Hallo,
mich treibt seit längerem die Frage - ist Lehrerin ein Job, der noch leistbar ist?
Meine Tochter (11. Klasse - G8) würde gerne Lehramt studieren (Gymnasium Biologie + evtl Chemie). Eigentlich wollte sie in die Sozialpädagogik-Richtung, nun hat sie umgeschwenkt.
Sie ist sehr empathisch, sozial, sensibel, ruhig, sie kann sehr gut erklären (den Geschwistern hilft sie öfter in der Schule), möchte gerne was mit Kindern/Jugendlichen machen.
Ich finde den Beruf wichtig und erkenne ihn sehr an. Lehrer haben viel zu leisten (nein, ich denke nicht an "Halbtagsjob auf Verbeamtung"). Ich frage mich allerdings immer wieder, ist der Job für einen sensiblen Menschen gemacht der sich aktuell nicht so hervorbringen kann (das kann man aber wahrscheinlich lernen...oder muss es...). Wenn ich sie mir an einer "Brennpunktschule" vorstelle... ich habe Angst, dass sie platt gemacht wird. Ich versuche sie schon lange zu stärken, das Selbstbewusstsein zu fördern etc - aber manche Dinge liegen einfach in der Persönlichkeit. Sie wird wahrscheinlich nie ein super taffer Mensch der sich schnell Gehör verschafft (oder vielleicht täusche ich mich auch?!). Selbst im "ruhigen ländlichen Raum", wo wie wohnen, ist es sicherlich nicht immer einfach Lehrer zu sein.
Ich weiß, dass sie ihre eigenen Wege gehen soll. Ich möchte es ihr auch nicht ausreden - aber als Mutter hat man doch immer Sorge. Meine Sorge ist, dass sie auf der Strecke bleibt und der Belastung nicht standhalten kann. Das sie es psychisch nicht leisten kann. Das wäre natürlich bei der SozPäd nichts anderes gewesen... Schicksale zu begleiten ist hart, was nicht jeder kann (jedenfalls nicht ohne selber unterzugehen).
Gibt es hier Lehrer, die gerne mal ihre Meinung schreiben würden? Gerne auch welche, die am Anfang nicht gerade "geeignet" gewirkt haben und dann ihren Weg gegangen sind.
Vielen Dank!!
Mathilda
Lehrer/innen - würdet ihr es nochmal studieren?
Würde ich noch mal machen und mir macht es auch Spaß. Habe inzwischen auch den Schritt in die Schulleitung gemacht.
Ansonsten ist sie erst in der 11. Klasse, da kann man gar keine Schlüsse daraus ziehen, wie später jemand im Lehrerberuf ist.
Hallo und danke für die Antwort. Ja, du hast Recht, ich bin ja auch nicht mehr auf dem gleichen Stand, wie ich vor über 20 Jahren mit meiner Ausbildung angefangen habe.
Lg
Ich finde es ist ein ziemlich harter Weg dorthin. Ich würde aber im Büro oder Homeoffice verzweifeln.
Vielleicht kann sie im Vorfeld Praktika machen? Ich habe damals extra ein FSJ gemacht um zu schauen, ob es was für mich ist (arbeite mit Kindern mit starken geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen).
Hallo und danke für deine Antwort. Sie hat bisher nur 1 Woche Schulpraktikum auf einer Mittelschule gemacht.
Sie würde eigentlich gerne gleich mit den studieren anfangen nach dem Abi - aber vielleicht wäre bei so einer weitreichenden Entscheidung doch 1 Jahr FSJ nicht so schlecht (sie ist mit G8 ja sowieso sehr bald fertig und gerade dann 18, wenn sie Abi macht).
Lg
Hallo!
Ich für meinen Teil würde es jederzeit wieder machen. Fairerweise muss ich aber dazu sagen, dass ich auch etliche Leute kenne, die es nicht nochmal machen würden. Es ist eine Typfrage. Die Tochter von Freunden hat gerade ihr LA-Studium (übrigens mit der gleichen Fächerkombination wie von deiner Tochter angestrebt) abgeschlossen und sich jetzt entschieden, doch lieber an der Uni zu bleiben. Wir hatten schon Referendarinnen (tatsächlich erlebt nur weiblich), die geschmissen haben. Das waren jetzt, um es ganz grob einzuordnen, eher introvertierte junge Frauen. Aber das ist natürlich sehr vielschichtig. Und ich war auch noch nie an einer Brennpunktschule. Im Gegenteil. Meine aktuelle Schule, an der ich seit bald 17 Jahren bin, ist ein absoluter Traum.
An ihrer Stelle würde ich jede sich bietenden Gelegenheit für ein Praktikum nutzen und mal z.B. in Form eines Nebenjobs oder ehrenamtlich in die Jugendarbeit hineinschnuppern.
Ich verstehe nicht, wieso es schlecht sein soll an Brennpunktschulen
zu arbeiten.
Und ich verstehe den Hintergrund deines Kommentars nicht.
Aber nochmal zur Erklärung, falls meine Antwort unverständlich gewesen sein sollte:
Mit meiner jetzigen Erfahrung (2 Gymnasien in einer Großstadt in NRW, 1 Gymnasium in einer Kleinstadt in NDS, keine davon Brennpunktschule) würde ich erneut LA studieren. Ich kann aber nicht ausschließen, dass meine Antwort anders ausfiele, hätte ich andere Erfahrungen gemacht. Daher kann ich der TE im Hinblick auf die Sorge, ihre Tochter könne an einer Brennpunktschule landen, nichts sagen. Insoweit fehlt mir die Erfahrung.
Hey!
Tja. Ich denke schon, dass sich deine Tochter noch entwickeln wird oder kann. Sie ist ja gerade erst in der 11.Klasse und hat noch Zeit "zu wachsen".
Sie hat es auch in der Hand, ob sie im Brennpunkt landet oder nicht- man bewirbt sich ja an den Schulen selbst, zumindest in nrw.
Ich bin seit 10 Jahren im Job, den ich laut Feedback gut mache und der mir im Prinzip auch gefällt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich den Weg nochmal so gehen würde. Vermutlich eher nicht mit dem Wissen von heute.
Liebe Grüße
Schoko
"Sie hat es auch in der Hand, ob sie im Brennpunkt landet oder nicht- man bewirbt sich ja an den Schulen selbst, zumindest in nrw."
Das ist richtig, aber je nach Lehramt, Fächer(kombination) und Noten nehmen einen nicht alle Schulen mit Kusshand. Dann muss man an Schulen, die man selbst nicht unbedingt als erste Wahl sieht.
Vielleicht hat sie auch schlicht Glück und kommt an eine Schule, die sie mit Kusshand nimmt. Mit Bio - Chemie oder vielleicht noch besser Mathe - Chemie (Mathe als Haupt- und Mangelfach), wird man sie schon nehmen. Und selbst, wenn sie keine Schule nimmt, kann sie immer noch in die freie Wirtschaft gehen, wenn sie nicht in den Brennpunkt möchte. Dann wäre Mathe vielleicht auch nicht schlecht.
Da für die nächsten 20 Jahre ein heftiger Lehrermangel prognostiziert wurde, gehe ich stark davon aus, dass der Bedarf da sein wird.
Bei uns werden gerade schon die verrücktesten Kombis genommen, die zuvor niemand wollte (SoWi - PP bzw SoWi - Geschichte oder schlicht Hotelfach für Hauswirtschaft).
Ja, ich würde den Beruf noch mal ergreifen. Ich arbeite an einer Brennpunktschule, da helfen Durchsetzungsstärke, Multitaskingfähigkeit, Stressresistenz und Selbstsicherheit dabei, in diesem Beruf gesund zu bleiben. Ich kann deine Zweifel daher durchaus nachvollziehen. Andererseits geht deine Tochter erst in die 11. Klasse, das kann sich alles noch entwickeln. Sicherlich wäre ein Praktikum oder besser noch ein freiwilliges soziales Jahr sinnvoll, um sich ein Bild vom Beruf zu machen und für sich Klarheit darüber zu erreichen, ob man in dem Beruf glücklich werden könnte. Wäre das etwas für deine Tochter?
Danke für deine Antwort. Sie hat bisher nur ein Schulpraktikum auf einer Mittelschule gemacht. Vielleicht wäre ein FSJ wirklich nicht schlecht.... Dann weiß sie wenigstens ansatzweise, was sie erwartet.
Die von dir genannten Eigenschaften hat sie momentan nicht, aber wer weiß, wie sie sich entwickelt.
Lg
Ich glaube, dass ihr ein FSJ nicht helfen wird. Der Job kann an der einen Schule ein Traum sein und an der anderen die Hölle.
Ich würde ihr raten, Mathe und Chemie mal zu überdenken. Mit Mathe kann sie auch super als Klassenleitung eingesetzt werden und besser einen Plan B entwickeln, falls sie nicht im Dienst bleiben will.
Ref soll sie unbedingt machen. Es war sehr hilfreich und im guten ZfsL lernt man etwas.
Liebe Grüße
Schoko
Bis deine Tochter fertige Lehrerin ist, ist es noch ein langee Weg mit ganz viel Entwicklungszeit. Man muss ja mehrere Praktika machen, da wird sie schon merken, ob das was für sie ist.
Ich bin jetzt im Beruf definitiv nicht mehr der Mensch, der ich in der 11. Klasse bin (bin keine Lehrerin). Lass ihr Zeit, ihren eigenen Weg zu gehen.
Danke für deine Antwort, und ja, du hast Recht, man entwickelt sich ja immer weiter. Selbst ich "alte" bin nicht mehr die, die ich vor 5 Jahren im Job war.
Vielleicht wäre ein FSJ doch keine so schlechte Idee....
Lg
Ich arbeite in einer Grundschule. Ich bin Mitte 50, also schon was dabei und 80% der Kolleginnen auch. Ich bin über Umwege in die Schule gekommen und habe so einen anderen Blick, auf das System. Bis auf den Sportkollegen haben alle ganz klassisch Lehramt studiert. Und viele hadern jetzt mit dem Job. Und machen ihn nicht mehr wirklich gerne. Für die meisten sind die unverschämten, dumm, dreisten Eltern ein großes unlösbares Problem und die rasante Abnahme der Schulfähigkeit der Kinder. Beides thematisiert das Studium nicht. Viele arbeiten deshalb in Teilzeit, um sich selber nicht übermäßig zu belasten. Mehr können sie nicht leisten. Und, jetzt komme ich zum Punkt, sie können nicht gehen. Es gibt keinen Job mit ähnlichen Geld, wenn man nur auf Lehramt studiert hat. Dann bist du auf ewig an die Schule genagelt. Ohne Chance gehen zu können, dass kann schon frustig sein.
Ich rate derzeit zu folgendem: Studiere „ dein“ Fach, bei deiner Tochter wäre es Chemie. Schließe es ab und starte dann in den Seiteneinstig Lehramt. Du sparst dir das, ohne frage, stressige und teure Referendariat. Da geht es viel um Show, und wenig um das echte Lehrerleben. Und du kannst jederzeit raus aus der Schule, weil du einen Abschluss hast. Wenn du von vorn herein den Seiteneinstieg planst, dann kannst du diesen ganzen Pädagogik Kram schon mitstudieren und dann im Seiteneinstieg anerkennen lassen.
Das machen zwei Freunde von meinem Sohn, die sind sich einig, dass es so der deutlich bessere Weg ist, um an die Schule zu kommen. Die kriegen das gleiche Geld und werden auch verbeamtet.
Die Vorgaben sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, darum genau beim Schulamt erkundigen. Aber Chemie ist deutschlandweit ein Mangelfach…..
„Schließe es ab und starte dann in den Seiteneinstig Lehramt. Du sparst dir das, ohne frage, stressige und teure Referendariat. “
Davon würde ich absolut abraten. Entweder muss man dann quasi das Referendariat nachholen (in NRW nennt sich das OBAS), was faktisch das gleiche ist, nur mit mehr Unterricht und mehr Geld aber auch mehr Stress -
Oder man macht nur so einen quasi Lehrgang und hat keine Möglichkeit auf Verbeamtung, Aufstieg, interessante Abordnungen etc.
Danke für deine Antwort, da werde ich mich mal informieren
Lg
Ich liebe meinen Job und würde ihn jederzeit wieder wählen. Ich empfehle ihn auch gern weiter.
Aber ja, man muss schon einigermaßen belastbar sein. Ich habe im Januar locker 40 Überstunden gemacht, wahrscheinlich sogar mehr. Daran lässt sich nichts rütteln. Zeugnisse kann ich nicht über einen langen Zeitraum verteilt schreiben, das musste jetzt sein - ebenso wie Gespräche, Konferenzen usw. die eben jetzt vorgeschrieben sind. Diese 40h verrechne ich dann für mich selbst in den nächsten Wochen und Monaten. Eine Arbeitszeiterfassung gibt es leider nicht, aber ich weiß, die Monate März - Mai werden ruhiger und da finden sich schon 40 Tage, wo ich mal nur 7 statt 8 Stunden arbeite...
Ich arbeite in einer Brennpunkt-Grundschule und fühle mich regelmäßig wie im RTL2 Programm. Es ist teils heftig, was wir sehen und mitbekommen. Ich mache das sicher nicht mehr 20 Jahre dort, habe momentan aber Kapazitäten und die Kraft, um die Situationen anzunehmen.
Ich bin im privaten übrigens auch sensibel, schüchtern und zurückhaltend. Wahrscheinlich auch im Kollegium. Das hat aber rein gar nichts mit meinem Unterricht zu tun oder dem Umgang mit "Problemkindern". Da würde ich mich als tough bezeichnen. Ich liebe es, zu unterrichten und bereite die meisten Stunden mit Leidenschaft vor.
Ich kann deiner Tochter nur ein Praktikum empfehlen. Ich würde kein ganzes Jahr für ein FSJ "opfern". Generell finde ich dies zwar genial und befürworte es, aber nicht, um in einen Beruf hinein zu schnuppern. Denn im FSJ kommst du dem Lehrerberuf nicht näher als in einem Praktikum.
Vielen Dank für deine Antwort. Sie liest sich sehr motiviert . Vielleicht wäre ein Praktikum für ein paar Wochen im Sommer möglich. Da müsste sie zwar in ein anderes Bundesland wegen den Ferien - wäre aber vielleicht möglich. ich werde mal überlegen,wo man sie "unterbringen" könnte dafür. Ein Praktikum von der Schule aus hat sie bereits auf einer Mittelschule gemacht (hier zwar eher als SozPäd, war aber eigentlich immer mit im Unterricht). Vielen Dank für deinen Einblick
Das Kind eines Bekannten hat vor der Studiumstart ein Jahr Bundesfreiwilligendienst an einer Schule gemacht. Ich glaube das gibt viele Einblicke.
Du kannst durchaus auch dich oder deinen Mann mal angucken. Könntet ihr sowas jetzt? Wie wart ihr in ihrem Alter?
Meine Mutter hat den Lehrerberuf aufgegeben und mir absolut abgeraten. Da ich nie gern vor der Klasse stand, war das auch gar kein Berufswunsch von mir Aber was ich mit meiner Mutter jetzt absolut gleich habe: Geräuschempfindlichkeit. Tobt mehr als ein Kind um mich rum, steigt mein Stresslevel extrem. Daher weiß ich, dass ich nie eine gute Lehrerin geworden wäre.
Kann deinen Text total unterstreichen. Für mich war der Lehrerberuf auch nie eine Option. In meinem Familienkreis gibt es Lehrer und ich habe viel mitgekriegt, was das für ein extrem nervenaufreibender Job ist. Niemand von denen würde zum Lehrerberuf raten. Jeden Tag vor der Klasse stehen.
Das würde ich mir niemals antun. Hinzu kommt, dass der Job, trotz der vielen Ferien, extrem unflexibel ist: feste Zeiten, keine freie Urlaubseinteilung.