Warum unbedingt Gymi wenn Nachteilsausgleich nötig ist?

Ich habe eine Frage, die bitte nicht als Angriff verstanden werden soll... es interessiert mich einfach.

Ich lese hier immer wieder, dass Kinder auf dem Gymnasium sind mit z.B. (im Konkreten Fall) LRS und ADS. Das Kind bekommt dann einen Nachteilsausgleich (zB Rechtschreibung wird nicht gewertet), weil es die geforderte Leistung ohne diesen nicht erbringen kann und untergehen würde... und gerade LRS betrifft ja nicht nur ein Fach. Das betrifft Deutsch, Englisch, Französisch, Latein...

Warum schickt man sein Kind auf eine Schule, wenn es den Fähigkeiten des Kindes nicht entspricht und viel Frust und Demotivation zutage bringt? Das Kind stößt immer wieder an seine Grenzen, durch den Nachteilsausgleich wird ihm immer wieder vor Augen geführt, dass es aus eigener Kraft nicht " reicht". Ist das nicht schlimm für das Selbstwertgefühl?

Verliert ein Kind dadurch nicht an Selbstvertrauen und "zerbricht"?

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Einfach nein. Ich bin Gymnasiallehrerin und kann dir versichern, dass kognitive Begabung, Freude am Denken und Arbeitshaltung - die drei Grundpfleiler für gymnasiale Eignung - null, wirklich null, mit LRS oder ADHS zu tun haben. Deine Prämissen sind einfach faktisch falsch.

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Danke für deine Antwort. Es geht mir nicht darum, dass ich absprechen möchte dass die grundsätzliche Fähigkeit es zu schaffen vorhanden sind.

Ich habe eine Arbeitskollegin, die LRS hat... und ihr Satz, der mich sehr nachdenklich gemacht hat war: es ist immer so frustrierend, dass ich da sitze und die PS nicht auf die Straße bekomme. Das macht mich wahnsinnig."

Und dann las ich einen Beitrag mit großem Schulfrust einer Userin... und da ploppte die Frage auf, die ich gerne verstehen wollte.

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Ich habe echt lang so gedacht wie du und denke auch heute in meinen privaten Gedanken noch so, dass vieles, was ich als "diagnostizierte Schwäche" kennen lerne, auf mangelnde Disziplin zurück zu führen ist.

ABER: Um am Beispiel deiner Kollegin zu bleiben: Die PS könnte sie auch in einem anderen Beruf nicht auf die Straße bringen. Letztendlich hat sie (und die Kinder mit Nachteilsausgleich) durch einen höheren Bildungsabschluss bessere Chancen. Das Leid bliebe jedoch auf den unteren "Karrierestufen" gleich.
UND: Ich habe einen Schüler, der einen Nachteilsausgleich zugestanden hätte, wo versäumt wurde, sich darum frühzeitig zu kümmern. Dem wurden dann von 14/15 Punkten beständig 2 Punkte abgezogen und der hat immer noch ein 1er Abitur hingelegt. Die Rechtschreibfähigkeit hat nichts über die fantastischen Gedanken, die jemand haben kann, zu sagen.
UND: Ich habe Kinder in Naturwissenschaften unterrichtet, die schlechte Leistungen erbracht haben und von denen ich, nur von den Leistungen in meinem Fach ausgehend, mich gefragt habe, was sie in der Oberstufe wollen - bis ich mich mit den Fachkollegen aus den Geisteswissenschaften kurzgeschlossen habe und die dort teilweise hervorragende Leistungen erbracht haben. Was sagt dann die Note im Fach Chemie über ihre Fähigkeiten in anderen Bereichen aus?

Es gibt auch Nachteilsausgleiche, die ich persönlich, als unfair empfinde (z.B. vereinfachte Aufgabenstellungen in der Oberstufe - die Formulierung der Aufgaben ist häufig ein Knackpunkt bei Schülern die nicht gründlich arbeiten..), aber LRS/Dyskalkulie zählt für mich nicht dazu. Jemand mit Dyskalkulie ist häufig ohnehin gestraft genug, weil er häufig bereits 4 Unterkurse sicher hat - und das mit Leistungen der anderen Fächer wettmachen muss.

Hinter der Frage, ob ein Nachteilsausgleich Sinn ergibt, steckt glaube ich die grundsätzliche Frage, ob alle Menschen die gleiche Leistung erbringen müssen. Für Frauen gibt es ja auch "Nachteilsausgleich" derart, als dass sie bei sportlichen Eignungsprüfungen weniger leisten müssen. Oder, dass sie Kündigungsschutz während der Elternzeit (in TZ ;) ) haben. Und bezogen auf Behinderung steckt die Frage: Leidet die Person unter ihrer Beeinträchtigung/Behinderung und sollte man das Leiden verringern? Die Frage kann also noch viel größer gefasst werden und dann ist man auf einmal beim gesamten Welt- und Menschenbild.

Ich hatte einmal einen Schüler, der ebenfalls einen Nachteilsausgleich hatte. Dieser bestand darin, dass er in den höheren Klassen 2-3 Stunden/Woche mit einer Lehrkraft hatte, einfach um seine Unterlagen zu sortieren und sich zu strukturieren. Das Kind hat gute Leistungen erbracht und definitiv sehr viel Arbeit in die Schule investiert (Um es mal flapsig auszudrücken: Ein Musterschüler), hätte aber alleine die Chance nicht gehabt die Leistung auf die Straße zu bringen, weil er ewig alle Lernsachen vergessen, verloren hätte. Ohne diese Hilfe wäre er wahrscheinlich auch in der Hauptschule untergegangen (fun fact: Er kam mit einer Sonderschulempfehlung und ist in die Oberstufe gegangen). :-)

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Kurze Antwort:

Weil es auch 1,0 Abiturienten/innen gibt, die eine Einschränkung oder Behinderung haben.

Und ja, ich finde deinen Beitrag anmaßend und diskriminierend.

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Ich finde es schade, dass du das so siehst. Ich habe extra eingehend geschrieben, dass ich es verstehen möchte. Wenn es für mich klar wäre, hätte ich nicht gefragt.

Und ich habe nirgendwo etwas allgemein von Behinderungen geschrieben. Dass ein Rollstuhl keinen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten hat, ist mir natürlich klar. Und das war auch nicht meine Frage.

Meine Gedanken kreisten um das Selbstwertgefühl der Kinder, wenn sie sehen, dass es ohne den Ausgleich nicht geht. Und daher mein Gedanke, ob es z.B. an einer Gesamtschule nicht "einfacher" wäre und Frustration erspart werden könnte.

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LRS/ADS/ADHS sind geistige Behinderung/ Beeinträchtigung. Du hast also sehr wohl davon gesprochen.

Und mich nervt nur dein Verallgemeinern. Natürlich gibt es Kinder, die darunter leiden und für die eine Gesamtschule vielleicht besser wäre, aber das gilt nicht für jedes Kind mit einer der von dir genannten Beeinträchtigungen.

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Eine andere Schulform ändert am Problem ja nix und die Vorgehensweise wird sicherlich die selbe sein.
Von daher sehe ich da keinen Grund wegen sowas nicht aufs Gymnasium zu gehen.

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Weil so ein Kind auf einer Haupt-, Mittel- oder sonst-was-Schule genauso einen Nachteilsausgleich bräuchte. Und es hätte dann nicht die inhaltlichen Anforderungen, die seiner Begabung entsprechend. Das halte ich für noch frustrierender.

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Ich hatte jahrelang einen Nachhilfeschüler mit LRS. Er hatte in Klausuren mehr Zeit, Texte wurden ihm vorgelesen und die Rechtschreibung wurde nicht so stark bewertet. Trotzdem hatte er große Probleme, in sämtlichen Fächern mitzuhalten. Er hatte Nachhilfe in Englisch, Deutsch und Mathe und ab der Oberstufe auch in Spanisch und Geschichte. Zuerst war es nicht klar, ob er die Qualifikation für die Oberstufe schafft. Dann ob er das Abitur besteht. Er hat sich durch die Schule gequält. Solche Fälle gibt es sicher und auf einer anderen Schulform wäre es für ihn mit Sicherheit entspannter und weniger frustrierend gewesen.

Aber das trifft genau so auf Kinder ohne eine bestimmte Schwäche zu. Der Sohn einer Freundin meiner Mutter hatte seit der Grundschule Schwierigkeiten in der Schule und hat mit viel, viel Förderung und Stress Abitur gemacht. Warum? Weil es den Akademikereltern wichtig war, ein Akademikerkind zu haben.

Genau so gibt es Kinder, die einfach nur eine Schwäche in einem Bereich haben. Die durch den Nachteilsausgleich super mithalten können. Ich habe mit einem Mädchen Abitur gemacht, die eine stark ausgeprägte Rechenschwäche hat. Sie hatte schon in der Grundschule eine fünf in Mathe und daran hat sich bis zum Abitur nichts geändert. Dafür war sie in allen anderen Fächern gut. Ähnlich ist es bei einer LRS: Stell dir vor, du bist in Mathe und Naturwissenschaften super, bist sportlich, musikalisch und künsterlisch begabt. In den Sprachen beherrschst du die Aussprache und kannst dich gut verständigen. Und dann sollst du auf eine Schule gehen, auf der du maßlos unterfordert bist, weil du Schwierigkeiten mit Texten hast (die du auf einer anderen Schulform ebenfalls hättest). Ziemlich frustrierend und auch unfair, oder denkst du nicht?

Mit ADS kenne ich mich zu wenig aus, um sinnvoll etwas beitragen zu können.

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Erstmal bedeuten LRS und Dyskalkulie nicht, das ein Kind nicht Lesen / Schreiben / Rechnen lernen kann. Sie bedeuten, dass ein Kind diese Fähigkeiten anders lernen muss als 95% der Kinder.

Ausserdem sagen LRS / Dyskalkulie / ADS nichts aber auch gar nichts über die Intelligenz eines Kindes aus. In der Grundschule meiner Söhne war ein Mädchen, das LRS und Dyskalkulie hatte und einen IQ > 140. Die Teilleistungsstörungen werden auch immer im Zusammenhang mit der prinzipiellen Leistungsfähigkeit eines Kindes beurteilt.
Wenn z.B. ein Kind mit einem IQ von 90 in einem standardisierten Test 10 Fehler macht, kann es durchaus sein, dass keine Rechtsschreibstörung diagnostiziert wird, weil 10 Fehler bei IQ 90 erwartbar sind, während bei einem Kind mit IQ 120 weniger Fehler erwartet werden und man da also durchaus von einer Teilleistungsstörung sprechen kann.
Genau deswegen sind die Nachteilsausgleiche ja so wichtig. Es ist imho nicht problematisch, wenn ein Kind für eine brillante Gedichtsanalyse eine 1 bekommt. Es ist viel eher problematisch, wenn es eine 3 oder 4 bekommt, nur weil die Analyse vor Rechtschreibfehlern strotzt.
Und es ist ebenfalls unproblematisch, wenn PhysikerInnen, InformatikerInnen LRS haben. Die Rechtschreibkorrekturen der gängigen Textverarbeitungssysteme sind mittlerweile ziemlich gut. Viel schlimmer wäre es doch, wenn Kinder mit LRS niemals studieren könnten, weil man ihnen die Befähigung für's Gymnasium von Anfang an abspricht.

Grüsse
BiDi

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Hallo,

vermutlich hast du dich gar nicht damit beschäftigt, was diese beiden Phänomene bei den Betroffenen bewirken ... Daraus resultieren auch deine Vorurteile, wenn sie auch unbewusst durch deine Unwissenheit begingt sind.

Mein Sohn hat ADHS, einen beidseitigen Handtremor und eine leichtere isolierte Rechtschreibschwäche. Er ist mittlerweile 8. Klasse am Gymnasium und kämpft sich mit hohem Einsatz durch. Er wollte bislang nicht, dass er einen Nachteilsausgleich bekommt, weil er dann im Zeugnis steht, seine Klassenkameraden und Lehrer es wüssten und er Angst vor der Unwissenheit der Menschen hat, die ihn vielleicht deshalb abstempeln.

Er bekommt aufgrund seines Handzitterns ein paar Minuten mehr Schreibzeit in Arbeiten, das ist alles. Seit diesem Schuljahr wird auch die Rechtschreibung in allen Fächern mitbewertet. Er bekommt in jeder Klassenarbeit eine Note schlechter wegen der Rechtschreibung. Er nimmt Medikamente, die ihm im Unterricht helfen, die Aufmerksamkeit ausreichend lang zu halten.

Er kämpft sich da durch und wir helfen ihm dabei und sind sehr stolz. Natürlich demotiviert es häufig, wenn die Ergebnisse so von der Rechtschreibleistung abhängen - aber des demotiviert in meinen Augen noch mehr, wenn man irgendwo seine Zeit absitzt.
Auf der Realschule hätte er doch das gleiche Problem, das verschwindet doch nicht. Später im Studium und Beruf wird ihn die Rechtschreibschwäche sicher nicht mehr behindern, bei den ausgereiften Programmen heutzutage.

VG
B

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LRS wird dann diagnostiziert, wenn die Lese-/Rechtschreibfähigkeit deutlich schlechter ist, als die kognitive Leistungsfähigkeit (Intelligenz). Aus einem Kind mit ADHS und LRS kann durchaus ein Physik-Nobelpreisträger werden (aber vorher braucht es wahrscheinlich eine Hochschulreife und ein Studium). Es wäre doch Blödsinn, die Kinder dauerhaft zu unterfordern, nur weil sie häufig Rechtschreibfehler machen.

Würdest du (zugespitzt) auch fragen, warum ein Kind mit körperlichen Beeinträchtigungen einen Fahrdienst zum Gymnasium benötigt, wenn es direkt neben einer Förderschule wohnt?

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Hallo,

Nur weil ein Kind einen Nachteilsausgleich hat heißt das nicht dass es demotiviert ist und auf dem Gymnasium überfordert wäre.

Meine Tochter ist Asperger Autistin mit Savant Syndrom, sie hat einen IQ knapp vor HB. Hat allerdings Schwierigkeiten mit dem Arbeitstempo. Also bekommt sie weniger Aufgaben oder mehr Zeit. Sie hat in fast allen Fächern eine 1, ihre mündliche Mitarbeit ist top da sie die Schule und das Lernen liebt.
Mir ist völlig egal an welche Schule sie geht, welche Noten sie hat und welchen Abschluss sie macht. Sie möchte technische Ingenieurin werden, ich bin sicher sie schafft das. Auf welchem Weg ist aber ja am Ende egal, man muss ja nicht zwingend am Gymnasium gewesen sein um zu studieren. Meine Schwester hat berufsbegleitend ihr Abi gemacht, so kann man auch Studieren.

Am wichtigsten finde ich daß das Kind glücklich an der passenden Schule ist. Dann wird es auch die ihm bestmögliche Leistung bringen.

LG
Sunny