Damals sind zwei Egos aufeinander getroffen.
Mir hätte ein " es tut mir leid. Es war nie meine Absicht... mir war nicht bewusst...Oder ich liebe dich mein Kind..." völlig ausreichend gewesen als Ergebnis.
Aber das kam nicht.
Fazit: Ich habe den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Damals erschien es mir als das einzig Sinnvolle.

Heute weiß ich mehr und habe meinen Widerstand zu meiner Mutter auflösen können. Seitdem kann ich mit meiner Mutter wertschätzend und achtend umgehen.
Die Probleme, die meine Mutter mit mir hat, muss sie ebenfalls selbst lösen. Das liegt nicht in meinen Möglichkeiten.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass eine Meditation helfen kann sich nicht in den Themen oder in Vorwürfen zu verlieren.
Es kann Motivationen erkennbar machen und Lösungsideen können entstehen.

Gehe davon aus, dass eure Probleme sich nicht dabei auflösen werden, wenn jeder seinen Sichtwinkel beibehält.

Liebe Grüße

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Da haben wir glaube ich sehr unterschiedliche Vorstellungen / Geschichten. Du schreibst

"Mir hätte ein " es tut mir leid. Es war nie meine Absicht... mir war nicht bewusst...Oder ich liebe dich mein Kind..." völlig ausreichend gewesen als Ergebnis. "

Gerade so etwas wäre für mich jetzt völlig irrelevant, dafür würde ich gar nicht extra ein Gespräch führen. Ich würde mir eher erhoffen, dass sie (vielleicht eben durch externe Unterstützung) es irgendwie zu ertragen lernt, dass ich die Tochter meines Vaters bin und damit eben auch seine Angehörige. Nicht ihre Konkurrenz oder was auch immer sie da zu sehen glaubt.

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Was spräche dagegen, dass Du für Dich festlegst, dass Du die Tochter Deines Vaters bist und die Ansichten Deiner Mutter darüber "ignorierst"? Was ist Dir wichtig daran, dass Deine Mutter das anerkennt?

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Hallo meine Liebe,

Ja da würde eine Mediation sehr helfen bei euch in dieser verfahrenen Situation.
Mein Mann ist Mediator , recht erfolgreich.

Er mediiert auch online ☺️.
Falls ihr Bedarf habt , melde dich gerne .

Ich bin Psychologin , bei mir seid ihr nicht richtig 😋.

Liebe Grüße Lara