Entschuldigung, das wird jetzt sehr lang, aber ich liege schon die halbe Nacht wach und muß einfach meine Gedanken loswerden.
Wenn jemand stirbt, und alle trauern, warum muß es dann immerzu Streit geben? Ich verstehe das nicht. Ich will keinen Streit.
Meine Oma ist gestern gestorben.
Ich habe genug damit, es zu verstehen, warum ich so sehr traurig bin, da ich jetzt so oft für sie gebetet habe, dass Gott sie erlösen soll. Eigentlich sollte ich froh sein, aber ich bin nur sehr traurig. Sie war 90, hatte also ein stolzes Alter. Mit 90 sollte man dankbar sein, dass man so alt werden durfte. Seit ein paar Jahren war sie auch dement und deshalb in einem Heim. Die Demenz war am Schluß so groß, dass sie wirklich niemanden mehr erkannt hat und auch nur noch in ihrer tiefsten Kindheitsvergangenheit lebte. Trotzdem habe ich sie regelmäßig besucht, weil ich gemerkt habe, dass sie sich unheimlich freut, in dem Moment, wenn sie Besuch bekommt. Ich wohne über 100 km weg und für mich war es immer ein riesen Aufwand, sie zu besuchen, ich hab hier ja auch meine Verpflichtungen und kann nicht nach Lust und Laune ins Auto sitzen und hinfahren, aber ich habe es immer gern gemacht. Die anderen ALLE (meine Eltern, Schwester, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins) wohnen um die Ecke dort und konnten, wenn sie hätten wollen, einen Besuch mal kurz zwischen Tür und Angel machen. Nun, natürlich hätte sie so in dem Zustand jederzeit für immer die Augen schließen können, aber sie war zäh, meine Oma. Vor drei Wochen bekam sie dann einen Schlaganfall. Das war an dem Tag, bevor wir in Urlaub gefahren sind.
Ich wollte sie unbedingt nochmal sehen und mit ihr reden, aber meine Eltern haben mich überredet, es nicht zu tun. Sie liegt auf der Intensiv, die Besuchszeiten streng, und es seien genug andere Leute da. Ich soll in Ruhe in Urlaub fahren. Ich wußte, dass ich es zu den Besuchszeiten nicht schaffen würde, wir wären halt auf dem Hinweg in den Urlaub vorbeigefahren, mit einem Umweg, haben es aber dann gelassen. Später habe ich das bereut. Ein paar Tage später fiel sie einen Dämmerzustand und war nicht mehr ansprechbar.
An unserem zweitletzten Urlaubstag rief meine Mutter uns an. Zuerst war mein Mann am Telefon. Sie erklärte nur kurz und knapp, dass meine Oma im Sterben liegen würde, da sie keine Nahrung mehr aufnehmen kann und ihre Kinder (also u.a.meine Mutter) beschlossen haben, auf weitere lebenserhaltende Maßnahmen (wie z.B. Magensonde mit OP) zu verzichten. Man läßt sie jetzt in Ruhe sterben. Mein Mann sagte nur, dass ich jetzt nicht telefonieren kann, weil ich unter der Dusche stehe, aber ich würde zurückrufen, sobald ich fertig geduscht habe. Das habe ich dann auch gemacht. Mein Vater war dann am Telefon und meinte, meine Mutter würde sich weigern, mit mir sprechen zu wollen. Da ahnte ich schon, dass sie wohl wieder einen ihrer vorwurfsvollen Beleidigtanfälle haben muß, mit denen sie mich schon seit Kindheit versucht, fertig zu machen. Ich, ehrlich, hatte keine Ahnung, was sie hat, warum sie plötzlich nicht mehr mit mir reden will, obwohl SIE mich doch zuerst angerufen hatte. Mein Vater mußte mir dann alles noch einmal erzählen, was meine Mutter meinem Mann schon erzählt hat, nur hatte ich eben noch ein paar Fragen. Ich hatte die Oma ja nicht mehr gesehen und keine Ahnung, in was für einem Zustand sie war. Und was genau los war. Die Diagnose Schlaganfall stand bis dahin sowieso noch mit einem großen Fragezeichen im Raum. Ich hatte einfach ein paar Fragen. Und mein Vater konnte sie mir nicht beantworten. Dafür schrie meine Mutter im Hintergrund immer irgendwelche Antworten herüber, die ich akustisch nicht ganz verstehen konnte. Irgendwann war mein Vater total genervt und gab den Hörer doch meiner Mutter. Die begann sofort, mich mit Vorwürfen zu bombardieren. Ich würde ihr ein schlechtes Gewissen machen wollen. Weil sie gegen eine Magensonde sei. Außerdem machte sie mir noch zwei andere Vorhaltungen. Meine Tochter hatte zu dem Zeitpunkt Scharlach, und als ich sagte, dass ich Oma nochmal besuchen möchte, bevor sie stirbt, meinte sie vorwurfsvoll, was mir einfällt, nachher stecke ich sie noch mit Scharlach an, ob ich ihr das antun will?? Außerdem kann ich sie nicht besuchen wegen den strengen Besuchszeiten, und als ich sagte, dass man bei einer im Sterben liegenden Frau sicherlich eine Ausnahme machen kann mit den Besuchszeiten, herrschte sie mich an, wieso sterbende Frau, sie ist doch keine sterbende Frau, sie ist einfach nur krank!
Ganz ehrlich, ich war fix und fertig nach dem Telefonat und habe die ganze Nacht geheult, weil meine Mutter so feindselig war und mir solche ungerechtfertigten Vorwürfe machte!
Hinterher habe ich das mal meiner Schwester erzählt, und sie meinte dazu nur sehr freimütig, dass wohl sie daran schuld sei, sie hätte nämlich vor diesem Telefonat mit meiner Mutter telefoniert und erzählt, dass ich etwas dagegen hätte, wenn man ihr keine Magensonde machen läßt.!!! Ich fasse es nicht!!! Ich hab mit meiner Schwester NIE über dieses Thema geredet! Ich habe sie natürlich sofort gefragt, was ihr einfällt, meiner Mutter so eine Lüge zu erzählen! Sie meinte nur, sie hätte halt so das Gefühl gehabt, dass es so sein könnte, weil ich früher mal, als wir ganz allgemein über das Thema schöner oder weniger schöner Tod geredet haben, und ob man ein Recht dazu hat, einen bestimmten Wunschtod erfüllt zu bekommen, gesagt habe, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Hä, aber was hat denn das eine mit dem anderen zu tun???
Ich sagte zu meiner Mutter, wenn sie mir nächstes Mal wegen irgendwas Vorwürfe machen will aufgrund irgendeiner Aussagen von anderen Leuten, soll sie mich bitte vorher fragen, ob das alles so stimmt und ich wirklich dies und jenes gesagt habe.
So. Das war das eine. Auf der Heimfahrt sind wir dann zu meiner Oma. Wir sind statt 2 1/2 Stunden dafür 5 Stunden gefahren, aber es war mir wichtig. Sie hat nur geschlafen. Ich war froh, sie nochmal sehen zu können, wenngleich es natürlich schade war, dass ich keine Ansprache mehr hatte. Mittlerweile war sie wieder im Heim, und das Personal sagte, dass dieser Zustand unter Umständen noch Wochen so sein kann.
Daraufhin habe ich beschlossen, sie noch so oft wie möglich zu besuchen. Eine Woche später war ich nochmal bei ihr. Das war vor ein paar Tagen. Zuerst hat sie geschlafen, dann wurde sie aber wach. Sie riss die Augen auf vor Schmerzen, weinte, jammerte und klagte. Sie versuchte zu reden, aber es war völlig unverständlich, was sie sagte. Ich war froh, dass ich bei ihr sein konnte. Ihr das Gefühl geben konnte, dass sie nicht alleine ist, dass ich mit ihr die Schmerzen tragen will, und dass alles gut wird. Nach diesem Besuch war mir klar, wie groß ihr Leiden war, und daraufhin habe ich viel gebetet, dass Gott diesem Leiden ein Ende setzen soll. Ich wußte, ich will sie noch einmal sehen, egal ob lebendig oder tot, und ich wußte, dass ich dieses Wochenende mir noch einmal dafür Zeit nehmen kann.
Gestern, am Freitag, rief früh morgens meine Mutter an, dass sie unterwegs zur Oma seien, das Heim habe sich gemeldet, es gehe zu Ende mit ihr. Ich sagte, dass ich sofort kommen möchte, aber meine Mutter meinte, nein, auf keinen Fall. Ich würde es sowieso nicht schaffen, denn sie wird in dieser Stunde noch sterben (und ich brauche gute 1 1/2 Stunden Fahrt). Natürlich war ich dann sehr traurig, aber ich hatte ja dafür gebetet, und ich dachte mir, dann fahre ich heute Mittag oder morgen hin, um mich von ihrer Leiche zu verabschieden. Ich muss sie einfach tot noch einmal sehen. Ich habe mittlerweile einige Bekannte und Verwandte als Leiche nochmal sehen können und festgestellt, dass es mir sehr hilft, mit dem Tod klar zu kommen und das zu verarbeiten. Ein guter Freund von mir starb vor ein paar Jahren an einem Unfall total plötzlich, und ihn konnte ich als Leiche nicht mehr sehen. Ich träume heute noch regelmäßig, dass er vor meiner Tür steht. Ich tu mich heute noch schwer damit, seinen Tod zu akzeptieren.
Am Mittag meldete ich mich dann per SMS bei meiner Mutter und fragte, wie sie es überstanden hat. Die Antwort war, dass sie noch lebt. Ich, völlig irritiert, aber auch euphorisch, sagte, ich setze mich ins Auto und komme! Sie: NEIN! Auf keinen Fall.
Ich hatte das Gefühl, dass ich vielleicht störe, dass die Kinder meiner Oma vielleicht lieber alleine mit ihr sein wollen. Also bin ich nicht gefahren.
Und wieder habe ich das bereut. Nämlich am Abend. Mein Vater rief mich dann mittags an und meinte, dass sie jetzt gestorben sei. Ich sagte ihm, dass ich sie nochmal sehen will, und er soll mir doch bitte Bescheid geben, wenn er weiß, wann das wo möglich ist. Ich habe das ganze Wochenende und auch nächste Woche Zeit. Kann es mir einrichten. Meine Mutter wollte ich jetzt zu dem Zeitpunkt nicht stören.
Sie rief dann am Abend an und erzählte mir, wie Oma gestorben ist. Ich fragte sie dann, wenn ich morgen komme, um sie zu sehen, ob sie dann beim Bestatter ist oder wo? Sie meinte daraufhin, dass ich sie nicht mehr sehen darf. ???!!!??? Ich hab das nicht kapiert. Ich fragte, warum. Ja, das hätten sie, die Geschwister, so vereinbart, dass keiner mehr sie sehen darf. Einfach so. Ohne Grund. SIE (die Geschwister) hätten sich ja bereits von ihr verabschiedet, und das reicht. Ich sagte ihr, dass es mir aber wichtig ist, dass ich mich auch verabschieden kann. Und ob sie sich mal überlegt hat, dass es außerdem noch einige andere Menschen gibt, die sich auch verabschieden wollen. Daraufhin sagte sie zu mir, wer es bis jetzt nicht geschafft hat, herzufahren und sie zu sehen, braucht sie jetzt auch nicht mehr sehen.
Das war für mich echt wie eine Ohrfeige, die mich an die Wand klatscht. Den ganzen Tag war ich bereit gewesen zu kommen, hätte auch dafür meine beiden Termine abgesagt, die ich hatte, und meine Mutter hat mich davon abgehalten. Und jetzt macht sie mir den Vorwurf, ich hätte halt früher kommen sollen.
Ich sagte, ob es denn nicht möglich ist, eine Ausnahme zu machen, dass ich sie doch noch sehen darf? Sie wird am Montag verbrannt. Bis dahin ist sie beim Bestatter. Er hat aber die Anweisung der Angehörigen, dass niemand sie sehen darf. So, und dann habe ich meine Mutter darum gebeten, ob sie nicht den Bestatter anrufen kann und ihm sagen, dass ich noch kommen werde und er es mir erlaubt. Es wäre nur ein kleiner Anruf gewesen. Ich würde ja auch ganz alleine hingehen, und wenn es eine extra Gebühr kostet, dann zahle ich die auch selber. Meine Mutter wollte mir den Wunsch nicht erfüllen. Irgendwann meinte sie, ich soll meinen Onkel und meine Tante fragen, ob sie das erlauben, und wenn ja, dann soll ich mich nochmal melden und ihr es sagen, dann ruft sie beim Bestatter an.
Daraufhin habe ich erstmal meine Kinder ins Bett gebracht. Nichts anderes gemacht. Als ich wieder runter komme, sehe ich, dass meine Schwester mir ein SMS geschickt hat. Meine Schwester. Derzeit im Urlaub im Wellness-Hotel. Mit der hatte ich gar nicht geredet. In dem SMS hat sie mich mit Vorwürfen bombardiert. Ich solle endlich aufhören, die Kinder meiner Oma (sprich, Mutter, Onkel, Tante) zu belästigen und mit Vorwürfen zu überschütten!!! Sie hätten sich dazu entschlossen, dass keiner mehr sie sehen darf, und das hätte ich zu akzeptieren. Ich sei ein Egoist und würde immer nur an mich denken und endlich damit aufhören!!!
Dieses SMS hat mich echt sehr verletzt. Ich weiß gar nicht, wie sie dazu kommt. Ich hatte mit ihr null geredet, und außerdem habe ich meinen Onkel und Tante ja noch gar nicht angerufen gehabt, ich habe sie weder belästigt noch ihnen Vorwürfe gemacht. Und wieso bin ich ein Egoist, wenn ich meine Oma nochmal sehen möchte???
Ich gebe zu, ich habe ihr eine böse Antwort geschrieben. Aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Zum Thema Egoist und ich würde immer nur an mich denken. Sie hockt gerade übers Wochenende mit ihrem Mann im Wellness-Hotel und läßt es sich gut gehen, während sie ihre beiden Kinder übers Wochenende in dieser Situation meinen Eltern aufgedrückt hat! Dabei hab ich ihr noch angeboten, dass sie die Kinder auch zu uns bringen kann, weil meine Eltern momentan weiß Gott besseres zu tun haben, als den Animateur zu spielen für ihre Enkel, oder? Aber sie hat das abgelehnt mit dem Argument (das muß man sich mal geben), meine Eltern würden heute, am Tag nachdem meine Oma gestorben ist, mit den Kindern einen Ausflug in die Wilhelma machen, und das sei schon sehr lange so geplant, und sie will, dass die Kinder heute den Ausflug machen (ich hab gesagt, man kann doch den Ausflug an einem anderen Tag nachholen!!!). Ich hab ihr nämlich gesagt, die Kinder können gerne übers WE bei uns sein, aber in die Wilhelma fahre ich heute nicht. Also, dann gehen sie auf jeden Fall zu Oma und Opa. So, und da hab ich ihr einen kurzen Kommentar zu dem Thema geschickt, wer hier eigentlich der Egoist ist, und ich weiß, das ist fies, aber sie hat mich so fertig gemacht gestern, dass ich schneller das SMS getippt habe, als ich nachdenken konnte.
Sie hat daraufhin einen gegen mich aufstachelnden Kommentar in unserer Verwandtschafts-whatsapp-Gruppe gepostet - völlig unterste Schublade. Zwei von meinen Cousins sind schon voll drauf eingestiegen. Ich schreib da gar nichts mehr.
Gestern Abend nach diesem heftigen SMS von meiner Schwester hab ich sofort meine Mutter angerufen. Erstens hatten wir ja ausgemacht, dass ich mich nochmal melde, und zweitens war mir klar, dass meine Schwester zu solchen Gedanken nur kommt, weil sie irgendwoher irgendwelche Infos hat. Und da bleibt ja nur meine Mutter. Also hab ich bei meinen Eltern angerufen, und mein Vater ging hin und meinte, meine Mutter würde sich weigern, mit mir zu reden. (Obwohl wir als letztes vereinbart hatten, dass ich nachher nochmal anrufe!!!!) Ich sagte, WAS?! Ich wollte nur wissen, ob sie mit meiner Schwester telefoniert hat. Nein. Ich fragte noch einmal. Ich erklärte meinem Vater kurz, was meine Schwester für eine Bombe auf mich geworfen hat. Da hat meine Mutter im Hintergrund zugegeben, dass sie gerade mit meiner Schwester telefoniert hätte. Ich erklärte meinen Eltern unmissverständlich, dass ich es das allerletzte finde, wie sie ständig mit meiner Schwester zusammen gegen mich intrigieren, und dass ich absolut nicht verstehe, was sie mit dieser Kampagne bezwecken wollen???? Ich habe doch niemandem etwas getan??? Meine Mutter sagte, ich soll halt mal meinen Onkel anrufen. Ich sagte, dass ich mich das jetzt gar nicht mehr getraue! Sie sagte, sie sei jetzt morgen in der Wilhelma und könne sich hier um nichts kümmern. Und dann hat sie einfach aufgelegt.
Und jetzt sitze ich da, weiß genau, dass meine Oma nie so einen Streit gewollt hätte, und fühle mich total mies.
nicht nur Trauer, sondern jetzt auch noch Streit
Hallo,
erstmal Herzliches Beileid....
Eins habe ich bei dem ganzen Text nicht verstanden laut VK bist du 42 warum muß man in diesem Alter bei solcher Sache (und so wie ich es rauslese hattest du deine Oma sehr gern ) die Mama Fragen und quasi um Erlaubnis fragen ob man die Oma besuchen darf
Ich hätte mich sofort ins Auto gesetzt und wäre los gefahren , egal wo ich gerade bin und was meine Familie darüber denkt...erst recht wenn du wußtets das es sowieso wieder Vorwurfe gibt
Lg und alles Gute
Naja, ganz einfach.
Es ist vielleicht etwas unglücklich formuliert, "um Erlaubnis fragen". Ich habe nicht direkt gefragt, Mama, darf ich kommen?
Es war so, dass ich gesagt habe, ich möchte auch kommen, und meine Mutter meinte zuerst (morgens), dass ich es sowieso nicht mehr rechtzeitig schaffen werde, sie lebend zu sehen, da es hieß, sie wird in der nächsten Stunde sterben, und das war sowieso schon 20 Minuten her gewesen. Ich brauche 1 1/2 Stunden für eine Fahrt, wenn es gut läuft. Also dachte ich, okay, dann brauche ich jetzt auch keinen Streß mehr machen. Ich stand in dem Moment im Schlafanzug in der Küche und habe für meine Tochter das Pausenvesper gerichtet. Mein Sohn und ich waren noch ohne Frühstück und ungewaschen im Schlafanzug. Wenn ich sofort ins Auto gesprungen wäre, hätte ich uns einfach nur angezogen, und das wäre alles schon etwas doof gewesen, zumal mein Sohn ja erst gerade ein Jahr geworden ist und noch gewisse Sonderbehandlung braucht z.B. Thema Essen. Außerdem hatte ich an dem Morgen einen Termin, den ich natürlich im Notfall abgesagt hätte, aber wenn ich es eh nicht mehr rechtzeitig schaffe, ziehe ich den jetzt noch durch. Ich hab mir einfach gedacht, ich fahr dann in dem Fall heute Mittag oder notfalls morgen früh. Wie gesagt: wenn ich gewußt hätte, wie alles noch kommt, wäre ich wirklich direkt ins Auto gesprungen, aber ich hatte das Gefühl, dass das nun doch unnötig ist.
Mittags hatte ich nochmal Kontakt zu meiner Mutter, als sie mir sagte, dass sie doch noch lebt, da wollte ich dann wirklich fahren, egal, ob ich sie jetzt noch lebendig oder schon tot sehe. Aber meine Mutter wollte es nicht und ich hatte das Gefühl, dass sie mit ihren Geschwistern ungestört allein Abschied nehmen wollte von ihr und jede dritte Person einfach stört. Also wollte ich rücksichtsvoll sein. Ich kann ja auch noch morgen fahren. Außerdem meinte sie, es seien genug Leute im Moment da! Es sah zu dem Zeitpunkt dann auch so aus, als ob sie diesen Zustand noch ein bis zwei Tage haben kann. Keiner wußte, ob sie heute stirbt oder morgen oder übermorgen. Also dachte ich, okay, wenn ich keinen akuten Zeitdruck habe, kann ich mich auch noch hinlegen (ich war total fertig) und am Abend den Termin wahrnehmen, den ich da hatte. Es reicht in dem Fall, wenn ich am Samstag fahre. Sie wußte aber genau, dass ich sie noch sehen will.
Irgendwann am Mittag rief mein Vater an (der zu Hause war) und meinte, dass sie jetzt gestorben sei. Ich sagte ihm, dass ich sie nochmal sehen will und er soll mir bitte Bescheid geben, wann dies dann wo möglich ist. Er soll das meiner Mutter sagen. Ich wollte meine Mutter selbst nicht stören, aus Rücksicht! Wenn ich gerade jemandem beim Sterben begleitet habe und er dann schließlich tot ist, will ich sicherlich nicht direkt danach auf dem Handy gestört werden. Wir haben ausgemacht, dass meine Mutter sich dann bei mir meldet, wenn ihr danach ist.
Am Abend rief sie an und sagte mir dann eben, dass ich sie nicht mehr sehen kann, weil sie das jetzt so beschlossen haben.
Heute morgen hat mir eine meiner Cousinen übrigens per SMS mitgeteilt, dass sie gestern noch dort war und sie sehen durfte.
Ich meine, das freut mich für sie, umso mehr kriege ich einen Hass auf meine Mutter, dass sie es nun wirklich geschafft hat, dies bei mir zu verhindern.
Im übrigen, um wirklich alles auszuschöpfen, habe ich meinen Onkel heute morgen darum gebeten, ob er vielleicht beim Bestatter anruft. Er wollte mir den Gefallen tun, ging sogar direkt dort vorbei, meinte aber, dass es nicht mehr geht. Der Bestatter habe gemeint, das sei jetzt so ein Aufwand, und das ginge erst nächste Woche, dafür müßte man aber das Verbrennen und die komplette Beerdigung verschieben, und ich glaube, das kann ich nun wirklich von niemandem erwarten, dass da irgendjemand damit einverstanden ist.
Ja, ich bereue es zutiefst, dass ich gestern nicht einfach gefahren bin, aber ich hätte niemals gedacht, dass die sofort entscheiden, dass kein Mensch sie mehr sehen darf (außer meine Cousine hähä), und ich hätte auch niemals gedacht, dass es SOLCHE Vorwürfe gibt. Ich dachte, wenn ich dreimal an einem Tag sage, dass ich sie nochmal sehen will, dann wird das doch möglich sein, zumal nie jemand gesagt hat, ach nein, dann komm lieber jetzt, denn wir werden verfügen, dass sie nach dem Abtransport aus dem Heim keiner mehr sehen darf. Denn wenn sie das gesagt hätten, dann wäre ich natürlich auf jeden Fall gestern gefahren!
Hallo, das klingt jetzt vielleicht doof und ich weiß ja nicht wie euer Verhältnis sonst noch so ist. Auch wenn es schade ist, das du dich von deiner Oma nicht verabschieden kannst muß ich jetzt mal für deine Mutter sprechen. Wenn jemand stirbt liegen nun mal bei allen die Nerven blank, besonders wenn man noch solche Entscheidungen wie mit der Magensonde fällen muß.
Bei dem was du schreibst kann ich beide Seiten verstehen. Ja es ist schwer, aber du und deine Mutter ihr sucht gerade ein Ventil um eure Trauer rauszulassen....leider auf diese Art.
Das Zweite ist, das deine Mutter sich evtl in irgendeiner Art verpflichtet fühlt, sich auch noch um dich( und deinen Sohn?) zu kümmern, wenn du gefahren wärst. Zusätzlich zu dem was da schon so läuft. Dein Kind hätte nämlich nicht mit auf die Intensivstation gedurft und eine Leichenhalle ist jetzt ja auch nicht so der tolle Ort für einen Zwerg.
Die Rolle deiner Schwester kann ich nicht wirklich einordnen. Ich weiß nur, das in solcher Situation gerne mal "Dampf abgelassen" wird.
Fahr zur Trauerfeier, verabschiede dich dort und mach deinen Frieden damit, das es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Du kannst es nicht mehr ändern. Deine Oma hat von all dem nichts mehr mitbekommen, sie hat schon ihren Frieden.
LG
Natürlich ist mir klar, dass jetzt alle gerade in einem emotionalen Ausnahmezustand sind, aber gibt dies meiner Mutter und Schwester das Recht, mich so zu attackieren? Mich so zu belügen in einer für mich wirklich wichtigen Sache? Es geht hier ja nicht um irgendwas Pillepallemäßiges, es geht um die unwiederbringliche Möglichkeit, dass ich mich von einer mir sehr nahestehenden Person für immer verabschieden kann oder nicht.
Ich habe mir inzwischen natürlich noch mehr Gedanken gemacht und bin darauf gekommen, dass es bei meiner Mutter wohl Eifersucht ist, dass sie hartnäckig versucht hat, mich von der Oma fernzuhalten (ich hatte ein gutes Verhältnis zur Oma, während meine Mutter eher ein schlechtes zu ihr hatte), denn das hat sie ja in den letzten Jahren immer wieder versucht zu verhindern, dass ich sie besuche. Genauso bei zwei anderen Verwandten, als die im Sterben lagen, hat sie, sogar mit Lügen, versucht, mich davon abzuhalten, dass ich sie kurz vor dem Tod noch einmal besuchen kann. Meine Mutter hat da auch allgemein einen ziemlichen Kontrollwahn. Da könnte ich noch ganz andere Geschichten erzählen. Außerdem war sie wohl eh schon stinksauer (hat mir aber nur meine Tante erzählt), weil ich meine Tante darum gebeten habe, dass meine Oma die letzten Sterbesakramente erhält. Ich habe bewußt nicht meine Mutter gefragt, weil sie mit der Kirche nichts am Hut hat und dies auch immer wieder betont. Meine Tante dagegen ist sehr gläubig und hat das dann auch sofort veranlasst. Meine Mutter ging dann sogar hin, war aber wohl sehr sauer, weil ich das über ihren Kopf hinweg organisieren ließ. Ich hab mir das einfach herausgenommen, weil meine Oma eine streng gläubige Christin war und ich weiß, dass sie das unbedingt gewollt hätte, wenn sie es noch hätte sagen können. Meine Tante hat das dann ja auch gleich organisiert und fand das gut. Ich habe halt den Anstoss gegeben, weil ich mir nicht sicher war, ob das womöglich In der ganzen Trauer und Sorge vergessen wird. Aus Versehen.
Auch über die Rolle meiner Schwester habe ich mir Gedanken gemacht. Sie hat einfach schon immer gerne sympathisiert und mischt sich gern in alles ein, was sie nichts angeht. So ist sie halt. Und jetzt hat sie halt die Gelegenheit genutzt, wie Du sagst, mich als Ventil zu benutzen. Dazu kommt ihr sicherlich schlechtes Gewissen, dass sie ihre Kinder übers WE bei meinen Eltern läßt in dieser Situation, damit sie mit ihrem Mann wellnessen gehen kann. Als noch unklar war, ob meine Oma vielleicht erst am Samstag stirbt oder gar am Sonntag, fand sie es trotzdem in Ordnung, denen die Kinder zu lassen, denn der Ausflug in den Zoo muß unbedingt durchgeführt werden, und meine Mutter hat angeblich auch zugestimmt, dass sie auf jeden Fall in den Zoo gehen wird, auch wenn meine Oma parallel dazu dann gerade stirbt, in dem Fall ohne meine Mutter an ihrer Seite. So etwas von meiner Mutter zu verlangen, finde ich respektlos und unmenschlich, und sie weiß, dass meine Mutter ihr noch nie einen Wunsch abschlagen konnte, schon gar nicht, wenn es um die Enkelkinder geht.
Ich meine, wieso sonst sollte meine Schwester so extrem betonen, dass ich endlich aufhören soll, immer nur an mich zu denken und alle anderen zu belästigen, wenn nicht aus eigenem schlechten Gewissen?
Im übrigen hätte meine Mutter sich garantiert nicht verpflichtet gefühlt, auf meinen Sohn aufzupassen. Erstens habe ich hier um die Ecke meine Schwiegereltern, die froh sind, wenn sie auf ihre Enkel aufpassen dürfen, und ich hätte ihn hier lassen können. Zweitens habe ich ihn bisher IMMER dabei gehabt, wenn ich meine Oma besucht habe, auch vor Jahren noch meine mittlere Tochter, als die noch sehr klein war, und das war nie ein Problem. Ich habe schon immer meine Kinder so gut wie überall mitgenommen und weiß, wie es funktioniert, dass die brav sind. Außerdem, jetzt in diesem Fall, hätte ich meine Oma ja eher tot angetroffen, und da hätte die Verabschiedung nur wenige Minuten gedauert. In dieser Zeit kann ich meinen Sohnemann brav im Kinderwagen vor der Tür warten lassen oder im Babysafe - als ich meine Oma vor ein paar Tagen noch besuchte, mußte ich ja auch ein paar Mal zur Toilette (ich war mehrere Stunden dort, natürlich mit zwischendurch Spaziergang und Füttern, um ihn bei Laune zu halten), da habe ich ihn zu ein paar Heimbewohnern gestellt, die total entzückt über ihn waren. Sowas gefällt dem, dann macht er Show und zeigt sich von seiner charmantesten Seite. Also mal einige Minuten meinen Sohn alleine bei Laune halten - das war noch nie ein Problem. Und länger wäre es nicht geworden. Vielleicht hätte er ja sogar geschlafen. Nein, also diese Sorge hatte meine Mutter sicher nicht und ich auch nicht.
Ach so, und meine Oma war ja nicht mehr im Krankenhaus, sondern wieder im Pflegeheim. Auch als sie tot war, war sie noch die ersten Stunden dort. Dort herrschte immer eine sehr babyfreundliche Atmosphäre, egal, wann ich dort hinkam!!!
Ja, ich werde zur Beerdigung fahren und direkt im Anschluss sofort wieder ins Auto sitzen. Wir haben an dem Tag sowieso noch einen wichtigen anderen Termin. Meinen Frieden versuche ich jetzt schon zu machen. Mein großer Trost ist, dass Oma jetzt endlich da ist, wo sie hingehört, nämlich zu Gott und seinem Reich, wo mein Opa schon auf sie gewartet hat, dessen Tod sie NIE verwunden hat. Ich fühle, dass sie endlich wieder glücklich ist. Ich weiß, wo sie ist. Ich hätte dieses Gefühl nur gerne bestätigt, indem ich sie tot sehen darf, um es abzuschließen, um sie ganz gehen zu lassen in meinem Verstand.