Jeder Tag ein Kampf - Borderline

Hallo,

ich bin hier schon länger unterwegs aber muss jetzt mal etwas schreiben. Vielleicht auch einfach loswerden. Jetzt gerade leg ich meine beiden Söhne Schlafen, da passt es.

Ich hatte/habe seit dem Teenie Alter eine Bordlerline Persönlichkeitsstörung, inkl. verschiedene Arten der Selbstverletzung etc. Nach einer Therapie konnte ich eigentlich seitdem ich 20-21 Jahre alt bin ein relativ normales Leben führen und ich dachte wirklich, dass es weg ist.

Nun bin ich 33J. und Mama von zwei Jungs (3 und 1). Und jeden Tag denke ich mir: meine Söhne haben eine bessere Mutter verdient.

Sie sind noch so klein aber unglaublich lieb, beide ein Sonnenschein, schlafen im Moment gut. Aber sie sind auch sehr sehr SEHR anspruchsvoll. Mein Mann auch. Ich mache den Haushalt zu 90% allein, ich habe Hilfe bezüglich des Großen mit seinen Omas, aber der Kleine kann nirgendwo bleiben.

Er weint und weint und weint. Wir sind wie siamesische Zwillinge. Ich hatte gestern noch nicht einmal die Zeit, Wasser zu trinken, bis er dann Mittags schlief. Er klettert an mir, er lässt mich nicht locker, nichts geht. Und nein, eine Trage kommt für ihn nicht in Frage.

Der Große kann sich nicht allein beschäftigen. Nicht mal ne Minute. Nie. Mit nichts. Und wir haben soooooo viel mit was er spielen könnte. Würde er mir sagen "Mama, darf ich mit Knete spielen" würde ich ihm 50 Dosen Knete aufmachen, nur weil er das spielen will. Aber nein. Er will nur mit mir. Entweder er sitzt oder steht neben mir und will permanent Audmerksamkeit. Oder ich spiel mit ihm, der Kleine immer zu präsent. Ich hab so viel probiert, es klappt einfach nicht, auch nicht im Kiga. Er ist einfach zu 10000% Menschenbezogen und schafft es nicht alleine zu sein. Deswegen schläft er auch nachts nicht allein. Der Kleine natürlich auch nicht.

Und ich kann einfach manchmal nicht mehr und breche wirklich zusammen. Wenn ich in der Küche am Waschbecken bin, mir ein Glas hole und trinken möchte, weil ich seit 14 Stunden nicht ein Schlückchen genommen habe, und der Kleine immer zu an mir hängt, versucht heulend an mir hoch zu klettern und ich mein Gleichgewicht verliere und das Glas zerbricht, dann raste ich aus.

Ich bin aggressiv, die Gedanken mich zu verletzen immerzu präsent. Manchmal schreie ich sie dann an, weil ich einfach nicht mehr kann. Ich entschuldige mich jedesmal, aber sie verdienen das erst gar nicht. Ich hab das Gefühl die Kontrolle zu verlieren.

Und wenn jemand sagt "Hol dir unbedingt professionelle Hilfe", der kann das gleich sein lassen. Ich würde so gerne, aber ich habe im Moment weder die Kraft, noch die Zeit, 1000 Ärzte und Psychologen abzuklappern. Ich habe letztes Jahr den Ansatz gemacht zu einer Mutter Kind Kur zu gehen aber ging nicht. Alles voll, Monate lange Wartezeiten, nichts in der Nähe. Krankenkasse kann auch nicht helfen.

Ich hab auch keine Ahnung warum ich das schreibe. Ich habe keine Freundinnen oder Bekannte mehr, meine psychischen Probleme kommen auf Grund meiner Eltern (wurde als Kind etwas missbraucht), deswegen WILL ich nicht dass sie das überhaupt wissen, wie schlecht es mir geht. Der einzige, der meine Situation kennt, ist mein Mann. Und er tut mir auch leid. Er weiß, wenn es mir schlecht geht und versucht mich zu umarmen oder so. Aber ich weise ihn ab, eine Umarmung ist nicht das, was mir fehlt. Ich weiß nicht. Bin so emotionslos und nur noch ausgelaugt. Und total traurig.

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Fühl dich erstmal gedrückt!

Das klingt nach einer harten Zeit, aber auch diese ist zu schaffen. Wichtig ist, dass du was änderst, sonst brichst du eines Tages wirklich zusammen, weil du permanent über deine Grenzen gehst und deinen Tank nicht selbst auffüllst.

Geht dein Großer denn in die Kita? Oder habt ihr das abgebrochen? Wieso kann der Kleine nicht in die Trage?

Ich würde zu professioneller Hilfe für dich dringend raten, auch wenn es Kraft kostet. Zudem könntest du dich bezüglich einer Erziehungsberatung umsehen.

Wichtig ist, dass du dich nicht selbst verlierst! Meine Große ist auch wahnsinnig anstrengend, aber 14 Stunden nichts trinken ist mir tatsächlich nie passiert. Durst ist auch bei mir ein Bedürfnis, was irgendwann nicht mehr aufgeschoben werden kann und dann definitiv über dem Bedürfnis nach Nähe des Kindes und das Kind (ja, auch mit 1!) muss warten.

Wieso musst du 90% des Haushalts machen? Wieviel übernimmt dein Mann bezüglich Kinderbetreuung und Care Arbeit? Wie oft hast du Zeit für dich, ganz ohne Kind, wie oft dein Mann? Wäre eine Putzhilfe möglich? Vielleicht sogar eine Haushaltshilfe über die KK, schließlich hast du eine Krankengeschichte?

Das wichtigste (und ja, das ist leichter gesagt, als getan, aber es ist wirklich wichtig!) ist, dass du Grenzen für dich setzt und diese durchsetzt und wahrst. Das geht auch bei Kleinkindern. Klar lassen die einen keine 3 Stunden in Ruhe. Aber mal Wasser trinken sollte möglich sein. Und dein Mann muss dir regelmäßige Auszeiten verschaffen und die nutzt du dann NUR FÜR DICH! Kein Haushalt, kein Dinge erledigen!

Ich hoffe, du kannst mit kleinen Schritten beginnen und es dann nach und nach angehen und vieles lösen. Dafür wünsche ich viel Kraft!

Übrigens, zur Kur: das Müttergenesungswerk kann da wohl helfen.

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Sorry, ich habe gerade nicht viel Zeit…

- du darfst Pausen machen! Am Tag auch mehrere! Such dir eine Möglichkeit, dass du ein wenig Ruhe mit den Kindern hast, auch wenn es fernsehen ist!
- bespreche dich mit deinem Mann. Er kann dir Inseln schaffen am WE . Er übernimmt die Kinder und du gehst raus. Das Geschrei deiner Kinder wird er schaffen, denn er ist der Vater und DU musst kein schlechtes Gewissen haben!

Was machst du für dich zum Ausgleich?

Du bist unglaublich stark! Trotz des ganzen Drucks bist du reflektiert und standhaft gegenüber deiner Krankheit.

Überlege dir, was derzeit gut mit den Kindern geht und mach es einfach mehrfach (bspw nach draussen gehen, Spielplatz, malen)

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Sieh es so: du kannst nur eine gute Mutter sein, wenn du deine eigenen grundlegenden Bedürfnisse erfüllst.
Im Flugzeug sagen sie ja auch, dass man sich zuerst selbst die Maske aufsetzen soll.
Wie sollst du dich denn um jemanden kümmern, wenn es dir ganz schlecht geht.
Kleine Kinder sind anstrengend, sie sind fordernd, und es ist wichtig, auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Das heißt aber nicht, dass es in totaler Selbstaufgsbe enden darf.
Du und deine Bedürfnisse sind auch wichtig und Kinder können auch mal warten. Auch kleine Kinder.
Also setz sich zwischendurch mal gemütlich an den Tisch, iss was, trink was, wenn du aufs WC musst, dann geh.
Ich sag meinem Sohn auch immer, wenn ich gerade esse, dass er warten muss, bis ich fertig bin.
Und ich lass mir auch Zeit.
Wenn er frustriert ist, darf er jederzeit zu mir kommen, kann sich zu mir setzen und mit mir reden.
Aber wenn ich esse, dann esse ich.
Unf auch beim Kleinen: wenn er ein großes Bedürfnis nach Bindung zu dir hat, so ist Körperkontakt nicht die einzige Art, dieses Bedürfnis zu erfüllen.
Blickkontakt, mit ihm reden, usw. muss zwischendurch auch mal genügen.
Dasselbe mit dem Großen.
Klar möchte er immer mit dir spielen, aber das geht halt leider nicht immer.
Vielleicht reicht es ja auch, dass er einfach im selben Raum ist wie du, du ihn anleitest oder dass er dir eben sonst bei der Hausarbeit spielerisch hilft.
Und es ist auch wichtig für Kinder die Grenzen von anderen kennenzulernen. Oder Langeweile.
Und sie müssen auch Frust und andere negative Gefühle kennenlernen und lernen, dass man diese Gefühle auch aushalten kann.
Sie dürfen ruhig erfahren, dass auch ihre Mutter ein Mensch mit Bedürfnissen ist, der mal Hunger oder Durst hat oder einfach so mal keine Lust zum Spielen hat und lieber 10 min auf dem Sofa ausspannen möchte,
Du tust ihnen gar keinen Gefallen, wenn du dich da so sehr aufopferst und danken wird es dir auch niemand.
Rede auch mit deinem Mann über die Aufgabenverteilung. Ob die wirklich fair ist.
Meinem Gefühl nach sollte er viel mehr im Haushalt machen und dir ein paar Pausen verschaffen.
Alles Gute!

Bearbeitet von Inaktiv
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Da fällt mir ergänzend ein: Motte spielt auch nur dann alleine, wenn klar ist, dass ich grade nicht mit spiele.

Meine Mutter sagte zu mir schon „Langeweile schafft Kreativität“ und natürlich zetern die Kids erstmal. Aber wenn sie dann wirklich „unbespaßt“ da sitzen müssen, spielen sie doch irgendwann alleine… klar geht das erst ab einem gewissen Alter, aber mit 3 sollte es langsam klappen 😊

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Hey Braut!

Uff, das klingt sehr anstrengend.
Ich weiß absolut, was du meinst. Ich habe adhs, bin momentan ohne Medikation und hatte jetzt auch eine schlimme Zeit, als alle krank waren. Ich hatte mein adhs auch super im Griff, meine eigene Ordnung und Routinen. Und dann kommt so ein kleiner Mensch
(oder 2) und schmeißt die Ordnung und Routinen über den Haufen.

Kannst du dich an den Hausarzt wenden? Er kann einschätzen, was du nun am besten brauchst.
Es könnte auch eine verschleppte Wochenbettdepression sein.
Wenn dir der Arzt ein Rezept zur Therapie ausstellt und dort vermerkt, dass es dringend ist, kannst du einen Therapeuten über die 116117 suchen.

Eine Erziehungsberatung finde ich auch sehr gut. Die können mal ein Auge darauf werfen, wieso deine Kinder immer an dir kleben und nichts alleine machen.

Dein Mann sollte dir helfen. 90% des Haushalts gehen momentan nicht.

Liebe Grüße
Schoko

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Liebe Emobraut,

deine Kinder klammern, weil sie spüren, dass es dir nicht gut geht.
Weil du ihnen entgleitest.
Du weist sie ab, weil du dich innerlich leer fühlst und denkst, du seist eine schlechte Mutter - aber das bist du nicht!
Es ist Borderline, was dir dieses Gefühl gibt. Es entspricht aber nicht der Wahrheit.

Auch wenn du sagst, du hast keine Kraft dazu - versuche eine Therapie zu machen.
Nur wenn es dir gut geht, kannst du dich auch entsprechend um deine Kinder kümmern.
Frage um Hilfe - als erstes bei deinem Mann, bei deinen Eltern, Schwiegereltern....

Du bist stark, du siehst, was das Problem ist.
Jetzt musst du nur noch danach handeln und dir Hilfe suchen.
Tu es für dich und deine Kinder.

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Aus anderen Gründen kenne ich diese absolute Belastungsgrenze, den Teufelskreis, etwas ändern zu müssen aber die Zeit und Energie dazu nicht zu haben.

Vielleicht würden schon ein paar kleine Umstrukturierungen helfen: weg mit Gläsern, alles durch Becher ersetzen. Notfalls dasselbe Spiel bei Tellern usw.
Getränke für dich an mehreren strategisch gut platzierten Stellen deponieren, trinken kann man einhändig....
Haushalt zu 90 Prozent mit Kleinkindern ist unrealistisch, deinen Mann in die Pflicht nehmen und oder Putzfrau anstellen.
Therapeuten abtelefonieren: unbedingt delegieren, zb an deinen Mann, dazu müsste er allenfalls einen Urlaubstag beziehen.
Keine 50 Dosen Knete, nur ein paar, Rest an einem unbekannten Ort verstecken

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Ich kann dich vollkommen verstehen.

Ich hatte die gleiche Situation halt nur mit einem Kind dafür nebenbei Job und ohne Mann.

Wir sind dann viel mit Mamas+Kids aus der Kitagruppe auf den Spielplatz. Dadurch waren die Kinder beschäftigt und ich konnte mal mit Erwachsenen reden.

Bezüglich Hilfe holen das kenne ich zu gut. Ich müsste eigentlich bei 5 verschieden Ärzten Termine machen. Und das allen irgendwie zwischen Feierabend und Abendessen kordinieren. Manchmal kommt alles mit einmal und man weiss nicht wie man es schaffen soll.

Haushalt habe ich abends gemacht als meine Maus im Bett war. Ich habe von vorne rein, feste Zeiten eingeführt. Rede auf jeden Fall mit deinem Mann, dass er dich etwas mehr unterstützt.

Ich vergesse auch oft zu trinken durch den Trubel. Wenn ein Kind was trinken möchte, mach am besten gleich für ein 3 was und trinkt gemeinsam :)

Ich wünsche dir das beste.

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Ich kann dich absolut verstehen.

Mir ging es bis vor einigen Monaten sehr ähnlich. Ich habe auch Borderline (inkl. Alkoholabhängigkeit) und einen mittlerweile 1,5 Jahre alten Sohn.

Er war lange Zeit sehr anhänglich und hat mich absolut an meine Grenzen gebracht. Abgeben war lange nicht möglich. Er hat sehr stark gefremdelt.

Zum letzten Weihnachten gabs dann einen größeren Knaller in meinem Leben, wo ich einmal rückfällig wurde, weil ich einfach ausbrechen wollte.
Das hat mich aufgerüttelt, dass ich wieder mehr auf mich schauen muss und ich bin wieder brav in Therapie gegangen. Zu der Zeit ist es für meinen Mann selbstverständlich, dass er auf den Kleinen aufpasst.

Das Fremdeln war irgendwann weg, er hat die Großeltern akzeptiert und seit dem sind die jede Woche für einen Nachmittag da und nehmen ihn mir für einige Stunden ab. Am Wochenende schaut mein Mann, dass er sich mehr kümmert und mir Freiräume für Sport, Schlafen oder was auch immer einräumt.
Mittlerweile geht er in die Krippe und nach einigen Anfangsschwierigkeiten geht es ihm dort jetzt recht gut.

Ich denke, dass viele Schwierigkeiten mit kleinen Kindern in Wahrheit gar nichts mit Borderline zu tun haben, sondern es vielen Müttern einfach so geht. Mag sein, dass wir Borderliner das noch intensiver wahrnehmen bzw. auch ab und zu sehr impulsiv handeln und die Aggression dann leider einfach raus muss.

Ich würde mir auf jeden Fall Hilfe für dich suchen aber auf jeden Fall auch dafür sorgen, dass deine Söhne öfters fremdbetreut werden. Die Kinder gewöhnen sich dann irgendwann daran, glaub mir!

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Ich habe selber Borderline und Autismus. Meine Kinder sind schon groß (17 und 15) aber ich weiß noch wie anstrengend das war als sie klein waren. Dabei hat mein Exmann den Großteil übernommen.
Hast du einen GdB? Dann könntest du Hilfe wie ambulant betreutes Wohnen bekommen. Du brauchst ja auch Hilfe im Alltag und niemanden der dir nur sagt dass du mal durchatmen sollst.
DBT würde natürlich auch nicht schaden aber hast du ja vielleicht auch schon gemacht. Hat mir persönlich das Leben gerettet die DBT.
Ich habe auch einen pflegegrad damit kann 2 mal die Woche jemand vom Pflegedienst kommen und z.B. mit dir Haushalt und einkaufen etc. erledigen.
Für all das brauchst du aber einen Arzt der das unterstützt.