Ich weiß eigentlich nicht mal wo ich anfangen soll.... und entschuldige mich gleich vorab für diesen sehr langen Text, der vielleicht manchmal auch etwas wirr erscheint. In meinem Umfeld fällt es mir zu schwer mit jemanden zu sprechen, weil ich mich so schäme, dass ich solche Gedanken und Gefühle habe... Mit meiner Mama habe ich es vor einiger Zeit versucht aber schnell gemerkt, dass sie mir keine negativen Gefühle zugesteht, weil ich „eh so viel Glück habe“. Für sie gibt es aber auch keine depressiven Erkrankungen, denn ihrer Meinung nach ist alles eine Frage der Perspektive. Ich finde sie hat zum Teil schon Recht aber was, wenn ich den Perspektivenwechsel nicht ohne Hilfe schaffe?
Nun fange ich mal an... Das Ganze zieht sich schon seit vielen Jahren.
Meine große Tochter ist 11, wird bald 12. Ich war als sie auf die Welt kam 21 (ungeplante Schwangerschaft) und seit sie 1,5 Jahre alt war alleinerziehend. Ihr Papa ist zwar ein lieber Mensch aber er war immer eine Belastung für mich, da er selbst nichts im Griff hat und ich mich um ihn kümmern musste - er war wie ein zweites Kind. Auch jetzt kümmert er sich nur sehr sporadisch um sie. Mehr als ein Besuch ohne Übernachtung pro Monat ist nicht drinnen. Es hängt also alles an mir. Seit 4 Jahren bin ich mit meinem jetzigen Freund zusammen.
Es hat als meine Tochter 2,5 Jahre alt war einen Vorfall gegeben, der mich zutiefst erschüttert hat: Damals kam ans Licht, dass der Großvater väterlicherseits (also der Vater ihres Papas) sie einige Zeit sexuell missbraucht hatte. Es gab eine Gerichtsverhandlung und als Mangel an Beweisen hat er hat Kontaktverbot zu meiner Tochter bekommen, das auch bis zum heutigen Tag eingehalten wird. Diesem Mann habe ich sehr vertraut und ihn sehr gemocht. Dieses einschneidende Erlebnis hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Mein Vertrauen in Menschen war damit stark geschrumpft. Die Betreuungspersonen für meine Tochter waren dann zum größten Teil ich, meine Mama und meine damals noch lebende Oma und manchmal auch ihr Papa. Allen anderen Menschen konnte und wollte ich meine Tochter nicht anvertrauen. Dadurch konnte ich natürlich viele Dinge, die gleichaltrige machten nicht tun. Sport und Freizeit waren immer eher kurz und nur unter Zeitdruck möglich. Ich hatte aber das große Glück, dass ich durch die Unterstützung meiner Mama zumindest trotzdem mein Studium abgeschlossen habe. ❤️
Seit dem genannten Vorfall hatte ich immer wieder mal depressive Phasen, auch mit einer Essstörung hatte ich dann zu kämpfen. Ich habe nie Medikamente genommen aber habe es öfter mit Psychotherapie versucht, was mir aber immer nur bedingt geholfen hat. Die Essstörung konnte ich aber vor einigen Jahren besiegen.
Vor 6 Jahren bin ich mit meiner Tochter dann jobbedingt ein Stück (140 km) umgezogen. Familie und Freunde sind also 1,5 Stunden mit dem Auto entfernt. Das ist auch nicht immer leicht für mich, da ich sie vermisse aber dafür habe ich einen tollen und sicheren Arbeitsplatz und hier einen sehr lieben Partner und natürlich auch liebe Bekannte kennengelernt.
In den letzten Jahren musste ich aber auch einiges wegstecken: Schwierige Beziehung zu den Schwiegereltern (er ist 10 Jahre jünger als ich), Tod meiner geliebten Oma durch Krebs, kurz darauf starb ein sehr guter Freund durch einen Unfall und dann hatte ich noch 3 Fehlgeburten - wir wünschten uns schon länger ein Baby, bzw. wollte mein Partner auch unbedingt ein gemeinsames Kind.
Nun bin ich schon in der 31. Woche und es scheint diesmal alles gut zu gehen. Es gibt Momente, in denen freue ich mich sehr auf das Baby und empfinde pure Liebe aber meistens habe ich sehr zu kämpfen mit meinen Gefühlen und Gedanken. Ich habe wirklich ganz üble Gedanken, wie "Was habe ich mir dabei gedacht?", "Warum tue ich mir das überhaupt an?" und habe mich sogar über anonyme Geburt informiert, weil ich so verzweifelt bin. Manchmal habe ich sogar Selbstmordgedanken. Ich habe zwar nicht das Gefühl, dass ich es wirklich tun würde aber meine Situation fühlt sich für mich so beengend an. Ich weiß, dass dieser kleine Mensch nur Liebe verdient hat und ich schäme mich so unglaublich dafür, dass ich so fühle und denke. Bitte verurteilt mich nicht. Ich habe Angst, dass ich das alles (ein Kind großziehen) nicht nochmals schaffe, Angst wieder alleine dazustehen und mein Partner doch für eine jüngere Frau verlässt. Er gibt mir keinen Anlass das zu denken – das alles findet nur in meinem Kopf statt. Mein Partner ist sehr lieb und fürsorglich, macht viel im Haus und Haushalt und unterstützt mich auch bei meiner großen Tochter. Auch das passt sehr gut. Objektiv betrachtet müsste ich einfach nur überglücklich sein: Ich habe einen tollen Beruf, verdiene nicht schlecht, habe eine liebe Familie, die bald um noch eine Person reicher wird und trotzdem bin ich einfach total fertig und würde am liebsten vor allem davonlaufen.
Ich bin seit Februar im BV und müsste eigentlich entspannt sein aber ich fühle mich unter Dauerstrom. Vormittags bin ich alleine und mache den Haushalt, kümmere mich um unseren Hund aber nachmittags, wenn meine Tochter kommt, dann geht es einfach immer rund. Ich muss täglich kochen, jeden Tag mehrere Stunden mit ihr lernen, weil sie sich in der Schule derzeit etwas plagt und man muss in unserer Gegend ständig Taxi spielen, da die öffentlichen Verkehrsmittel so schlecht sind, dass sie nicht einmal immer nach der Schule alleine nach Hause kommen kann. Mich stressen diese Nachmittage so sehr und dann kommen diese Gedanken, warum ich mir das nun ein zweites Mal antue? Die Entscheidung für ein weiteres Kind ist auch eher meinem Partner zuliebe gefallen - ich wollte eigentlich nicht unbedingt noch eines, da meine Tochter schon so groß ist aber ich konnte mich schließlich mit dem Gedanken anfreunden. Nun habe ich aber so schreckliche Angst, dass dann noch mehr Verpflichtungen an mir alleine hängen bleiben und dass ich mich komplett selbst aufgeben muss. Ich möchte doch gerne weiterhin Sport machen und meinen Hobbies nachgehen können. Aufgrund der Vergangenheit mit meiner Tochter (wo ich nur mehr wenig Betreuungspersonen hatte, auf die ich mich verlassen konnte) werde ich so getriggert. Wir leben ja, wie gesagt, auch weiter weg von Familie und Freunden und die zu bewältigenden Aufgaben werden bei uns in der Kleinfamilie liegen. Hinzu kommt noch, dass ich nicht weiß, ob ich Vertrauen finden würde, um mein Kind auch anderen Menschen anzuvertrauen. Ich freue mich auf das Baby an sich aber ich will mich nicht selbst komplett aufgeben, so wie es schon einmal war und so wie es jetzt gerade ist, weil meine Tochter durch Schule und die schlechten Öffis einfach so viel Zeit in Anspruch nimmt. In Summe fühle ich mich teilweise einfach überfordert und habe Angst vor totaler Selbstaufgabe. Es fühlt sich fast so an, als wäre meine Leben vorbei. Ich weiß aus rationaler Sicht aber, dass das absurd ist... Ich denke, dass ich dringend Hilfe bräuchte aber ich weiß nicht wirklich an wen ich mich am besten wenden soll... Bei uns ist das Hebammen-Angebot eher schlecht, weshalb ich keine habe und beim Frauenarzt ist mein Partner immer dabei. Ich schäme mich zu sehr, um mit ihm diese schrecklichen Gedanken teilen zu können. Was würdet ihr mir raten? Meint ihr, dass ich Angst haben muss, auch eine Wochenbettdepression zu bekommen?
Schwangerschaftsdepression? oder schlimmer?
Du brauchst definitiv eine Psychotherapie es gibt Tagesklinken dafür. Es wären ca 6 h am Tag. Vielleicht könnte dir da dein Allgemeinmediziner weiterhelfen. Der hätte bestimmt da ein paar Ideen wie es besser wird. Am besten gehst du heute oder morgen zu deinem Allgemeinmediziner.
Danke für deine Nachricht! Ich habe eure Antworten gleich gelesen und etwas gebraucht, um sie für mich einzuordnen. Es hat vor allem gut getan, einmal alles loszuwerden und mich verstanden und ernstgenommen zu fühlen. Ich werde mir eine Überweisung holen - ich denke, das ist sehr wichtig daran zu arbeiten. Du hast recht.
mach mal den Test: https://postpartale-depression.ch/de/selbsttest.html
Vielen Dank! Ich hab ihn gemacht - das Ergebnis war entsprechend - ich muss mir Hilfe holen.
Hey, erst mal tut es mir leid dass du das alles durchmachen musstest und in dieser Situation bist. Ich finde es sehr stark dass du all das in Worte fassen kannst und es mit uns teilst.
Den besten Tipp den ich dir geben kann ist dich in eine Psychotherapeutische Behandlung zu begeben und wirklich alles aufzuarbeiten. Vor allem bei Selbstmordgedanken sollte schnell gehandelt werden.
Ich weiß nicht ob den Patientenservice kennst: www.116117.de
Dort kannst du einen Termin in deiner Nähe zum Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten relativ schnell online vereinbaren. Ich hab den Service auch schon in Anspruch genommen, wegen einer im Vergleich zu deiner Lage, viel kleineren Sache.
Ich hoffe du empfindest meine Nachricht nicht als übergriffig. Aber mentale Gesundheit ist so extrem wichtig und je schneller du dir Hilfe und Jemand professionellen zum Reden suchst desto besser für dich und deine Zukunft!
Ich wünsche dir alles gute
Vielen Dank für deine liebe Nachricht! Ich habe eure Antworten gleich gelesen und etwas gebraucht, um sie für mich einzuordnen. Es hat vor allem gut getan, einmal alles loszuwerden und mich verstanden und ernstgenommen zu fühlen. Ich werde mir eine Überweisung holen - ich denke, das ist sehr wichtig daran zu arbeiten. Du hast recht.
Hallo Traurig2023,
Kein Wunder, dass es in dir rumort, da schleppst du ja echt eine große Last mit dir rum! Ich kann gut nachvollziehen, dass das alles mal raus muss, super, dass du so gut beschreiben kannst, was in dir los ist…
Einige der Gefühle und Gedanken, die du beschreibst, finde ich total typisch in einer zweiten Schwangerschaft, vor allem wenn das große Kind schon „aus dem gröbsten raus“ ist. Man sieht einfach nicht alles durch die rosarote Brille, wie viele Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, sondern man weiß auch wie anstrengend und stressig die nächsten Jahre sein werden- bei aller Liebe und allem Glück, das auch dabei sein wird. Aufgrund verschiedener Faktoren hast du auch noch besonders viele Sorgen und sehr viel alleinige Verantwortung für deine Tochter tragen müssen, sodass ich es eher realitätsfremd fänd, wenn du nicht auch mit Sorgen und Fragezeichen in die Zukunft als vierköpfige Familie schauen würdest.
Sollte deine Not in einem Moment so übermächtig werden, dass du Selbstmord als konkreten Ausweg in Betracht ziehst, hol natürlich bitte direkt Hilfe über den Hausarzt oder auch die 112! Ansonsten wäre es natürlich hilfreich zu schauen, was du sonst tun kannst, um dieses beengende Gefühl etwas zu lindern.
Die hier schon öfter vorgeschlagene Psychotherapie kann eine gute Option sein, da scheinst du ja auch schon hilfreiche Erfahrungen gemacht zu haben in der Vergangenheit. Du wirst dann aber auch wissen, dass das meist ein längerer Prozess ist, der mit Wartezeiten verbunden ist. Mach dich da also ruhig auf den Weg, aber schau auch, was du dir in den letzten zwei Monaten der Schwangerschaft sonst noch Gutes tun kannst.
Ich finde es mutig und einen guten Ansatz, dass du schon versucht hast mit deiner Mama zu reden. Es ist total schade, dass sie so abwertend reagiert hat! Trotzdem möchte ich dich ermutigen nicht aufzugeben und auch in deinem Umfeld nach offenen Ohren zu suchen. Du beschreibst mehrfach dein großes Schamgefühl. Scham ist wirklich ein mächtiges Gefühl, dass uns sehr hemmen und davon abhalten kann uns den Menschen anzuvertrauen, die am besten helfen könnten und das oft auch gerne tun würden. Gerade dein Partner hört sich nach einem verlässlichen und hilfsbereiten Menschen an, mit dem du dir eine tragfähige Beziehung aufgebaut hast. Wenn ihn solche Gefühle plagen würden, würdest du dir wünschen, dass er dann mit dir spricht? Würdest du ihn für diese Gefühle weniger lieben oder sogar verachten? Vermutlich wären die Antworten „Ja! Klar und „Natürlich nicht!“. Warum sollte es dann umgekehrt anders sein?? Du hast sehr lange sehr viel Verantwortung ganz allein schultern müssen. Aber deine Lebenssituation ist jetzt eine ganz andere als vor 11 Jahren! Auch wenn es ungewohnt ist und sich im ersten Moment beängstigend anfühlt: Gib ihm doch die Chance für dich da zu sein. Überlegt zusammen, was dir im Alltag guttun könnte. Das muss auch nicht direkt der große Wurf sein: Vielleicht fällt euch zusammen etwas ein, was du dir für 15 Minuten am Tag Gutes tun könntest, nur für dich und wie er es schaffen kann, dass du diese Zeit auch bekommst.
Mit diesen Gefühlen nicht länger so allein zu sein und aktiv kleine Dinge für dich zu tun, könnte schon super hilfreich sein und auch eine schöne Basis für einen therapeutischen Prozess, wenn du dazu bereit bist!
Ich wünsche dir alles Gute für die kommende Zeit, aber vor allem, dass du dich frei machen kannst von der Scham für Gefühle, die in deiner Situation absolut verständlich sind!
Vielen Dank für deine liebe Nachricht! Ich habe eure Antworten gleich gelesen und etwas gebraucht, um sie für mich einzuordnen. Es hat vor allem gut getan, einmal alles loszuwerden und mich verstanden und ernstgenommen zu fühlen. Ich werde mir eine Überweisung holen - ich denke, das ist sehr wichtig daran zu arbeiten. Du hast recht.
Ich habe auch deinen Rat befolgt und mich meinem Partner vorsichtig mitgeteilt. Das mit den Selbstmordgedanken habe ich für mich behalten, da ich ihn nicht so beunruhigen wollte. Er hat den Ernst der Lage aber erkannt und mich gebeten, dass ich mich in ärztliche Behandlung begebe.
Meine Frauärztin hatte mir damals geraten unbedingt Antidepressiva zunehmen, da es nach der Geburt nicht besser wird sondern tendenziell eher schlimmer ( vorallem hormonell kann es einen umhauen, aber zusätzlich kommt ja noch Schlafmangel, evtl entzündete Brüste etc.). Meine Frauenärztin nahm das Thema sehr ernst und hat gesagt sie hatte dann einige Frauen die es im Wochenbett umgehauen hat. Ich würde also mit dem Frauenarzt reden und zusätzlich Psychotherapie anfangen.
Vielen Dank für deine Antwort! Hast du dann Medikamente genommen? Ich habe etwas gebraucht die ganzen Antworten zu verarbeiten, bin nun aber zum Entschluss gekommen, mir Hilfe zu holen. Wie ist es dir dann im Wochenbett gegangen?
Ich schreibe dir eine PN
Wenn ich deinen Beitrag lese, fällt mir eine Sache insbesondere auf (neben der ganzen Tragik wohlgemerkt). Du hast Angst, dass am Ende alles an dir hängen bleibt. Und soll ich mal ehrlich sein? Ich auch! Bei aller Gleichberechtigung leben unsere Männer doch noch immer in einer Welt, in der die Frauen für die Erziehung zuständig sind. Und instinktiv gibt die Welt ihnen immer wieder recht.
So sehr du deinen Partner lobst, scheinst du unterschwellig zu fürchten, dass er sich in seine Komfortzone zurückzieht, die er als natürlich empfindet. Immerhin trägst du das Kind aus. Du bist die Mutter. Wieso also muss er wissen, wie beschwerlich und kompliziert es sein kann, ein Kind zu stillen? (neulich eine Diskussion mit meinem Mann gewesen!)
In meinen Augen sollten sie es wissen! Und zwar nicht zwingend von uns, sondern in Eigeninitiative. Bestimmt hast du schon mit deinem Partner geredet und er versichert dir, sich zu unterstützen und sich z.B. zu informieren über die hygienische Pflege eines Babys, doch dann passiert doch nicht allzu viel. Da gibt es ja noch immer uns als Informationsquelle. Wir werden es ihnen schon erklären… na ja, manche Frauen finden sich damit ab, anderen ist das nicht genug oder es macht ihnen Angst.
Ich würde dir das raten, was ich selbst umzusetzen versuche: Rede immer wieder über die Vorstellung mit deinem Partner, wo ihr euch in dieser neuen Familie seht. Und welche Verantwortung ihr übernehmen wollt.
Das baut die Angst etwas ab.
Vielen Dank für deine liebe Antwort! Bist du auch gerade schwanger und erwartest ein Baby von einem neuen Partner? Ich habe mich meinem Partner nun mitgeteilt und ihn gebeten, dass er sich über Schwangerschaft, Wochenbett und Babys informiert und er hat mir versprochen es zu tun. Er ist jetzt auch sehr lieb. Obwohl ich schon zuhause bin, nimmt er mir sehr viel im Haushalt ab. Er gibt mir also eigentlich keinen Anlass, diese Ängste zu haben.
Ich denke, dass meine schlechten Erfahrungen zu diesen Ängsten führen und er da nichts dafür kann. Ich glaube, ich muss mich darin üben positiv zu denken und unserer neuen Zukunft eine Chance zu geben. Er hat es nicht anders verdient.