Wie kann ich loslassen und mehr vertrauen? Und darf ich das überhaupt?

Guten Abend.

Ich will, dass meine zweijährige Tochter Zeit mit ihrem Vater verbringt. Ich will, dass er sich einbringt. Ich will ihm vertrauen.

Die ersten beiden Punkte funktionieren, weil er das auch möchte. Der dritte Punkt, ihm zu vertrauen, ist sehr, sehr schwierig für mich.

Zum Beispiel schreit er sie manchmal an wegen Dingen, die meiner Meinung nach völlig normal sind. Wenn ich ihn darauf anspreche, blockt er ab, unsere Tochter sei auch mein erstes Kind, er würde sie nur erziehen, ich könne es ja anders machen und er redet mir auch nicht rein. (Was stimmt. Er vertraut mir viel mehr als ich ihm.)

Von der Tagesmutter wurde ich schon mehrmals angesprochen: "Ava braucht neue Windeln. Das habe ich dem Papa doch vorgestern schon gesagt?", "Avas Papa hat sie heute zwanzig Minuten zu spät abgeholt." "Avas Papa hat sie gestern in der Matschhose mit nach Hause genommen. Ach, wie ärgerlich, dass sie die Hose heute nicht wieder mitgebracht haben." usw. Immer wieder andere Beschwerden, die zeigen, dass es nicht richtig läuft, wenn er zuständig ist.

Auch gibt es ständig Kleinigkeiten. Er war mit ihr unterwegs und jetzt ist der Teddy weg. Er hat vergessen, irgendeinen Termin mit ihr wahrzunehmen. Er geht mit ihr in völlig unpassender Kleidung auf den Spielplatz.

Also bei den meisten Sachen denke ich "Ist ja kein Drama" und spreche ihn auch nicht darauf an, weil ich selbst natürlich auch nicht ständig kritisiert werden will. Aber es sind so viele Punkte und ich bin ständig damit beschäftigt, mich selbst zu beruhigen.

Auch dass wir unterschiedliche Ansichten bzgl. Medienkonsum und Süßigkeiten haben, ist anstrengend und schlägt mir auf den Magen.

Wie kann ich loslassen und mehr vertrauen? Und darf ich das überhaupt? Das ist so ein blöder Zwiespalt, in dem ich stecke. Auf der einen Seite: "Lass los, vertraue ihm, er macht das schon, eurer Tochter geht es gut." Auf der anderen Seite: "Nein, das läuft nicht richtig, das arme Kind, mach dich stark für deine Tochter."

Danke, falls ihr bis hierhin gelesen habt.

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Hallo,

bei all deinen Beispielen denke ich, dass dein Kind keinen großen Schaden davonträgt.
Vielleicht einen kleinen... Schreien, fragwürdiger Medienkonsum... aber viele Menschen haben so einen "kleinen" Schaden oder ein Päckchen aus der Kindheit, dass sie mit sich herumtragen. Kaum eine Erziehung ist perfekt.
Und deine Tochter hat ja noch dich, das gleicht sicher viel aus. Baut ihr Selbstbewusstsein auf, hält sie von Medien fern usw.
(Blöd wird es für dich, wenn du gezielt ausgleichen willst. Pass auf, dass du nicht in andere Extrem fällst und sie gar nicht mehr tablet schauen lässt, nur damit die Gesamtmenge passt... das ist auch keine Lösung.)

Vielleicht hilft dir die Vorstellung, dass dein Ex langfristig sich selbst am meisten schadet.
Er schreit das Kind an, du nicht. Wem wird sie sich wohl als Teenie eher anvertrauen? Du kommst pünktlich, er nicht. Wen ruft sie wohl später an, wenn sie irgendwo abgeholt werden will?
Das ist bei euch alles noch lange hin. Aber diese Zeiten kommen bestimmt. Und deine Tochter lernt ihren Vater kennen. (Dich auch 😉und wird auch da sicher Unperfektheiten finden und dir vorwerfen...das tun sie alle irgendwann.)
Das hat auch gar nichts mit gegeneinander ausspielen zu tun. Er wird die Früchte ernten, die er sät. Du kannst und sollst dabei nur zuschauen. Und der Tagesmutter sagen, sie soll den Vater wegen der Regenhose ansprechen. Vielleicht kauft er ja noch zwei Stück, wenn er die immer vergisst. Tränen des Kindes würde ich ihm rückmelden. Nicht vorwurfsvoll sondern als Fakt. Damit er es weiß und beim nächsten Mal besser einschätzen kann.

Ach ja: du musst ihm ja nicht vertrauen. Ok, nur insofern, als dass er das Kind ja heil und lebendig wiederbringt. Keinen Gefahren aussetzt.
Dass du vorher schon ahnst, dass ein Kuscheltier verschwindet... da kann sogar das Kind früh lernen, dass man die allerwichtigsten Dinge nicht mit auf Papa-Ausflüge nimmt. Bei uns durften solche Dinge z.b. nicht mit in die Grundschule, denn dort wurde geklaut. Ist zwar blöd, aber bei manchen Sachen kann man ja wirklich vorsorgen. Und zwar gerade dann, wenn man NICHT vertraut 😉

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Danke für diese wundervoll gelassene Sichtweise!

Vor allem hast du mir gerade noch mal bewusst gemacht, dass ich ihm schon genug vertraue, um davon auszugehen, dass er mir ein heiles Kind zurückbringt.

Und ich muss wirklich manchmal aufpassen, dass ich nicht ausgleiche. Wenn sie was gucken mòchte, ist meine Antwort meistens: "Du hast doch gestern schon mit Papa geguckt. Wir machen was anderes." Wenn sie ein Eis essen möchte, verweise ich auf das Eis, das sie am Vormittag mit Papa gegessen hat. Gerade denke ich, dass es nicht richtig sein kann, dass ihm solche Aktionen allein "gehören".

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Ich finde auch, dass da seine sehr gute Antwort war und möchte etwas ergänzen.

Im Kindergarten wende die Problemen, die KV verursacht ab. Gib deutlich zu verstehen, dass du in der Zeit vom KV keinen Einfluss hat und diese Beschwerden bitte direkt an den KV gehen sollen und nicht an dich.

Manche Kigas verhängen Geldstrafen, wenn man ein Kind zu spät abholt. Sollen sie machen, muss er dann zahlen. Haltet irgendwo schriftlich die Betreuungszeiten fest, macht diese fest. Und wenn die Kita dann nachfragt, dann kannst du sagen "KV Zeit und somit auch in seiner Verantwortung".

Die Kita wird verärgert sein. Mache ihnen deutlich, dass du da nichts machen kannst.

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Was sind denn deine Befürchtungen? Vielleicht solltest du dir klar machen, dass bei all den aufgezahlten Sachen nichts schlimmes als Konsequenz passiert?!

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Ich glaub, die Schwierigkeit ist, dass ich mir darüber nicht so klar bin. Bei manchen Sachen beruhige ich mich, indem ich mir sage, dass die Konsequenz nicht dramatisch ist. Aber bei anderen frage ich mich dann, ob die Konsequenz wirklich ok ist?

Zum Beispiel wenn er sie anschreit. Ist das nicht total schlecht für ihr Selbstwertgefühl? Und welchen Lerneffekt hat das bitte? Zum Beispiel dass sie Emotionen irgendwann unterdrückt, statt sich zu regulieren. (Und dann frage ich mich gleichzeitig: Ist das wirklich so, wenn sie gleichzeitig von mir lernt, dass Emotionen ok sind und Missgeschicke passieren?)

Wenn er sie einfach unreflektiert YouTube Kids schauen lässt, finde ich das problematisch, weil ich keine Ahnung habe, was sie da sieht und er mir das dann danach auch nicht beantworten kann. Hat das dann einen negativen Effekt auf ihre Entwicklung oder ist das ok, weil sie mit mir bildschirmfreie Zeit verbringt?

Wenn er sie Limo trinken lässt, ist das wirklich so dramatisch für ihre Zähne wie ich mir manchmal einbilde? Oder ist das ok, weil das Maß stimmt?

Bei der Tagesmutter ist es halt doof, wenn sie dann nicht draußen spielen kann, weil die Matschhose fehlt. Oder gegenüber der Tagesmutter ist es auch blöd, wenn ein Kind zu spät abgeholt wird. Aber ja, wahrscheinlich hast du Recht und es ist auch keine wahnsinnig schlimme Konsequenz, sondern eine, die man in einigen Monaten vergessen hat.

Dass der Teddy weg ist, hat für drei tränenreiche Abende gesorgt. Ja ok, die anderen Sachen sind nicht super schlimm. Er geht mit ihr in leichter Kleidung raus, kommt dann halt nach kurzer Zeit wieder, nichts passiert.

Ich denke halt super viel über diese Dinge nach (was sehr anstrengend für mich ist), obwohl ich ihrem Vater eigentlich vertrauen will.

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Die eine Sache ist zu entspannen und loszulassen. Die andere ist aber, dass der Vater mehr Verantwortung übernehmen sollte. Wieso vergisst er die Windeln? Wieso holt er sie zu spät ab? Kommt es sehr oft vor oder sind die Sachen öfters vorgefallen (zb vergisst er die Windeln 8 mal von 10 oder 1-2 mal von 10 malen)? Wenn es einmalig bis zu selten vorkam, dann würde ich da nichts sagen, weil es eben tatsächlich passieren kann.
Wegen anschreien, rede mit ihm und sag ihm wie du dich fühlst dabei und wie du zb die Situation lösen würdest. Dann kann er dir seine Sicht erklären. Redet drüber. Nur weil ihr es anders macht, könnt ihr trotzdem von einander lernen :)

Wegen loslassen. Hmm was glaubst du wieso es so ist? Was geht dir durch den Kopf? Ich denk es hat nicht unbedingt was damit zu tun, dass du deinem Mann nicht vertraust, sondern dass es eher ein Problem ist Kontrolle "abzugeben". Oder siehst du das anders?

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Danke für deine Antwort.

Ja, das kommt leider öfter vor. Das sind immer unterschiedliche Sachen, die er vergisst oder verlegt oder nicht mit mir kommuniziert. Er hat da einfach oft die Einstellung: Ist doch nicht so schlimm. Und denkt dann nicht über die Konsequenzen nach.

Übers Anschreien habe ich schon öfter mit ihm gesprochen. Er findet das normal. Er ist anders als ich aufgewachsen, mit einem raueren Umgangston, und fand seine Kindheit sehr schön. Ich fand meine Kindheit auch schön und bin sehr behütet aufgewachsen. Meine Eltern haben fast nie geschrien, für seine Eltern gehörte das zur "Erziehung" und was dazu durchlesen will er sich auch nicht.

Ich weiß nicht. Das kann sein, obwohl ich das in anderen Bereichen nicht so stark habe. Aber ich mache mir immer sehr viele Gedanken um unsere Tochter.

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Dann übergebe die Beschwerden an deinen Mann jedes Mal weiter.
Klar ist nicht alles schlimm, aber wäre doch schön wenn du tatsächlich komplett abschalten könntest und nicht alles erledigen musst, was er vergisst oder nicht schafft. Wie gesagt, ab und zu, ist ok.
Ich weiß zb wenn mein 15 Monate altes Kind bei dem Vater ist, muss ich an nichts denken. Das Kind wird gefüttert, richtig angezogen, Tasche wird gepackt. Ich mache mich in der früh fertig, gebe dem Kind einen Kuss und mein mann macht alles. Aber wir sprechen uns viel ab. Ich lerne von ihm und er von mir.

Anschreien ist für mich eigentlich ein totales nogo. Ich finde es respektlos und falsch. Ich will ja auch nicht dass mich jemand anschreit. Regeln setzen, aber dabei ruhig bleiben. Wenn ich zb nicht mehr kann, springt mein mann ein und ich atme durch.


Das ist auch verständlich dass du dir Gedanken machst. Oke, nach deiner Nachricht hört sich das schon doch eher an als würdet ihr andere Vorstellungen von Erziehung haben und du ihm deswegen nicht vertrauen kannsr. Da muss ein Gespräch her. Da reicht nicht ein "ich mach es so und du so". Ihr müsst was gemeinsames finden und am selben Strang ziehen. Kleinigkeit kann jeder für sich entscheiden, ja.

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Bis auf das anschreien ist alles pillepalle. Männer ticken anders und denken einfach an manchen Dingen nicht gross mit. Mein Mann hat unzählige Sachen in der Kita vergessen, inklusive Schuhe, er hat das Kind auf dem Fahrrad in Hausschuhen heimgebracht etc. Davon trägt das Kind doch keinen Schaden.

Hör auf zu erwarten, dass er alles genau so wie Du erledigt, er bringt dafür andere Qualitäten in die Beziehung zu deiner Tochter ein. Wenn er in manchen Situationen besonders vergesslich ist, schreib ihm eine Liste.

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Ja, du hast Recht. Ich denke auch, dass ich viel verkopfter als er bin. Ich mache mir Gedanken über Dinge, die er gar nicht im Kopf hat. Unsere Tochter hat auch viel Spaß mit ihm. Das weiß ich. Blöd nur, dass es mir so schwer fällt, loszulassen.

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Das sind zwar wirklich blöde Situationen und ihr solltet besprechen, wie er sich solche Dinge besser merken/organisieren kann. Und wenn er dir direkt von der Tagesmutter aus eine kurze WhatsApp schreibt, damit du Bescheid weißt und am nächsten Tag nicht blöd dastehst.

Aber an sich sind es auch keine super dramatischen Dinge. Mein Mann ist auch schon mit meiner Tochter in Outfits raus, bei denen ich, als ich es gesehen habe, die Hände überm Kopf hätte zusammenschlagen können - meist hat er das dann aber selbst gemerkt, dass beispielsweise die Turnschuhe für Matschwetter eher ungeeignet waren. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihn deswegen nicht mehr einfach machen zu lassen. Es ist ja schließlich genauso gut sein Kind (und ich kann wirklich schlecht loslassen und wir haben sie bisher sonst von niemandem Fremdbetreuen lassen).

Wir haben die Kids ja (wie ich das so bei dir ebenfalls versteh) definitiv mehr als die Männer. Die müssen sich da eben erstmal reinfinden. Ging mir zumindest anfangs nicht anders mit Baby, welches ich sicher das ein oder andere Mal falsch eingepackt hatte, Windeln vergessen habe oder die Schläfchen ausfallen lassen habe, um anschließend ein quengelndes Kind zu haben.

Learning by doing, dein Kind wird da keinen schaden davon tragen & du musst da wirklich lernen, zu vertrauen. Er ist der Papa und sollte da genauso viele Rechte und Pflichten haben dürfen, wie du.

Alles Liebe! ☺️

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Danke. Das mit der Nachricht finde ich tatsächlich eine gute Idee. Wir brauchen irgendwie ein besseres Kommunikationssystem, denn "erzähl mir, was ich wissen muss" funktioniert oft nicht.

Inzwischen ist es tatsächlich ziemlich gleich verteilt, wer unsere Tochter wie viel betreut. Anfangs war das anders. Da war sie vor allem bei mir, auch weil wir erst zusammen gezogen sind, als sie sechs Monate alt war.

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Ich hab gerade gesehen, dass mein Beitrag ins "Allein erziehend" - Forum verschoben wurde. Das ergibt KEINEN Sinn. Wir sind kein Paar, aber wir wohnen zusammen und wir kümmern uns beide um unsere Tochter. Ich fühle mich in keinster Weise alleinerziehend.

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Hallo Lilasiem,
als ich deinen Anfangstext gelesen habe, war mir das Bild von alleinerziehend und Vater lebt woanders sofort vor Augen.
Ich verstehe dann dein Problem nicht wirklich, wenn Ihr als quasi Familie zusammen lebt. Dann hast Du doch immer Einfluss auf den Umgang des Vaters mit Eurer Tochter??? Wie kann es sein, dass Ihr zusammen lebt und doch solche Kommunikationsschwierigkeiten habt?
Ich habe die Entwicklung in der 1. Familie meines Sohnes miterlebt, wie aus Kommunikationsschwierigkeiten langsam die Notwendigkeit einer Trennung entstand und mache mir bei einer solchen Konstellation, wie Du sie beschreibst, einfach Sorgen (um Euch alle drei)

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"Ich verstehe dann dein Problem nicht wirklich, wenn Ihr als quasi Familie zusammen lebt. Dann hast Du doch immer Einfluss auf den Umgang des Vaters mit Eurer Tochter?"

Aber ich möchte doch, dass er sich einbringt, was er auch macht. Die beiden verbringen Zeit ohne mich, auf die ich eben keinen Einfluss habe. Wenn er sie zur Tagesmutter bringt, muss ich darauf vertrauen, dass das funktioniert. Wenn ich arbeite / in der Uni bin und er sich kümmert, muss ich vertrauen, dass es ihr in der Zeit gut geht.