Mir ist aufgefallen, dass ich im Job oft anecke und unbewusst gegen Wertvorstellungen oder Regeln verstoße, was andere dann beklagen und mich dafür „anzählen“. Das würde ich gerne ändern, weiß aber nicht wie.
Ein zwei Beispiele:
1) Ich arbeite aktuell bei einem Institut, an dem Lehrlinge in verschiedenen Bereichen ausgebildet oder Erwachsene umgeschult werden; ich bin BWLer und halte da Seminare zu z.B. Bilanzen oder kaufmännischen Themen. Manche Teilnehmer haben das Handy auf ihrem Platz, lesen da ab und an eine Nachricht usw. Mich störte das nicht; ich dachte mir „Ich hab ja auch in der Schule mit meinen früheren Klassenkameraden im Unterricht Zettelchen geschrieben“. Bis sich dann mehrere andere Ausbilder über meine laxe Art beschwerten, weil die Leute dann auch bei anderen Referenten das Handy dabei hatten, was die nicht wollten.
2) Mit den meisten Lehrlingen komme ich sehr gut aus. Die mögen es, dass ich nicht so streng bin und ich bin ganz ehrlich, mir schmeichelt das auch, dass die dann immer zu mir wollen. Ich kam da neulich an der Lehrküche vorbei und die winkten mich herein und wollten, dass ich mit ihnen esse, damit wir ein wenig während des Essens quatschen können. Habe ich dann auch gemacht. Dann kam der Ausbilder für den Kochbereich und raunzte mich an, warum ich denn da gerade mitesse, das wäre doch gar nicht mein berufliches Feld. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das nicht darf.
So geht’s mir öfter. Ich mache was, denke mir nichts Böses dabei, stelle hinterher aber fest, dass ich damit andere ungewollt verärgert habe. In dem Moment ist mir das aber nicht bewusst. Ich hätte ja z.B. eigentlich nachfragen können, wie das mit den Handys ist, aber ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass das so ein schlimmer Fauxpas ist, den Teilnehmern das Handy zu erlauben.
Manchmal scheine ich die geltenden Regeln nicht zu erkennen und im entscheidenden Moment nicht zu merken, dass ich mich rückversichern müsste. Aber ich habe es eine Zeit lang auch mal so gemacht, dass ich mich wegen allem, was außer der Reihe war, rückversichert habe und das kam dann auch wieder nicht gut an; da hieß es, ich würde wegen jedem „Pipifax“ fragen.
In meinem vorhergehenden Job war es noch schlimmer, da geriet ständig mit meinem Vorgesetzten in Konflikte. Weil sie mich „brauchten“, haben die mir aber nicht gekündigt, stattdessen gab es aller 14 Tage „Problemgespräche“, in denen auf mich eingeredet wurde, was ich wieder falsch gemacht habe. Mir hat das dann irgendwann gereicht und ich habe gekündigt. Mit der neuen Stelle war ich zunächst zufrieden, aber jetzt, nach einem Jahr, geht es da auch los. Ich habe auch überlegt, woran das liegen könnte und vielleicht ist die Ursache meine Erziehung. Meine Mutter hat mich eher antiautoritär erzogen. Ich wurde nie bestraft, musste nichts mitmachen und wenn ich was angestellt hatte, hat sie mir erklärt, was ich falsch gemacht habe und ich habe mich dann versucht, danach zu richten. Hausarrest oder sowas kannte ich nie.
In der Schule war ich in vielen Fächern sehr gut und hatte dann auch bei den Lehrern Sonderrechte, durfte beispielsweise mit dem Tischnachbarn Käsekästchen spielen, wenn ich wieder mal eher mit meiner Aufgabe fertig war und meine Mitschüler kannte ich von Kindheit an. Ich war zwar nicht mit allen befreundet, aber viele haben mich als eine Art Klassenboss gesehen, sodass sich die anderen eher nach mir gerichtet haben und wenn jemand Probleme hatte, wurde ich nach Rat gefragt, so als wüsste ich alles.
Zudem habe ich oft das Gefühl, dass andere so eindimensional denken, in Schwarz-Weiß-Kategorien und dass ich da anders bin, aber das eben nicht erwünscht ist. Mein Vater war auch so und kam beruflich nicht damit klar, wenn ihm andere in etwas hineingeredet haben. Aber er war dann höherer Beamter und da hat sich keiner mehr getraut, ihm in etwas hineinzureden und er konnte so arbeiten wie er wollte. Ich habe wohl nicht gelernt, an andere zu denken und bin zu egozentrisch und im Job ecke ich damit andauernd an. Also wenn beispielsweise jemand im Job zu mir sagte, dass das Formular XY an dieser Stelle liegt, dann konnte es vorkommen, dass ich das woanders hingelegt habe, weil ich das für besser hielt und das ganz unbeschwert so mitgeteilt habe, und mich hinterher wunderte, dass ich damit andere verärgere. Das habe ich inzwischen kapiert. Wenn mir jemand sagt, das wird so und so gemacht, dann halte ich mich (fast immer) daran. Trotzdem trete ich noch oft ins Fettnäpfchen.
Nebenberuflich bin ich noch selbstständig, da mache ich Controlling für Firmen und da habe ich das Problem nicht. Allerdings habe ich da auch keinen großartigen Kontakt zu anderen. Mir schicken Firmen Daten zu und ich werte das aus und schicke die Ergebnisse zurück, maximal telefoniert man mal, aber mehr Interaktion passiert nicht.
Ich hab schon überlegt, den Job als Kursleiter aufzugeben und nur noch Controlling zu machen – aber kann das die Lösung sein? Anderen weitestgehend aus dem Weg zu gehen? Wobei ich mich eigentlich so mag, wie ich bin; ich würde aber gerne den Problemen mit anderen aus dem Weg gehen. Wie kann man das machen? Wenn ich es im entscheidenden Moment gar nicht mitbekomme, dass ich gerade gegen irgendwas verstoße, wie soll ich das dann anders machen?
Warum habe ich immer Probleme mit den Kollegen bei Teamarbeiten?
Zu den ersten beiden Fällen würde ich mir erstmal Rollenklar werden. Dann kannst du auf beiden Sachen auch reagieren.
Ansonsten würde ich ein Gespräch mit dem Ausbilder für den Kochbereich führen - dass er dich vor irgendwelchen Azubis "anraunzt" geht überhaupt nicht.
Kann es sein, dass Dir jedes Gefühl dafür abgeht, wann Dein Verhalten unangemessen ist?
Z.B.: Die Situation in der Lehrküche. Die Lehrlinge hatten zu dem Zeitpunkt Unterricht bei einem anderen Dozenten. Und selbst wenn sie tausendmal winken, sollte doch klar sein, dass man da nicht 'reinplatzt um ein wenig zu quatschen.
Die Formulare, die Du woanders hingelegt hast, weil Dir das sinnvoller erschien. Das übliche Vorgehen wäre gewesen im Team vorher zu fragen, ob alle fein damit sind, wenn Formular X zukünftig in Regal Y liegt, weil... und nicht einfach umzuräumen.
Mich erinnert Dein Verhalten an einen Freund meines Grossen. Der ist Asperger-Autist und hat auch null Gefühl dafür zwischen angemessenem und unangemessenem Verhalten zu unterscheiden. Der hat das mit Hilfe einer Psychologin gelernt - so wie andere Vokabeln in einer fremden Sprache lernen. Und das Wissen darum, dass er nicht aus Böswilligkeit die Grenzen von anderen überschreitet, sondern weil er sie einfach nicht lesen kann, machte den Umgang mit ihm natürlich auch viel einfacher.
Grüsse
BiDi
Ich hab auch direkt an Asperger gedacht beim lesen...
Nimm es mir nicht böse, aber beim Lesen habe ich das Gefühl, dass du derjenige bist, der Schwarz-Weiß denkt und leider sehr in die Richtung "ich mach alles richtig und die anderen machen es eben falsch".
Ich vermisse sehr den Blick über den Tellerand bei dir und mir fehlt bei deiner Beschreibung die Empathie für die Kollegen und deshalb entstehen Konfliktsituationen:
Beispiel 1: Handys auf dem Tisch. Wen hast du in solch einer Situation vor dir? Vornehmlich jugendliche Azubis? Wie sind die Vorgaben an euch Dozenten? Wenn es ein klares Handyverbot während des Unterrichts gibt, hast du dich daran zu halten und dies Durchzusetzen. Ich hätte als Kollegin auch keine Lust im eigenen Unterricht mit den Azubis jedes Mal zu diskutieren. Weil da wird dann immer das Argument kommen "bei xy dürfen wir aber auch am Handy sein!" und das macht es für denjenigen, der die Vorgaben durchsetzen will echt unnötig schwer.
Hast du in solchen Fällen allerdings vornehmlich Erwachsene vor dir und gibt es Seitens der Einrichtung keine klaren Vorgaben, dann würde ich schulterzuckend antworten, dass wir uns hier in der Erwachsenenbildung befinden und es in der Verantwortung der Teilnehmer liegt dem Unterricht zu folgen.
Ich arbeite selbst nebenberuflich als Dozentin an einer Berufsschule und ja, mein Verhalten gegenüber der Klasse ändert sich je nach Vorgabe oder Altersstruktur. Ich finde es befremdlich, dass du deine Schulzeit bzw. dich selbst als Vorbild für dein Verhalten nimmst - Thema Tellerand. Bei manchen Chaoten in der Klasse funktioniert eben nur die klare Linie und nichts anderes.
Zur Situation mit dem Essen: hier hätte in dem Moment definitiv der jeweilige Kursleiter gefragt werden müssen - allein schon aus Höflichkeit. Du funkst ihm aktiv in seiner Stunde dazwischen. Das geht gar nicht. Weißt du denn, ob er die Zeit des Essens mit den Schülern aktiv nutzen möchte, um zum Beispiel noch etwas zu evaluieren?
Ähnliche Geschichte mit dem Formular. Wieso änderst du einfach ungefragt etwas, nur weil du deinen Weg für besser hältst? Auch hier NoGo.
Du hast ja schon selbst richtig analysiert, dass es dir schwer fällt an andere zu denken. Damit kann man doch gut arbeiten und da solltest du meiner Meinung auch ansetzen. Eine einfache Frage an Dich selbst könnte Konfliktsituationen vermeiden: "wie würde ich reagieren, wenn jemand das bei mir macht?". Wenn du diese Frage negativ beantwortest (Beispiel Formular), dann würde ich Aktionen in die Richtung unterlassen ohne vorher mit den Kollegen eine Absprache getroffen zu haben.
Edit: Der Hinweis mit dem Asperger-Autist ist super, vielleicht kannst du hier mal Richtung Diagnostik gehen, wenn dir zwischenmenschlichen Situationen schwer fallen 😉
Ich habe keine Ahnung von Asperger Autismus, finde aber - entgegen der anderen - deine ersten Beispiele harmlos.
1. Wir wussten als Schüler früher genau, bei welchem Lehrer wir was durften und bei wem nicht. Es gab strengere Lehrer und welche, mit denen wir locker kommunizierten.
Ich nehme an, die Noten deiner Schüler stimmen? Wenn ja, kann es deinen Kollegen komplett egal sein, ob die Handys auf dem Tisch liegen oder nicht. Das die Schüler das bei dir dürfen, heißt ja noch lange nicht, dass sie das auch bei deinen Kollegen machen dürfen. Ich würde den Schülern einfach beim nächsten Mal sagen, dass es ok ist, wenn sie bei dir das Handy auf dem Tisch haben, solange insgesamt die Mitarbeit und die Noten stimmen. Ich würde sie aber auch darauf hinweisen, dass sie es bei Kollegen nicht dürfen und wenn sie damit hausieren gehen, ist eben für alle Schluss damit.
2 Situation: waren die Azubis wirklich gerade im Kurs oder waren sie schon fertig? Richtig ist, du hättest fragen sollen, aber wenn sie schon fertig waren und Pause hatten, können sie in der Pause machen, was sie wollen (ich nehme an, der Unterricht besteht aus Kochen und hinterher wird das Essen nicht weggeworfen, sondern die Schüler dürfen es essen).
In der Küche herrscht oftmals ein rauher Ton. Nimm dir den nicht so zu Herzen. Ansonsten bin ich da bei GalaRoyal und würde mir verbitten, dass ein Kollege auf gleicher Ebene mich vor den Azubis anraunzt.
Beim 3. Beispiel finde ich dagegen die Kritik gerechtfertigt. Derjenige wird sich schon etwas dabei gedacht haben, warum das Formular genau DA lag. Da kannst du es nicht einfach woanders hinlegen, ohne dich vorher mit dem Kollegen abzustimmen.
Wenn du immer wieder aneckst, würde ich dir zu einem Business Coaching raten. Wir lesen hier nur von drei Situationen aus deinem Alltag. Ein Coach kann dir sagen, ob dein Verhalten in den anderen Situationen adäquat war oder ob du an dir arbeiten musst.