Guten Morgen,
bei meiner Tochter (wird im September 3) fällt mir seit etwa einem 3-4 Jahr etwas merkwürdiges auf. Zunächst war es, dass sie während der Zeit in der Krippe signifikant schlechter gesprochen hat. Sobald sie eine Woche Zuhause war, hat es sich wieder auf einem normalen Level eingependelt. Wir haben es auf eine anregungsarme Umgebung geschoben und vermutet, dass sie es tatsächlich verlernt. Das hat sich in den Sommer-, Herbst-, Winter- und Osterferien zuverlässig wiederholt. Zwischen Ostern- und Sommerferien hat es sich soweit verschlechtert, dass sie nur noch Zweiwortsätze und Babygebrabbel gesprochen hat.
Im März begann es aber auch, dass sie Jan und Henry beim Sandmännchen sehr geliebt hat und das stottern übernommen hat. Anfangs recht bemüht mit „Wwwwwas ist das?“ hat es sich zum vermeintlichen Kleinkindstottern ausgeweitet. Soweit so gut, das kennen wir schon in deutlich schwächerer Form vom ersten Kind. Nun sind Sommerferien und seitdem die Krippe vorbei ist, spricht das Kind nach 5 Tagen wieder vollkommen normal! Kein Babygebrabbel mehr, keine Zweiwortsätze, sondern normale Haupt- mit Nebensätzen, recht komplex. Normal für sie seit einem Jahr. Kein stottern mehr, gar nicht.
Jetzt kam mir die Idee, dass sie das Sprechen gar nicht „verlernt“ hat, sondern es eine bewusste Anpassung an die Umgebung war. Ist das möglich? Ist das so früh schon möglich? Dazu müsst ihr wissen, dass sie sehr früh angefangen hat zu sprechen und auch Sätze/Wortfetzen aus anderen Sprachen in der Aussprache auf Anhieb korrekt übernimmt und sie auf fremde Menschen eine verdammt positive Wirkung hat, weil sie scheinbar genau weiß, wie sie sich verhalten muss um regelmäßig von Fremden Sachen geschenkt zu bekommen. Ist das alles ein Komplex und spricht schlichtweg für eine Anpassungsleistung an die Umgebung?
Kleinkind passt Sprache an die Umgebung an
Natürlich geht das. Nennt sich Code Switching und macht jeder. Du redest unterschiedlich je nach Umfeld. Arbeit, Kinder, Freundeskreis. Manche spiegeln das Umfeld stärker manche schwächer.
Unsere sind mehrsprachig und springen dementsprechend deutlich wahrnehmbar zwischen den Sprachen und deren Niveaus hin und her, je nachdem mit wem sie reden. Mit Kindern reden sie viel einfacher als mit erwachsenen Muttersprachlern.
Es spricht eher dafür, dass eure Kleine nur noch nicht schafft, die Umfelder zu differenzieren und spricht halt immer wie das für sie grad wichtigste Umfeld.
Das nicht als Kritik, den Schritt das zu wechseln wirst du wahrscheinlich als Nächstes beobachten können.
Sowas ist ganz toll und spannend zu beobachten.
Ne, ich finde das recht logisch, kenne es nur vom älteren Kind gar nicht. Das hat immer einfach neues dazu gelernt.
Zu code-switching finde ich nur bezogen auf Fremdsprachen etwas.
Ja, bei Fremdsprachen erleben es die meisten/ist es am einfachsten zu beobachten, aber das geht auch mit Dialekten, Sexolekten, Soziolekten usw.
Bei Jugendlichen ist es die Jugendsprache mit ihrer Peergroup, das kennen wohl alle Eltern.
Eure Kleine spiegelt wohl recht stark, was ihr wichtig ist/sie beschäftigt. Dafür könnte es verschiedene Gründe geben. Stark spiegeln stellt Nähe her. Also ist sie vielleicht sehr auf das Zwischenmenschliche orientiert? Nur eine wilde Vermutung.
Ja, Kinder passen sich oft ihrer Umgebung an. Die Tochter meiner Freundin sprach schon sehr früh sehr komplex: "Meine Mama kommt gleich", glasklar mit 18 Monaten. Ich war völlig verdattert. Sie war in fast allem immer sehr viel weiter, hat dann in der Krippe aber auf dem Niveau der anderen Kinder gesprochen, gemalt und gespielt. Dabei konnte sie schon recht komplexe Rollenspiele, hat das aber nach einigen erfolglosen Versuchen in der Krippe dann eingestellt.
Interessant war, dass sie sehr bewusst die einfachere Sprache der anderen Kinder versucht hat zu übernehmen, aber das Niveau dann oft zu weit runter geschraubt hat, so dass die anderen Kinder und auch ErzieherInnen sie oft gar nicht verstanden haben. Eine neue Erzieherin vermutete dann eine Srachstörung und war auch leicht verstört, als sie das Kind beim Abholen mit ihrer Mutter in vollständigen, grammatikalisch einwandfreien Sätzen mit klarer Aussprache hörte. Das Kind war genauso erschrocken, dass die Erzieherin es gehört hatte.
Wir haben uns das so erklärt: Sie dachte sich, dass Kinder im Setting Kita so zu sprechen, zu malen und zu spielen haben und hat versucht, diese Erwartung zu erfüllen.
Bei ihr stellte sich dieser Entwicklungsvorsprung (laut Kita) dann als Hochbegabung heraus. Meiner Freundin wurde nach dem Test dann auch gesagt, dass diese Anpassung nach unten recht typisch für hochbegabte Mädchen sei.
Ich würde hier auch code switching vermuten. Macht L auch schon, in der Kita ist er mittlerweile lauter und "aufdringlicher" als zu Hause, und übernimmt einige Eigenheiten der älteren Kinder (das berühmte "neeeeeiiiiiiiiin"-Kreischen, ist bei ihm noch meiiiim) auch bei den (deutsch mit ihm sprechenden) Großeltern. Englisch spricht er nach wie vor "normal" (Lautstärke/Artikulation/Rhythmus), da gibt es keine Vorbilder außer eben der Familie.
Ich finde toll, wie sprachbegabt deine Kleine ist, sie beobachtet sehr genau und kann gut imitieren. Auch wenn das Ergebnis nicht immer positiv rüberkommt, die Grundbegabung dafür ist etwas Schönes 😊. Sie wird später vielleicht auch einmal jemand, der sehr schnell Sprachen und Dialekte durch Beobachten und Nachahmen lernt.