Ich bin so hin und hergerissen

Es ist viel passiert in den letzten 30 Jahren.
Ich weiß auch gar nicht wo ich anfangen soll. 30 Jahre zusammen, 2 große Kinder, wohnen beide noch zu Hause.

Ich bin grad auf dem Ich-Trip.
Ich möchte für meine Sachen verantwortlich sein und nicht für die der anderen.

Ich möchte auch mal alleine sein. (Mein Partner macht seit 18 Jahren Homeoffice, meine Kinder seit Corona)

Ich möchte das Haus nach der Arbeit so wiedersehen wie ich es morgens verlassen habe. Zwischenzeitlich haben hier aber 3 Personen gegessen, geduscht, rumgesaut. Mir ist Sauberkeit und Ordnung wichtig, meiner Familie offenbar nicht - oder sie hoffen darauf dass ich es wegmache weil es mich stört, wie ich es seit Jahren mache.

Ich möchte einen Rückzugsort haben. Es gibt kein freies Zimmer hier. Ich schlafe seit 5 Jahren im Büro. Ich bin aus dem Schlafzimmer ausgezogen weil ich das Geschnarche nicht mehr ertragen konnte, weil ich auch mal wieder schlafen wollte. Ich habe ums Schlaflabor gebeten, es gab ein Gerät für zu Hause, es hieß es sei alles in Ordnung, ich zählte zum Schluss ungefähr 10 längere Atemaussetzer pro Minute. Ich verließ das Schlafzimmer.
Wichtig war ihm meine Anwesenheit offenbar nicht, geändert hat sich nichts.

Über die Jahre ist mir Sex nicht wichtig. Ich möchte eigentlich gar nicht mehr. Ich sehe den Sinn nicht, ich möchte nicht kladdernass liegen gelassen werden und ich möchte mich und meinen Körper einfach nicht mehr zur Verfügung stellen. Er sagt für ihn sei Sex aber wie essen und trinken und nur so könne er entspannen und ob ich wüsste wie "weh" es ihm täte wenn ich nicht möchte.

Er hat eine Therapie vorgeschlagen. Ich vermute er sucht wen, der mir sagt hey, wenn es dich stört, machs weg und motz nicht rum. Und wenn du damit fertig bist, machste hübsch noch die Beine breit.

Ich hab mich wohl emotional schon getrennt. Obwohl ich Nähe zu ihm immer noch angenehm finde. Er kann aber zwischen Nähe und Sex nicht unterscheiden. Letztens meinte er, er hätte unsere Beziehung gerne so wie früher, vor den Kindern. Ok, mit 23 ist so ne Beziehung vermutlich noch eher Richtung Bett ausgerichtet gewesen ...

Wir gehen beide gleich lange arbeiten. Unsere Kinder sind bald mit ihren Ausbildungen fertig. Wir hsben zwei Häuser, eins vermietet. Laut ihm haben wir immer zu wenig Geld.

Wäsche, Haushalt wird alles überbewertet. Manchmal glaube ich er braucht Hilfe. 18 Jahre Home office ohne Sozialkontakte, seit Corona kein Sport mehr und nur zu Hause. Am Wochenende will er raus, was erleben, was unternehmen. Ich bin unter der Woche 10 Stunden ausm Haus und froh, wenn ich am Wochenende nicht raus muss.

Ich glaube wir haben uns schlimm auseinander gelebt.

Ich war schon so weit dass ich sagte ich habe kein Problem damit wenn er sich umorientiert und sein sexuelles Bedürfnis woanders lösen kann, ich möchte einfach nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich habe 23 Jahre zurückstecken müssen, jetzt nicht mehr.

Ich weiß manchmal nicht ob es mir leid tut. Ich weiß auch nicht ob eine räumliche Trennung erstmal dafür sorgt ihm zu zeigen was ich meine, nämlich Müll, ungewaschene Wäsche, überall liegt was rum und Brot kommt auch nicht mit den Heinzelmännchen ...

Er sagt meine Unzufriedenheit liegt an meinem Job, ich soll mir nen anderen Job suchen. Er denkt er weiß alles und wenn ich etwas kritisiere oder mir was wünsche das sich ändert heißt es ich sei zu pingelig.

Wenn ich das so lese hätte ich schon viel früher gehen sollen ...

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Das tut mir sehr leid. Ich weiß nicht genau was ich dir raten soll. Ich kann Aspekte nachvollziehen, frage mich aber ob du eine zu schnelle Trennung bereuen würdest. Oder einen Freibrief an ihn.

Vielleicht hilft dir eine kleine Auszeit allein. Wäre ein Urlaub (allein!) möglich? Oder mal 2 Wochen in eine Pension zu gehen? Vielleicht musst du mal raus aus deinem Trott. Und er nebenbei sehen, was im Haus alles neben dem Job zu tun ist. Könnt ihr nicht noch Aufgaben besser/mehr verteilen und Regeln aufstellen (Esstisch bzw. ganze Küche sauber hinterlassen etc)?!

Wenn ein Urlaub oder die 2 Wochen nicht drin sind, plane dir unbedingt anders „Ich-Zeit“ ein. Magst du schwimmen und in die Sauna gehen, oder könntest du mit einer Freundin einen Mädelsabend/die Woche machen etc?

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Hallo Annie,

Ich habe überlegt in die Wohnung meiner Tochter zu ziehen. Sie plant eh eine Auflösung und ist seit ein pasr Monaten wieder viel bei uns so dass ich da zumindest eine Möglichkeit hätte.
Es müsste schon für länger als ein paar Tage sein.

Wir kochen und essen gemeinsam, wir können auch noch miteinander lachen. Gestern fragte er ob wir überhaupt noch eine Paartherapie benötigen, es sei alles ok. Er hatte mal die Küche aufgeräumt und das war wohl der Grund dass er dachte jetzt sei alles wieder nett.

Ich bin so oft entäuscht worden, weil er einfach nicht da war, weder bei der Fehlgeburt vor vielen Jahren (da war er im Nebenraum und hat sich um nix gekümmert und mich noch nichtmal gefragt wie es mir geht) noch bei der Erkrankung eines unserer Kinder. Als ich nach 2 Wochen Intensivstation fragte ob er Ihre Therapie lernen möchte sagte er es reiche doch wenn das einer von uns könne. Ich stand jede Nacht 2x auf, um die Monitore unseres Kindes unter Kontrolle zu haben, ich besorgte Medikamente und alle Hilfsmittel, ich kümmerte mich um alles. 12 lange Jahre, bis sie es mittelprächtig alleine konnte. Ich fühl(t)e mich so unglaublich alleingelassen. Er meinte immer er müsse arbeiten, aber das habe ich auch und hatte das kranke Kind, das gesunde Kind, Haushalt und alles drumherum auch gewuppt. Er kümmerte sich nur um sich selbst.

Geschenke planen und besorgen für die Kinder, Eltern, Schwiegereltern? Ist nicht wichtig, dieses wird alles überbewertet kann ich nicht mehr hören.
Ich machte es uns nett hier und bekam ein also ich brauche keine Weihnachtsdeko. Er erscheint mir manchmal so traurig depressiv, aber er möchte nichts ändern und fühlt sich permanent angegriffen.

Es hat dutzende Hauhaltspläne gegeben, mit Zuteilung von Aufgaben nach Absprache im Familienrat. Ich war die einzige die diese Pläne einhielt. Von ihm hörte ich nur heute nicht, Wäsche kann warten, Aufräumen wird überbewertet und und und.

Er würde gerne abends kuschelnd auf dem Sofa verbringen, das würde ihm so fehlen, und überhaupt fehlt ihm Nähe. Ja und Sex sowieso. Und wenn es das alles nicht gibt, kann er seine Akkus auch nicht aufladen für irgendwelche Aufgaben. So ne Masche mach ich aber nicht mehr mit.

Ich möchte allerdings nicht schon wieder diejenige sein die das Feld räumt. Ich hab immer den Kürzeren gezogen. Ich möchte meinen Platz nicht kampflos räumen, aber ich möchte eigentlich gar nicht kämpfen.

Ach man.

Viele Grüße erstmal und danke sehr für eure offenen Ohren/Augen,
Die Nachteule

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Hallo Nachteule,

wenn ich das so lese, lese ich viele Gründe, um zu gehen. Den wichtigsten möchte ich mal mit "Lieblosigkeit" betiteln, kommt das hin? Auf Paarebene ist nicht mehr viel, was euch noch verbindet. Okay, du empfindest seine Nähe noch als angenehm. Das klingt für mich aber auch nicht so prickelnd. Ich genieße auch die Nähe von Freunden, von einem Haustier, wie auch immer. Bei meinem Partner genieße ich mehr als nur seine Nähe. Man muss nicht ständig übereinander herfallen, aber ein gutes, geborgenes und warmes Gefühl muss da sein. Ist es noch da bei dir? Glaubst du, es kommt je wieder, möchtest du das überhaupt?

Wenn nein, wovon ich bei deiner Schilderung ausgehe (du lehnst auch eine Therapie ab, was ich auch als Indiz sehe) - was sind denn deine Gründe, zu bleiben? Wenn du dir das Leben ohne ihn vorstellst, langfristig - was hast du für ein Gefühl? Viele Fragen...

Auf die Rahmenbedingungen mit den Kindern bin ich jetzt übrigens bewusst nicht eingegangen. Die sind in absehbarer Zeit sicher eh anders. Es soll mal nur um euch als Paar gehen.

Viele Grüße,
DieKati

Bearbeitet von DieKati
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Hallo Kati,

Ja Lieblosigkeit, Empathielosigkeit trifft es sehr gut. Ich bin krank? Ach egal, solange sie nicht umfällt ... ich hatte das mal angesprochen warum ich nie gefragt wurde wie es mir ging z.B. beim Norovirus oder ner Lungenentzündung. Ist schon lange her, aber sowas kann ich nicht vergessen, als Antwort bekam ich ich hätte nicht gesagt dass ich Hilfe bräuchte...

Wenn ich möchte dass mir geholfen wird muss ich das sagen. Aha. Ich habe hier eigentlich einen Partner und kein weiteres Kind.

Ein Partner ist er allerdings nicht. Er hat sich gestern die Müllapp geladen damit er, nach 18 Jahren, auch mal die Mülltonnen rausstellen kann. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es echt zum Lachen. Unser Kalender wird von mir geführt, der hängt offen für alle in der Küche. Da stehen auch die Leerungszeiten drauf. Ist immer derselbe Wochentag, ist jetzt nicht soooo schwer.

Heute dann die Info dass das Erstgespräch an Datum x um y Uhr stattfindet. Argh! Ich hatte dann kurz darauf hingewiesen dass meine Termine auch seit 18 Jahren dort vermerkt werden und zusätzlich noch für alle einsehbar an der Pinnwand hängen. Ich hab da einen Arzttermin auf den ich seit August warte. Wusste ich nicht kam dann.

Tja, was verspreche ich mir von einer Therapie? Ich bin nicht dagegen, ich glaube er hat nur noch nicht verstanden dass ich nicht mehr möchte dass er seine Masche Hilfe gegen Sex durchzieht. Wenn er meint, wir müssten dafür zur Therapie machen wir das. Er meint mit mir stimmt was nicht, ich sei unglücklich im Job und das wirke sich auf zu Hause aus und ja, vielleicht ist auch mit ihm nicht alles rund gelaufen aber man müsse alte Sachen nicht aufwärmen und hinterhertragen.

Und mich ärgert es schon wieder dass ich hier von Hilfe schreibe. Ich brauche keine Hilfe mit meinen Aufgaben, wir sollten ein Team sein und diese Aufgaben teilen, nicht er soll mir helfen. Das so anmerkennzu können hat michvsehr lange gebraucht.

Manchmal denke ich ich bin selbst schuld. Ich habe ihm immer den Rücken frei gehalten weil er seine Kinder früher nur am Wochenende gesehen hat, er hatte wirklich lange Arbeitswege und viele Dienstreisen, da wollte ich die wenige Zeit diecer zu Hause hatte nicht mit Aufgaben füllen. Ich hab einfach den Absprung verpasst und er hat sich nicht gekümmert, war ja alles einfach so.

Viele Grüße,
Die Nachteule

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Was ich denke, nachdem ich deine beiden Antworten gelesen habe:

1. Er hat es sich total bequem gemacht.
Du machst und tust, du reibst dich für die Familie auf, kümmerst dich um alles, und er? Ihm gefällt das natürlich so. Er muss aber auch aus seiner Sicht nichts ändern. Weil...

2. Er ist sich deiner komplett sicher.
Du machst ja eh, denkt er. Hast du ja bis jetzt immer. Du hast dich vielleicht ab und an beklagt, vielleicht auch mal mit ihm gestritten, ihm das vorgehalten - kann ich mir jedenfalls vorstellen. Letztendlich hast du einfach trotzdem immer alles gemacht. Es ist jetzt viele Jahre so gelaufen - warum funktionierst du jetzt auf einmal nicht mehr? Immerhin hat er jetzt einmal die Küche aufgeräumt und sich die Müll-App runtergeladen. Dass eine Partnerschaft, in der man als Team agiert, so nicht funktioniert, hat er aber offenbar nie gelernt oder über die Jahre verlernt.

Eine räumliche Trennung kann definitiv helfen, um sich über den weiteren Weg klar zu werden. Auch die Paartherapie kann einen weiterbringen - wohlgemerkt ergebnisoffen, es muss also nicht darum gehen, die Beziehung auf jeden Fall zu erhalten.

Liebe Grüße,
DieKati

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Ina Müller singt: "Du brauchst keinen Grund zu gehen, wenn Du keinen mehr hast, um zu bleiben."
Wie oft ich in letzter Zeit mein eigenes Leben mit diesem Satz hinterfrage, mag ich gar nicht sagen. Es macht mich sehr nachdenklich.

Aber ich finde, auch für Dich passt dies sehr gut. Ich verstehe Dich. Fühl Dich gedrückt #liebdrueck

Alles Liebe!

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Hallo Nachteule, das mit dem 2. Haus klingt doch super! Mieter kündigen, umziehen, fertig. Ich wüsste jedenfalls, dass ich es so machen würde. GLG

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Puh. Dein Partner klingt wirklich nicht nach einem tollen Partner. Ich glaube tatsächlich nicht, dass da noch was zu retten ist.

Dass er nicht aufgeben will, verstehe ich. Er hat es ja auch richtig gut. Er muss nur arbeiten und kochen, ansonsten bekommt er den Popo gepudert, warum sollte er das aufgeben? Er muss ja für nix Verantwortung übernehmen so.

Du hast auch nur dieses eine leben, du hast das alles viel zu lange mit gemacht. Du hast ihm gesagt, was dich stört und was sich ändern müsste - und er glaubt dir nicht. Das finde ich richtig verletzend! Er behauptet, es liegt an deinem Job und mangelndem Sex, kommt ihm ja beides sehr gelegen - an erstem kann er nix ändern und zweiteres wäre ein weiterer Vorteil für ihn 😅 super!

Wäre er einsichtig, würde er bereuen, wo er in den letzten Jahren nie für dich oder eure Familie da war (sei es Therapie der Kinder, als du krank warst, bei der FG), würde er reflektieren, wo seine Fehler liegen - dann würde ich vllt noch eine letzte Chance einräumen und die Therapie in Anspruch nehmen, um zu sehen, ob ihr das Ruder wirklich rum reißen könnt.

Aber danach klingt es null. Er sieht bei sich ja gar kein Fehlverhalten. Alles lastet auf dir - dass alles läuft, die Verantwortung, die Harmonie und letztlich auch die Schuld, wenn es nicht läuft. Und das wäre mir tatsächlich einfach zu blöd, diesen Schuh würde ich nicht mehr tragen wollen!