Meinung zum Leben in sog. "strukturschwachen" Gebieten

Halli Hallo, ...weil es gerade Thema in einem anderen Thread war..
Wohnt denn hier noch jemand in einem sog. strukturschwachen Gebiet Deutschlands und *Achtung jetzt wirds ganz verrückt* sieht hierin nicht nur Nachteile sondern auch Vorteile?
Nachteile liest man ja zuhauf wie wohnen in der Pampa, am a**** der Welt, in nahezu wertlosen Immobilien, mit überalteter Nachbarschaft, ohne Verkehrsverbindung und keine Schule oder kita in überschaubarer entfernung erreichbar, ohne kulturangebote und Jobs über mindestlohnniveau. Das war nur mal so ein wenig zusammengefasst, was ich oft herauslese, wenn es z.b. um Themen wie bezahlbare Immobilien oder Lebenshaltungskosten etc. geht.
Für mich ist natürlich nachvollziehbar, dass jemand der z.b. im Münchener Großraum beheimatet ist, keine Veranlassung sieht nach meck-pom bspw. zu ziehen, nur weil dort bezahlbarerer Wohnraum vorhanden ist. So wichtig wäre mir vermutlich auch kein Eigenheim der Welt, meine Heimat nur wegen Aussicht auf ein solches zu verlassen, aber mir erschließt sich nicht so ganz, warum man sein Glück immer in der Ferne suchen muss. Ok, vielleicht verdient man dort den einen oder anderen hunderter mehr.. aber wiegt es das auf?

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Ich denke, dass niemand ausschließlich wegen eines höheren Verdienstes weit wegzieht. Viel eher ist es eine Häufung der ganzen Nachteile, die du aufgezählt hast. Wenn ich einen schlecht bezahlten Job habe, zu dem ich ewig pendeln muss, keine gescheite Kinderbetreuung in der Nähe aber einen Kinderwunsch, nichts zu tun außer in der Natur spazieren gehen.... Ja, dann ist das zusammengenommen schon ein Grund um wegzuziehen.

Ich persönlich komme aus einem 450 Einwohner Dorf in Niedersachsen. Die nächste Großstadt ist 45 Minuten Autofahrt entfernt. Es gibt zwar Kitas nabei, die Öffnungszeiten sind aber so unterirdisch, dass ein Elternteil maximal 20 Stunden die Woche arbeiten kann. Jobs für Akademiker sind rar, man hat keine Auswahl oder muss ewig dahin pendeln. Die aufregendste Freizeitbeschäftigung ist das Schützenfest jedes Jahr.
Ja, für mich sind das genug Gründe um wegzuziehen bzw nach dem Studium nicht zurückzukommen. Dafür nehme ich höhere Mieten bzw Kaufpreise und insgesamt höhere Lebenshaltungskosten in Kauf.

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MeckPomm ist nicht mehr so günstig wie man denkt. Jedenfalls von Schwerin, Rostock, Wismar weiß ich aus 1. Hand, dass die Immobilien dort definitiv stark angezogen haben.

Ich komme ursprünglich aus MeckPomm. Der Fehler wurde schon direkt nach der Wende bzw. in den 40 Jahren davor begangen. Man hat die Gegenden in Ostdeutschland wirtschaftlich verkommen lassen.
Es gab vereinzelt Versuche, das zu ändern, aber große Wirtschaftszentren wie im Westen haben sich dort nach der Wende nie etabliert.
90% meiner Klassenkameraden, mich eingeschlossen, sind weggezogen. Ein kleiner Teil in andere Städte im Osten, der Großteil in den Westen. Hamburg ist eine der Städte, in der viele Exil-Ossis arbeiten.
Warum? Bessere Job-Möglichkeiten, wobei das aber ehrlicherweise nicht nur im Verhältnis zu Rostock oder Schwerin gilt, sondern auch Städte wie Kiel, Rendsburg etc., also Städte in SH.
MV hat keine große Wirtschaft. Es gibt die Werften (gefühlt ständig insolvent) und kleinere Firmen. Ein Großteil der Gelder in MV wird im Tourismus verdient. Der Tourismus ist jedoch allgemein eine schlecht bezahlte Branche. Viel Arbeit im Sommer, Kurzarbeit im Winter. Viele Hotels und Restaurants greifen mittlerweile auf osteuropäische Kräfte zurück, weil sich keine Leute mehr finden, die zum Mindestlohn malochen wollen. Außerdem will nicht jeder Hotelkauffrau werden.
Wer kann, zieht weg und nur wer wirklich heimatverbunden ist, bleibt oder kommt wieder.

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Ich habe jahrelang in Kiel gelebt und es geliebt. Aber die Krux ist nicht, dass man ein paar Hundert Euro weniger verdient, sondern das man oft gar nix verdient. Der Großteil meiner Kommilitonen musste nach dem Studium wegziehen um einen Job zu ergattern. Und Kiel ist ja nicht mal Pampa, was die Infrastruktur angeht (ausser für Großstädter, natürlich ;)).

Ich habe kürzlich einen Bericht gesehen, da versuchte eine Kleinstadt in Brandenburg oder Meck-Pomm ihr langsames Absterben dadurch zu verhindern, dass sie die sogenannten 'digitalen Nomaden' aus Berlin anlockte. Man lockte mit schnellem Internet, Coworking-Spaces, günstigem Wohnraum und viel Idylle. Es klappte wohl nur so semi. Am Anfang waren alle begeistert über den Platz, den sie plötzlich hatten, planten Hühner und Selbstverwirklichung in Form von Cafes und Galerien und zogen dann doch nach einem Jahr wieder in die Grossstadt.

Grüsse
BiDi

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esgeht doch nicht nur um Verdienst., sonden auch um zum Beispiel
ärztliche Versorgung, das nächste KH, wenn einem was passiert,
und mir ginge auch um die Einstellung der Menschen, mit Nazis in der Nachbarschaft möchte ich nirgend wohnen, so billig kann das Leben gar nicht sein

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Wusste gar nicht, dass Nazis nur in der Pampa leben #zitter#zitter#zitter
Wie bist du denn drauf?!?!?

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Ich sehe für mich und meine Familie ehrlich gesagt viel mehr Vorteile "in der Pampa" zu leben. #huepf

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Welche sind das denn?

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- Eigenheim mit sehr großem Garten
- unverbaubare Lage
- nette Nachbarn, die aber nicht Zaun an Zaun leben
- Familie und Verwandtschaft in greifbarer Nähe, die einem aber trotzdem nicht auf die Senkel gehen, da nicht in einem Haus
- Nachbarschaftshilfe, sofern diese gewünscht
- Kiga, Schule, Arzt, Apotheke, Supermarkt, Selbstvermarkterhöfe im Umkreis von 5 km (so weit hätte ich vermutlich in einer Stadt auch wenn ich von einem Ende zum anderen muss...)
- passabler Job ebenso in diesem Umkreis
- Kulturangebote in 20 km Entfernung
- Freizeitangebote für Kinder in unmittelbarer Umgebung
- im nächsten Dorf (3 km entfernt) bezahlbare Baugrundstücke
- Handwerker (Schreiner, Zimmerer, Elektriker, Maurer usw.) im Ortsbereich des nächsten Dorfes, mit denen man "per Du" ist und die kommen, wenn man sie anruft
- noch bezahlbare Mieten

das, was mir so auf die Schnelle einfällt....:-D

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Ich wohne in ziemlich ländlich, 30 Minuten bis zur nächsten größeren Stadt.
Mein Mann ist hier aufgewachsen, seine gesamte Familie wohnt hier. Das Baugrundstück war von seinem Vater. Noch vor 5 Jahren habe ich gesagt „niemals“, jetzt haben wir hier gebaut.
Hier ist die Welt noch in Ordnung. Manchmal etwas zu in Ordnung. Elternzeit des Mannes? Selbst in der größeren Stadt (wo er arbeitet) ein Novum und ungern gesehen. Nicht nur vom AG.
Ich muss 45 min zur Arbeit fahren (in die richtige Großstadt), kann aber Homeoffice machen, sonst käme das nicht in Frage.
Jeder kennt jeden und das ist eigentlich ganz schön.
Aber ich bin auch nach 8 Monaten Baby wieder arbeiten gegangen weil mir die Hasengespräche eben nicht reichen und hier außer ein gutes Vereinsleben (Turnen, Fußball und Gesang) nix los ist. Spannend ist anders, aber es ist auf seine Art Bilderbuch-idyllisch und 1200 qm Grundstück, Anschluss zur Natur sind meine Priorität für den Alltag.

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Ich denke es gibt noch so ein "zwischen Ding".
Ich lebe nicht in der Stadt, bin aber auch nicht da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

Ich lebe in einem Dorf.
Die nächsten Einkaufsmöglichkeiten sind einen Kilometer entfernt in der Gemeinde, ebenso Ärzte, Apotheke, Schule, Kitas, Banken, Post, Metzgerei, Bäckereien, Fahrschule, Kfz Werkstatt, Pizzaria, Eisdiele, etc

In der Gemeinde würde meine Wohnung (95 Quadratmeter, 4 Zimmer plus Werkstatt und Garage) mindestens die Hälfte mehr kosten, als ich zahle.
In der Stadt (10 Minuten, bzw 10 Kilometer entfernt) würde die Wohnung mehr als das doppelte kosten.

Unsere Kita ist von 7 Uhr bis 17 Uhr. Ich hatte nie Probleme, den Job auszuüben.

Meine Arbeitsstelle ist 7 km entfernt. Die vorherige war 10 km entfernt.

In einem Gebiet, das 30km von der Stadt entfernt ist, möchte ich nicht wohnen. Ich möchte aber auch nie in der Stadt leben.

Ich lebe in Bayern.

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Ein Dorf muss nach nicht direkt in der letzten Pampa sein.
Wir wohnen in einem 200Einwohner Dorf und wir haben einen Briefkasten und einen Zigarettenautomaten 😂
Für alles andere braucht man ein Auto, was für uns persönlich aber nicht schlimm ist, da wir zwei haben.
Die Autobahnanbindung ist teilweise besser wie in einer Großstadt und ich würde behaupten, dass es hier auch genug Jobs in der Umgebung gibt.

Ich arbeite bei einer Firma die gut 300km weit weg ist. Es ist also vollkommen egal, wo ich wohne.

Vorteil:
-Ruhe
-großes Grundstück
-günstiges Grundstück
-keine Kriminalität (hier kann ich nur für unser Dorf sprechen)
-man kennt die Nachbarn gut (manchmal auch zu gut 😃)

Man muss die Ruhe natürlich mögen, aber wenn ich sehe, dass ich in einer Großstadt auch teilweise 30-45Minuten (oder länger) unterwegs bin um an mein Ziel zu kommen, wohne ich lieber auf dem Dorf und fahre die selber Strecke 🙂

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Diese Nachricht könnte nahezu von mir sein :-)
Hier auch 200 Einwohner.. man kennt sich gut...gefühlt u möglich, dass hier was passieren könnte, Schlüssel bleibt oft über Nacht stecken *lach*
Ja mein Job 250 km entfernt.. aber im Grunde kann ich von überall arbeiten..wenn ich es denn tue.. aktuell elternzeit. Viele Freunde und natürlich Familie hier in d nähe (ist meine heimat). Krankenhäuser etc. Auch alles innerhalb weniger Minuten erreichbar.
Mehrere Jahre in größeren Städten gelebt und es in vollen Zügen genossen, aber für mein Familienleben möchte ich z.b. dies auf keinen fall.. da sehe ich hier im Grunde ebenfalls nur Vorteile.

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Viele scheinen strukturschwach mit ländlich zu verwechseln. Allerdings gehören auch die Region Duisburg/Essen oder auch Bremerhaven zu strukturschwachen Regionen!

Wir leben im Nordwesten unweit der Stadt mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Niedersachsen - Wilhelmshaven . Wir beide arbeiten im öffentlichen Dienst, mein Mann ist Landesbeamter, mein Tarif ist bundesweit gleich. Wir bekommen hier also wesentlich mehr für unser Geld als andernorts - zumindest was Wohnen angeht.
Arbeitet man in der freien Wirtschaft, so sind hier die Löhne deutlich niedriger als andernorts. In unserem Fall ist zumindest dieses ein Vorteil, da ich in München exakt das gleiche verdienen würde.

Der große Nachteil ist, dass natürlich auch die öffentlichen Kassen leer sind: kein Geld, um zumindest den Status Quo aufrecht zu erhalten. Schwimmbäder u.ä. sind von Schließung bedroht, weil sie für die Kommunen nicht mehr zu finanzieren sind. Der Sanierungsstau ist erheblich und das Angebot an privatwirtschaftlichen Freizeiteinrichtungen nur dank des Tourismus ok. Besonders aber auch für hier so wichtige soziale Projekte fehlt Geld.

Vor einigen Jahren ging Wilhelmshaven als Gewalthauptstadt Deutschlands durch die Medien, andere Medien berichteten über den starken Zuzug von ALG II-Empfängern in WHV u.a. wegen des günstigen Wohnraums.

In solch ein Umfeld wollen allerdings kaum qualifizierte Fachkräfte bzw. Akademiker*innen. Es fehlt beispielsweise an Ärzten und auch Lehrer zieht es hier nicht in Scharen her.

Allerdings gibt es hier ausreichend Schulen und sämtliche weiterführende Schulen sind gut zu erreichen. Auch war es kein Problem, einen Kita-Platz zu bekommen mit guten Öffnungszeiten. Der ÖPNV ist verbesserungswürdig, dennoch ist Oldenburg, eine Stadt die in jeglicher Hinsicht deutlich besser aufgestellt ist gut zu erreichen. Und Staus gibt es hier selbst zu Rushhour nicht!

Uns geht es dennoch gut hier. Kannten wir anfangs niemanden, so ist es mittlerweile unser Zuhause geworden, die Nordsee vor der Haustür und eigenes Haus hätten wir anderswo kaum zu diesem Preis bekommen (gekauft allerdings vor 10 Jahren, jetzt steigen die Preise hier natürlich auch!)