Ihr Lieben,
Vielleicht könnt ihr mir einen Rat geben. Ich bin auch nicht mehr die Jüngste und sorge mich um meine Familie.
Die Ärzte sagen, jeder Tag mit meiner Schwiegermutter ist ein Gewinn. Sie hat zwei gefährliche Aneurysmen (OP lehnt sie ab) und noch zig andere Baustellen. Neulich sagte sie, sie denkt in letzter Zeit oft an das inzwischen aufgelöste Grab ihrer Eltern. Sie isst und trinkt auch kaum noch und hat ein Viertel ihres Gewichts verloren. In ihre Pflege bin ich nicht eingebunden, aber sie freut dich riesig, wenn ich sie besuche. Ich bin die einzige, die von ihr "Schatz" genannt wird.
Meine Tante ist ebenfalls unheilbar krank und hat viel Kraft verloren, es bricht mir echt das Herz. Wie wissen nicht, wie lange sie noch bei uns ist. Habe ihr Hilfe angeboten und hoffe, sie kommt drauf zurück, wenn es nötig ist, ihr Mann steht ihr bei.
Meine Mutter, seit 40 Jahren alkoholkrank, ist schwer depressiv, seit ihr zweiter Mann letztes Jahr verstorben ist. 2 Selbstmordversuche hat sie schon hinter sich, einen ernsten, als ich ein Kind war, und einen "Pseudoversuch" in meiner Jugend. Sie will keine Hilfe ausser wenn mal was mit dem Handy ist, und sie fragte mich neulich, ob sie etwas vergessen hatte für die geplante Box, in die sie alle Unterlagen legen möchte, die für uns Kinder hilfreich sind, wenn sie plötzlich sterben sollte (vom Pflegefall war hier keine Rede).
Ich bin richtig down bei dem Gedanken, dass mir vielleicht irgendwann in nächster Zeit die halbe Familie, die schon deutlich kleiner geworden ist in den letzten 10 Jahren, wegstirbt.
Natürlich möchte ich für jeden da sein, aber das verlangt niemand von mir, und ich muss mich ja auch noch um meine Ehe, meinen Haushalt, das Geldverdienen und mich selbst kümmern. Ich habe eine vierzigprozentige Behinderung und muss daher aufpassen, dass ich selbst gesund und leistungsfähig bleibe und vor allem keinen Rückfall erleide (ich hatte vor Jahren mal ein Problem mit Substanzmittelmissbrauch).
Natürlich ist das der Lauf der Dinge, und ich bin auch sehr dankbar, dass ich zb bis Anfang 20 noch ein Paar Urgrosseltern hatte und auch sehr lange eine Oma und einen Opa (bis Anfang 40). Meinen Vater verlor ich mit Mitte 30, und erst danach wurde mir bewusst, dass meine Eltern mir viele wichtige Dinge übers Leben nie beigebracht haben. Dinge, die ich mir dann selbst angeeignet oder von lieben Verwandten oder älteren Freunden gelernt habe. Oder die halt immer noch fehlen.
Ich möchte nicht, dass sie mich alle allein lassen... aber wer will das schon?
Ich habe so Angst, meine Lieben zu verlieren
Klingt als hättest du keine Kinder.. Es ist traurig, aber solange die Reihenfolge stimmt in der sie gehen passt das.
Eltern vor Kinder..
Du musst deinem Leben einen Sinn geben, vlt macht dir was karitarives s eine Freude.
Alles gute dir..
So ist leider das Leben.
Ich finde es übrigens gut, wenn Menschen sich mit ihrem Tod auseinandersetzen und z.b. wichtige Unterlagen und Erklärungen an einem Ort sammeln oder wünsche für Ihr Grab/Beerdigung festhalten. Darüber sollten alle sprechen finde ich, das macht es im Fall der Fälle Angehörigen deutlich einfacher.
Ich weiss es ist schwer. Versuche DEINEM Leben, für DICH mehr Sinn zu geben. Was tut Dir gut? Was möchtest Du mal erreichen? Für Dich?
Ich kenne diese Angst. Aber der Tod gehört nunmal dazu.
Wir sind eine große Familie mit starkem Zusammenhalt. In den letzten 10 Jahren haben wir 6 Leute unserer Familie verloren. Eine Tante, zwei Onkel, beide Großeltern und einen Cousin. Es war schrecklich, man kam aus der Trauer kaum mehr raus. Aber eben auch unvermeidbar. Unsere Familie hat mittlerweile eine andere Einstellung zum Tod, eine gesündere.
Das würde ich auch dir ans Herz legen.
Genieß die Zeit die du mit den Menschen verbringen darfst, und wenn es zu ende ist, sei dankbar, dass sie in deinem leben waren. Der Tod macht vor niemandem Halt.
Wenn jemand aussichtslos krank ist, ist der Tod humaner als ewig zu leiden.
Es ist jedesmal traurig, wenn ein Leben ein lieb gewonnener Mensch geht,aber gleichzeitig ist es die Erlösung für denjenigen.
Man darf dabei nicht zu sehr an sich denken, sondern sollte versuchen es aus der Sicht des Leidenden zu sehen. Wenn von der Lebensqualität nichts mehr übrig ist, ist es kein Leben mehr.
Meine Mutter hat furchtbar gelitten. Von ihr war kaum noch etwas übrig. Ich saß mit an ihrem Sterbebett bis zum letzten Atemzug.
Ich habe Rotz und Wasser geheult, aber gleichzeitig hat sich auch das Gefühl der Erleichterung breit gemacht. Ihr Leid war vorbei. Es mag paradox klingen, aber ich habe es ihr gegönnt.
Sie ist zwar physisch nicht mehr anwesend, aber im Herzen ist sie immer mit dabei.
Genauso wie alle, die ich bisher verabschieden musste.
Man wird selbst älter und die ältere Verwandtschaft kommt irgendwann ins sterbende Alter. Da können es schon mehrere in einem kürzeren Zeitraum hintereinander sein.
Ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst. Es ist, als würde einem der Boden weggezogen werden und man befände sich im freien Fall. Aber, das ist der (normale) Lauf des Lebens. Irgendwann kommt die Zeit, in der wir von der jüngeren Generation zur älteren werden und dieser 'Übergang' ist nicht für jeden leicht. Wir werden von den Kindern, Enkeln, Nichten, die behütet worden sind, die sich Rat holen konnten bei älteren und sich - egal wie alt - irgendwo doch noch beschützt fühlen durften zu den Älteren. Plötzlich ist da niemand mehr aus unserer Kindheit, auf den wir uns immer verlassen konnten, bei dem wir Rat suchen konnten.
Es verschiebt sich und ehe wir uns versehen, kommen die Jüngeren zu uns. Sind wir diejenigen, die unterstützen, Rat geben sollen und beschützen. Klar, wen man Kinder hat, macht man das auch schon viel früher, aber mir ist das wirklich erst so richtig bewusst geworden, als eben niemand mehr da war, bei dem ich mir selbst Rat holen konnte. Niemand mehr, der mich einfach mal in den Arm genommen und gesagt hat 'Kind, wird schon werden'. Das macht den Schmerz des Verlustes um geliebte Menschen nicht einfacher.
Dir bleibt nun noch Zeit, dich auf den Tag X vorzubereiten. Versuche, dich mit dem Tod auseinanderzusetzen und ihn als Teil des Lebens zu sehen. Nicht als Feind oder Gegenspieler, er erfüllt nur den Teil, der ihm zugedacht ist. Was vielleicht helfen könnte, dir und deinen Angehörigen, wäre ein Palliativteam, das diesen Teil des Weges mit euch geht. Die Trauer später wird dadurch vermutlich nicht weniger, aber möglicherweise die Wut und das Unverständnis und das ist in der Regel schon sehr viel wert. Wenn wir sagen können, es ist okay, fällt es deutlich leichter, zu akzeptieren und damit zu leben.
Hallo!
Ich verstehe Dich sehr, sehr gut. Ja, dieser Prozess gehört zum Leben dazu und ist natürlich. Das macht das Gefühl aber nicht besser.
Ich bin in einer ähnlichen Situation. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werde ich sehr wahrscheinlich praktisch meine ganze Familie verlieren. Ich bin Ende 30. Meine Schwiegereltern leben schon lange nicht mehr. Meine Großeltern gehen auf die 90 zu, bauen naturgemäß jetzt seit einem Jahr stark ab und werden einfach in den nächsten Jahren ihr natürliches Lebensende erreichen. Ebenso meine Tante. Auch ist ist in ihren 80ern und im letzten Jahr erkrankt. Dazu kommt mein Schwager, der zwar erst Mitte 40 ist, aber einen solchen Raubbau mit seinem Körper betrieben hat (er ist ein 300kg Mensch), dass absehbar ist, dass früh versterben wird, wie schon seine Mutter in ähnlicher Lage.
Meine eigenen Eltern sind erst in Anfang 60, aber mein Vater ist schwer vorerkrankt. Die Chance, dass er ein hohes Alter erreicht ist nicht so groß.
Ich habe keine Geschwister, keine Cousins und Cousinen, von einer Ausnahme abgesehen.
Alle Mitglieder meiner Familie sind kinderlos. Meine Eltern haben mich. Das wars. Tanten und Onkel auf beiden Seiten der Familie haben nie Kinder bekommen und sind inzwischen auch größtenteils verstorben. Auch der Bruder meines Mannes ist Dauersingle. Ich hatte früher mal gehofft, dass ich in eine große Familie einheirate mit netten Schwiegereltern, Geschwistern, die selber heiraten und Kinder bekommen und ich dann eben so zu Nichten und Neffen komme, Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen.
Meine Schwiegereltern waren toll, nur leider hatte ich kaum Zeit mit ihnen. Und ich liebe meinen Schwager von Herzen, doch er wird mir ebenfalls nicht lange erhalten bleiben.
In einigen Jahren werde da nur noch ich mit meinem Mann und unseren beiden Kindern sein, die dann auch erwachsen sein werden. Meine Eltern, wenigstens meine Mutter, dürften dann noch da sein. Sonst niemand.
Selbst mein Freundeskreis ist teilweise deutlich älter als ich und damit weit vor mir "dran", wenn es in natürlicher Reihenfolge geht. Mein Herzensmensch ist dieses Jahr 70 geworden.
Das kann einen wirklich fertig machen, wenn man zu lange darüber nachdenkt.
Andererseits weiß man, was auf einen zukommt und kann sich innerlich so gut es eben geht darauf vorbereiten. Ich weiß, was ich an meiner eigenen, kleinen Familie habe und pflege meinen Freundeskreis, trotz teilweise großer, räumlicher Distanzen, so gut ich kann und nehme mir immer wieder Zeit dafür. Meine Freundschaften bestehen alle seit 20-30 Jahren und das ist es, wofür ich dankbar bin. Eine liebe Freundin hat mich so z.B. zur Patentante gemacht.
Ich hoffe für meine Kinder, dass sie ebenfalls Freunde für ein ganzes Leben finden und vielleicht nette Partner mit etwas Familienanhang.
Der einzige Rat, den ich Dir geben kann ist, dass Du die Zeit, die Dir mit Deinen Lieben bleibt genießt, Erinnerungen schaffst und vor allem, dass Du/Ihr Dinge aussprecht. Man darf sich gerne sagen, dass man sich liebt. Das passiert in unserem Kulturkreis viel zu wenig und wenn dann jemand verstirbt, hört man oft "hätte ich doch..."
Sorge dafür, dass es kein "ach, hätte ich doch..." gibt, sofern es Dir möglich ist.
Und dann pflege Deine Ehe und Deine Freundschaften. Dann siehst Du, dass Du gar nicht allein bist. Es werden weniger Menschen mit den Jahren. Aber man kann dann von schönen Erinnerungen zehren und sich auf die konzentrieren, die geblieben sind.
Alles Liebe
Das ist der Lauf des Lebens
Ich verstehe deine Gedanken und deine Ängste, nehmen wird dir die Ängste niemand können
Es wird so sein,dass sich deine Familie in den nächsten 10 Jahren verändert. So schön Neuankömmlinge wie Kinder, Enkel, Neffen, Nichten sind, so traurig ist der Abschied von der Familie die einem sein eigenes Leben lang begleitet hat.
Es führt vor Augen, dass man selbst nicht mehr am Anfang des Lebens steht, dass der Tod und alle treffen wird. Man weiß ein schmerzhafter Abschied steht bevor und je näher er rückt,desto mehr Angst macht der Abschied.
Wir können den Lauf des Lebens nicht verhindern, es mit dem Zeitpunkt unseres ersten Herzschlag beschlossen,dass wir irgendwann keinen Herzschlag mehr haben.
Ich arbeite in der Palliativmedizin. Mir wird immer wieder vor Augen geführt,wie endlich unser Leben ist. Ich habe in jedem Dienst mit Angehörigen zu tun, die genau diesen Abschied jetzt erleben müssen.ich sehe Menschen die gehen müssen,aber nicht bereit sind zu gehen.
Ich erlebe aber auch Menschen, die zufrieden mit ihrem Leben bereit sind die Welt zu verlassen. vielleicht gehört deine Schwiegermutter zu diesen Menschen und verweigert deshalb eine Behandlung ihres Aneurysma. Vielleicht spürt sie , dass ihre Zeit gekommen ist , ist bereit zu gehen.
Viele Angehörigen vergessen zu überlegen, was ein weiter leben des Menschen für den Menschen selbst bedeutet.. oft ist keine gute Lebensqualität mehr zu erwarten. Oft wäre ein Weiterleben eine Verlängerung von Leid, Schmerz, Einsamkeit.
Auf der Arbeit erlebe ich sehr sehr häufig,dass der Patient selbst eher dazu bereit ist zu Gehen, als seine Angehörigen.
Was ich verstehe, die Lücke die ein geliebter Mensch hinterlässt, lässt sich nicht mehr schließen oder nur mit Narben schließen. Da geht es mir genauso wie jedem anderen auch.
Doch wichtig ist nur, dass die palliative Person bereit ist, zufrieden mit dem vergangenen Leben, nicht bereit ist noch mehr leid, elend und Schmerz zu leben um noch länger auf Erden zu sein. Das ist häufig der Fall
Natürlich wünsche ich dir sehr viel Kraft, ich wünsche dir Menschen die dich auffangen
Alles gute!