Hallo Forum,
ich bräuchte mal ein paar Perspektiven zur folgenden Situation:
meine Eltern sind um die 70 und wohnen 200km weit weg. Wir sehen uns max. einmal im Monat.
Das Verhältnis zu meinem Vater würde ich eher als angespannt beschreiben. Er sieht sich als eine Art Patriarch. Ein Familienoberhaupt, zu dem alle aufschauen und Respekt haben sollen. Schon als ich Kind war, waren ihm gewisse - mit mir nie vereinbarte - Regeln wichtig. Respekt vor dem Alter, kein Verhältnis auf Augenhöhe.
Solange ich mich erinnern kann, hielt er gerne Monologe, die mich als Kind kaum interessiert haben. Aber wehe, man hat ihn unterbrochen oder was anderes nebenbei gemacht. Für mich als Kind hat er sich nur insoweit interessiert, damit er wenige Sätze später auf sich selbst und seine eigene Kindheit umleiten konnte, in der die Welt so schön in Ordnung war. Jeder weiß, dass unser Hirn uns bzgl Erinnerungen gern einen Streich spiel. Aber ich mußte mir seine Geschichten der perfekten Kindheit auf dem Dorf, kleinen Schulklassen und einer perfekten Ausbildung dutzende Male anhören.
Um mir auch eine schöne Kindheit zu ermöglichen, hat er wenig investiert. Weder materiell, noch zeitlich. Ich kann mich weder an Spielplatzbesuche, noch Bolzplatz, noch Wanderungen erinnern.
Fast forward in die Gegenwart. Ich bin Erwachsen, habe Kinder, einen Mann. Wohnung, Beruf, Urlaub. Nichts spektakuläres.
Mein Vater hingegen bleibt wie er ist. Er erwartet, dass ich ihn anrufe, weil "sich das so gehöre". Das Schema unserer Telefonate ist immer ähnlich: nach dem er mir am Anfang Vorwürfe macht, weshalb ich micht nicht melde, erwähnt er, dass er sich um uns Sorgen machen. Keine Ahnung, wie er jedesmal auf diesen Trichter kommt, mein Leben verläuft in normalen Bahnen. Und selbst wenn es nicht der Fall wäre, was sollte er daran ändern können?
Nachdem ich diese Tirade habe über mich ergehen lassen, fragt er obligatorisch danach wie es uns gehe. Da ich weiß, dass es ihn sowieso nicht interessiert, fasel ich irgendwas belangloses. Nach drei Minuten geht unser Gespräch in seinen Monolog über. Geschichten, die ich auswendig kenne.
Ich finde die Art von Kommunikation weder bereichend noch sonst irgendwie erkenntnisreich. Eher wie einen ungeliebten Pflichttermin.
Was würdet ihr tun? Weiter regelmäßig anrufen oder es einfach sein lassen?
Der Anruf bei meinem Vater
Weshalb macht er sich Sorgen?
Lebt er allein? Oder mit deiner Mutter zusammen?
Ich würde die Telefonate in einem Umfang und einer Häufigkeit beibehalten, die du erträglich findest.
Andererseits: er ist über 70.
Offenbar war er nicht der tollste Vater, aber jetzt auch nicht der schrecklichste.
Wie viele Minuten dauern denn die Telefonate?
Wenn es nicht mehr als 10 Minuten sind, dann würde ich sie ihm zu Liebe beibehalten - wahrscheinlich ist er einfach alt und einsam.
Insgesamt die Anrufe deutlich reduzieren und gar nicht mehr auf seine Vorwürfe und „Sorgen“ eingehen.
Das Telefon funktioniert in beide Richtungen.
Hättest du denn Lust, über die Sinnhaftigkeit dieser Anrufe – bzw das dahinterstehende Verhältnis zwischen euch – mit ihm zu sprechen? Klingt nicht danach, und hätte ich an deiner Stelle auch nicht. Ich würde deswegen wahrscheinlich das Ritual einfach weiterführen, vielleicht seltener, aber keine Grundsatzdiskussion anfangen … ich würde denken, dass das sicher anstrengender und zeitaufwändiger wäre als alle paar Wochen mal ein Zehn-Minuten-Telefonat.
Du kannst es natürlich auch einfach lassen -- mit meinen Eltern würde das allerdings auch zu Diskussionen etc führen, für mich wär das deshalb nicht der einfachere Weg, aber verpflichtet bist du selbstverständlich nicht.
Wenn der Alte am Telefon monologisiert, könntest du bügeln, leichte Sortierarbeiten erledigen, abstauben, … somit würdest du wenigstens keine Lebenszeit verschwenden.
Ist bitter, aber ändern wirst du deinen Vater nicht mehr. 🤷🏼♀️
Ich bin zu feige, solche Telefonate zu verweigern. Aber ich stelle auf Lautsprecher, rödel während des Monologes herum, wenn es passend scheint, murmele ich "Ah! Na so was! Hmhm. Du hast recht." o. ä. Zustimmendes; "Nein" ist ungünstig. Und nach 10 Minuten klingele ich an meiner Haustür und "muss auflegen, es hat geklingelt.".
Meine Mutter ist hoch in den Achtzigern. Ich habe vor 20 Jahren aufgehört, mich an meinen Themen mit ihr abzuarbeiten, ich konnte damit nie zu ihr durchdringen. Die innere Distanzierung hilft mir, vielleicht wäre das auch für dich möglich? Es wäre ja schwierig, deinen Vater aus deinem Leben zu werfen, den Kontakt zu deiner Mutter aber zu halten.
LG, Kate
"Und nach 10 Minuten klingele ich an meiner Haustür und "muss auflegen, es hat geklingelt."
Perfekt 🤣
Ab und zu sollte man das andere Telefon/Handy klingeln lassen, ist sonst zu auffällig
Stimmt, man sollte nie vorhersehbare Routine in seinen Verbrechen haben!
Ich habe bei der Kommunikation mit meinem Vater gemerkt, dass wir nur noch über oberflächliches reden können, da er nun mal leider so ein Mensch ist. Und ich - die über alles mögliche gerne offen spricht - habe gemerkt, dass mir das einfach zu wenig ist. Ein 10 Minuten Telefonat fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an.
Irgendwann meldete ich mich nicht mehr per Whatsapp. Und offenbar war er meiner ebenfalls überdrüssig, denn er schrieb mir nie mehr zurück.
Ich bin der Meinung, dass wenn der Kontakt einem nicht gut tut, dann ist man nicht verpflichtet, ihn aufrecht zu erhalten. Von daher musst du für dich entscheiden, ob du weiterhin diese Art der Telefonate führst, die dir nichts geben oder ob du den Kontakt reduzierst oder beendest.
Also bei aller Liebe, erwarten kann er viel, aber du musst dieses Spiel nicht mitmachen du bist inzwischen nämlich erwachsen! Du kannst ihn deutlich sagen das er sich die Vorwürfe sparen kann denn du bist eh die Einzigste, welche anruft. Ich würde als Erwachsene inzwischen Grenzen setzen und mir nicht mehr alles bieten lassen.
Und ja ältere Menschen erzählen gerne mehrfach das gleiche, aber bei jedem Telefongespräch muss ich mir das sicherlich auch nicht anhören wenn sonst kein Interesse kommt und dazu noch gratis Vorwürfe.
Ela