Essverhalten bei Kleinkindern

Vorab: meine Frage richtet sich vorrangig an Eltern, deren Kinder (zumindest Großteils) von Beginn an selbst essen durften und deren Kinder das Essen auch mit Händen etc. erkunden durften.

Wann und wie haben eure Kinder gelernt, halbwegs manierlich zu essen?
Unser Sohn ist jetzt 20 Monate alt und das Essverhalten wird immer schlimmer.
Er wäre motorisch eher überdurchschnittlich gut in der Lage, Löffel und Gabel zu benutzen und übt sich gerade isoliert an der Benutzung von Messern.
Aber nach jedem Essen können wir eigentlich renovieren.
Für mich ist absolut in Ordnung, dass er noch zwischen Essen mit Besteck und essen mit den Händen abwechselt, weil ich weiß, dass er es grundsätzlich kann.
Aber er veranstaltet bei jedem Essen mutwillig eine riesige Sauerei.
Er schüttet sein Essen in seinen Trinkbecher, das Wasser in seinen Teller, dann patscht er mit der Hand drin rum. Soßen oder Suppen werden mit Vorliebe mit den Händen über seinen Tisch, unseren Tisch und unter die Tischdecke gerieben. Oder er haut mit der Hand rein und freut sich, wenn alles spritzt.
Wenn wir ihm den Trinkbecher nur auf Verlangen für einen Schluck reichen, spuckt er diesen Schluck auf den Teller/ Tisch. Dann verlangt er eine Serviete und putz sich den Mund ab um dann in Windeseile die Serviette durch den Teller zu ziehen und dann an die Wand zu werfen. Wenn er keine Flüssigkeit hat, spuckt er einfach das angekaute Essen durch die Gegend.(und damit meine ich jetzt nicht, das er ausspuckt, was ihm nicht schmeckt.) Man kann eigentlich keine Sekunde selbst was essen weil er jede Sekunde nutzt die man ihn nicht beobachtet um ein riesiges Chaos zu veranstalten. Meistens isst er zu Beginn auch garnicht, weil er erstmal ausgiebig spielen muss erst nach 30 Min oder so wenn wir abräumen wollen stellt sich raus, das er doch noch etwas essen will.

Ich hab keine Ahnung was wir noch tun sollen. Meistens endet das Essen dann nach ein paar Minuten in einem Wutanfall und er isst garnichts mehr. Wir leben ihm beide ein völlig normales Essverhalten vor. Und auch im weiteren Umfeld gibt es keine schlechten Vorbilder. Selbst die anderen Kinder der erweiterten Familie essen sehr sauber.

Er ist generell ein Kind, das in allen Lebenslagen viel Aufmerksamkeit und viel sensorischen Input braucht. Ich sorge aber eigentlich außerhalb der Mahlzeiten ausreichend dafür, dass er diese Bedürfnis nach spielen mit unterschiedlichen Konsistenzen ausleben kann. Aber wir haben mittlerweile überhaupt keine Lust mehr ihm etwas zu essen zu geben. Weil er selbst aus einem einfachen Apfel ein Schlachtfeld macht.

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Er sitzt an einem Kindertisch alleine?

Was wäre, wenn ihr mal eine Weile vornehmlich Sandwiches oder Ähnliches esst oder zumindest ihm zu essen gebt (auch solche Sachen wie herzhafte Waffeln, Pfannkuchen etc.) - so, dass es weniger zu verteilen gibt? Und bei Suppe usw. neben ihm sitzt und ihn mit anleitet?

Könnte er das Matschen an anderer Stelle üben - mit Fingerfarben, Salzteig, Knete oder Ähnlichem, damit es beim Essen nicht nötig ist?
Könnt ihr ihm einen besonders schönen Behälter zum Reinspucken geben, damit er nicht die Wand anspucken muss?
Eventuell einführen, dass man vor und nach dem Essen trinkt und nicht während des Essens? Also, keiner hat während des Essens einen Becher neben sich, den gibt es vorher und hinterher?

Für mich klingt es teilweise so, als hätte er gar keinen Durst/ Hunger, denn sonst würde er bspw. das Wasser ja nicht ausspucken. Ich würde vielleicht mal die Essensmenge ein bisschen reduzieren und dann später Fingerfood (trocken, also Rohkost) anbieten und schauen, wie viel er von jedem jeweils isst. Also, wie viel Fingerfood bei einer normalen und wie viel bei einer kleinen Portion.

Ein bisschen Geschmiere ist ja normal, aber bei euch klingt es so, als wäre das Essen besonderer Anlass zu "künstlerischer Aktivität". Vielleicht kann man das umlenken?

Mit eurem Vorleben muss das übrigens nichts zu tun haben, eher mit seiner Kreativität und ggf. auch Langeweile oder auch Sättigung. Wie gesagt - wenn ich wirklich Durst habe, würde ich das Wasser schlucken und nicht in den Teller spucken.

Ich würde mir an eurer Stelle mal eine Liste alternativer Lebensmittel machen.
Couscous, Reis usw. z.B. zu Frikadellen braten. Nur einen geringen Klecks Dip oder Sauce geben. Sandwiches und Fingerfood. Eher "trockenes" Essen, mit dem man wenig schmieren kann. "Matsche-Essen" nur zu besonderen Gelegenheiten, wenn ihr wirklich mental darauf vorbereitet seid und dann vielleicht auch nur in geringerem Umfang (nicht übermäßig) und mit allen zusammen am Tisch, damit er nicht aus Langeweile anfängt zu matschen.
Vielleicht vor solchen Essen bewusst Mal-/ Knet-/ Bastelaktivitäten anbieten, so dass dieses Bedürfnis schon ausgelebt wurde. Also, so eine Stunde vorher, nicht direkt davor, um keine Assoziation zu bieten. Bei der Kreativaktion dann vielleicht auch bewusst mit Fingerfarben auf großen Papierbögen malen lassen.

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Finde deine Anregungen ganz gut - allerdings sind Couscous und Reis auch ganz fiese Endgegner, da sehr krümelig und Reis klebt dazu noch ohne Ende...
Wir machen damit immer eher schlechte Erfahrungen, obwohl unser Sohn halbwegs vernünftig isst.
Was die Stärkebeilage angeht, finde ich Nudeln und Kartoffeln am wenigsten Geschmiere.

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Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Er sitzt natürlich nicht alleine an einem Kindertisch, sondern er hat diesen Tisch am Hochstuhl vorne noch dran. Wir haben es schon ohne probiert, aber er besteht auf seinen Tisch.

Viel Zeit zum matschen und experimentieren geben wir ihm definitiv, weil ich weiß, dass er das braucht. Sandkasten, kinetischer Sand, Fingerfarbe, Schaum, Wasserfarben, Kneten, Badeknete, Schleim, Obleek, Pompoms, Steine,... Alles hier an der Tagesordnung, weil er das wirklich gerne macht und auch braucht. Das mache ich aber hauptsächlich vormittags oder mal am frühen Nachmittag mit ihm. Vll sollte ich das mal vor einer Mahlzeit machen dass er dann "ausgespielt" hat.

Ich denke nochmal darüber nach, was wir ihm "unkompliziertes" zu Essen geben können. Leider isst er mit Vorliebe genau das nicht. Er mag aktuell gerne Reis, Gemüsecremesuppen, Tomatensoße, Gemüsesoße, Würstchen und Naturjoghurt :-).
Sandwiches oder belegte Brote isst er (aktuell) nicht, leider auch keine Waffeln, Pancakes, Kuchen, Bratlinge oder ähnliches. An guten Tagen isst er Butterbrot, wenn ich Brot und Butter getrennt serviere ;-) Am Liebsten dippt er eigentlich alles in Naturjoghurt mit Kräutern.
Die Menge die er isst schwankt leider sehr stark und gerade aktuell landet mal wieder recht wenig im Kind. Am fehlenden Hunger sollte es also eigentlich auch nicht liegen. Da wir quasi unter allen Perzentilen liegen (aber schon immer) fällt es mir manchmal schwer, da entspannt zu bleiben obwohl ich eigentlich überzeugt bin, dass er sich über die Zeit schon holt, was er braucht. Und da er auch sehr aktiv ist, glaube ich nicht, dass ihm aktuell etwas fehlt.

Langweilig ist ihm wahrscheinlich schon, bzw. hasst er es einfach, wenn er keine ungeteilte Aufmerksamkeit bekommt. Also er muss nicht sitzen bleiben bis wir fertig sind, er könnte einfach im gleichen Raum etwas Spielen. Aber das will er dann nicht, weil er dann ja keine Aufmerksamkeit bekommt, wenn wir essen wollen. Wenn ich so darüber nachdenke, könnte viel von seinem Verhalten darauf ausgerichtet sein, Aufmerksamkeit zu bekommen, weil wir eben reagieren, wenn er alles dreckig macht.

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Wer blödsinn macht ist fertig mit Essen.

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Hier auch so.

Bis zu einem bestimmten Grad (mit Händen essen, fühlen - NICHT schmeißen und gatschen) ist es ok.

Aber Trinken umschütten, Essen vom Tisch schmeißen, Essen in Becher matschen.

Wahrnehmungserfahrungen sind wichtig - aber da müssen Ort, Zeit und Material passen.
Mit Wasser gatschen/matschen/schütten wird draußn, im Sand, im Schwimmbad, in der Badewanne, ... gespielt.
Gatschen mit Händen machen wir beim Sand-/Wasserspielen, Kneten, Schleim selber machen, Backen/Teig kneten, ...

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Hier auch. Wer Hunger hat, hat auch in dem Alter entsprechend seiner Fähigkeiten gegessen. Sobald das Esszimmer drohte renovierungsbedürftig zu werden, weil extra viel Sauerei gemacht wurde ohne zu essen, wurden die Teller ohne Umschweife abgeräumt.

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Manche Aussagen klingen wirklich so, als ob er gar keinen Hunger hat teilweise...
Bei uns ist es so, dass das Geschmiere erst losgeht, wenn unser Sohn satt ist und die ersten 20 Minuten kann man sich drauf verlassen, dass er erst mal "nur" isst.
Denke auch, dass er mittlerweile begriffen hat, dass er bei euch entsprechende Reaktionen durch sein Verhalten bekommt und ihn das noch mehr motiviert, sich so zu verhalten.
Ich glaube, das könnte ein langer Weg sein, zu einem "normalen" Umgang beim Essen zu finden...
Manche Dinge hat unser Sohn auch eine Zeitlang gemacht, bis es nach wenigen Wochen für ihn langweilig wurde - daher denke ich, dass manches einfach eine Zeitfrage ist.

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Hmm, als Baby hat mein Sohn sich von Kopf bis Fuß im Brei gebadet und ich musste täglich das Esszimmer renovieren.

Gefüttert werden wollte er nie so richtig, er wollte schon immer selbst löffeln oder mit den Fingern essen.

Mit etwa 1,5 wurde es deutlich besser. Ich muss ihn nicht mehr nach jeder Mahlzeit komplett umziehen und auch nicht mehr 1 h putzen.

Er kleckert natürlich immer noch, wirft auch mal absichtlich etwas auf den Boden und er liebt es, Wasser und andere Flüssigkeiten von einem in ein anderes Gefäß (oder was er dafür hält) umzuschütten.

Eine Idee habe ich leider auch nicht, nur die Hoffnung, dass es besser wird.

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Beim Lesen eines Großteils deines Textes dachte ich du sprichst von meinem Kind .

Er spuckt nichts in der Gegend rum, aber das hin und her kippen kennen wir gut, auch mal was breit schmieren. Wenn die Konsistenz oder Menge komisch ist dann „fällt“ es aus dem Mund raus. Wasser wird auch mal in den Latz oder über den Bauch gekippt. Und manchmal fängt das eigentliche Essen auch erst mit Verzögerung an.

Soweit es nicht zu viel wird lasse ich ihn experimentieren. Wasser auskippen sehe ich relativ schnell und nehme dann den Becher weg und wenn er zuviel Essen breit geschmiert wird, dann nehme ich das auch Essen auch zur Seite. Wenn es drauf ankommt isst er ordentlich und da lasse ich ihn zu Hause experimentieren.

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Du fragst wann es besser wurde... Ich kann dir keiner genauen Zeitpunkt nennen, aber meiner ist jetzt zwei Jahre und ein Monat und ich hatte schon verdrängt, dass es hier auch mal so war 😂

Dafür will er aktuell wieder gefüttert werden. Heißt, ich löffele ihm seinen Joghurt, statt dass er selber löffelt 🤷 also wir haben hier grade wohl eine Fürsorge- statt Matschephase.

Er darf außerhalb vom Essen sehr viel matschen und toben. Von Sandkasten bis stundenlang in der Wanne sitzen mit einem Bechersortiment.

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Das kam bei meinen Kindern nicht von allein, sondern wir Eltern haben bewusst Grenzen gesetzt, so wie wir es eben vom Alter her zumutbar fanden, und immer auch unter Berücksichtigung nicht nur der Bedürfnisse des Kleinkindes, sondern auch aller anderen Menschen am Tisch.
Eine wichtige Grenze von mir ist, dass ich möchte, dass das Essen essbar bleibt. Wenn das Kind ein Stück Apfel in sein Wasserglas legt und danach trotzdem den Apfel noch essen und das Wasser noch trinken kann, ist das okay. Aber wenn das Kind sein Wasser auf den Teller schütten will, verbiete ich das, weil ich weiß, es macht mir viel Arbeit und der Tellerinhalt und das Wasser werden danach nicht mehr getrunken. In die Suppe patschen war hier auch nie erlaubt. Wenn das Kind sich nicht an die Regeln hält, wird das betroffene Nahrungsmittel bei uns weggenommen.

Die Kinder durften in dem Alter regelmäßig Schüttübungen außerhalb der Mahlzeiten machen, mal mit Wasser, mal mit trockenen Nudeln etc. Da hab es ein großes Tablett mit verschiedenen Gefäßen und dem Schüttmaterial und sie waren Kinder sehr lange beschäftigt. Auch in der Badewanne gibt es natürlich alle möglichen Gegenstände für Schütt-Übungen.

Ich vermute, dass ihr eurem Kind beim Essen sehr viel erlaubt, weil das Gewicht so gering ist. Da steht man unter Druck, das Essen möglichst angenehm fürs Kind zu gestalten und nur positive Assoziationen aufzubauen. Aber wenn es darin endet, dass das Kind das Essen eher als Spielzeug nutzt und wenig im Mund landet, dann geht das vielleicht am Ziel vorbei?