Kennt ihr das? Es ist früh am Morgen, ihr seid noch nicht ganz wach… und BÄM! Die erste Herausforderung des Tages reißt euch schon gnadenlos aus dem Autopiloten.
„Und was ist, wenn er es nicht mag?“ fragt meine Sechsjährige, zutiefst verzweifelt. Sie hat ein Herz für ihren Freund gemalt und eine, ihrem Empfinden nach, hässliche 5. Er hat heute Geburtstag. Es endet damit, dass sie die Karte wütend zerreißt. Aufheult. Er könnte ja denken, sie sei in ihn verliebt. Ist sie aber nicht. Er könnte sie auslachen, weil ihr die 5 nicht gut gelungen ist. Würde er nicht tun.
Ich bin genervt. Werde auch wütend. Mein Mann rettet die Situation. Nach ein paar Atemzügen erkenne ich mich in ihrem Verhalten wieder. Die ganzen Selbstzweifel. Die Verzweiflung. Die Wut. Die Trauer.
Passierte mir heute Morgen. Passiert mir nicht jeden Morgen. Aber so, so oft seit ich Mama geworden bin. Denn Spiegel vorhalten kann meine Tochter richtig gut. Ihr verzweifeltes „Und was ist, wenn er es nicht mag?“ macht mir Vieles über mich klar. Und lässt mich diesen Beitrag anlegen.
Wie geht das, unseren Kindern zeigen, dass sie zu sich stehen können? Sich nicht ständig hinterfragen? Sich nicht von Gefühlen und Gedanken überfluten lassen? Wenn es uns selbst oft nicht gelingt.
Hier kommt er, mein Versuch und meine Mutprobe. Meine Gedanken öffentlich angstfrei zu äußern. Mich frei davon zu machen, wer was worüber denken könnte. Widerstand, Kommentare, Kritik aushalten zu können. Denn ich bin wichtig. Meine Tochter ist wichtig. Nicht all die Stimmen, die potentiell nicht wohlwollend sind. Ich möchte meiner Tochter das vorleben, was ich mir für sie wünsche.
Ich schreibe morgen wieder. Mit einer Geschichte, die zu erzählen mich Überwindung kostet. Offen, ehrlich, ohne Angst.
Seid ihr dabei? Kennt ihr diese Fragen, Gefühle, Selbstzeifel? Wie geht ihr damit um? Was ist eure Geschichte?
Selbstzweifel - Wie die Mutter, so die Tochter
Dein Text hört und liest sich wie von Shakespeare und irgendwo hab ich das auch schonmal gelesen, komm nur gerade nicht drauf, vielleicht ChatGPT
Danke auch dir, 3ungS! Ich fasse es mal als Kompliment auf ☺️. Aber nein, ChatGPT war nicht im Spiel. Nachprüfbar über verschiedene Programme. Und an Shakespeare reiche ich (noch 😉) nicht heran. Trotzdem hast du mir heute früh ein Lächeln ins Gesicht gezaubert
Krass, hab das gerade mal ausprobiert. Echt krass.
Ich mag deinen Beitrag, deine Gedanken, deine Selbstreflexion und deine Worte :)
Für mich ist der Schlüssel im Wissen, dass mein Wert nicht vom Verhalten und Befinden anderer abhängt. Unser Wert wird nicht kleiner oder größer, nur weil uns jemand anderes peinlich oder doof findet. Unser Wert ist beständig, völlig leistungsunabhängig, einfach da. Immer.
Das ist eine Haltung, die auch zu deiner werden kann. Du kannst sie super an und mit deiner Tochter verinnerlichen.
Deine Tochter hat doch nicht solche Angst, dass er das Herz doof findet. Sie hat Angst, dass er sie doof findet. Und das einzige, was das so schlimm machen würde, ist der Gedanke, dass der eigene Wert von der Bewertung anderer abhängt und sie sich dann tatsächlich weniger wert fühlen würde. Dann wäre ein grundlegendes Bedürfnis frustriert, was wiederum sehr schmerzhaft ist (Bedürfnis nach Selbstwertschutz).
Kurz: Lerne gemeinsam mit deiner Tochter, Wert und Bewertung voneinander zu entkoppeln. Wie?
- leistungsunabhängige Wertschätzung im Alltag ala "ich mag dich, weil du bist wie du bist" in allen Varianten ("Das hat mir gerade Spaß gemacht, ich verbringe gern Zeit mit dir./Ich bin so gern deine Mama/Es ist so schön, dass du auf der Welt bist, ich habe dich lieb, du bist wundervoll etc")
- Glaubenssätze. Sage sie deiner Tochter so oft, wie möglich und dir selber auch. Wenn du anders groß geworden bist und etwas anderes über dich gelernt hat, fühlt sich das erstmal völlig falsch an. Aber keine Sorge, du findest rein. Das kann sowas sein wie "Ich bin gut genug", "Ich bin liebenswert", "Ich bin genauso richtig, wie ich bin" usw.
- Kritisiere IMMER Verhalten. Sei sensibel, was Konflikte und Schimpfen für deine Tochter bedeuten. Sie kann nicht falsch sein, aber ihr Verhalten schon. Diesen Unterschied muss sie von dir erfahren und lernen. Sag ihr zB "Ich habe dich immer lieb, auch wenn wir uns streiten" "Ich habe gesagt, ich finde dein Verhalten doof, nicht du bist doof" usw. Das ist wirklich ein feiner Unterschied, der zu verstehen für dein Kind sehr wichtig ist.
- Achte auf deine Sprache, sei ein gutes Vorbild. Nicht "Das ist doof/Der ist doof", sondern immer "ich finde...."
Es ist wie immer im Leben: Alles subjektiv. Selbst wenn fünf Leute mein Kleid nicht mögen, werden sich fünf andere finden, die es toll finden. Es ist deshalb immer wesentlich, welche Haltung ich zu meinem Kleid habe.
Jetzt eine konkrete Reaktionsmöglichkeit in der Situation mit deiner Tochter zu formulieren, ist mir gerade etwas zu lang. Sollte dir das wichtig sein, schreib gern. Dann würde ich mir später nochmal Zeit nehmen.
Erstmal wünsche ich euch alles Liebe :)
Wow, EsIstWieEsIstx2, ich bin sehr berührt von deinen Worten! Ja, du triffst für mich den Nagel auf den Kopf. Ich hatte gar nicht gehofft, hier so tiefes Verständnis und wohlwollenden Rat zu finden. Mir ging es ums Schreiben, ums Offensein, darum, mich zu zeigen. Wie schön, so viel mehr bekommen zu haben als ich erwartet hatte.
Was du geschrieben hast, geht tiefer als konkrete Reaktionsmöglichkeiten für die beschriebene Situation. Es ist sicher auch nachhaltiger, mich und meine Tochter immer wieder im Alltag zu stärken, als die einen vermeintlich richtigen Worten in der Einzelsituation. Wenn du Zeit und Muße findest, schreib dennoch gerne mehr. Ich mag deine Denkweise und fühle mich von deiner Einschätzung sehr abgeholt. Dir auch alles Gute und vielleicht bis später.