Fördern-trotz keinem Interesse?

Unsere Tochter (8) spielt seit fast 2 Jahren Klavier. Anfangs war sie recht motiviert dabei, es war ja auch alles neu und aufregend. Jetzt ist aber schon seit ca. 9 Monaten die Luft richtig raus.
Man muss dazu sagen, dass unsere Tochter weder besonders talentiert noch besonders untalentiert ist, aber sie ist definitiv besonders uninteressiert. Also an der Musik im Allgemeinen, sie findet einfach keine Freude an dem Prozess des Spielens, auch wenn sie das Lied schon kann.
Jetzt müssten wir den Vertrag verlängern und sie hat gesagt, dass sie eigentlich aufhören möchte Klavier zu spielen.
Meine Frau und ich sind uns nun uneinig wie wir weiter vorgehen. Dass sie aufhören darf, steht dabei nicht zur Debatte, das darf sie auf jeden Fall. Aber ob und wenn ja wie wir unsere Tochter nun musikalisch fördern fragen wir uns. Deshalb an euch: Ist praktische musikalische Bildung Teil der Allgemeinbildung oder "nur" nice to have? "Müssen eure Kinder ein Instrument lernen?

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Als gebranntes Kind würde ich sagen: Lasst sie aufhören und etwas Neues anfangen, wenn sie es selber möchte.

Edit zum Hintergrund noch: Ich bin heute u.a. Musiklehrerin und begeisterte Musikerin, aber der Druck, den meine Eltern (beide Berufsmusiker) damals aufgebaut haben, hätte es mir um ein Haar komplett verdorben.

Bearbeitet von Inaktiv
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Wir Eltern sind beide Musiker und schon deshalb ist es unerlässlich, dass unsere Töchter ein Instrument lernen ;-)
Ich möchte mir auf keinen Fall von den beiden später mal vorhalten lassen, dass wir ihnen nicht wenigstens einen Bruchteil unserer Fähigkeiten vermittelt haben.
Und ein Instrument lernt man nun mal am sinnvollsten und einfachsten in der Kindheit.

Natürlich muss es das richtige Instrument sein und es sollte Freude dabei sein.
Also ja, lass sie auf jeden Fall aufhören!

Was ich dann tun würde:
Ab und zu mal ins Konzert gehen. Mit 8 geht das schon, am besten natürlich Familienkonzerte. An Musikveranstaltungen teilnehmen. Die meisten Musikschulen haben Schnupperkurse, z.b. ein sog. Instrumentenkarussel, bei dem mehrere Instrumente vorgestellt werden.

Es kann auch sinnvoll sein, erstmal ein bisschen Gras über die Sache wachsen zu lassen, und nächstes Jahr noch mal zu überlegen, ob es ein anderes Instrument sein darf.

Ach so, und als ersten Schritt die Tochter selbst mal eingrenzen lassen, was sie langweilig findet:
- das Instrument? (es gibt andere...)
- die Lehrerin? (es ist keine Schande, auch eine nette Lehrerin auszuwechseln!! Aber auf solche Ideen kommen Kinder niemals selbst)
- die Art der Musik (das wäre mit 8 ungewöhnlich früh, kann aber sein).
Erst durch solche Fragen kann das Kind eingrenzen, wo das Problem liegt. Und nur dann kann man sinnvoll reagieren.
Also nicht unter Druck setzen, aber ehrlich interessiert nachfragen.
Und ich denke, mit den Antworten kommt ihr schon weiter, solange sie nicht bockig sagt "alles blöd".

Übrigens hatte ich mal einen sehr begabten Sänger im Kinderchor, der ganz klar sagte, er wolle im Chor singen, weil er auf diese Art Musik machen kann, ohne täglich zu üben ;-)
Ich hatte aber auch schon einen Kandidaten, der verzweifelt versucht hat, von mir rausgeschmissen zu werden - es stellte sich heraus, dass er in den Chor musste, weil den Eltern wichtig war, dass er Musik macht, wenn er schon kein Instrument lernen will... Ganz blöde Idee, wenn das Kind selbst nicht hin will!!

LG

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habe auch viel mit Musik zu tun, auch eine musikalische Ausbildung und wollte ähnlich antworten bzw. den Vorschlag machen, eure Tochter mal einen Chor ausprobieren zu lassen.

ansonsten bin ich persönlich der Meinung:
ein Instrument spielen zu können ist kein zwingender Bestandteil von Bildung.
Bildung ist m.E. keine Ansammlung von Wissen u Fähigkeiten , sondern der lebenslange Prozess, Dinge ständig neu abzuwägen u in einen guten Bezug zum eigenen guten Dasein zu bringen. Auch der Begriff des Guten wird dabei stetig weiterentwickelt.

Jetzt weiß ma auch net mehr gell? 😜

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Ich spiele selbst Klavier. Ohne Interesse lernt man ohnehin quasi nichts. Deine Tochter wird als Erwachsene kein Instrument spielen, wenn ihr sie jetzt dazu zwingt und sie jahrelang mangels Interesse praktisch keine Fortschritte erzielt. Schau dir doch die Erwachsenen unserer Generation an. Wer in deinem Bekanntenkreis wurde denn zum Musikunterricht gezwungen und spielt heute noch ein Instrument? Praktisch keiner. Warum sollte es bei der Generation unserer Kinder anders sein?

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"Wer in deinem Bekanntenkreis wurde denn zum Musikunterricht gezwungen und spielt heute noch ein Instrument?"

Ich 😂

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Ich konsumiere gern Musik und finde es toll, wenn Leute Klavier & Co spielen können. Aber ich habe nie ein Instrument gelernt und vermisse es kein Stück. Ich bin selbst total unmusikalisch, Noten lesen war mir immer ein Graus und bei meinem Gesang kann mein Umfeld froh sein, wenn die Schuhe noch dran geblieben sind. 😅

Mein Kind braucht definitiv kein Instrument lernen, wenn es das nicht möchte. Man kommt auch ohne musikalisches Talent und Können im Leben gut klar. 🙃

Bearbeitet von Pi.Ri
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Ich würde sie auch aufhören lassen und nicht unbedingt auf weiteren Musikunterricht bestehen. Es gibt zwar (aus eigener Erfahrung) Phasen beim Instrument lernen, die keinen besonderen Spaß machen. Da würde ich als Eltern das Kind notfalls auch mit einer gewissen Strenge durchführen, wenn grundsätzliches Interesse erkennbar (!) ist. Ich kenne das zB von meinem Kind so, dass es sich einfach fuer das von ihm gewählte Instrument begeistert. Es liebt einfach den Klang. Da hab ich dann auch kein Problem mal trotz “keine Lust” auf eher langweilige Übungen zu bestehen. Wenn ich aber das Gefühl hätte, dass der Klang das Kind kalt lässt, würd ich das nicht machen.

Ich wuerde allerdings auf irgendein halbwegs ernsthaftes Hobby bestehen, weil ich das für die Identität und Stabilität von Kindern wichtig finde, wenn in der Schule mal harte Zeiten kommen sollten. Aber ich finde nicht, dass ein Instrument zwingend zur Bildung dazugehört. (Sagt eine, die Musik studiert hat und ihren Sohn unter erheblichem Aufwand zum Instrumentalunterricht bringt)

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Also ich möchte da nochmal was ergänzen. Ich halte Musikmachen fuer etwas sehr wertvolles. Die absolute Konzentration auf den Klang, die Sensibilität fuer Prozesse, die Aufmerksamkeit fuer kleinste Vorgänge in einer Gruppe, bis hin zur gemeinsamen Flow-Erfahrung, ist etwas was man beim reinen Musikhören kaum entwickelt. Eine differenzierte Sprache fuer Gefühle zu finden über die begriffliche Sprache hinaus ist fuer viele Menschen grade in der Pubertaet ein Strohhalm im Gewitter. Und die erzieherische Wirkung, was Geduld, Konzentration und das Einfuegen in Gruppen angeht, sollte man vielleicht auch nicht unterschätzen.

Wenn ich vorher fürs Aufhören plädiert habe, meine ich also nicht, dass es egal ist, ob jemand Musik macht. Ich denke nur, dass es ein gewisses Grund Interesse dafür braucht, was einfach nicht alle Menschen haben. Das ist auch ok - einige von den oben genannten Erlebnissen kann man sicher woanders auch haben. Und wenn man die nicht hat, hat man hoffentlich andere, die auch ebenso wertvoll sind. Wegen irgendeines Bildungskanons sollte man sicher niemand dazu zwingen. Aber dass Musikmachen schön, formend und im Extremfall lebensverändernd sein kann - und in dem Sinn sicherlich auch bildend! - wollte ich auch noch da lassen!

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Meine Eltern haben auch als Kind immer wieder versucht mein Interesse an Instrumenten zu wecken und ich habe auch teils ein paar Jahre lang brav mitgemacht. Aber Freude hatte ich daran nicht und interessiert hat es mich auch nicht. Ich hab's eher gemacht weil der Rest der Welt so überzeugt davon schien, dass es eine wertvolle Fähigkeit ist. Die Fortschritte waren natürlich gering.

Seit ich ca. 14/15 bin, habe ich kein Instrument mehr angerührt und es hat mir auch nie gefehlt. Wenn ich Musik möchte, finde ich die bei Spotify. Ich sehe für mich keinen Mehrwert darin, die Musik selbst zu erzeugen. Höchstens Singen können, das wäre ganz nett. Das hat aber nie jemand versucht mir beizubringen und ich kann es auch überhaupt nicht.

Was jetzt genau Teil der Allgemeinbildung ist, keine Ahnung. Ich finde es sinnvoll, wenn man genug Hintergrundinfos hat, um aktuelle politische bzw. für die Gesellschaft relevante Themen einordnen zu können. Ein Instrument zu beherrschen trägt da aus meiner Sicht wenig dazu bei.

Also ich seh wenig Sinn dahinter jemanden zum Musikunterricht zu drängen.

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Hi,
bei uns kam Corona dazwischen, nachdem dann die Trompete und das Tenorhorn, 4 Monate unangetastet darum standen, habe ich sie dem Posaunenchor wieder zurück gebracht.

Beide Jungs haben Talent, aber mit 9 und 12 Jahren, hatten sie nach 8 Wochen, überhaupt keine Lust mehr auf üben.

Der Große kam ohne üben weiter, der Kleine hatte, selbstverständlich, nach 7 Tagen nichts tun, keinerlei Ansatz mehr......................

Der talentierte Vater, hatte aber "keine Zeit", mit ihnen zu üben. Ich kann nur Trash Drumming, tja....so gingen die Instrumente wieder retour.

Wie sagten andere, das kommt schon, wenn sie wirklich wollen. Ich hoffe es sehr.

Ich hätte gerne Gitarre spielen gelernt oder als 10 jährige Querflöte, war aber finanziell nicht drin. Als ich das Geld hatte, fehlt das Talent, aber sowas von .............Die Gitarre wurde dann vom Gatten, für unterwegs mitgenommen, damit seine "Gute" nicht kaputt geht.

Ich würde sie daher nochmal intensiv befragen und dann abmelden, wenn sie wirklich nicht mehr will.

Gruß

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Nicht jeder Mensch ist musikalisch und das ist vollkommen okay.

Hat sie trotzdem später selber nochmal Lust ein anderes Instrument auszuprobieren, dann bitte.....wenn nicht, dann nicht.

Musizieren ohne Leidenschaft, das ist doch nix. Für mich also ein klares "nice to have".

Meine Tochter wollte zB eigentlich nur rausfinden, wie dieses eine Instrument funktioniert. So eine Klarinette sieht ja auch spannend aus. Das konnte/durfte sie und damit war der Drops für sie gelutscht.

Kleine Schwank aus meiner Kindheit: Ich durfte/wollte Blockflöte lernen, wurde in der GS angeboten. Blöderweise waren meine Finger viel zu klein, ich konnte diese Flöte nicht richtig "bedienen" und verlor so schnell den Spaß/das Interesse. Die Konsequenz: Ich durfte nie wieder ein anderes Instrument ausprobieren....bin ich auch nicht mit 50 sehr enttäuscht drüber.
Ich habe extrem gerne gelesen, konnte da richtig abtauchen.....war auch nicht richtig, ich sollte lieber Sachen lernen, die "Frauen so im Leben brauchen"....Nähen, Stricken, Häkeln, Haushalt, Kochen (sonst würde mich ja keiner heiraten).....dagegen habe ich mich schon als Kind gewehrt. Also das nur zu lernen, weil ich ein Mädchen bin. Bücher und Instrumente waren für meine Eltern reine Zeit- und Geldverschwendung.....joah, zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Leider läuft das aber das heute häufig in eine Art Förderwahn....ein Mittelmaß wäre doch super.

Bearbeitet von Butterstulle
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es gibt musische Kinder und sportliche Kinder und kreative Kinder.
Nicht jedes Kind muss mit Hobbys alle Bereiche abdecken.

Meine zwei Kids hatten noch nie was mit Musik am Hut - sie waren in der Musikalischen Früherziehung mit Flöte + Glockenspiel und wollten danach mit Widerstand kein Instrument lernen. Also mussten sie auch nicht.

Dafür ist der eine voll auf der Sport schiene.
Die jüngere ist komplett auf der Kreativ-Schiene und malt richtig viel und mega gut und spielt jetzt sogar (mit 13) im örtlichen Theater in der Jugendtheatergruppe.

Nein: nicht jedes Kind MUSS ein Instrument lernen nur weil die Eltern das gut finden. --- nach einer Probezeit sollten Sie entscheiden dürfen, ob es was "für sie ist".
Die Tochter meiner Freundin hat immer wieder mal gemeutert beim üben, klaro ... das machen viele Kinder, -- aber seit sie im Orchester spielt fiebert sie auf diese Probe-Termien und hat mega Spaß in dieser Gruppe, die inzwischen auch älter geworden ist und sie machen Teenie-mässig inzwischen nach der Probe auch ihre Parties usw.... --- sie lebt also ihr Musikvereinleben. - das ist was ganz anderes als daheim am Klavier zu hocken. Diese Musikschiene gibt es ja auch.

Was ich aber finde: egal was. irgendEIN HOBBY sollte jeder haben und regemäßig ausführen....

Mein Sohn hat immer weniger Bock auf seinen Sport .... da bin ich tatsächlich streng: er soll das so lange weiter machen, bis er mit einer Alternative kommt. Nix machen ist für mich keine Alternative (er ist 15 und würde sonst nur am PC hocken und zocken, deshalb bin ich mit einem Hobby als Ausgleich und Ventil so streng - aber die Art des Hobbies kann er sich aussuchen).

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Sie hat es probiert und offensichtlich keine Freude daran.

Und nein es ist nicht wichtig, dass ein Kind ein Instrument kann. Sofern es später nicht in einem Orchester spielen möchte, wüsste ich jetzt keinen Job (außer vielleicht im Kindergarten/Jugendhilfe etc) wo es von Vorteil wäre ein Instrument zu spielen.
Ich wurde zumindest noch bei keinem Vorstellungsgespräch danach gefragt.

Meine Kinder haben beide kein Interesse daran, ein Instrument zu lernen, also müssen sie auch nicht. Ich hab Blockflöte gelernt in der Schule gezwungenermaßen und hätte gerne Klavier oder Keybord gelernt, aber kein Geld. Notenlesen konnte ich und es hat mir auch Spaß gemacht, aber damals, ohne Youtube etc. war es kaum möglich das alleine zu lernen. Heute würde ich es wohl schaffen, weil eben auch das Interesse da war. Blockflöte hat im zweiten Anlauf in der Schule dann auch gut geklappt und man konnte es sich gut anhören, was ich gespielt habe :)

Kurzum: Hat das Kind Interesse? Dann ja, auf jeden Fall. Hat das Kind kein Interesse? Dann lasst es.