Hartz4/ Bürgergeld

Ich möchte mal ein paar Gedanken zum Thema "Hartz4, demnächst Bürgergeld" los werden. Ich weiß, dass das Thema Finanzen immer eher schwierig behaftet ist und ich will auch niemanden vor den Kopf stoßen. Allerdings fühle ich mich gerade ebenso "vor den Kopf gestoßen", zwar natürlich von niemandem hier, aber ich weiß nicht, wo ich das Thema ansonsten gerade ansprechen kann. Mit der Person, die meine Überlegungen hierzu in die Wege geleitet hat, sicher nicht. Aber der Reihe nach und erst mal vorne weg, wenn auch provokant im Titel: "Ich verstehe nicht, warum sich so viele ALG2-Bezieher beschweren". Ich möchte einfach mal die Meinung von anderen dazu hören, natürlich gerade auch von Betroffenen, um ausloten zu können, inwieweit meine Meinung berechtigt/ unberechtigt oder gar eine Unverschämtheit ist. Ich hoffe, dass ich niemandem zu Nahe trete und/ oder gar verletze, das ist nicht meine Absicht und wer vielleicht gerade als Betroffener da eher sensibel ist, sollte vielleicht gar nicht erst weiter lesen.

ACHTUNG!!! LANGER TEXT!!!

Also:
Wenn ein Hartz4-Empfänger sagt, dass er zu wenig Geld bekommt oder sich noch mehr Geld wünscht, ist dieser Person eigentlich klar, woher dieses Geld kommt? Ich habe das Gefühl, dass das diesen Menschen nicht immer klar ist. "Vom Staat" ist ja insofern falsch, als dass das Geld nicht direkt vom Staat kommt, sondern von den anderen arbeitenden Menschen erst erwirtschaftet und dann eben an Sozialleistungsbezieher umverteilt wird. Weiß der Mehrteil der Hartz4-Bezieher, dass es sog. Geringverdiener gibt, welche nur minimal mehr als ein ALG2-Bezieher verdienen, aber davon eben diese finanzieren? Ich habe das Gefühl, dass in der Hinsicht oftmals kein Wissen vorhanden ist und/ oder ihnen das eben piepegal ist. Kann da jemand was dazu sagen?
Mir tun z. B. die Menschen im Niedriglohnsektor richtig leid und da kann ich verstehen, dass diese frustriert sind, für ALG2-Beziehern, die sich ständig beschweren, fehlt mir aber das Verständnis. Bin ich unmenschlich? Ich will meinen Gedankengang aber noch ein bisschen erläutern:

1. Von meiner Kritik nehme ich ausdrücklich Menschen aus, die krank sind, Behinderungen haben oder im höheren Lebensalter leider ihren Beruf gekündigt bekommen haben. Genau für diese Personen sind Sozialleistungen gedacht.

2. Was ich nicht verstehen kann sind ALG2-Bezieher, die nicht in diese Kategorie passen, aber der Meinung sind der Staat zahle ihnen zu wenig. Sozialleistungen waren nie dafür gedacht, dass man luxuriös leben kann. Es geht um die Existenzsicherung und die ist durch das ausbezahlte Geld und die Sachleistungen meiner Meinung nach gegeben. Es ist wie gesagt kein Zuckerschlecken, aber das ist auch nicht die Idee dahinter.

3. Ich möchte Hartz4 nicht glorifizieren, aber im Vergleich zu sog. Geringverdienern muss man doch sagen: Miete wird übernommen, Heizkosten ebenso. Die Rundfunkgebühr wird gemindert oder fällt ganz weg. Es gibt Vergünstigungen im Verkehr und das sog. Bildungs- und Teilhabe-Paket für Kinder. Wenn man in einer großen Notsituation ist, kann man sogar mal größere Einmalzahlungen einreichen, z. B. Waschmaschine ist kaputt und man benötigt eine neue. All` das kriegt ein anderer arbeitender Bürger nicht bezahlt. Ich finde das muss man doch auch zu würdigen wissen! Klar, sind die Ausgaben immer gedeckelt, aber dafür kriegt man schließlich was für umsonst. Die Geldleistung, die man überwiesen bekommt, reichen für den täglichen Bedarf, ohne natürlich besondere Ausgaben, aber in manchen anderen Haushalten sieht es nicht anders aus und diese müssen die restlichen Ausgaben (siehe oben) komplett selber stämmen. Hinzu kommt noch folgende Feststellung: Es geht nicht nur darum, dass diese Sachen finanziell übernommen werden, sondern "sozusagen" auch händlerisch, d. h. man kriegt insofern Arbeit abgenommen, als dass das Amt die Überweisung tätigt. Man muss dafür keinen Finger krumm machen, es geschieht automatisch. Allgemein hat man ein Mehr an Zeit: Ich kann länger schlafen, ich kann meinen Tagesryhthmus so gestalten wie ich möchte etc.. Mal ausgenommen von den Terminen, die man im Jobcenter wahrnehmen muss. Der Faktor "Zeit", ist etwas was in der Rechnung irgendwie nie mit herangezogen wird. Selbstverständlich weiß ich, dass man sein Mehr an Zeit als Hartz4-Empfänger nun eher nicht im Wellnesshotel verbringen kann, doch muss ich sagen hat es schon was tolles, wenn ich mich Dienstags um 10 Uhr morgens vor den TV setzen möchte und das auch kann (was nicht heißt, dass das jeder Leistungsempfänger tut, ist nur ein Beispiel). Druck auf der Arbeit fällt ganz weg: kein Chef im Nacken, keine evtl. Rivalitäten unter Kollegen, kein Zeitdruck (schnell auf den Zug, schnell noch das Kind in die KITA, ...).

4. Ich bin wirklich sehr dafür, dass man schwächeren Menschen hilft, aber die Frage ist auch, wer tatsächlich hilfsbedürftig ist und inwieweit man Eigenverantwortung einfordern kann. Ich weiß, dass Armut teilweise vererbt wird und manche Kinder in ihren Familien sich selbst überlassen werden und das tut mir leid und selbstverständlich ist mir klar, dass diese Kinder einen weitaus schwereren Start haben als z. B. der Arzt-Sohn. Trotzdem kann ich nicht verstehen, wie manche Menschen sehenden Auges in ihr Unglück rennen. Da wird die Schule nicht regelmäßig besucht und/ oder gar nicht erst richtig abgeschlossen, es wird eine Ausbildung begonnen, aber nicht zu Ende gebracht. Oder man kriegt relativ früh als z. B. Frau mehrere Kinder und der Mann ist auch nicht gerade hochausgebildet und/ oder gar ein Fremdgeher/ Schläger etc... Ja, was will man da erwarten? Es ist ja gut, dass man Menschen in solchen Situationen hilft, aber es ist doch irgendwie auch selber verschuldet. Oder stelle ich zu hohe Erwartungen und diese Menschen können das halt leider einfach nicht leisten, weil zu wenig Weitsicht und Co.?
Mir tun in diesen Konstellationen die Kinder am meisten leid. Diese können nichts für die Entscheidungen und Fehler ihrer Eltern, müssen diese aber ausbaden. Sie können zwar Dank des Bildungspakets auch z. B. auf die Klassenfahrt, aber ein schöner Familienurlaub an der Algarve ist wohl eher nicht möglich. Auch die neusten Klamotten werden nicht drin sein und ein Mobbing-Opfer wird man da unter Gleichaltrigen schnell. Trotzdem finde ich es nicht gut, wenn dann die Eltern schimpfen, man könne den Kindern nichts bieten, weil zu wenig Geld bezahlt wird. Das Ausgangsproblem war doch eine ganz andere: die eigene mangelnde Qualifikation. Wieso soll das der Staat auffangen? Dann kann ja jeder in jungen Jahren "chillen". Auch Kinder von Hartz4-Beziehern schimpfen deswegen, während ich das bei Jugendlichen noch verstehen kann, ist das bei Erwachsenen (Nachwuchs von Hartz4-Beziehern) nicht mehr der Fall. Man sollte irgendwann dazu in der Lage sein, seine eigenen Eltern und deren Werdegang kritisch hinterfragen zu können. Auch wenn es weh tut. Aber vielleicht erwarte ich auch hier wieder zu viel. Ich bin sehr dafür, dass Hartz4-Kindern schulisch noch mehr geholfen wird, nicht in Form von Geldleistungen, sondern in Form von noch mehr Gutscheinen (z. B. für Nachhilfe) oder einem Bildungslotsen, der die Kinder durch die Hürden des Schulalltags führt. Denn obwohl die Eltern fast immer zuhause sind, werden viele (nicht alle) dieser Kinder alleine gelassen und müssen die Schule ohne Unterstützung managen. Ohne weitere Hilfen läuft man dann tatsächlich Gefahr, dass sich alles wiederholt und die neuen Hartz4-Bezieher schon in den Startlöchern stehen.

5. Ganz lange habe ich mich eher weniger mit dem Thema "Hartz4" beschäftigt, durch eine private Begegnung mittlerweile mehr. Ich dachte, dass ich dadurch evtl. Vorurteile abbauen kann. Ich möchte nicht sagen, dass ich davor gar keine hatte, aber so drastisch wie jetzt waren meine Ansichten zu dem Thema leider nie. Statt Vorurteile abbauen zu können, bin ich nun eher entsetzt und frustriert. Wenn ich nun daran denke, dass demnächst das Bürgergeld eingeführt werden soll, dann kann ich nur jedem Geringverdiener empfehlen den Job zu kündigen. Das kann ich dann absolut nachvollziehen. Bei den nun steigenden Energie- und Heizkosten werden vermutlich ganz schön viele Aufstocker im Januar dazu kommen und dann mal schauen, wie lange das System dann finanziell getragen werden kann. Tja und währenddessen ich hier meine Heizung runterdrehe, sitzt meine ALG2-Bezieher-Bekannte bei gefühlten 40 Grad in ihrer Wohnung und freut sich das demnächst erst mal alle Sanktionen wegfallen.

Ich bedanke mich bei jedem der diesen Text zu Ende gelesen hat!!! Ich hätte echt gerne Feedback von euch. Wie seht ihr die ganze Sache? Ich hoffe auch, dass ich niemanden vor den Kopf gestoßen habe, aber das ist halt meine Meinung dazu und ich denke, dass ich nicht unverschämt geschrieben habe. Ich weiß ja ehrlich gesagt auch nicht genau, was ich von meiner rigorosen Haltung halten soll, deswegen habe ich mich ja nun auch hier mitgeteilt. Mir ist bewusst, dass es viele harte Einzelschicksale gibt, die einen mitunter schnell in so ein System abgleiten lassen können, aber mir geht es vor allem darum, wenn jemand dauerhaft da zugegen ist und/ oder sich noch großartig beschwert und/ oder sich obwohl keine größeren Mankos vorliegen sich gemütlich in dem System einrichtet.

Ich bin gespannt auf eure Antworten und geht nicht zu hart mit mir ins Gericht!
LG #winke

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Hallo, ich bin da ganz bei dir. Sowas offen zu äußern polarisiert natürlich, aber ich schütteln über dieses System auch nur noch den Kopf. Vor allem.. hast du mal arbeitsunwilligen(!)hartz4 Empfängern untereinandereinander im Gespräch zugehört? Ich schon.. Mit was für einer Selbstverständlichkeit, ja unbändiger Wut da geschimpft wurde, dass dies u jenes nicht schnell genug bearbeitet wird.. wie unmöglich über die Damen und Herren vom Amt geredet wird.. "da bin ich erstmal hin und habe denen ordentlich meine meinung gegeigt und auf den Tisch gehauen, du hättest mal sehen sollen wie die schiss gekriegt hat"..
Wenn man sowas hört..ganz ehrlich, manche echt bei Brot und Wasser hocken lassen (wenn nur nicht immer die kleinsten die leidtragenden wären). Das ganze System gehört dringend überarbeitet in meinen Augen, aber ganz sicher nicht in Richtung Erhöhungen!

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Ja, die Sorte kenne ich auch zur Genüge....

Denke mir auch oft, dass Familien, die nicht arbeiten gehen unterm Strich besser wegkommen, als die die arbeiten (und nur durchschnittlich viel verdienen), womöglich 2 Autos unterhalten müssen (um zur Arbeit zu kommen) und sämtliche Ausgaben für sich und ihre Kinder selber tilgen müssen.

Finde, das kann es nicht sein.

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Ich habs mir ehrlich gesagt nicht durchgelesen.
Aber sagen wir es so - man kann nicht alle über einen kamm scheren 🤷‍♀️..
Es gibt Leute, die nutzen das System aus. Es gibt Menschen, die sind einfach gesagt dumm und werden es auch nie verstehen..
Es gibt Menschen, die einfach nicht ins system passen wollen... etc pp.

Verschwende einfach nicht so viele Gedanken darauf 🙃
Irgendwann kommt vielleicht eine Zeit, in der es keine Arbeit mehr gibt auf Grund der digitalisierung und automatisierung und fast alle vom bürgergeld oder bedinungslosem grundeinkommen.

Ich beziehe übrigens kein Hartz4 😅

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Hi, ich kann das Gemecker ehrlich gesagt auch nicht ganz verstehen. Mein Partner hat aufgrund eines Unfalls und anschließender Depression auch einige Zeit Hartz IV bezogen. Er hatte nicht viel. Kam aber definitiv gut klar und das obwohl er nie zu Terminen gegangen ist, nie die Briefe geöffnet hat und sich um wirklich nichts gekümmert hat. Natürlich war ich froh, dass er von dem System aufgefangen worden ist... Fand es aber trotzdem krass, dass er quasi machen konnte was er wollte und trotzdem alles bezahlt wurde. Im Nachhinein sieht er das selber so.

Jetzt geht es ihm psychisch besser und er hat trotz miserablem Lebenslauf eine Vollzeitstelle gefunden. Wenn man sich nicht zu fein ist auch nicht so beliebte Jobs anzunehmen, dann findet man auch was - meine Meinung. Ich selber habe erlebt wie es allerdings bei psychischen Erkrankungen aussieht.... solche Leute verurteile ich nicht. Er arbeitet jetzt sehr viel und sehr hart und das für wenige Euros mehr als Mindestlohn. Er hat jetzt nicht viel mehr als vorher, aber er selber ist viel glücklicher.

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Ein Alg II.Empfänger bekommt die Waschmaschine etc auch nicht mehr geschenkt. Er muss es monatlich zurückzahlen!

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Gerade gegenüber Geringverdienern ist Hartz4 eine riesen Frechheit. Dennoch muss man sagen, dass die Leute, die du ansprichst, wohl eine bedeutend kleine Minderheit sind. Ich meine mal gelesen zu haben, dass 75% der Hartz IV-Empfänger dieses "nur" aufstocken erhalten, also noch nebenbei arbeiten gehen. Bei den anderen sind eben verdammt viele, wie du es sagst "die krank sind, Behinderungen haben oder im höheren Lebensalter leider ihren Beruf gekündigt bekommen haben".
Behinderung sieht man z.b. nicht immer an. Und fast alle (geistig) behinderten beziehen Hartz IV. Die Menschen, es diesen Kriterien nicht entsprechen, sind meist psychisch schwer belastet. Hier wird ja immer so getan, als seinen Menschrn mit Harzt IV-Bezug ja auch nur normale Menschen, aber das stimmt so nicht. Selbst wenn die Menschen selbst denken, dass es normal sei z.b. Hartz IV zu beantragen um mit dem Kind 3 Jahre zuhause zu sein und selbst ihr Verhalten gar nicht reflektieren können, haben diese Menschen meist auch massive Probleme.

Wo ich dir allerdings zustimme, ist dass die Reize für Jobs im Niedrigsektorbereich viel zu niedrig gesetzt sind. Auch mit dem neuen Mindestlohn sind da die Unterschiede noch zu gering.
Außerdem hast du m.M.n. nach Recht, dass Chancengleichheit nur schwer in Familien durchgesetzt werden kann, in welchen die Eltern nicht nur finanzielle, sondern auch soziale und emotionale Probleme haben. Hier müsste vieeeell mehr Geld in gute Kitas und Schulen und Erzieher, Sozialarbeiter(!) und Lehrer gesetzt werden. Ich arbeite an einer Hauptschule und sehe immer wieder, wie meine Schüler aufblühen, wenn ordentliche Beziehungsarbeit geleistet wird. Weil die Eltern das zuhause oftmals nicht leisten können. Aber wir Lehrer in der derzeitigen Personal- und Finanzsituation halt auch nicht 🤷‍♀️ Und ohne entsprechende gute Schule entsteht dann halt die nächste Perspektivlosigkeit, weil die Schüler von zuhause gar nicht vermittelt bekommen, was sie für Möglichkeiten haben und was sie in der Gesellschaft leisten können. 100€ mehr für die Eltern jedes Schülers verändern dessen Welt nicht (nachhaltig), 100€ zweckgebunden für gute Schulmaterialien oder 4 Stunden mehr Hausaufgabenbetreuung eines engagierten pädagogischen Mitarbeiters sehr wohl.

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Ähm ok, dann vielleicht mal den Freundeskreis wechseln wenn du
so viele faule Leute um dich rum hast...

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Ich habe tatsächlich einmal zu Ende gelesen und du machst da verschiedene Punkte auf.

Zunächst sollte man Hartz IV nicht komplett mit zuhause sitzen gleichsetzen, weil es eben doch auch genügend Aufstocker gibt, was eigentlich heftig genug ist, wenn man von der eigenen Arbeit nicht leben kann. Oft betrifft dies Alleinerziehende im Niedriglohnsektor.

Ansonsten bin ich insofern bei dir, dass es gesellschaftlich für mich schon wichtig ist, dass wir diejenigen unterstützen, die es sonst nicht selbst können, sei es durch Krankheit oder durch unverschuldete lange Arbeitslosigkeit oder ähnliches. Grundsätzlich habe ich darum auch erstmal nichts dagegen, wenn beim Bürgergeld bestimmte Sanktionen wegfallen oder erst später greifen, denn wer aus verschiedensten Gründen keinen Anspruch auf ALG1 hatte, der ist unter Umständen im derzeitigen Hartz IV sehr hart gelandet und manchmal ist das kontraproduktiv. Siehe die ganzen Solo-Selbststädnigen, die in der Coronapandemie nicht arbeiten konnten und aber als Selbstständige kein ALG1 bekamen und auch zunächst keine Corona-Hilfen weil dies nur für Betriebsmittel galt (oder so ähnlich). Die mussten von Rücklagen leben oder eben Hartz IV beantragen, aber wenn dann die Wohnung zu groß ist oder du zu viele Rücklagen hast, dann geht da nichts. Und der Selbstbehalt bei Hartz IV lag bei 150€ pro Lebensjahr, das ist nicht viel. Klar kann man sagen, wer selbstständig ist muss dann eben freiwillig vorsorgen oder hat Pech gehabt, aber ich weiß nicht ob es am Ende uns nicht mehr auf die Füße fällt, weil die Leute zu schnell abrutschen.

Ich bin trotzdem kein Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und befürworte auch, dass auch beim Bürgergeld nach einer sechsmonatigen Vertrauenszeit weiter sanktioniert werden kann und natürlich weiter der Anspruch eine Vermittlung besteht. Wir machen uns aber auch nichts vor, wer wirklich nicht will, der findet Wege, weil am Ende kannst du solche Leute halt in keinem Betrieb brauchen, die machen mehr Arbeit als sie erledigen. Ich denke aber, dass ist doch die Minderheit.

Ich denke auch, dass Hartz IV und Bürgergeld eben eine Grundsicherung sind, sie sollen das wichtigste zum Leben abdecken, sei es Wohnung, Essen, usw. Wenn ich dann manchmal höre, man könne sich ja nicht mal einen Cappuchino im Café leisten oder einen Kinobesuch, dann muss ich mich auch manchmal fragen, ob das Anspruchsdenken nicht zu hoch ist, denn wer von Grundsicherung lebt, der muss auch auf solche kleinen Luxusgüter verzichten, viele Geringverdiener müssen es ja auch. Schwierig ist es dann aber wieder bei Kindern dieser Familien, weil die armutsbedingte mangelnde soziale Teilhabe natürlich auch Auswirkung auf die persönliche und soziale Entwicklung dieser Kinder hat. Eine Lösung dafür habe ich auch nicht. Gut finde ich aber, dass mit der anstehenden Reform Kinder mehr von ihrem Ferienjob behalten dürfen als unter Hartz IV, weil das fand ich schon immer den falschen Anreiz, da den Kindern das Geld anzurechnen.

Wenn du meinst Gerindverdiener (ja mit mind 12€ Mindestlohn) haben weniger als Bürgergeld, dann stimmt das immer nur in bestimmten Fallkonstellationen. Bei 40 Stundenwochen und Mindestlohn hat man alleinstehend in Stk. 1 circa 1500€ netto. Bürgergeld sind 502€. Man müsste also 1000€ für Miete & Co ausgeben um genauso "schlecht" dazustehen wie mit dem Bürgergeld. In dem Moment, wo aber Kinder ins Spiel kommen sieht das ganze anders aus, denn für Erwerbstätige erhöhen Kinder nur die Kosten (okay Kindergeld / Steuervorteil, aber soooo viel ist das ja nicht) während sie für den Bürgergeldempfänger zwar auch die Kosten erhöhen, gleichzeitig aber auch den Bedarf. Was soll man aber tun, man kann ja nicht leugnen, dass man mit 3 Kindern mehr Geld braucht als als Single. Gleichzeitig zahlt kaum ein Arbeitgeber mehr, nur weil man Kinder hat. Rutscht man da "tief genug" als Arbeitnehmer, dann kann man aufstocken oder Wohngeld beantragen, usw. Und klar wird es da Fälle geben, wo einige Personen so dicht an der Grenze sind, dass sie mit zum Beispiel 3 Kindern und zwei arbeitenden Erwachsenen am Ende marginal mehr haben als Bürgergeldempfänger. Ganz vermeiden lassen wird sich dies aber nie, weil ja irgendwo immer eine Art Schlußstrich für Sozialleistungen sein muss.

Was das Problem aus meiner Sicht stark verschlimmert sind die gestiegenen Wohnkosten der letzten Jahre. Hier müsste aus meiner Sicht der Staat viel stärker ran und Wohnungen für Familien mit geringem Einkommen schaffen bzw. subventionieren. Dafür könnten die oberen 10% auch gerne wieder Steuersätze wie früher zahlen, dann geht sich das aus, am Ende braucht auch der Aktionär den Arbeiter am Band, mal so ganz polemisch gesagt.


Abschlließend noch ein Hinweis zum Thema "Verantwortung" zu deiner Frage "erwarte ich zu viel von Menschen", ich weiß man schüttelt manchmal den Kopf wenn man so Sachen mitbekommt oder liest, aber man muss auch anerkennen, es gibt zum Teil gute Gründe warum bestimmte Personen irrational handeln. Sei es aufgrund der eigenen Kindheit mit emotionaler (und materieller) Vernachlässigung, die nun dazu führt, dass man jeden Vollpfosten als Partner nimmt, oder sei es solche Dinge wie die Bleivergiftungen in den "Armenvierteln" der USA, das Blei in den Rohren dort hat nachweislich die Gehirnentwicklung der dort lebenden Kinder beeinträchtigt.

Am Ende ist das ein super komplexes Thema und verleitet mich zu meinem Lieblingszitat "The world isn't black or white, it is a million shades of grey."

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Beim Bürgergeld bekommst du Miete und Nk( außer Strom) bezahlt, musst keine GEZ zahlen etc. Rechne das mal dazu, dann bist du bei knapp 1100 Euro unter Umständen.

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Welche alleinstehende Person zahlt (mit geringem Einkommen) 1100€ für Warmmiete, Strom und GEZ? Ist ja nicht so, dass man die Kosten für eine Wohnung in Berlin Mitte oder Hamburg an der Alster bezahlt bekommt. Die Wohnung muss für eine Alleinstehende Person angemessen sein.

Ich möchte jetzt nicht behaupten man kann nicht die eine Person finden, auf die das zutrifft aber die Regel wird es nicht sein. Zumal es auch nicht so ist, dass sich Vermieter in gefragten Wohngegenden nach Hartz IV Empfänger reißen.

Ganz im Ernst, egal wie nuanciert man einen Beitrah schreibt, du kommst echt immer und musst was konträres sagen. Würde ich schreiben "der Himmel ist blau" hätte ich wahrscheinlich auch einen Kommentar von dir "also bei uns war er heute aber rot".


Ich meine das nicht böse, aber bitte versuch doch auch die Nuance in meinem beitrag zu lesen und nicht einzelne Punkte rauszupicken. Und sorry in aller Regel hat es Vollzeitangestellter finanziell besser als ein alleinstehender Hartz IV Empfänger.

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Bis auf die Kategorie 1, ist jeder seines Glückes Schmied, der Fleiß in deinen Jugendtagen,...und es ist auch nicht Aufgabe des Staates Mieten, Gas oder sonstwas zu deckeln.

D wird an seiner Sozialstaatlichkeit zu Grunde gehen. Alleine in der GKV 22 Millionen BEITRAGSFREI Versicherte.

Die, die am lautesten nach "bezahlbaren" ( was ist das überhaupt) Wohnraum schreien, würden selbst die höchsten Mieten nehmen, wenn sie was zu vermieten hätten.

Ich finde, dass außer der Kategorie 1 jeder für sich selbst verantwortlich ist. Weder der Staat noch mögliche geschiedenen Partner, die Unterhalt zahlen sollen....

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Bin bei der Gkv voll bei dir. Deswegen geht's denen auch schlecht.
Es sollte zumindest ein kleiner Betrag für Familienmitglieder bezahlt werden. Für andere Leistungen muss man auch zahlen.
Das der Staat die Energiekosten deckelt finde ich gut sonst sitzen viele demnächst im kalten und dunklen. Es ist jetzt schon für viele kaum zu stemmen.

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Puh, so früh am Morgen so viel Text, ich hab jetzt erst mal die Hälfte gelesen.

Du bist nicht richtig über hartz4 informiert, da fängt es an. Ich habe jetzt leider nicht die Zeit, dir das alles vorzurechnen, aber ein Geringverdiener kann sich per Sozialausweis ins Bildungs-und Teilhabepaket befördern. Für eine kaputte Waschmaschine gibt es keinen Zuschuss sondern ein Darlehen- welches auch Geringverdienern offen steht. Die hohen Heizkosten kann ein Geringverdiener sich auch vom Amt zurückholen, wenn sie den Bedarf übersteigen ( mir ist bewusst, bei manchen haut das hin, viele haben hier den Bekannten Euro zu viel).
Ich hab neulich in einem anderen Thread geschrieben, dass ich H4 bekomme und bin da ziemlich zerrissen worden, neben einigen wirklich netten Antworten. Da fängt es an- Stigmatisierung, ohne irgendwelche anderen Informationen zu kennen.
Mit dem Geld kommen wir auch in der Theorie hin. Bis dann Leute Hamstern und ich das Mehl für 2€, die teuren Nudeln und die Mini-Packung Klopapier kaufen muss, dafür reicht es dann an anderen Stellen nicht. Für Bewerbungsgespräche benötige ich anständige Kleidung, da kann ich selbstverständlich gebraucht kaufen, aber auch das fehlt an anderer Stelle- regulär brauche ich ja trotzdem Winterschuhe und mein Kind eine Ausstattung für den Winter. Für den Kindergartenstart mussten wir 21€ für dieses Gesundheitszeugnis beim Kinderarzt zahlen- das war da mein letztes Geld, am Tag vor ihrem Geburtstag. Mein Personalausweis ist abgelaufen, da bekam ich gerade vier Monate H4. Den musste ich trotzdem selbst zahlen, da ja ein Betrag monatlich dafür vorgesehen ist (25 ct). 38€ sind nicht wenig Geld, wenn es dafür keinen direkten Gegenwert gibt (ich muss einen Perso haben, aber direkt hab ich nichts davon). Ob ich Winterschuhe, Gummistiefel und Kindergartenschuhe für mein Kind nun bei Lidl oder der teuren Marke bestelle, es sind trotzdem drei Paar Schuhe. Der Kindergarten will lieber Unterwäsche, wieder Geld weg, das theoretisch noch da wäre. Zuzahlung zur Physiotherapie. Und durch solche Sachen reduziert sich dann der Betrag, der zum tatsächlichen Leben da ist.
Und die aktuelle Situation bedeutet, dass einfach weniger Geld da ist. Wenn man auf eine halbwegs gesunde Ernährung achtet, merkt man ganz schnell, dass man mehr Geld braucht für den Einkauf. Die Gurke kostet hier gerade 1,10€! Klar, ich muss sie nicht kaufen, aber die Preissteigerungen sind ja durchgängig.
Das Problem sind nicht die Ärmsten, die schreien, dass es nicht genug Geld ist. Das Problem ist, dass bei den Geringverdienern nicht angesetzt wird. Warum gibt es Jobs, die so wenig bezahlen können? Warum bekommt man für Arbeit so wenig wie mit H4?

Dein Sozialexperiment finde ich ein bisschen unverschämt, und dann auch einfach nicht repräsentativ. Du hast nun willentlich Zeit mit Hartz4-Empfängern verbracht und bist entsetzt? Wie hast du die denn gefunden?
In meinem Jahr Hartz4 habe ich auch ein paar kennengelernt und niemandem sieht man das an. Das kam meistens erst raus, wenn ich es offen gesagt habe. Alles normale Leute. Die Klischee-hartzer kenne ich nur von früher aus dem TV.

Und dann: ganz ehrlich, mir ist egal, woher das Geld kommt. Ich bin in eine Notlage geraten, aus der ich mich nicht selbst retten konnte. Ich hatte ein Baby und keine Familie, die uns finanziell oder anderweitig hätte unterstützen können- kein Netz, was uns auffängt. Dafür sind Sozialleistungen da- wenn nichts anderes funktioniert, dann muss das funktionieren! Hätten Mama und Papa mir Geld in den hintern geschoben, hätte ich kein H4 beantragen müssen.
Ich denke nicht bei Geldeingang: „oh wie gut, dass die arbeitenden Menschen nun dafür sorgen, dass ich etwas Geld habe danke danke danke“. Sondern ich sehe „Geld ist da! Gut.“ ich bin dem System trotz seiner fetten Lücken dankbar, aber mehr auch nicht. In anderen Ländern säßen wir wohl obdachlos auf der Straße, aber guess what, wir sind in Deutschland. Ich weiß, dass man vom Gehalt bzw von den Abzügen nur ALG1 zahlt und H4 eben nicht. Trotzdem denke ich, dass ich, wenn ich wieder arbeite, meinen Beitrag wieder umdrehen kann. Momentan bekomme ich Geld, dann sorge ich dafür, dass die Kassen gefüllt genug sind für diejenigen, die es brauchen.

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Das ist hart. Sie hat dich und Menschen in ähnlicher Lage explizit ausgenommen.

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Das Problem bei allen Sozialleistungen, bzw. dem
Sozialsystem an sich ist: Je niedrigschwelliger man es aufbaut, desto mehr problematische Fälle nimmt man mit.
Natürlich gibt es immer die, die alles für sich mitnehmen. Aber die Gegenfrage lautet doch, ist man bereit auf diesen Sicherungsschirm zu verzichten, um einen Missbrauch durch eine Minderheit auszuschließen?
Ehrenamtsbedingt habe ich recht viel mit Leistungsempfängern unterschiedlicher Couleur zu tun. Der Missbrauch bleibt einem im Kopf, natürlich, aber es ist nicht die Menge der Leistungsempfänger.

Ich bin froh, dass es dieses Netz in D gibt, was wäre die Alternative? Obdachlose, hungernde Familien auf den Straßen wie in den USA?

Zum Thema „Arbeit muß sich lohnen“ kann der Weg dahin wirklich sein, den Grundbedarf der Menschen weiter zu kürzen? Oder müssen nicht eher die Löhne hoch? Ich halte die zu erwartende Erhöhung durch das Bürgergeld für sehr förderlich dies zu erreichen. Bereits jetzt wird über einen AN-Mangel geklagt. Fallen hier noch mehr raus, müssen die AG tätig werden und Arbeit attraktiver gestalten. Neben einem auskömmlichen Einkommen ist da eine Menge Potenzial bei den Soft Skills der AG.