Wieviel Gewalt ist bei der Kindererziehung legitim?

Hallo,

aus aktuellem Anlass starte ich hier diese Umfrage.

Ich bin in einem Umfeld von absoluter Gewaltfreiheit aufgewachsen und habe nun mitbekommen, dass die Mutter meines Exmannes (und damit Großmutter meines Kindes) Gewalt legitimiert und in gewissen Fällen sogar akzeptiert, was mich persönlich unheimlich schockiert.

lg

P.S.:
Zum Start einer möglichen Diskussion die Rede von Astrid Lindgren, als sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat.
http://www.zeit.de/reden/die_historische_rede/friedenspreis_lindgren

Wieviel Gewalt ist bei der Kindererziehung legitim?

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Das Problem an eurer Sichtweise ist wieder einmal, dass ihr euch wortwörtlich daran haltet, was ihr im Sinne des Gesetzes für legitim haltet. Ich bin natürlich auch für gewaltfreie Erziehung, völlig klar. Aber sich daran zu klammern, dass man ein Kind nie mal eine auf den (Windel?)Popo gibt und damit der Gutmensch schlechthin ist? Das ist doch zu kurz gedacht, meine ich. Ich erlebe als Lehrerin quasi in jedem 2. Elterngespräch (also, die echten Elterngespräche, nicht die, wo sich die Eltern am Sprechtag in 5 min nen Überblick verschaffen und JEDER kommt, ob Problem oder nicht) massive Gewalt an den Kindern. Da stellen sich mir alle Haare auf, die ich so am Körper trag. Ich spreche von: Ich leere meinem Kind den Schulpack aus, während das Kind auf Klassenfahrt ist und suche heimlich darin herum. Ich verbiete meinem Kind, in den Ferien mit der Tante ins Schwimmbad zu gehen, weil zwei Wochen nach Schulbeginn Schulaufgabe geschrieben wird. Ich spreche wegen schlechter Noten nicht mehr mit meinem Kind, grüßt es mich, sag ich darauf: "Weißt du nicht, dass wir nicht miteinander reden." Ich stelle mein Kind bloß, sage ihm vor dem Lehrer ins Gesicht: "Du taugst nichts, ich weiß eh, dass du immer lügst. Mit deiner Schwester haben wir Freude, du machst immer nur Ärger." Ich streiche meinem Kind Taschengeld, ich nehme erteile absolutes Computer-, Handy-, Fernsehverbot. Ich mache meinem Kind VOR der Schulaufgabe so viel Angst, dass das Kind massiv unter Druck steht. Mein Kind ist mir total egal, ich kümmere mich nicht mehr drum, weil ich a) eh schon viel zu viel drum geschissen hab (und ihm bis zur 5. Klasse den Arsch unnötigerweise abgewischt habe) und b) weil es so saublöd ist, dass es nichts hilft. Mein Kind muss mir - auch im Beisein von anderen Leuten - ALLE Hausaufgaben vorlegen, wenn sie mir nicht gefallen, zerreiß ich die Seiten, es macht es nochmal.

Ich arbeite an einer ganz normalen Schule, keiner Brennpunktschule, keiner Eliteschule. Ganz normale Mittelschicht. Ich habe von meiner Mutter hin und wieder "eine eingefangen". Nicht so, dass es wehtat, und nie ohne Grund. Ich war ziemlich frech und wenn mal auf der Palme nicht mehr zu stoppen. Aber die og. Dinge hätte meine Mutter NIE gemacht. Eine "Watsche" ist eine kurze Sache, die oft auch mal reinigend wirkt, danach sind beide schockiert und es tut beiden leid. Man fängt von "Null" an. Und im Eifer des Gefechts KANN sie mal passieren, soll nicht, aber kann. Als "Gewalt" hab ich das nie empfunden, eher als Affekt und Zeichen, dass jetzt das Maß überschritten wurde. Die anderen Dinge sind von langer Hand geplant, im vollen elterlichen Bewusstsein. Sie sind demütigend, beschämend, sie setzen die PERSON herunter, nicht die Handlung.

Nochmal: Ich finde hauen oder so etwas nicht richtig. Ich finde es WICHTIG, sich vorzunehmen, darauf zu verzichten. Aber ich finde es scheinheilig und falsch, wenn hier mit dem Finger auf Leute gedeutet wird, die hin und wieder ohne Schmerzen zuzufügen dem Kind eine auf den Popo geben und gleichzeitig (oder später) die Kinder so unter Druck zu setzen, wie ichs täglich erlebe.

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Ich finde es erschreckend wie viele Menschen Schläge gerade auf den Windelpo als harmlos abtun. Man achte hier mal auf das Wort WINDEL und sollte genau da ins stocken geraten. Wie alt sind Windelkinder denn?

Ab Geburt bis ca 3 Jahre.Kleinkinder die also oftmals nicht richtig sprechen können, kleine Leibchen die oft keinen Meter gross sind.
Und diese zu schlagen ist nicht schlimm?

Selbst meine Oma!! wurde gewaltfrei erzogen und hat Gewaltfrei erzogen.

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Ich bin wirklich entsetzt.
Gewalt gegen Kinder lehne ich grundsätzlich ab und kann eigentlich fast nicht glauben, was du schreibst.

Wie wird diese Art begründet? Die Pseudoargumente für physische Gewalt sind ja hinlänglich bekannt, aber wie rechtfertigt man sich beispielsweise für Liebesentzug?! "....und da habe ich mir gedacht, er soll mal wissen, wie gemein wir werden können...."?
Ich bin auch manchmal sauer, wütend oder genervt von Dingen, die meine Kinder tun,nicht tun oder die sie sagen und ich schimpfe manchmal auch lauter als es gut wäre, aber ich kann guten Gewissens von mir behaupten, daß ich meine Kinder noch niemals geschlagen habe oder sie emotional bestraft habe. Ich glaube nicht an das Prinzip der Strafe.

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Gewalt ist gar nicht legitim, auch nicht legal! #aha

BGB, § 1631, Inhalt und Grenzen der Personensorge

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(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.

...

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Nur leider sieht das in der Praxis immer noch anders aus. Zeigen zumindest immer wieder wieder Untersuchungen.

Und da stellt sich auch die Frage, ob ein "Popoklapps" als Gewalt anzusehen ist. Ich sage ja. Andere Menschen wiederum nicht.

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Hallo.

Bei mir gitb es keinerlei Gewalt. Ich bin völlig gewaltfrei erzogen worden. Mein Mann wurde hin und wieder geklappst oder geohrfeigt. Er würde das auch bei unseren Kindern nicht schlimm finden. Allerdings weiß er, wenn er es auch nur 1x wagt, kann er gehen. ;-)

Ich muss mir nicht beweisen, dass ich meinen Kindern körperlich überlegen bin. Das weiß ich auch so. Und wenn ich es nicht schaffe, mit meinen Kindern verbal Konflikte zu lösen, wäre das ein Armutszeugnis für mich...

LG Sophie

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Ich hab früher auch mal nen Klaps bekommen. Keine Ahnung, ob mir das geschadet hat oder nicht.
Meine Tochter wächst absolut gewaltfrei auf. Gewalt in der Erziehung finde ich nicht vertretbar.

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Ich selbst wurde als Kind schwer misshandelt und verprügelt bis ich mit fast sieben Jahren von zu Hause abgehauen bin.

Eine Sache habe ich mir immer Geschworen, niemals wirklich niemals werde ich meine Kinder schlagen auch nicht Klapsen.

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Ich wurde früher des Öfteren mit dem Kleiderbügel verprügelt, oder durfte zusehen, wie mein älterer Bruder zuerst verdroschen wurde, mit dem Bewusstsein, dass danach ich dran bin...
Tja. da herrschte noch Zucht und Ordnung! Und das Spannende dabei ist, das es immer unsere Mutter war, die zuschlug. Mein Vater hat wenn überhaupt, immer nur zugesehen...

Von daher gibt es bei mir in der Erziehung keinerlei Gewalt. Nicht mal ansatzweise.

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Das tut mir leid! Welches Verhältnis hast du denn heute zu deinen Eltern?

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Meine Mutter ist vor vielen Jahren an ihrer Alkoholsucht zugrunde gegangen.

Das war keine schöne Zeit, aber letztendlich hatte sie auch den Willen zum Leben nach der Scheidung meiner Eltern verloren. Also war es irgendwie auch absehbar.

Mein Vater ist mittlerweile wieder verheiratet (mit der Frau wegen der er meine Mutter verliess) und ist glücklich. Das Verhältnis ist normal. Wegen der geographischen Entfernung ist der Kontakt aber eh limitiert.

insgesamt beklage ich mich nicht. ich hab eine ungefähre Idee davon, welchen Einfluss das ganze auf die Formung meines Charakters hatte, und hab mich damit eben arrangiert. (hat man eine Wahl?). Ich hab auch keinen Groll gegen meine Eltern. Das ist alles in der Vergangenheit. Sie wussten es nicht besser. Speziell meine Mutter hatte ja durch ihre eigene Kindheit nie Gelegenheit zu lernen, wie man seinen Kindern Emotionen zeigt.

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NEIN! Es ist in keinster Weise legitim! Wer Kinder schlägt, ist einfach armseelig und asozial! Da kenne ich kein Pardon! Und krieg die Wut!

Ich selbst wurde völlig gewaltfrei erzogen und lebe das heute genauso.

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Ich möchte mich Brille09 an schließen:

Mir fiel schon öfter auf: Es wird ständig über körperliche Gewalt gesprochen, aber selten über psychische.

Meine Schwester und ich wurden auch mal geklapst, mal war es auch ein bischen mehr. Schlimmer war aber die seelische Gewalt.

Sätze wie...

Was bist du doch für ein Unikum/eine komische Tante/ ein komisches Gör.

Immer muss man sich schämen/fürchterlich ist es mit dir.

Hätt`ich mir nur nie Kinder angeschafft.

Ach, das schaffst du doch eh nicht.

...waren normal. Entmutigungen und verbales Runtermachen ebenfalls. Und noch einiges andere.

Und wir haben nicht minder daran zu knabbern als Leute, die misshandelt wurden. Meine Schwester ist z. B. mitte zwanzig und wird aus psychischen Gründen Rente beantragen.

Psychische Gewalt habe ich in den langfristigen Auswirkugen auf die Seele mindestens genauso verheerend, wenn nicht noch schlimmer erlebt wie körperliche Gewalt.

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Es ist beides schlimm !!!!
Dir steht doch frei eine eigene Umfrage uber psychische gewalt aufzumachen .

Jeder empfindet es anders , da muss man nicht so tun , als ob Schläge nicht so schlimm wären ( so ließt sich das ) es ist beides nicht akzeptabel.

Den einen lässt die ohrfeigen kalt , den anderen herzlose Sprüche.

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"Jeder empfindet es anders , da muss man nicht so tun , als ob Schläge nicht so schlimm wären ( so ließt sich das ) es ist beides nicht akzeptabel."

Dann hast Du falsch gelesen. Ich habe nicht sagen wollen dass mich Ohrfeigen (sind schon schlimm genug, eine Jugendfreundin von mir musste deswegen am Innenohr operiert werden) kalt lassen. Ebenso das "Klapsen".

Ebenso habe nirgendwo geschrieben dass Schläge nicht schlimm sind!

Mir ist aber schon des öfteren aufgefallen dass sich ständig über körperliche Gewalt empört wird. Über psychische liest, spricht, diskutiert man selten. Das macht mich wütend. Daher auch mein Beitrag.

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Weder körperliche noch psychische Gewalt ist legitim.

Jetzt aber seelische Gewalt aufzuzählen, und dagegen behaupten eine Ohrfeige oder ein Klapps auf die Windel BEI EINEM KLEINKIND! wäre besser oder legitim ist das aller aller Letzte.

Ich habe als Kind beide Varianten von Gewalt erleben müssen. Ohrfeigen wegen vergessenen Turnbeuteln, extremer Druck wegen mittelmässiger Schulnoten, und BEIDES war eher ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Überforderung. Liebe gab es dagegen viel zu wenig.

Es ist nicht nötig zu schlagen, schon gar nicht bei Kleinkindern.

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#pro

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Danke dir!

Ich dachte schon, ich bin die einzige, die brilles Beitrag nicht gut findet.

Klar, ist psychische Gewalt schlimme (obwohl in meinem Umfeld kenne ich auch solche Beispiele gar nicht), aber zusagen, dass ein Klapps an einem Kleinkind weniger schlimm ist, geht in meinen Augen zu weit.

LG,
Natalia