Ein Jahr ist es her lieber Papa

Lieber Papa,

Ein Jahr ist es jetzt her, dass Du völlig unerwartet fast aus unserer Mitte gerissen wurdest. Ich weiß noch ganz genau wie ich mich gefühlt habe als dein Sohn - mein Bruder mich anrief.. ‚es ist sehr kritisch, starke Blutungen, akute Lebensgefahr, künstliches Koma, Not-OP..‘ Die Worte prasselten nur noch auf mich ein, ich verstand wohl was er sagte, doch wollte mein Kopf das alles nicht wahrhaben.. Nach langen 4 Stunden des Wartens, rief er mich wieder an, die OP war vorbei und Du hattest sie ‚gut‘ überstanden.
Wir konnten jetzt endlich zu Dir ins Krankenhaus auf die Intensivstation. Ich fuhr noch schnell deine Tochter - meine Schwester abholen und wir kamen zu Dir..
Im Krankenhaus als ich dich sah.. ein Schock, noch bis heute verfolgen mich die Bilder. Wie du da lagst im Koma, dein Körper von Maschinen umstellt und das regelmässige Auf und Ab durch die, von Maschinen gesteuerte, Atmung. Dein Gesischt war aufgequollen. Was hatten Sie nur mit Dir gemacht?! Ja, sie hatten Dir das Leben gerettet, doch ich hatte das Gefühl, die Person in diesem Bett wärst nicht mehr Du.. Du warst mir so fremd in dem Moment und im gleichen Moment schämte ich mich so für meine Gedanken. Ich hielt deine Hand und habe mit Dir geredet und neben uns immer diese monotone Geräusch der Beatmungsmaschine und das Piepen der Geräte was mich immer wieder hoch schrecken liess. Irgendwann beschlossen wir zu gehen. Ich habe dich alleine gelassen. Ja, die Ärzte haben gesagt, wir sollten nach Hause.. du würdest wahrscheinlich 2 Tage im Koma bleiben.. und doch fühlt es sich bis heute wie Verrat an. Ich habe Dich alleine gelassen.. Ja, die Kinder haben zu Hause auf mich gewartet, doch Dich liess ich alleine zurück...

Am nächsten Tag kamen wir wieder.. ich war diesmal darauf vorbereitet dich in dem schlimmen Zustand zu sehen, doch als ich dein Zimmer betrete, sind deine Augen geöffnet. Zwar nur sehr wenig, aber Du bist wach!!! Wieso hat das Krankenhaus uns nicht angerufen, um uns zu sagen, dass sie versuchen dich aus dem Koma zu holen? Ich wäre doch gekommen, damit du in dem Moment nicht alleine bist. ich habe ein schlechtes Gewissen, schon wieder hatte ich Dich alleine gelassen.. ja, ich konnte es nicht wissen, aber wäre ich am Vortag nicht nach Hause gegangen, wäre ich da gewesen..

Dein Zustand verbesserte sich zunehmend und ich hatte mir geschworen, dass ich an diesem Tag, genau 1 Jahr später eine riesen Party schmeissen würde. Wegen Corona und deiner Krankheit ging das nun nicht, wir hatten heute zwar Kontakt, doch habe ich Dich nicht darauf angesprochen, was heute für ein Tag ist und wie es Dir damit geht. Ich wollte Dir nicht weh tun, ich weiss ja auch wie tief der Schock noch bei dir selbst sitzt. Hätte ich es doch tun sollen? Was wäre richtig gewesen? Ich weiss es nicht und so gehe ich auch heute mit einem komischen Gefühl schlafen. Ich hoffe, du bist mir nicht böse oder enttäuscht.

Ich liebe Dich über alles,
Deine Tochter


Sorry für diesen langen Text, ich musste meine Gefühle an diesem besonderen Tag einfach irgendwo niederschreiben.

LG

1

Du bist eine gute Tochter. Die Gedanken die Du Dir machst und die Schuldgefühle die Du hast, sind allein ein Beleg dafür wie wichtig Dir Dein Papa ist. Er weiss mit Sicherheit, dass Du immer für ihn da bist und auch vor einem Jahr gewesen bist. Sei nicht so hart zu Dir selbst. Man kann nicht immer überall zu jeder Zeit sein. Alles Gute für Euch! Schreib ihm doch jetzt kurz noch, dass Du Ihn lieb hast und froh bist, dass es ihn gibt!

2

Hallo
Ich habe Dir eine pn geschickt.
Liebe Grüße