Was sagt man einem Sterbenden?

Hallo :)
Ich bin sehr überfordert und orientierungslos und hoffe, dass mir hier vielleicht jemand weiterhelfen kann. Achtung, der Text wird lang. Ich habs nicht so mit Kurzfassungen.
Folgende Situation: Mein Exfreund hat Darmkrebs im Endstadium. Wir haben uns vor ca. zwei Jahren getrennt. An sich im Guten, es gab kein böses Blut, aber um genau zu sein hab ich mich getrennt, weil ich nach mehreren Grundsatzproblemen das Gefühl hatte, wir stehen an anderen Punkten in unserem Leben und haben auch sehr verschiedene Prioritäten. Er war anderer Ansicht und weil wir immer noch ein paar gemeinsame Freunde haben wei0 ich auch, dass er mit der Trennung lange nicht fertig geworden ist. Ich selbst hab (wirklich sehr unverhofft), zwei Monate nach der Trennung einen neuen Mann kennengelernt der mich so derartig von den Socken gehauen hat, dass wir heute sehr glücklich verheiratet sind und eine tolle gemeinsame Tochter haben, absolutes Wunschkind. Nur falls das in irgendeiner Form relevant ist.
Mein Ex hatte schon während der Beziehung immer wieder starke Magen- Darm Probleme, ohne wirklich zu wissen, wieso. Richtig darum gekümmert hat er sich aber auch nie, was unter anderem ein Mitgrund für die Trennung war; viele Probleme, über die er sich zwar ständig beschwerte, aber nie etwas dagegen unternah. So auch mit den Beschwerden, ich bat ihn sooo oft zum Arzt zu gehen, aber das passierte nie. Naja jedenfalls, im Mai hatte ich mich getrennt, im Februar des nächsten Jahres bekam er die Diagnose Darmkrebs. Es sah erst recht gut aus, aber der Krebs war wohl doch aggressiver als gedacht und seit ca. zwei Wochen wohnt er im Hospiz und weiß, dass er nicht mehr geheilt werden kann. Ich weiß das alles von meiner besten Freundin, die immernoch gut mit ihm befreundet ist. Er hasst mich auch nicht, aber wir hatten all die Zeit keinen Kontakt, weil ich wusste, dass er die Trennung nicht verarbeitet hat und abgesehen davon ja auch ganz andere Sorgen hat. Anfangs wollte er nicht, dass ich überhaupt von der Diagnose erfahre, das sagte er meiner besten Freundin. Sie sagte es mir später trotzdem, weil es immer schlechter aussah.
Mich betrifft das alles sehr und ich bin sehr traurig darüber. Irgendwie auch immernoch schockiert, wenn ich mir überlege, dass die ganze Zeit über der Krebs in ihm gewachsen ist, und keiner etwas ahnte... Er tut mir so leid. Nie hätte ich gedacht, dass es wirklich Krebs ist. Jedenfalls möchte ich ihm gerne noch einen Brief schreiben, da er mir ja nie egal war und wir nicht im Bösen auseinandergegangen sind. Aber ich bin komplett planlos darüber was ich schreiben soll. Über unsere Beziehung wurde damals schon alles gesagt, darum geht es ja auch irgendwie nicht. Aber ich weiß halt auch gar nicht, wie er heute zu mir steht, wie sehr er seine Diagnose selbst überhaupt schon begriffen hat und so. Wisst ihr was ich meine? Wo setzt man da an? Was sagt man? Was schreibt man? Oder soll ich überhaupt? Oder sollte ich es lassen? Ich bin so planlos. Im Übrigen ist er 30 Jahre alt. Und die Zeit läuft mir auch weg, ewig warten kann ich nicht mehr.
So sorry für den langen Text, vielleicht hat mir ja einer einen Erfahrungswert oder einen Rat oder so.
Danke schonmal an alle die bis hierher gelesen haben und einen schönen Tag Euch.

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wieso besuchst du ihn nicht einfach? Ihr habt Zeit miteinander verbracht, an die man sich wahrscheinlich auch gern erinnert

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Würde ihn auch besuchen oder zu mindest anrufen und ihm sagen, das es dir sehr leid tut, das er so schwer krank ist. Frag ihn, ob du etwas tun kannst für ihn. Vielleicht wollt ihr gemeinsam in ein paar schönen Erinnerungen schwelgen. Ihr wart mal ein Paar, euch verbindet viel. Eine feste Umarmung, vielleicht kann er dann auch eher mit eurer Trennung abschliessen.

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"Anfangs wollte er nicht, dass ich überhaupt von der Diagnose erfahre, das sagte er meiner besten Freundin. Sie sagte es mir später trotzdem, weil es immer schlechter aussah."

Finde ich total daneben von deiner Freundin. Ich weiß, wie schwer das ist, aber wenn jemand sagt, dass andere nicht über seinen Gesundheitszustand informiert werden sollen, dann muss man das Respektieren.

Was genau erwartest du von diesem Brief? Du hast ihn verletzt (wenn auch nicht beabsichtigt, aber ne Trennung tut halt immer weh, vorallem wenn der eine noch daran knabbert und der andere lustig heiratet und Kinder zeugt.), er möchte nicht dass du überhaupt was erfährst.
Es wäre ein riesiger Vertrauensbruch, wenn er nun durch den Brief erfährt, dass du was davon weißt.

Maximal sollte deine Freundin nochmal vorsichtig fragen, ob sie es erzählen darf. Darf sie das nicht, solltest du tunlichst Abstand halten. Und wenn sie das darf, wäre ein Besuch ggf. Sinnvoller.

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Guten Abend Babyigell,

Du fühlst dich ratlos und überfordert, was du deinem sterbenden Exfreund sagen könntest.

Ich würde deinen Satz umdrehen.
Mir scheint bei einem sterbenden Menschen erst einmal wichtiger, was der Sterbende will, welche Wünsche er dir gegenüber hat, welche Gefühle und über welche Themen ihn ansprechen.
Die Gesetze einer Alltagskommunikation sind in solchen Situationen aufgehoben, außer bei rein formellen Besuchen, die an der Oberfläche kleben bleiben und bei denen der Besucher aus einer Art Selbstschutz heraus in eine innere Abwehrhaltung gerät.

Ich würde dir einen persönlichen Besuch deines Exfreunds empfehlen in Absprache mit seinen Freunden, die ihn wohl noch besuchen.
Lass dich einfach darauf ein, welche Gefühle er dir gegenüber zeigt, welche Themen er ansprechen will.

Anbieten würde sich nach meinem Empfinden etwa eine gemeinsame Reise in eure Vergangenheit, in die guten Seiten eurer vergangenen Beziehung und was du an ihm als Partner geschätzt hast. Hab bitte auch keine Angst, seine Hand zu drücken oder ihn in den Arm zu nehmen.
Versuche einfach in so einem Gespräch, auf seine Bedürfnisse einzugehen und dich selbst zurückzunehmen.
Wenn er das will, kannst du ihm auch von deiner neuen Familie uns deinem Kind erzählen.

Ich bin mir sicher, ein solches Gespräch wird dir für den Rest deines Lebens in guter Erinnerung bleiben und deinem Exfreund bei seinem Abschied helfen.

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Hallo!

Da dir dieser Mensch offensichtlich nicht egal ist, würde ich dir ebenfalls ans Herz legen, ihn einfach zu besuchen.
Ich begleite seit Ewigkeiten sterbende Menschen. Am Ende sind Begegnungen wichtig. Um einen Brief zu lesen und verstehen, benötigt man Kraft und Energie, die viele nicht mehr haben.

Schon klar, dass du dich vor einem Besuch fürchtest. Das darf aber sein. Er fürchtet sich doch auch, nur kannst du nach dem Besuch wieder ins richtige Leben. Er nicht. Für ihn ist wichtig, dass Menschen zu ihm kommen.

Emotionen jeder Art sind erlaubt! Ein Brief wäre sehr einseitig und allein auf deine Emotionen fokussiert. Ich denke aber, es geht jetzt ein bisschen mehr um seine.

Nur Mut! Trau dich! Sterbende sind auch nur Menschen, die sich ganz gern mal über normale oder absurde Dinge unterhalten.

Du schaffst das!

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Hallo und guten Morgen,

Und hast du schon Kontakt aufgenommen?

Ich würde wohl über einen (konkreten) Freund anfragen lassen, ob es okay ist, Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Wenn er dies bejaht würde ich ihn besuchen.

Viel Kraft!