Wut beim 9-Jährigen

Hallo zusammen,

mein Sohn ist 9 und wird bei Wutanfällen manchmal körperlich, d.h. er fängt an zu rangeln, wirft Sachen durch die Gegend, schiebt Stühle rum, wird laut etc. Er ist dann richtig in seinem Gefühl gefangen und kommt da nur langsam wieder raus.
Ich versuche immer ruhig zu bleiben und ein gutes Vorbild mit Geduld zu sein.
Beispiel:
Er hat seine Trinkflasche auf dem benachbarten Spielplatz vergessen, die Flasche nimmt er sonst mit zur Schule. Ich habe angeboten, dass wir diese am Morgen holen. Habe ihm dann morgens gesagt, er möge sich bitte anziehen, damit wir die Flasche holen können. Er hat es nicht gemacht, sondern weiter rum gelegen. Irgendwann ist er aufgestanden und als es kurz vorm losgehen war und ich mir die Haare gewaschen habe, wollte er, dass ich jetzt mitkomme, die Flasche zu holen. Ich habe ihm gesagt, dass ich jetzt nicht kann. Daraufhin ist er sehr wütend geworden und es ist eskaliert.
Er hat dann auch geweint und hat mir vorgeworfen, ich hätte ihm doch versprochen, mitzukommen. Nun stehe ich aber nicht auf Abruf bereit, bis er endlich fertig ist. Weil er so aggressiv geworden ist, hat er von mir Tablet-Verbot bekommen.
Wie schätzt ihr die Situation ein? Ich habe ihm schon Vorschläge zum Umgang mit der Wut gemacht, aber er will sich damit nicht auseinander setzen.
Habt ihr Ideen, wie wir daran arbeiten können?
Er war dann der Meinung, ich könne die Flasche ja holen, wenn ich los gehe. Das sehe ich aber nicht ein, er ist alt genug und es ist seine Flasche.

Freue mich über konstruktive Rückmeldungen, vielen Dank!

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Hallo,

wir haben auch ein Kind, das Probleme hat(te), Wut in den Griff zu kriegen.
Es hilft, wenn es dem Kind bewusst ist, wenn es wütend wird (wenn es die Wut vorab in seinem Körper spürt). Denn dann kann es gegensteuern. Hier wurden Situationen besprochen, in denen es zu diesem Verhalten kam - wie fühlte es sich an? Tauchen ähnliche Situationen / Gefühle wieder auf, ist das Kind so gesehen "vorbereitet" und kann anders reagieren. Hilfsmittel wie ein Wutball o.ä. können nützlich sein. Oder sich der Situation entziehen zu können, um sich zu beruhigen.

Was für Vorschläge zum Umgang mit der Wut hast du denn gemacht?

Bei deinem Beispiel war, wenn du es genauso geschrieben hast, wie es war, dein Verhalten für ihn nicht nachvollziehbar und darum vermutlich Auslöser der Wut.
"...Er hat dann auch geweint und hat mir vorgeworfen, ich hätte ihm doch versprochen, mitzukommen. Nun stehe ich aber nicht auf Abruf bereit, bis er endlich fertig ist. Weil er so aggressiv geworden ist, hat er von mir Tablet-Verbot bekommen...."
Du hast versprochen mitzukommen. Aber hast du ihm auch gesagt, das sich deine Ansicht dazu dann geändert hat, weil er so lange gebraucht hat und du nicht (mehr) auf Abruf bereit stehst? Wenn nein, ist seine Reaktion verständlich. Du hast dein Versprechen nicht gehalten. Die Konsequenz (Mama kommt dann doch nicht mehr mit) war für ihn nicht klar.
Tablet-Verbot: Was hat das Tablet mit aggressivem Verhalten zu tun? War ihm vorher klar, das sein Verhalten zu dieser Konsequenz führt? Falls nein ist das auch wieder für ihn nicht verständlich sondern willkürlich von dir. Und führt zu Wut. Bei uns ist es so, das das Tablet nachmittags nach der Schule genutzt werden darf. Wenn das bei euch ähnlich ist, gibt es ja nicht mal einen zeitlichen Zusammenhang zum Vorfall - überhaupt nicht verständlich und nachvollziehbar für Kinder.
Und wo war da überhaupt aggressives Verhalten? Du schreibst, er habe geweint - das ist nicht aggressiv.

Ja, ich finde auch, das man mit 9 seine Sachen selbst holen kann und hätte sicher das am Abend schon machen lassen. Vom Kind alleine. Kind vergisst sein Sachen - Kind muss seine Sachen holen. Warum wolltest du denn morgens überhaupt mitgehen?

In deinem Beispiel hätte ich es so kommuniziert:
- Er soll sich bis Uhrzeit x (oder was sonst bei euch gut klappt, um einen Zeitraum zu fixieren - hier funktioniert z.B. das Spielen einer Musikplaylist besser, als auf die Uhr zu schauen) fertig machen, dann geht ihr zusammen die Flasche holen. Ansonsten muss er das alleine machen, weil du dann keine Zeit mehr hast.

Sicher kann auch das dann zu Wut beim Kind führen. Aber du hast klar gesagt, wie das ganze laufen soll. Dann darf man bloß nicht mehr diskutieren sondern nur noch einmal sagen, das es doch so abgesprochen war. Und dabei muss man dann bleiben. Nicht Diskutieren.
Klappt vielleicht nicht direkt beim ersten Mal so. Hier funktionierte es mit solchen klaren, eindeutigen Ansagen unsererseits aber dann beim zweiten oder dritten Mal.

LG N.

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Hallo,

vielen Dank für deine schnelle Antwort und die konstruktiven Anregungen.

Ich gehe gerne auf deine Fragen ein:

Was für Vorschläge zum Umgang mit der Wut hast du denn gemacht?

-> Tief ein- und ausatmen bspw. / aus der Situation rausgehen / über die Wut reden / in ein Kissen hauen

Er hat mich stattdessen angerangelt, einen Stuhl umgeworfen, sich mir in den Weg gestellt, die Badtür hin- und hergeknallt.

Aber hast du ihm auch gesagt, das sich deine Ansicht dazu dann geändert hat, weil er so lange gebraucht hat und du nicht (mehr) auf Abruf bereit stehst?
-> Ja, habe ich ihm gesagt. Er ging davon aus, ich komme mit, egal zu welchem Zeitpunkt. Er hat aber so lange gebraucht, dass ich eben keine Zeit mehr hatte.

Warum wolltest du denn morgens überhaupt mitgehen?
-> Aus Nettigkeit. Als ich es gesagt habe, dachte ich aber auch schon, warum eigentlich ;) Ich muss ihm da mehr Selbständigkeit übertragen. Ich habe ihm wahrscheinlich zu viel abgenommen in der Vergangenheit. Er ist eigentlich total selbständig.

Das Tablet-Verbot war willkürlich von meiner Seite und aus meiner Not heraus. War im Nachhinein Quatsch, sehe ich jetzt auch so. Werde ich ihm auch nochmal kommunizieren.

Bearbeitet von ju.and.me
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Ich würde zu einer Familienberatungsstelle gehen, ganz unverbindlich, nur ich alleine und einfach mal alles berichten. Da kann ich mir vorstellen, dass da gute Ideen kommen, aber auch etwas Beistand für dich.

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Hallo

Speziell zu der Situation:

Tabletverbot sehe ich als nicht sinnvoll an, weil es nichts mit der Sache zu tun hat. Das fühlt sich wie eine Strafe an. Anders wäre es, wenn er sich nicht entsprechend benimmt, dass Du, so lange er sich so aufführt, nicht mit ihm darüber sprichst (bringt normal auch nichts).

Kann man von Euch aus den Spielplatz einsehen? Aber auch falls nicht, wenn er benachbart ist, wird er vermutlich sehr nahe sein. Mit 9 ist er auch nicht mehr so jung, dass er nicht alleine gehen kann. Daher würde ich versuchen, ihm das Holen der Flasche schmackhaft zu machen. Also sagen, dass der Spielplatz nahe ist, vielleicht ist zufällig ein Freund dort und er kann mit ihm spielen, er kann auch alleine dort spielen bis ich später zu ihm dazu komme. Ihm Mut machen, dass er es schafft, ein großer tüchtiger Sohn ist.

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Tabletverbot sehe ich als nicht sinnvoll an, weil es nichts mit der Sache zu tun hat. Das fühlt sich wie eine Strafe an. Anders wäre es, wenn er sich nicht entsprechend benimmt, dass Du, so lange er sich so aufführt, nicht mit ihm darüber sprichst (bringt normal auch nichts).

-> Sehe ich jetzt auch so. Ich war überfordert und wollte die Situation beenden, weil er auch zur Schule musste.

Er hätte definitiv auch alleine gehen können. Ich muss mich da mehr lösen. Ich wollte es ihm schmackhaft machen, damit er überhaupt geht. Hätte er aber mit Sicherheit auch gemacht, da er die Flasche ja braucht.

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Ehrlich, ich würde eine Erziehungsberatung oder eine KJP konsultieren.

Denn was mich bei allen Antworten extrem stört, ist, dass man Dir erklärt, wie DU die Situationen besser hinbekommen solltest. Aber mit 9 werden Kinder körperlich so stark, dass es langsam Zeit wird, dass sie sich beherrschen lernen! Denn im Alltag kann man nicht von Mitschülern, Lehrern, Trainern erwarten, dass sie dauernd darauf schauen, bedürfnisorientiert mit den Kindern umzugehen.
Sprich irgendwann gerät er an den Falschen, den er dann entweder verletzt, oder der ihn dan verletzt.

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Der Rat ist ja an sich gut, aber hast du Erfahrung mit Erziehungsberatung o.ä.?
Das klingt für mich nicht so, denn das, was dich bei den Antworten hier stört, ist genau das, was dort den Eltern im ersten Schritt mitgegeben wird. Wie reagiere ich besser / angemessener auf diese Verhaltensweisen meines Kindes. Wie reagiere ich deeskalierend.
Selbstverständlich ist das nur einer von mehreren Schritten; natürlich wird dann auch am Verhalten des Kindes gearbeitet.

Gruß
N.

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Ja, unser Kind hat ADHS und wir gehen mit ihm regelmässig zu einer Psychologin zu Erziehungsberatungsgesprächen.

Für mich ist ehrlich gesagt mit dem körperlich werden gegen die Mutter eine rote Linie überschritten, aber der ich sagen würde "Bitte zum Kinder- und Jugendpsychiater, ordentliche Diagnostik und dann mit einem Facharzt entscheiden. Für mich ist da mit 9 Jahren Ende dessen, was man zu Hause mit ein paar Tipps aus einem Forum noch rumprobieren sollte, denn deie Pubertät steht vor der Türe, die Hormone machen ihn eher noch unbeherrschter, und die Zeit, in der sie sich wirklich noch was sagen und anleiten lassen, ist auch bald vorbei!