Erziehung heute VS. Erziehung 90er/2000er

Guten Morgen,


mir fallen immer wieder einige Diskrepanzen zwischen der heutigen, meiner Meinung nach relativ liberalen Erziehung und der Erziehung vor 20-30 Jahren auf.

Es ist besonders auffällig aber auch durchweg positiv, wie sehr Eltern heutzutage auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder achten.
Das heißt, dass die Wünsche der Kinder immer mehr berücksichtigt werden und man versucht den Sprösslingen das Leben so einfach und barrierefrei wie möglich zu gestalten.

Damals ,,wurde das gegessen, was auf den Tisch kam“ und heute dagegen werden die Präferenzen der Kinder akribisch umgesetzt.
Den materielle Anforderungen wird, insofern finanziell möglich, häufiger und schneller nachgegangen im Vergleich zu meiner Zeit, wo ich, mein Bruder und andere Nachbarskinder sehnsüchtig auf den nächsten Geburtstag oder Heiligabend warten mussten, wenn wir ein hochwertiges Geschenk haben wollten.

Als ich im Einzelhandel arbeitete, fielen mir besonders zahlreiche spendable Eltern auf, deren Kinder nahezu wahllos mit dem Zeigefinge ihre Wunschartikel selektierten ohne auch nur einen Funken Widerstand seitens der Eltern zu erhalten.
Sowas hat es bei uns damals nicht gegeben, viel mehr durfte nur ein kleines Teilchen ausgesucht werden und dann war Schluss mit der Begründung, man solle lernen, dass man im Leben auch mal verzichten muss, so der O Ton meiner Eltern.

Teilweise wurden wir mit leichten Erkältungssymptomen trotzdem in die Schule geschickt, was ich eigentlich nicht vollkommen verwerflich finde.
Heutzutage habe ich schon Eltern erlebt, die bereits bei einer kleinen Schürfwunde ihre Kinder für 3 Tage aus der Kita oder Schule nehmen.

Im Fall einer schlechten Noten mussten wir uns als Schüler einzig und allein für diese Leistungen verantworten, darüberhinaus erhielten wir die Konsequenzen in Form von extra Unterricht, Fernsehverbot oder anfallende Übungsaufgaben, währenddessen inzwischen immer mehr Eltern dazu geneigt sind, den Lehrern die Schuld für schulisches Versagen zu geben.

Ich könnte die Liste weiter fort führen…


Möglicherweise ist dies nur meine subjektive Wahrnehmung, schreibt bitte, wenn ihr das anders sieht oder ähnliche Erfahrungen gemacht habt.

1

"Es ist besonders auffällig aber auch durchweg positiv, wie sehr Eltern heutzutage auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder achten.
Das heißt, dass die Wünsche der Kinder immer mehr berücksichtigt werden und man versucht den Sprösslingen das Leben so einfach und barrierefrei wie möglich zu gestalten."

Du bringst da zwei Sachen durcheinander. Auf der einen Seite sind Bedürfnisse. Bedürfnisse beinhalten aber zum Beispiel auch, Grenzen zu erfahren und Barrieren selbständig zu überwinden und somit Erfolgserlebnisse zu haben. Etwas anderes sind Wünsche. Ich wüsste nicht, was daran positiv sein soll, wenn Eltern ihren Kindern alle Wünsche erfüllen und alle Barrieren beseitigen. Ja es gibt so eine Entwicklung, aber das ist nicht positiv und entspricht auch nicht den Bedürfnissen von Kindern.

Ich bin etwas irritiert, weil du negative Entwicklungen beschreibst und das dann positiv findest.

Bearbeitet von Inaktiv
2

Es ist ein Zwiespalt. Auf der einen Seite finde ich die Idee positiv Kinder mehr zu unterstützen, ihnen mehr Gehör zu verschaffen und bei Bedarf optimiertere Hilfestellung zu geben, andererseits kann diese Idee in Einzelfällen auch ausufern und nicht tragbare Dimensionen annehmen, sodass man dem Nachwuchs jegliche Barrieren und die damit verbundenen Erfolgserlebnisse vorenthält.
Dies ist natürlich nicht förderlich, keine Frage.
Hier ist es eher eine Frage des Ausmaß, inwieweit das Leben des Kindern vereinfacht wird und ob sich die Unterstützung noch in einem angemessenen Rahmen befindet.

Zum einen beobachte ich parallel zu dieser Überbehütung eine verstärkte Wunscherfüllung der Kinder.
Ich glaube kaum, dass das ein starkes Zusammenspiel dieser beiden Faktoren förderlich ist, dennoch finde ich den Ansatz der bedürfnissorientierten Erziehung, der sich in den letzten Jahrzehnten etabliert hat, recht positiv.

6

Die bedürfnisorientierte Erziehung ist meiner Meinung nach der Erziehungsstil, der mit dem aktuellen Wissensstand über die Entwicklung von Kindern am besten zusammenpasst und den ich immer empfehlen würde. Die bedürfnisorientierte Erziehung hat aber nichts mit Überbehütung, den Lehrern wegen schlechten Noten aufs Dach steigen und dem Kind jeden materiellen Wunsch erfüllen zu tun. Das sind einfach zwei getrennte Themen.
Ich glaube diese Entwicklungen (Helikoptern etc.) hängen eher damit zusammen, dass man immer weniger Kinder hat und vielleicht auch später Kinder bekommt. Es ist viel Aufmerksamkeit für das einzelne Kind übrig und auch die Hoffnungen und Wünsche der Eltern konzentrieren sich meist auf 1 bis 2 Kinder. Da darf dann bloß keine schlechte Note die Traumkarriere stören. Wenn man 4+ Kinder hat, kocht man sicher nicht 4 verschiedene Gerichte am Tag. Aber wenn man bedürfnisorientiert erzieht, zwingt man die Kinder auch nicht, das eine gekochte Gericht zu essen, sondern sie dürfen sich eben auch schnell ein Brot machen oder so.

3

Auf die Bedürfnisse haben meine Eltern schon geachtet.

Den Rest finde ich zum Großteil eher negativ. Man sollte seine Kinder nicht verwöhnen und ihnen alles abnehmen, sondern sie so erziehen, dass eine Grundlage geschaffen wird, mit der sie in dieser Welt bestehen können.

4

Interessantes Thema. Ich denke, das liegt daran, dass man heute durch Internet etc. Einfach mehr weiss.

Zb das Thema "Babys schreien lassen", was vielleicht nicht mehr 1990 praktiziert wurde, aber früher halt doch. Man glaubte, die merken, dass grad keiner kommt und beruhigen sich irgendwann von selbst (und sei es, dass sie irgendwann einfach nicht mehr können).

Heute kann man überall nachlesen, was "schreien lassen" psychisch und körperlich mit den Kindern macht, das geht hin bis zur Todesangst, und wer das liest, müsste schon sehr grausam sein, das in Kauf zu nehmen, nur um eben noch das Kapitel zuende zu lesen...

Wobei ich es schon ok finde, wenn ein Kind zb mit aufgeschlagen Knie zur Schule muss (wenn auch nicht wirklich krank) und auch seinen Haushaltspflichten nachkomnen soll.

Wie soll man sonst verstehen, dass es später im Arbeitsleben nicht möglich ist, sich wegen jeder Kleinigkeit krank zu melden? Und irgendwann im eigenen Haushalt eben keiner den Müll rausträgt oder einkauft, wenn man selbst es wegen einer vereiterten Gesichtsentzündung (kurz Pickel) nicht tut?

15

Gewisse Dinge kann man auch durch Beobachtung lernen. 😉 Ich hatte beispielsweise als Kind niemals Pflichten im Haushalt und war trotzdem in der Lage später meinen eigenen Haushalt zu führen ohne im Chaos zu versinken oder nur vom Lieferdienst zu leben.

5

Ich glaube, du vermischst da vieles.
Autoritäre Erziehung hat wohl der Großteil von uns erfahren. Das heißt ja nicht, dass unsere Eltern uns weniger liebten aber das Kind hatte halt damals „zu funktionieren“. Natürlich haben meine Eltern auch auf meine Bedürfnisse geachtet, aber eben nicht mit der Sensibilität und dem Wissen, das die eltern-Generation von heute hat.

Ich kann nur für meine Familie sprechen, aber meine Kinder müssen nicht „funktionieren“. Wenn mein Kind einen Wutanfall hat, versuche ich den Grund zu finden, eine Lösung oder Alternative anzubieten. Ich fauche es nicht an, dass es still sein soll und keinen Grund hat, zu schreien. Klar bin ich auch nicht immer die Ruhe in Person, aber auf die Bedürfnisse des Kindes acht geben ist mir unheimlich wichtig. Außerdem suche ich mir bewusst die Kämpfe aus, die wir kämpfen müssen. Geht es um Gesundheit und Sicherheit, gibt es keine Kompromisse sondern nur Optionen, um die Sache für das Kind angenehmer zu machen. Aber in jedem Fall muss das Kind den Helm tragen, die Zähne putzen oder die Medizin nehmen. Wenn es aber um Kleinigkeiten geht, die am Ende des Tages total egal sind, diskutiere ich dann oft nicht und lass ihm seinen Entscheidungsfreiraum statt mich in belanglosen Dingen ebenfalls durchzusetzen. Ist mir egal, ob er grüne oder rote Socken trägt oder pink und gelb - Hauptsache, das anziehen klappt ohne Tränen.
Und ich glaube, das irritiert und misinterpretiert die ältere Generation. Nur weil man sich als eltern nicht permanent durchsetzt und dessen Gefühle und Wünsche ernst nimmt, verzieht man das Kind nicht. Hier gibt es auch nicht ständig Extrawünsche-und Würste, es gibt hier Regeln und Grenzen. Aber je nach Situation und Gefühlslage sind die manchmal auch verhandelbar und nicht in Stein gemeißelt. Und ganz wichtig - das musste ich aber auch erst lernen - bedeutet bedürfnisorientiert nicht automatisch, dass nur die Bedürfnisse des Kindes zählen. Die Bedürfnisse der Eltern sind genauso wichtig, darum werden ja auch hier Grenzen gesetzt damit unsere Familie funktioniert und keiner permanent zurückstecken muss. Dass wir Eltern aber vermeintlich Tyrannen erziehen, finde ich gar nicht. Ich höre meinem Kind zu, ich halte seine Gefühle aus und ja, ich hinterfrage deshalb auch, was andere Erwachsene (Lehrer, Erzieher, Großeltern, etc.) tun, wenn mein Kind Probleme mit jemandem oder in einem Bereich hat. Das heißt nicht, dass ich Fehlverhalten meines Kindes Nicht sehe oder mir schön rede, aber eine Geschichte hat immer 2 Seiten und bloß, weil es Lehrer XY so berichtet, muss das nicht das Gesamtbild darstellen.

7

Meine persönliche Beobachtung:
Im realen Leben merke ich wenig Unterschiede zur Zeit meiner eigenen Kindheit. Wenn, dann vielfach eher negative Unterschiede.
Nicht genannt von dir: Der Druck, gute Noten und ein Abitur zu haben und die krasse Geschlechtertrennung bei Spielzeug und Kleidung in vielen Läden.
Und: Kinder werden früher in die Betreuung gegeben, Mütter arbeiten schneller wieder. Mehr Männer nehmen Elternzeit. Letzteres sehe ich sehr positiv, die ersten beiden sehr ambivalent.

Hier bei Urbia merke ich deutliche Unterschiede – oft Negative. Oftmals durch falsch verstandene bedürfnisorientierte Erziehung.
Aber hier ist nicht das echte Leben😉

=> "Es ist besonders auffällig aber auch durchweg positiv, wie sehr Eltern heutzutage auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder achten."

Das haben meine Eltern und Schwiegereltern auch schon gemacht. Selbst meine Großeltern und Schwiegergroßeltern🤷‍♀️

=> "Das heißt, dass die Wünsche der Kinder immer mehr berücksichtigt werden und man versucht den Sprösslingen das Leben so einfach und barrierefrei wie möglich zu gestalten."

Nein. Bedürfnisse und Wünsche sind nicht das Gleiche.
Ein Bedürfnis ist das Mittagessen.
Ein Wunsch sind Pfannkuchen mit Zimt und Zucker.

Die Entwicklung, dem Kind das Leben so einfach wie möglich zu gestalten und jeden Wunsch zu entwickeln, finde ich gefährlich. Zumindest, wenn es wirklich dieses extreme Ausmaß annimmt.
Einerseits fördert es Egoismus. Ich-Zentriertes Denken. *Meine* Wünsche sind wichtig. Die Wünsche und Bedürfnisse der anderen sind zweitrangig
Andererseits macht es die Kinder unselbstständig. Mama und Papa kümmern sich um die Probleme, regeln alles für mich.

Gab es übrigens auch schon vor einigen Jahren. Ein Kumpel hat hier an der Uni im Studierendensekretariat gejobbt. Kaum zu glauben, wie viele Muttis da für ihre kostbaren Prinzen und Prinzessinnen anrufen, weil sie selbst nicht in der Lage sind, die einfachsten Dinge zu regeln🤦🏼‍♀️
Kinder brauchen Grenzen - war mal in einem unfassbar spannenden Blockseminar zum Thema Salafismus in Deutschland, wo es beim Thema der jungen Deutschen, die übertreten, genau darum ging: Um die Suche nach Grenzen und Leitung.
Und Kinder müssen lernen, mit Grenzen, Schwierigkeiten und Barrieren umzugehen. Wie sonst sollen sie in dieser Gesellschaft klarkommen? Wie sollen sie sonst lernen, ein gesundes Miteinander zu anderen Menschen zu pflegen?
Kinder müssen lernen, Schwierigkeiten selbstständig zu überwinden und im Leben selbstständig klarzukommen.
Wichtig ist, das Kind genau dafür auszurüsten.

Man kann nicht beim Essen immer allen Wünschen entsprechen.
Klar, wenn ich weiß, dass mein Kind Rosenkohl absolut nicht ausstehen kann, gibt es keinen - oder nur so, dass man ihn gut rauspicken kann. Aber wie soll man alle Präferenzen von mehrern Kindern umsetzen und dann auch noch eine ausgewogene Ernährung umsetzen?

Was du von den Geschenken erzählst finde ich furchtbar🙊
Wie lernt ein Kind denn so den Umgang mit Geld oder die Wertschätzung für Besitztümer?
Ein Mensch muss doch lernen, dass ihm nicht alles vor die Füße fällt. Manche Dinge muss man sich erarbeiten, dafür sparen.
Und bei manchen Dingen ist es auch wichtig, noch einmal darüber nachzudenken, ob man sie wirklich haben möchte.
Die Kinder müssen auch ein vernünftiges Verhältnis zum Geld entwickeln. Und manche Eltern auch, um ehrlich zu sein. Man kann sich nicht alles immer gönnen. So viel Geld haben die wenigsten.
Mit dieser Form von Konsum kann ich gar nichts anfangen.

Beim Kranksein erlebe ich eher das Gegenteil, gerade, wenn beide Eltern berufstätig sind. Da werden die Kinderkranktage zu solchen Herausforderungen, dass fiebernde Kinder zur Betreuung gebracht werden.

Was du aus der Schule beschreibst, habe ich schon in meiner Schulzeit erlebt - tat mir für den Lehrer sehr leid.
Aber schlechte Noten müssen nicht bestraft werden. Lieber fördern und ermutigen. Die Stärken herausfinden, helfen, die Schwächen zu überfinden bzw. lernen, damit umzugehen.
Das geht aber auch mit dem von mir oben genannten Druck einher: Der glaube, dass das Kind ohne gutes Abi nichts werden kann ...

Bearbeitet von rahsil
14

Ich arbeite an einer Hochschule. Einen Fall, wo die Eltern zur Prüfung aufgetaucht und im Gang rumgetigert sind, hatten wir auch schon. Oder einen Auszubildenden, der nicht selbständig mit dem öffentlichen Verkehr heim fahren konnte. Das sind extreme Einzelfälle, an denen man sich schnell mal übertrieben aufhängt. In den allermeisten Fällen läuft es heute genau gleich wie bei mir im gleichen Alter. Die meisten Leute sind wegen Änderungen im Schulsystem heute auch ein Jahr früher am gleichen Punkt als wir.

32

"Gab es übrigens auch schon vor einigen Jahren. Ein Kumpel hat hier an der Uni im Studierendensekretariat gejobbt. Kaum zu glauben, wie viele Muttis da für ihre kostbaren Prinzen und Prinzessinnen anrufen, weil sie selbst nicht in der Lage sind, die einfachsten Dinge zu regeln🤦🏼‍♀️"

Haha, ein Freund von mir ist Dozent an einer großen Uni, Fachbereich Geschichte. Ihn rufen regelmäßig Mütter und (seltener) Väter an, um mit ihm über die Benotung der Hausarbeiten zu diskutieren. Für ihre längst erwachsenen Kinder. Wenn er Ihnen dann sagt, dass seine Studentinnen und Studenten ihre Sachen selber regeln müssen, sind auch schon Eltern in seiner Sprechstunde aufgetaucht. Verrückt.
Mir wäre das im Studium aber sowas von mega-peinlich gewesen! Zum Glück sind meine Eltern niemals auf so eine Idee gekommen.

8

Mag sein, dass das DEINE subjektive Empfindung ist. Meine sieht da anders aus.

Eltern haben früher und heute ihren Kindern das Leben immer versucht so einfach wie nur möglich zu machen. Im Familienleben gibt es einfach zwischen damals und heute diesbezüglich keinen großen Unterschied. Was verstehst du unter „barrierefrei“? Vielmehr ist es eigentlich so, dass man insbesondere bei kleinen Kindern mit voller Absicht Barrieren einbaut, um die Kinder zu sichern. Manche dieser Barrieren gab es früher schon, z.B. das Laufgitter. Andere hingegen sind neu.

Auch damals haben Eltern auf die Vorlieben ihrer Kinder geachtet. Vielleicht fragst du erstmal deine Eltern und Großeltern. Es gab mit Sicherheit auch bei dir diese Phasen, wo du unbedingt bei jeder Mahlzeit z.B. diese bestimmte Salami von dieser einen Firma essen wolltest. Dann kamen auch Phasen, in denen man auf gar keinen Fall dieses eine Produkt oder Gewürz essen konnte. Das ging nicht.
Die Zeit, in der gegessen wurde, was auf den Tisch kam, gab es auch, aber das war lange vor der von dir benannten Zeitperiode. Das war die Generation, die direkt nach dem 2. WK geboren wurde. Wer in der Zeit aufwuchs, war froh, wenn er überhaupt etwas zu essen bekam. Ich kenne noch die Erzählungen meiner Großmutter aus der Zeit. Sie hat das frische Brot immer geschnitten und dann hart werden lassen, bevor sie es den Kindern zum Essen gegeben hat. Das vollkommen ausgetrocknete Brot zu essen dauert ewig.

Nun ist ja immer die Frage, was ein „hochwertiges Geschenk“ für dich ist. Als ich damals Abi gemacht habe, bin ich irgendwann zu meinem Vater gegangen und habe ihm eröffnet, dass ich einen PC brauche. Das war 1997. Die Computer waren damals noch richtig teuer und konnten (im Vergleich zu heute) so ziemlich gar nix. Mein Sohn hat seinen Laptop aus den gleichen Gründen wie ich bekommen … nur schon in der 5. Klasse (vor 5 Jahren). Letztendlich war sein Laptop deutlich preiswerter (auch wenn man den Umrechnungskurs beachtet) und er kann sehr viel mehr mit seinem Laptop anstellen.
Meine Kinder bekommen jedoch außerhalb der üblichen Feiern keine Geschenke. Meine Kinder dürfen aber sehr wohl auch zwischendurch in ihren Lieblingsladen bummeln gehen. Da der Laden aber 1,5 Stunden (3 mal Umsteigen) von uns entfernt ist, ist es eine ganz gute Übung für die Selbstständigkeit.
Bei uns wird nicht mit dem Finger irgendwohin gedeutet und ich springe und zahle. Das mag sein, dass du das beobachtest, nur weißt du ja nicht, ob es das gleiche Phänomen nicht auch früher schon gegeben hat. Du weißt gar nicht, wieviele Familien du beobachtest und inwieweit deine Feststellung überhaupt representativ ist.

Auch heute werden Kinder mit Erkältung zur Schule geschickt. Eine Ausnahme bildete nur Corona - da war das explizit verboten.

Dass Eltern die Fehler ihrer Lieblinge gern ignorieren, ist auch meine Meinung. Das ist allerdings nicht auf die Noten und das Verhalten in der Schule beschränkt. Schuld ist einfach Jeder, nur nicht das eigene Kind. Meine Kinder sind auf einer Privatschule. Hier ist das etwas anders. Abgesehen davon haben meine Söhne mittlerweile ohnehin die Schulpflicht erfüllt. Sie sind also schon in den höheren Klassen und da wissen das die Kinder meistens allein.

9

Wir haben in den 90igern/2000ern auch schon bedürfnisorient erzogen. Allerdings (ich kann hier nur für uns und unsere Bubble sprechen) haben wir Bedürfnisse
1. nicht mit Wünschen verwechselt und 2. wurden die Bedürfnisse des Gesamtfamiliengefüges miteinander in Einklang gebracht. Ich wäre beispielsweise nie auf die Idee gekommen, Extra-Essen zu kochen - bei vier Kindern auch völlig utopisch. Aber jemanden zum Essen zu überreden oder gar zu zwingen war genauso abwegig. Es gab halt Sachen, die meist alle mochten oder kaltes Abendbrot, wo auch was für jeden dabei war. Außerdem war's beim Essen meist lustig und alle haben dann auch gern gegessen. Und wenn wirklich mal einer das und jener das nicht mochte - dann gab's eben ne Stulle oder Joghurt und kein Drama.

Nun ist ein Forum sicher kein Abbild der Gesellschaft, aber was mir hier sehr oft auffällt, und das ist vielleicht wirklich anders als zumindest bei uns damals: es wird Kindern wenig(er) zugemutet und zugetraut.
Bei jedem ersten Schritt in die Selbstständigkeit sind Kinder logischerweise etwas verunsichert und haben Ängste, genau wie wir Erwachsenen ja auch. Dann braucht es oft einen Stups und die Unterstützung beim Glauben an sich selbst, dass man etwas schaffen kann. Oder wie Maria Montessori gesagt hat: Hilf mir, es selbst zu tun.

Das scheint mir heute wirklich anders zu sein. Diese Unterstützung: "mach mal, du schaffst das schon" scheint einem "du musst das nicht machen, wenn du dich damit nicht gut fühlst" oder "das soll es selbst entscheiden, wann und ob es soweit ist" - gewichen zu sein.
Diese Richtung der "Bedürfnisorentierung" finde ich mehr als zweifelhaft: wenn der 5jährige noch nie bei Verwandten oder Freunden allein übernachtet hat, ist er damit wahrscheinlich noch keine Ausnahme und für viele Eltern"gibt es keinen Grund, warum ein 5jähriger überhaupt irgendwo anders als zu Hause schlafen soll". Schon möglich, aber kurz gedacht: wenn dann der 7jährige sich nicht traut, den Pfadfindern beizutreten, weil die ins Zeltlager fahren oder der 9jährige nicht mit zur Klassenfahrt will, dann wird es für den 11jährigen immer schwerer, sich der Sache zu stellen.

Es wird mMn nicht unterschieden zwischen Herausforderungen, denen sich das Kind eigentlich stellen will und die vom Zeitfenster her auch bewältigbar sind und tatsächlichen Überforderungen.
Das Bedürfnis nach Selbständigkeit, Lernen und Wachsen ist doch aber so elementar, dass ich mich immer wieder wundere, dass gerade dieses Bedürfnis bei all der Aufmerksamkeit, die Kindern gewidmet wird, so sehr vernachlässigt wird.

Meine Erfahrung ist die, dass Kinder genauso wie Erwachsene innerlich wachsen und stolz auf und zufrieden mit sich sind, wenn sie etwas Schwieriges geschafft haben, einen neuen Schritt gegangen sind, sich überwunden haben. Da wachsen sie einen halben Meter, strahlen und sind die umgänglichsten, freundlichsten und hilfsbereitesten Menschen der Welt. Und dir geht das Herz auf, weil du weißt: da geht er hin, wieder ein Stück weg und braucht dich dafür nicht mehr; aber: so muss es sein, alles richtig gemacht, klopf dir auf die Schulter.

Aber dazu darf man ihnen eben nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, sie müssen auch das Risiko des Scheiterns eingehen. Scheitern und Enttäuschungen gehören zum Leben. Ist die Aufgabe der Eltern, dann zu unterstützen beim wieder-aufstehen, Wunden lecken, Mut fassen und es noch mal versuchen.

10

Ich bin ein 1986er Kind....und ich sehe diese Unterschiede natürlich auch.

Ich selbst sehe AUCH, das viele Menschen heutzutage (in meinem Alter) psychisch sehr krank sind.

Und ich bin sehr gespannt zu erfahren, wie die Menschen dann in 30 Jahren so werden. Also generell gesehen.
Da wird es bestimmt große Unterschiede zu geben. Dann wissen wir, welche Erziehung wohl irgendwie besser ist.

11

Ich bin ein 90er Kind. Ich hatte Grenzen und trotzdem war ich meiner Meinung nach freier als es Kinder heute sind.
Mir wurde nicht jeder Wunsch erfüllt und auch nicht jedes Hindernis aus dem Weg geräumt und es hat mich stark gemacht, weil ich gelernt habe, mit Enttäuschungen umzugehen, Dinge wertzuschätzen und mir Hilfe zu suchen, wenn ich sie brauche. Ich war viel allein zuhause und habe meine 6 Jahre jüngere Schwester mitbetreut, wir hatten immer wenig Geld. Unsere Eltern haben versucht uns Dinge zu ermöglichen, aber Geschenke gab es nur zu Festen und ich empfinde das heute nicht als schlimm. Dafür waren wir viel draußen unterwegs mit Freunden. Meine Eltern wussten sicher meistens nicht wie weit wir wirklich weg waren oder was wir für Blödsinn gemacht haben. Wir haben gelernt auf uns aufzupassen und durften Fehler machen und Erfahrungen sammeln. Ich arbeite als Erzieherin in einem Hort und erlebe heute täglich, wie Kinder bis vor die Einrichtung gefahren und dort auch wieder abgeholt werden. Eltern machen "Playdates" aus, wenn Kinder sich treffen wollen, da diese scheinbar kaum noch allein raus dürfen um Freunde zu treffen. Ständig stehen diese Kinder unter Beobachtung. Sogar kleinere Streitigkeiten unter Kindern innerhalb der Einrichtung müssen die Eltern vermeintlich für ihre Kinder klären, selten wird ihnen die Möglichkeit gegeben, den Konflikt selbst zu lösen. Ich sehe zunehmend Kinder, die als Statussymbole ihrer Eltern herhalten müssen. Sie tragen teure Kleidung, die nicht schmutzig werden darf, es wird erwartet, dass alle aufs Gymnasium kommen und natürlich ist nie das Kind Schuld an irgendetwas, denn das impliziert ja, dass man als Eltern was falsch gemacht hat und das gibt es ja nicht. Eine Mutter behauptet von sich selbst, dass sie ihr Kind "artgerecht" erzieht. Heißt aber, dass es alles darf und nichts muss. Ich habe nicht das Gefühl, dass es so auf ein Leben innerhalb einer Gesellschaft vorbereitet wird. Wie schon andere schrieben, finde ich gut, dass mehr auf die Bedürfnisse von Kindern geachtet und eingegangen wird als das früher vielleicht der Fall war, sicher auch, weil es nicht immer möglich war und wir heute besser informiert sind. Aber das andere Extrem, Kindern alles abzunehmen, sie permanent zu beobachten, Erwartungen zu stellen und ihnen das Gefühl zu geben, dass die ganze Welt sich nur um sie dreht, finde ich nicht positiv. Ich glaube, dass es grundsätzlich im Leben immer darum geht, die gesunde Mitte zu finden und wie das gehen kann, haben hier andere Beitragsersteller schon sehr schön beschrieben.