Hallo an alle,
ich habe Mal eine Frage zum Thema Langzeitbeziehung und Alkoholismus.
Ich bin mit meinem Partner seit Teenagertagen zusammen (10+ Jahre), inzwischen sind wir um die 30. Wir sind auch seit wenigen Jahren verheiratet.
Mein Mann hatte immer ein Problem sich beim Alkohol trinken zu kontrollieren und musste schon Immer gebremst werden. Er war und ist niemals aggressiv wenn er trinkt. Es ist einfach so, dass er so gut wie nie aus eigenem Willen aufhören kann.
Ich verteufel keinen Alkohol, auch ich habe gerne getrunken, kenne allerdings meine Grenzen und brauche keine Alkoholexzesse. Dennoch trinke ich auch gerne mal ein Bier am Nachmittag. Ich will damit sagen ich bin keine Heilige.
Letztes Jahr hat mein Mann ein neues Verhalten an den Tag gelegt, dass mir leider bewusst macht, dass er wohl mittel oder langfristig dem Alkohol zum Opfer fallen wird. Er hat angefangen an Freitagen (wochenends ist frei) alleine ohne Anlass immer mehr Bier zu trinken. Nach ein paar Wochen lagen bei uns die Nerven blank und der Gedanke zur Trennung kam auf den Tisch.
Wir haben uns auch aus anderen Gründen mit dem Thema Depressionen auseinander gesetzt und nach einem Streit, bei dem ich ihm wirklich unschöne Wahrheiten an den Kopf geworfen habe hat er es bleiben lassen mit dem alleine Trinken am Freitag.
Sein ungesundes Verhältnis zum Alkohol ist also thematisch wieder in den Hintergrund gerückt.
Jetzt zum Winter hin fängt das Verhalten wieder an und ich muss gestehen, dass ich diesmal deutlich weniger emphatisch auf das Problem reagiere. Ich bin nicht bereit die besten Jahre meines Lebens mit einem Suchtkranken zu verbringen, der einen immer und überall blamiert.
Ich kenne Alkoholiker und weiß wie nervtötend es ist, wie die Krankheit nach Jahren auf den Betroffenen wirkt. Deshalb kommt da auch schon eine riesen Abneigung mit, wenn ich sehe wie mein Mann langsam aber sicher diesen Weg eingeschlagen hat.
Da ich die Beziehung auch nicht einfach wegwerfen möchte würde es mich interessieren, ob es hier Personen gibt, die Erfahrungen oder positive Erfolge mit dem Umgang und der Eindämmung dieser Krankheit beim Partner hatten bzw. haben. Oder gerne auch Erfahrungen von Betroffenen, wie der Partner dabei helfen könnte aus diesem Sumpf rauszukommen.
Abgesehen davon, dass ich immerzu das Bild von einem alten verlebten, peinlichen, Kerl vor Augen habe, wenn er trinkt, ist unsere Beziehung stabil und frei von Gewalt.
Ich denke auch, dass wir diese Phase wieder meistern können, die Probleme steigern sich langsam und wir stehen noch am Anfang dieser Abwärtsspirale. Mich würde einfach interessieren, ob es den Aufwand langfristig wert sein kann oder, ob es nur diese Abwärtsspirale gibt.
Gibt es eine Chance für Alkoholiker ?
Ihr habt auf jeden Fall eine Chance, eure Beziehung zu retten, wenn ihr gemeinsam an dem Problem arbeitet und dein Mann selbst einsieht, dass er alkoholkrank ist, und dass er mit dem Alkohol nicht nur eure Beziehung, sondern auch seine eigene Gesundheit gefährdet, und dass er die psychische und physische Abhängigkeit vom Alkohol eventuell nur mit fremder Hilfe (Entziehungskur, später Selbsthilfegruppe) wieder los werden kann. Ich würde dir raten, gute Literatur zum Thema zu lesen, und dieses Thema im nüchternen Zustand ganz in Ruhe mit deinem Mann zu besprechen, da der Wille aufzuhören von ihm selbst, aus eigener Überzeugung kommen muss.
Es gibt auch Literatur, die dir und deinem Mann helfen kann, die Alkoholkrankheit besser zu verstehen, z.B. die Suchtfibel:
https://www.amazon.de/Die-Suchtfibel-Alkohol-entsteht-Abh-C3-A4ngigkeit-dp-3986490108/dp/3986490108
Hilfe findet ihr auch beim Blauen Kreuz:
https://www.blaues-kreuz.de/de/wege-aus-der-sucht/
Alles Gute euch beiden :)
Guten Abend,
vielen Dank für die ausführliche und schnelle Antwort.
wir sprechen über die Problematik und streiten in naher Zukunft auch sicher wieder darüber, wenn er gerade betrunken ist. Leider werde ich bei dem Thema selbst emotional und kann meine Abscheu nach einer gewissen Zeit nicht mehr unterdrücken.
Ich habe den Beitrag möglichst neutral gehalten, aber in echten Leben sind da ja natürlich noch ganz viele Gefühle im Spiel.
Es ist aber sehr schön, dass die erste Antwort so optimistisch gehalten ist, das hebt meine Stimmung :) vielen Dank dafür!
Ich möchte mich meiner vorrednerin anschließen. Ihr habt natürlich eine Chance, nur muss es dein Mann auch wollen und das ist leider oft der Knackpunkt.
Versuche mit ihm im nüchternen zustand zu reden und versuche die Emotionen aussen vor zu lassen, also wirklich ein rein sachliches Gespräch, ohne Vorwürfe, etc.
Vielleicht hilft zusätzlich eine Paartherapie. das wäre jedoch für mich erst der zweite Schritt. ich würde mir aber in jedem Fall externe hilfe holen.
und auch, wenn es plump klingt, ihr habt euch das Ja-Wort gegeben und das ist im Endeffekt in guten wie in schlechten Zeiten. Natürlich sind schlechte Zeiten immer hard und nervenaufreibend.
ihr könnt es aber schaffen! Ich wünsche es euch
Guten Abend,
Auch hier erstmal danke für die schnelle und ausführliche Antwort.
ich denke auch, dass wir es für den Moment in den Griff bekommen können.
Nur Frage ich mich, ob das langfristig auch funktionieren kann. Er trinkt ja nicht um mich zu ärgern, sondern weil er wohl süchtig ist. Ich weiß nicht, ob er noch die Kurve kriegen kann, um den Umgang mit Alkohol langfristig zu kontrollieren oder, ob er nur die Wahl hat trocken oder voll zu sein.
Mir fehlt da einfach das Wissen wie sich das Suchtverhalten entwickeln kann oder wird. Ich kenne nur Alkoholiker die eindeutig den Kampf verloren haben.
Natürlich bin ich bereit ihn zur Seite zu stehen solange es Chancen gibt. Aber sobald sich abzeichnet, dass er sich für den Alkohol entschieden hat bin ich machtlos und egoitisch genug um mir das dann nicht mehr anzutun.
Ich denke ich hoffe einfach auf Eindrücke, die mir helfen das langfristig zu beobachten und die Anzeichen zu erkennen wann es zu spät ist bzw. zu erkennen wann man frühzeitig Einfluss nehmen kann als Angehöriger.
Solange es geht werde ich versuchen zu helfen, ich liebe ihn ja und möchte bisher eigentlich mit ihm alt werden.
Wenn ihr es nur "für den Moment" im Griff habt, dann habt ihr es noch nicht wirklich im Griff, sondern ihr verschiebt das eigentliche Problem nur zeitlich nach hinten und verlängert damit euren Leidensweg. Es handelt sich hierbei nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathon-Lauf.
Langfristig kann es wahrscheinlich nur funktionieren, wenn ihr alle beide künftig und dauerhaft überhaupt keinen Tropfen Alkohol mehr trinkt und mit gar keinen Alkohol meine ich: kein Bier, kein Wein, kein Sekt, kein Schnaps, etc. und auch keine alkoholhaltigen Pralinen, auch nicht zu bestimmten Anlässen wie dem Jahreswechsel, auch nicht bei Freunden oder auf Familienfeiern. Das Leben geht auch ohne Alkohol weiter, Spaß kann man auch ohne Alkohol haben, und es wird eurer beider Gesundheit gut tun. Jeder Tropfen Alkohol kann die Sucht und das Verlangen nach Alkohol erneut auslösen, und dann geht der Kampf gegen die Alkoholkrankheit von vorne los.
Es ist wichtig zu verstehen, dass wenn dein Mann es mit externer Hilfe schafft, vom Alkohol loszukommen, es sehr wichtig ist, dass ihr dieses "Leben ohne Alkohol" stabilisiert, um langfristig erfolgreich sein zu können.
Damit keiner von euch beiden rückfällig wird, ist es wichtig, dass ihr gemeinsam an einem Strang zieht und euch gegenseitig ein gutes Vorbild seid, das heißt gar keinen Alkohol trinkt. Der regelmäßige Besuch von Selbsthilfe-Gruppen, die zumeist ehrenamtlich durch trockene Betroffene im Rahmen des Blauen Kreuz organisiert werden, kann euch dabei eine große Hilfe sein, da die Teilnehmer:innen von ihren Erfahrungen berichten können, wie sie den Weg aus der Alkoholsucht geschafft haben, ihr von ihren Erfahrungen profitieren könnt und ihr das Elend somit nicht selbst durchleben müsst. Das klappt aber nur, wenn ihr rechtzeitig gegensteuert.
Daher, sprecht darüber, sucht euch Beratung von Menschen mit Erfahrung in diesem Bereich. :)
Hallo,
die Statistik sieht bei Alkoholikern erst einmal schlecht aus. 80-90% trinken einfach weiter ohne sich jemals in eine ernsthafte Therapie zu begeben, weil die Krankheitseinsicht fehlt.
Von denen, die sich in Entzug/Therapie begeben, bleiben wohl weniger als die Hälfte langfristig trocken.
Andererseits ist es meine eigene Erfahrung als trockener Alkoholiker, dass eine nachhaltige Trockenheit durch eine regelmäßige Teilnahme an Selbsthilfegruppen erreichbar ist. Von den Alkoholikern, die ihre Sucht und die Reflektion mit ihrer Suchtpersönlichkeit als lebenslange Aufgabe in der Selbsthilfe/Therapie begreifen, können viele über lange Zeit oder gar den Rest ihres Lebens trocken bleiben.
Aber das setzt beim Alkoholiker die Bereitschaft, Ehrlichkeit und Offenheit voraus, diesen langen Weg zu gehen und zu lernen, sich selbst zu reflektieren. Und dabei auch die Schmerzen auszuhalten, wenn man auf die dunklen Seiten der eigenen Persönlichkeit trifft.
Das Blaue Kreuz wurde hier schon als Selbsthilfeorganisation mit professioneller Moderation erwähnt. Ich möchte noch die Anonymen Alkoholiker (AA) ergänzen. Die AA bieten mittlerweile weit über 100 Zoom-Online-Meetings an, die sehr niedrigschwellig zugänglich sind über freie Zugangsdaten im Netz:
https://www.anonyme-alkoholiker.de/meetings/onlinemeetings/termin-gebunden/
In diesem Verzeichnis finden sich auch sog. "offene" AA-Meetings. An offenen Meetings können auch Angehörige und Interessente - wie etwa Professionelle oder Seelsorger - teilnehmen.
Zusätzlich gibt es eine eigene Organisation für Verwandte bzw. Co-Abhängige von Alkoholikern, Al-Anon. Auch Al-Anon bietet mittlerweile Onlinemeetings an:
https://al-anon.de/meeting-finden/
Sollten du oder dein Mann weitere Fragen haben, kann ich diese gerne auch über eine PM versuchen zu beantworten.
Die Tür von AA steht immer offen und der Zugang ist denkbar niedrigschwellig. Die Hürden und Blockaden im Kopf des Süchtigen und die Selbsttäuschungen sind aber turmhoch.
Wie hoch ist denn der Alkoholkonsum Deines Mannes, kannst Du das einschätzen? Trinkt er jeden Tag oder "nur" paar Tage die Woche und in welchen Mengen und was? "Nur" Bier oder auch hochprozentige Sachen?
Also er ist (noch) kein schwerer Alkoholiker.
Ich bin eher auf der Suche nach Rat zu "Frühwarnzeichen".
Es ist unterschiedlich. Manchmal trinkt er gar nicht. Manchmal unter der Woche 1-4 Bier, manchmal 1 Tag manchmal 4 Tage, aber eigentlich nie so, dass er komplett betrunken ist. Das ist eher auf Feiern und Veranstaltungen problematisch.
Es ist dieses Ritual freitags alleine zu trinken bis zum umfallen. Ich weiß nicht wie ich das einordnen soll. Es ignorieren wird auf keinen Fall eine Option.
Aber wir haben noch vor ein paar Jahre und Jahrzehnte miteinander zu verbringen. Vielleicht können wir heute etwas unternehmen, um die Katastrophe in 10 Jahren zu vermeiden.
Klingt nach einem Quartalstrinker.
Ich sehe euch nicht am Anfang der Spirale, sondern schon längst mitten drin.
Du schreibst hier im Forum, also suchst du nach Lösungen.
Sucht er nach Lösungen? Benennt er klar, dass er ein Alkoholproblem hat? Das wäre die Voraussetzung für eine Veränderung.