Trauer durch Kinderwunsch

Hallo!

Mein Name ist Carlos. Das Thema Kinderwunsch setzt mir irgendwie extrem zu.

Ich bin 34, meine Lebensgefährtin ist 48. Ich hatte nie vorher einen Kinderwunsch. Es lief ziemlich chaotisch in meiner Jugend, ich kenne meinen Vater nicht und irgendwann Anfang 20 wurde mir klar, was sowas für die Entwicklung eines Menschen bedeutet. Eine verkorkste Beziehung zwischen den Eltern, meine ich. Ich konnte praktisch an mir selber spüren und analysieren, was für Probleme in Sachen Identifikation und psychischem Wohl sowas hervorruft.

Ich war total abgetörnt von dem Thema Kinder kriegen und war mir sicher, dass ich das nie will - weil ich niemals auf irgendeine Art riskieren wollte, dass ich verantwortlich für solche Narben oder einen Knacks bei einem anderen Wesen bin. Mir ging es immer super gut damit. Ich habe mit Mitte 20 lange als Erzieher gearbeitet und dort gemerkt, dass ich einen unglaublichen Draht zu Kids habe. Wahrscheinlich weil ich selbst eins bin und das schamlos auslebe - und in einem Raum voller Kinder rede ich den meisten Unsinn und mache den meisten Quatsch. 🙂
Es war alles gut, es war alles geklärt, es kam auch durch den engen beruflichen Kontakt mit Kindern nie der Wunsch selbst eins zu haben.

Ich möchte noch erwähnen, dass es in meiner Kindheit Mißbrauchserfahrungen durch Frauen gab.

Außerdem habe ich eine toxische Ehe hinter mir. Danach habe ich in Sachen Beziehung eigentlich alles durch... Frauen die mich auf Dinge reduziert haben, die gelogen haben und sogar eine, die beim Geschlechtsverkehr Löcher in das Kondom gestochen hat um schwanger zu werden.

Das alles bestärkte irgendwie das Gefühl in mir, dass ich nie einer Frau genug vertrauen könnte, um Kinder realistisch in Betracht zu ziehen.

Also, es war glasklar... Kinder sind wunderbar. Kinder sind die besseren Menschen. Aber ich möchte niemals selbst eins haben.

Naja. Dann lernte ich mit 33 meine Lebensgefährtin kennen. Wir sind seit fast eineinhalb Jahren zusammen. Durch sie machte ich eine neue Erfahrung - gesunde Liebe.

Als wir uns kennenlernen stellten wir unter anderem beide fest, dass wir keine Kinder möchten (sie hat 2 Söhne) und das wir nie mehr heiraten möchten. Super!

Es gab dann ein besonderes Ereignis. Wir hatten Geschlechtsverkehr, nach welchem sie ein wenig geblutet hat. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt eine Hormonspirale. Es hätte also nichts sein können, aber wir haben dann etwas über Einnistungsblutung gelesen und irgendwie war es mulmig.

Wir sind zusammen zum Frauenarzt gefahren, um sicher zu gehen... Und als ich da im Auto vor der Praxis saß (es durfte keine Begleitperson mit rein) habe ich nochmal richtig nachgedacht. Was wenn, und so weiter. Zum ersten Mal im Leben war es kein unangenehmes Gefühl, sondern irgendwie war es eine nette Vorstellung. Das war neu. Komplett neue Gedanken, die ich nie hatte, nie kannte, nie zugelassen hätte. Aber plötzlich war das ein natürliches Gefühl, was von alleine kam.

Ich merkte, dass durch das Erleben einer gesunden Liebe diese Tür irgendwie geöffnet wurde. Ich konnte es mir vorstellen. Das was vorher wiegesagt nie ein Thema war, war plötzlich ein schöner Gedanke. Ich denke, es war eine Mischung aus älter werden, also reifen, und den richtigen Partner gefunden zu haben. Wir haben dann einige Male darüber geredet. Es war ausgeschlossen für sie. Anfangs sagte sie, sie sei fertig damit und möchte das nicht mehr. Es fühlte sich unendlich traurig an. Den der Kinderwunsch, der in mir wuchs war kein allgemeiner, so nach dem Motto: "Ich will jetzt Kinder, koste es was es wolle."

Ich konnte mir vorstellen, Kinder mit dieser einen Person zu haben aufgrund der Liebe die zwischen uns herrscht. Ich war verwirrt und verzweifelt, weil es sich nun verselbstständigt hatte. Ich fand die Idee nicht nur nett. Ich habe mir Babyschuhe angeguckt, Dokus über Eltern geschaut, Muttis mit Kinderwägen beobachtet, mit Leuten darüber geredet... Der Wunsch war da. Es war wie ein Entwicklungsschub, es war eben echt einfach so als ob eine Tür aufging, bei der ich mir alle Mühe gegeben hatte sie zuzunageln, 100 Schlösser anzubringen, das ganze Haus zu verbuddeln und ans andere Ende der Welt zu ziehen. Und sobald sie auf war, kam so ein Riesenwirbelwind da raus und hat mich gepackt. Und ich war froh, ich hab es zugelassen, weil es sich richtig angefühlt hat.

Im April letzten Jahres haben wir uns dann entschlossen es zu probieren, obwohl es sehr unwahrscheinlich war. Sie hat sich (nach 12 Jahren) die Hormonspirale herausnehmen lassen. Es war unglaublich. Wir haben soviel geredet, geplant wie Babybetten lackieren und mit dem Kind im Umhängetuch vorne drin durch Indien reisen, sogar schon ganz vorsichtig über Namen gesprochen...

Sie bekam keine Periode, dafür aber Schwitzattacken und unruhigen Schlaf. Anfangs sagten wir uns, dass der Hormonhaushalt durcheinander ist, usw... Nach 5 Monaten ließ sie einen Hormonstatus machen und der Frauenarzt sagte, auf natürlichem Wege sei es nicht möglich wegen der Wechseljahre.

Für mich brach eine Welt zusammen, für sie nicht. Für sie war es eher die Tatsache, dass ihr ihr Alter vor Augen geführt wurde, die sie bedrückte. So sagte sie es. Sie tat so als ob nichts sei und nahm mich nicht wahr und drängte es weg. Sie flüchtete in der darauffolgenden Woche wann immer sie konnte. Das hat mich fertig gemacht.

Wir haben uns zusammengerissen und ich habe so gut es ging versucht es zu verdrängen. Es kommt aber manchmal wieder hoch. Mittlerweile haben wir auch mal normal darüber gesprochen, auch mit einer Freundin von ihr.

Wir haben sonst eine harmonische Beziehung voller Lachen und Liebe.

Ich fühle mich in Momenten wenn es hochkommt allein im Regen stehengelassen. Sie sagt, warum solle man sich darüber Gedanken machen, wenn es sowie nichts bringt. Es geht nicht, also Krone richten und weiter. Für sie funktioniert das. Für mich nicht. Ich habe immernoch dieses große Fragezeichen in mir, wie es wohl ist, sein Kind zum ersten Mal auf diesen Röntgenbildern zu sehen, dem Kind in die Augen zu schauen, es zum ersten Mal halten. Zu erkennen, ey der ist von mir aber trotzdem irgendwie ein eigener Mensch. Und diesen Mensch kennenzulernen. Und sich zu wundern und zu erfreuen und bestimmt manchmal auch an den Rand der Zurechnungsfähigkeit getrieben zu werden. Und Sachen weiterzugeben...... Sachen zu zeigen... Das Wesen dieses Menschens zu erkennen und zu fördern. Puh...
Es tut so weh, zu wissen, dass das nie geht. Es tut weh es nicht dem Partner sagen zu können ohne schlechtes Gewissen oder der entweder Befürchtung den Frieden zu stören oder - noch schlimmer - nicht wahrgenommen zu werden. Ich bin ihr nicht sauer, dass es nicht geht. Ich habe ihr nie einen Vorwurf oder so deswegen gemacht.
Ich habe einen Termin beim Therapeuten gemacht und versuche es ja wegzudrängen. Aber ich kann es nicht so leicht loslassen und es fällt mir schwer es zu verarbeiten. Das sie so logisch und distanziert darauf reagiert verstehe ich nicht. Manchmal sage ich das auch, aber ohne zu bohren, oder ihr ein schlechtes Gewissen einzureden. Andererseits möchte ich mich auch nicht schlecht fühlen, weil ich sowas empfinde. Es tut mir weh. Es ist nicht abwegig, daß ich sowas fühle, das weiß ich. Es war vielleicht naiv daran zu glauben, aber hey... Es war das erste Mal das ich ein Verständnis über das Wunder einen Mensch zusammen zu erschaffen erhalten habe. Es hat mich halt umgehauen und das bereue ich nicht. 🤷‍♂️

Hmm... Eigentlich ist das Unsinn, denn manchmal denke ich mir schon, dass ich es bereue. Ich war glücklich in Sachen Kinder vorher und jetzt fühlt es sich an als ob ich ein Loch in mir habe.

Und ich weiss nicht, wie man da raus kommt. Das ist der Grund dieses Posts. Wie kommt man da raus?

Liebe Grüße,
Carlos

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Vielleicht habt ihr die Möglichkeit in Form einer Adoption?
Ich denke dein Wunsch wird nicht mehr schwinden. Er wird immer da sein und irgendwann wird die Trauer überwiegen

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Hi! Ich glaube nicht. Für sie ist das durch. Nichts anderes kommt in Frage. Das Thema liegt bei den Akten und darüber miteinander sprechen hat kein positives Ende. Sie sagte mal, dass sie mit mir sowas wie eine Paarberatung oder Therapie machen würde, das fand ich super. 🙂 Ich habe das Gefühl, dass ich ihr auf den Sack gehe damit und das ist nochmal so ein Thema für sich. Momentan sind meine Strategien damit umzugehen eine Therapie (erstmal alleine) und hier im Forum schreiben.

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Hallo Carlos,

ich möchte als erstes mal loswerden, wie fesselnd zu schreibst. Dein Text hat mich richtig gepackt.
Ich kann die Zwickmühle, in der du dich befindest, nachvollziehen.
Mein Gedanken dazu sind folgende:
Bist du dir sicher, dass dein Kinderwunsch NUR gemeinsam mit deiner aktuellen Partnerin besteht? Wenn ja, bist du vermutlich schon den ersten richtigen Schritt gegangen und suchst dir Hilfe, das Thema zu bearbeiten. Ein leibliches Kind wird wahrscheinlich aufgrund des Alters deiner Partnerin nicht mehr möglich sein.
Und auch wenn das jetzt sehr hart klingt (ich meine es nicht so), musst du dich entscheiden, ob dir die anscheinend glückliche und liebevolle Partnerschaft es „wert“ ist, auf deinen neuen Traum von einem Baby zu verzichten. Dass deine Partnerin das besser akzeptieren kann als du, liegt vermutlich daran, dass sie einfach schon zwei Kinder hat und dieses Wunder somit schon miterlebt hast - du aber nicht.

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Hi! Danke für das Lob.
Hmm... Sowas hat mir schon mal jemand vorsichtig geraten. "Naja, DU kannst ja noch Kinder kriegen."

Der Kinderwunsch entstand durch und mit meiner Lebensgefährtin und etwas anderes sehe ich nicht. Will ich auch nicht. Es ist die Person, der mein Herz gehört und die die Tür aufgemacht hat. Auch wenn sie mir in Gesprächen über das Thema vorkommt wie Manni von der Baustelle, ist es sie, die mir gezeigt hat was gesunde Liebe bedeutet. Ich sehe mich mit keiner anderen Frau auf der Welt alt werden und gemeinsam Dinge erleben. Die Vorstellung an ein Leben mit jemand anderem ekelt mich sogar ein wenig.

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Hallo.
Hast du mal versucht, ihr das ganze, so wie du es uns geschrieben hast aufzuschreiben? In Worte fassen ist meist schwerer als in Buchstaben. Du hast so fesselnd geschrieben.
Ich würde es mal so vorsichtig versuchen. Evtl. Besteht ja noch die Chance, auf künstliche Befruchtung Bzw. Adoption, wenn sie es denn zulässt.
Evtl. Ist sie jetzt etwas gekränkt über sich selber, denn sie weiß, dass ihr Körper älter wird. (Menopause usw)
Sie hatte sich ja schon mal untersuchen gelassen. Also war der Wille ja ein Stück weit da, es noch mal zu versuchen.
Alles Glück der Welt wünsche ich euch.

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Hallo Carlos!
Ich wollte dir nur sagen, dass ich mich für dich freue, dass du nach all den negativen Erfahrungen den richtigen Menschen gefunden hast und auch nicht mehr loslassen möchtest. Das ist so viel Wert!

Ich weiß selbst, wie schwer es für eine Frau ist, gesagt zu bekommen, dass man wahrscheinlich keine Kinder (mehr) bekommen kann (oder es zumindest in meinem Fall schwierig wird).
Ich vermute daher, dass deine Partnerin so „technisch“ an die Sache herangeht, um sich emotional davon zu distanzieren. So ist es wahrscheinlich leichter für sie auszuhalten.
Immerhin hatte sie mit dem Thema Kinder kriegen bereits abgeschlossen und dann mit dir und für dich doch noch einmal Hoffnung geschöpft. Da ist die Enttäuschung bei ihr sicherlich auch groß und sie fühlt sich vielleicht verantwortlich, da das „Problem“ ja bei ihr liegt.
Ich habe meinem Mann auch schon mal gesagt, dass wir es eben lassen, wenn es nicht sein soll. Aber das ist mehr Selbstschutz, innen drin bin ich oftmals sehr traurig.

Was ich damit sagen will: sei deiner Partnerin nicht böse, wenn sie dich mit dem Thema beiseite schiebt. Ihr scheint eine gute, gesunde Beziehung zu haben und da denke ich nicht, dass sie dich nicht ernst nimmt.

Alles Gute euch!

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Bist du mir böse, wenn ich dir sage dass du noch dein ganzes Leben vor dir hast ? 🙈🥺

Ich denke immer etwas weiter und an die Zukunft. Du bist erst 34! Der Wunsch nach einem Kind ist groß und schmerzhaft wenn es nicht klappt. Wir sind mitten in der Planung und das seit längerer Zeit. Und ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst. Früher oder später wird es dich zerbrechen.

Ich entschuldige mich *nicht*dafür, dass ich zu direkt bin! Sie wird dir niemals das geben was dich glücklich macht und zwar ein eigenes Kind. Ein Kind das deine/eure Charakterzüge hat, dein/euer Lächeln hat. Sie ist viel älter wie du. Sie hat ihren Kinderwunsch abgeschlossen…musst du auf deinen Wunsch verzichten ?

Ich sage es knallhart, such dir eine Partnerin in deinem alter… die richtige kommt noch. 🙈
Sie wird es akzeptieren und verstehen. Kein Therapeut dieser Welt wird dir das geben können, was du dir selbst nicht holst.


Sei mir nicht böse für meinen nicht so netten Worte.

Wünsche dir von Herzen alles liebe.

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Hallo Luana,

dein Beitrag ist geprägt von der Grundauffassung, dass er wieder eine Frau finden kann, mit der er eine wie er es so schön nennt „gesunde Liebe“ finden kann. Ich glaube es ist schwierig für jemanden, der nicht seine schlechten Vorerfahrungen durchgemacht hat, so etwas zu beurteilen. Mehrfach klang doch durch, dass er das, was er in der aktuellen Beziehung gefunden hat, für kein Geld der Welt wieder hergeben möchte.
Dass er durch diese Frau wieder generell Vertrauen zur Liebe und zu Frauen gefunden hat, ist doch einfach grandios und super wertvoll. Ich verstehe, dass er das nicht mehr verlieren will!

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Hallo Mominspe,

ich kann es auch verstehen, aber der Altersunterschied ist viel zu groß. Ich weiß ich klinge sehr pessimistisch und negativ, aber wenn sie so viel älter ist, ist er zum Schluss ganz alleine. Ohne Kinder, welchen er seine Liebe geben kann.

Wenn man verletzt wird ist es sehr schmerzhaft, ich weiß das. Aber ich weiß genau so gut, dass da draußen sehr viele tolle Menschen gibt. Solch eine Erfahrung sollte einen nicht zum negativen prägen.

Er muss es wissen.

Alles gute.

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