Eingebildete Freundin Autistin

Hallo zusammen,

Heute schreibe ich meinen ersten eigenen Beitrag hier, weil mich das Verhalten einer guten Freundin beschäftigt.

Wir haben uns durch unsere Kinder kennengelernt und unternehmen seit einigen Jahren regelmäßig was mit den Kids oder auch mal alleine.
Ich mag sie eigentlich sehr gerne, sie ist wahnsinnig humorvoll und wir können sehr viel miteinander lachen. Daher verbringe ich gerne meine Zeit mit ihr.

Allerdings hat sie auch eine unheimlich egozentrische Art, ein exorbitantetes Selbstwertgefühl und den stetigen Drang, sich in den Mittelpunkt stellen zu müssen, auch wenn es gar nicht um sie geht.
Hier mal ein paar Beispiele: ich schwärme von den jugendlichen Töchtern meiner Nachbaren, was für hübsche Mädels das sind und dass die beiden die längsten Beine der Stadt hätten.
Ihre erste Reaktion darauf, sie selbst hätte auch sehr überdurchschnittlich lange Beine und ihre Tochter auch, sie hätte das extra mal vermessen lassen.
Ich erzähle ihr von einem Problem, doch statt darauf einzugehen oder Fragen dazu zu stellen, bringt sie sofort eine ähnliche Situation aus ihrem Leben und thematisiert diese.
Sie fällt einem auch häufig ins Wort, ignoriert, dass jemand spricht oder reagiert einfach nicht auf Gesagtes.
Am Wochenende waren wir mit den Kindern unterwegs und wir kommen mit zwei männlichen Mitarbeitern ins Gespräch, welche versuchen mit mir zu flirten (woran ich allerdings nicht interessiert war) und mich nach meinem Alter fragen. Ich habe belanglos geantwortet, woraufhin sie sich neben mich stellt und schnippisch sagt, ich müsse nicht jedem erzählen wie jung ich bin ( ich bin 36, sie 50; was für mich nie ein Thema war).
Sie lästert auch unheimlich gerne über Frauen, die dicker sind, oder ihr in ihren Augen anderweitig optisch unterlegen sind.
Desweiteren referiert sie unheimlich ausufernd über ihre eigenen Talente, ihre Brüste, ihr Haar, ihre Figur, die Schönheit und Intelligenz ihrer Kinder etc pp.
Und das sind nur ein paar Beispiele von vielen.

Das ist teilweise sehr unangenehm.
Nicht nur, dass es teilweise ziemliche Selbstüberschätzung ist, es ist auch einfach immer sehr anstrengend, das Gespräch wieder auf etwas gehaltvollere Themen zu lenken.

Im nächsten Moment kann sie aber wieder durchaus empathisch sein und man hat viel "Gaudi" mit ihr.
Aber ihre "eingebildete Art" überschattet das Zusammensein häufig und ich ziehe mich nach häufigeren Treffen immer wieder zurück.

Ihr wurde vor einigen Jahren Autismus diagnostiziert und ich frage mich, ob dieser starke Geltungsdrang etwas damit zu tun hat, bzw sogar mit dem Autismus einhergeht?
Hat da jemand Erfahrungen?

Habe sie bisher nie darauf angesprochen, weil ich unsere Freundschaft nicht gefährden und sie nicht verletzen will.
Aber es ist teilweise echt störend.

Wie würdet ihr damit umgehen?

Bearbeitet von AlsosprachZ
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So jemand wäre nicht meine Freundin. So ein Verhalten ist nicht nur nervig, sondern nahezu krankhaft.

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Ja, es ist schon teils echt unangenehm und ich habe auch meine "Auslese" in Sachen Freundschaften in den letzten Jahren, massiv überarbeitet.

Aber sie kann anderseits auch eine echt angenehme und witzige Person sein.

Habe diese Überheblichkeit lange ihrem Autismus zugeschoben, wobei ich nach einigen aneinander gereihten Treffen in der letzten Zeit schon etwas am Zweifeln bin, ob da neben dem Autismus vielleicht auch ein Stück weit Narzissmus vorhanden sein könnte...
Aber vielleicht bin auch ich komisch und sehe das zu eng.

Auch habe ich schon gedacht, dass sie durch unseren Altersunterschied vielleicht immer ein bisschen "Komplexe" bekommt.
Keine Ahnung... anderseits habe ich, neben meinem Partner, viele weitere Freunde in den 50ern, darunter auch viele Frauen und keine von ihnen verhält sich so (in meiner Gegenwart).

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Autismus kommt in sehr vielen Formen daher. Asperger, frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus ...

Übermäßiger Geltungsdrang bei Autisten kann im Zusammenhang mit besonderen Interessen vorkommen. Aber im Bezug auf Schönheit, Alter, Flirten? Das ist eher untypisch. Insbesondere, da Autisten ja tendenziell eher uninteressiert an Smalltalk und oberflächlichen Bekanntschaften sind. Wenn es nicht gerade um das Lieblingsthema Automarken, Amphibien, Künstler des 17. Jahrhunderts, blablabla... was es da nicht alles für Interessen gibt, geht, dann tendieren "die meisten" Autisten (wie gesagt, kommt ihn sehr vielen Formen daher und lässt sich nicht über einen Kamm scheren) doch eher dazu, wenig Interesse an Gesprächen und neuen Kontakten zu haben. Da muss es schon einen Mehrwert geben, also über sinnlosen Smalltalk hinaus gehen.

Ich kenne einige erwachsene Menschen mit Asperger Autismus, hab mit Kindern und Erwachsenen mit frühkindlichem und atypischen Autismus gearbeitet, von non-verbal bis hochfunktional war da alles dabei, aber so egozentrisch wie deine Freundin kam mir bisher niemand unter. Von daher würde ich mich mal weit aus dem Fenster lehnen und sagen: Nö, das ist keine typische Eigenschaft für Autisten. Und auch Autisten sind Lernfähig und Anpassungsfähig und können sich reflektieren, daher würde ich dir raten, diesbezüglich einfach mal das Gespräch zu suchen.
Insbesondere wenn es erst so spät diagnostiziert wurde, würde ich mal vermuten, dass es sich da um hochfunktionalen Asperger Autismus handeln dürfte, da könnte sie durchaus fähig sein, sich das anzuhören und eventuell ihr Verhalten zu ändern, wenn ihr etwas an dir bzw. eurer Freundschaft liegt. Oder eben nicht, dann müsstest du eben in dich gehen, in wie weit die Freundschaft für dich noch etwas ist.

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Wow - lieben Dank für diese ausführliche und aufschlussreiche Antwort!

Wenn ich so überlege, gibt es eigentlich kein spezielles Thema mit welchem sie sich auseinandersetzt.
Also ein solches Hauptthema, wie es für Autisten üblich ist.
Sie ist schon vielseitig interessiert, malt gerne, schreibt.
Interessiert sich aber jetzt nicht für Kunst, außer, es ist ihre eigene...
Es scheint ein wenig, als würde sich ihre Hauptthematik um sie selber drehen.

Manche Eigenheiten sind auch sehr suspekt.
So ist sie zwar einerseits eine Feministin des alten Schlags, wittert in geringsten Kleinigkeiten Frauenfeindlichkeit und lästert aber über jede Frau, die ihr "unterlegen" scheint.
Das ist paradox.

Sie hat auch kein Problem mit Smalltalk.
Im Gegenteil: Es ist schwierig bis nahezu unmöglich, wirklich tiefgründige Gespräche zu führen...außer es dreht sich um sie.

Gibt's vielleicht einfach Autisten, deren Fokus auf ihnen selbst liegt?

Du liegst mit der Hochfunktion übrigens richtig.
Das hatte sie mir auch mal so gesagt.

Würde es eigentlich echt gerne mal thematisieren, aber ich fürchte, sie wäre so eingeschnappt, dass die Freundschaft dahin wäre..

Bearbeitet von AlsosprachZ
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Wie gesagt, geben tut es vieles. Ich bin selbst "nur" Erzieherin, aber hab immer in integrativen Schulen, Kindergärten und zuletzt vor der Schwangerschaft in einer Einrichtung für geistig behinderte Erwachsene gearbeitet, daher auch zahlreiche Schulungen zum Thema Autismus-Spektrum-Störungen gemacht, aber studiert hab ich das Thema nun auch nicht. Kann aber sicherlich sein, dass ihr Fokus einfach auf sich selbst liegt. Es gibt eben nicht den Einheits-Autisten, deshalb heißt es ja auch Spektrum-Störung, weil es in viele verschiedene Richtungen gehen kann und nur wenig eindeutige "Symptome" gibt.

Wie gesagt, da müsstest du dann wohl in dich gehen und überlegen, was dir die Freundschaft wert ist. Ob du so sehr dran hängst, dass du lieber kein Gespräch darüber beginnst, oder ob du den Versuch startest, mit der Gefahr, dass die Freundschaft daran zerbricht. Wäre eben auch die Frage, was ist, wenn du es nie ansprichst und sie so weitermacht - würde die Freundschaft dann von deiner Seite aus überhaupt langfristig noch eine Chance haben? Da kann man dir glaube ich nur schwer von außen helfen, da musst du wirklich selbst in dich gehen und überlegen, ob und wie das ganze noch funktionieren könnte.

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Hey!

Naja, das klingt schon ziemlich typisch.
Ich bin autistisch, manche Mitglieder meiner Familie auch und Freunde.

In meiner Familie gibt es ein paar Personen, die keine Unterhaltung führen können. Die sitzen dann am Tisch, hören zu und sagen nichts- bis ein bestimmtes Stichwort kommt und dann folgt ein minutenlanger Monolog über sich selbst, der von uns abgebrochen wird... bis zum nächsten Schlagwort.

"ich schwärme von den jugendlichen Töchtern meiner Nachbaren, was für hübsche Mädels das sind und dass die beiden die längsten Beine der Stadt hätten.
Ihre erste Reaktion darauf, sie selbst hätte auch sehr überdurchschnittlich lange Beine und ihre Tochter auch, sie hätte das extra mal vermessen lassen."
Das könnte auch ich sein. Mir fehlt manchmal einfach die Fähigkeit zur Perspektivübernahme, wenn ich komplett im Stress bin oder schon viele Gespräche am Tag hatte. Dann könnte ich sowas auch bringen 🤣
An guten Tagen würde ich fragen: "oh, wie groß sind die Töchter denn? Ist die Mama auch so groß oder von wem haben sie das?"
Aber auf der anderen Seite, wenn ich ehrlich bin: Mir erschließt sich nicht, wieso man über die hübschen Töchter von Nachbarn spricht und was man Adäquates auf "längste Beine der Stadt" antwortet. Was wäre denn deiner Meinung nach eine gute Antwort auf die Aussage? Man lernt ja nie aus.

Ich bin mir dessen allerdings bewusst, dass ich zu egozentrisch sein kann- und arbeite bewusst dagegen. Eingebildet finde ich mich jetzt nicht- aber manchmal bin ich zu Smalltalk einfach nicht in der Lage.

Autismus ist ein Spektrum und es gibt viele Facetten.

Liebe grüße
Schoko

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Diagnostizierte Autistin hier. :)
Es kam ja schon ein guter Beitrag hier, ich möchte dazu noch ergänzen, dass nach dem ICD-11 mittlerweile unter den Autismusformen nicht mehr unterschieden wird, sondern man das ganze unter Autismus Spektrum Störung diagnostiziert. Grund hierfür ist, dass es sich manchmal nicht festlegen lässt, da es sich um ein Spektrum handelt.

Dennoch finde ich das Verhalten deiner Freundin recht ungewöhnlich, auch wenn es natürlich sein kann, dass sie ggf. in Stresssituationen so ein Verhalten an den Tag legt. Ich selber bringe auch gerne in einem Gespräch Beispiele aus meinem Leben, da ich nicht weiß, was ich sonst sagen/antworten soll. Den Rest was deine Freundin geäußert hat finde ich allerdings problematisch und wenig wertschätzend. So sind definitiv nicht alle Autisten :/ Ich würde ehrlich gesagt das Gespräch mit ihr suchen und gucken wie sie reagiert. Bzw. je nachdem mich dann entsprechend von ihr distanzieren.

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Spontan erinnert mich ihr Verhalten eher an einen Narzissten als an jemanden mit Autismus.

Gerade die Tatsache, dass deine Freundin dauernd im Mittelpunkt stehen möchte, zeigen doch stark in diese Richtung. Wobei mir persönlich es egal wäre, würde derjenige nur narz. Tendenzen oder die Persönlichkeitsstörung besitzen.

Ich halte generell Abstand von solchen Menschen.