Bedürfnisorientierte Erziehung - wie reagieren?

Hallo,
wir hatten eben einen furchtbaren Wutanfall und ich weiß nicht, wie ich es hätte besser machen können. Vielleicht habt ihr Ideen / Anregungen für die Zukunft?

Folgende Situation:
Einkaufen mit Baby und Kleinkind (2.5). An der Kasse auf Augenhöhe des Kleinkinds Kleine Spielzeugautos (klar). Ich sage ihm, dass er sich eins aussuchen darf. Es ist aber sehr voll. Kurz darauf sind wir dran und ich bitte ihn, sich eins auszusuchen. Nichts. Ich nochmal: wir müssen weiter, auch die bitte eins aus. Nichts. Dann habe ich gesagt guck mal, ein Quad wie bei Rider (paw patrol). Wir nehmen das, ja?
War natürlich nicht ok.

Er hat direkt angefangen, zu schreien wie am Spieß. Ich habe ihn rausgetragen. Dann kam schlagen / treten / Haare reißen dazu. Kenne ich alles, alles kein Problem. Ich bin auf Augenhöhe gegangen, habe seine Gefühle gespiegelt und ihm angeboten, die Wut wegzustampfen / zu singen / zu pusten etc. Hat alles nicht geholfen.

Derweil wurde das Baby unruhig (bis dahin hat es schon 45 Minuten gedauert). Ich wollte den großen ins Auto setzen, aber er hat sich so gewehrt, dass es UNMÖGLICH war.

Letztlich habe ich auf dem Handy paw patrol angemacht, damit er sich reinsetzen ließ.

Wie hättet ihr hier reagiert? Ich fühle mich wie der letzte Versager.

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Puh, um ehrlich zu sein hätte ich irgendwann die Reißleine gezogen und wäre streng geworden und hätte die Konsequenz gezogen. Da müssen die Kleinen einfach durch und auch das aushalten lernen, den Frust etc. Wenn da nach dreimal aussuchen nichts gekommen wäre (mit Ankündigung: jetzt zum letzten Mal, danach ist es gelaufen!) von wegen "das da", hätte es keines gegeben, fertig. Ich wäre dann auch mit schreiendem Kind raus, runter auf Augenhöhe, hätte erklärt warum ich raus bin, wieso da Auto nun nicht gekauft wurde und dass man sich so eben nicht benehmen darf (dass er das noch nicht können muss, steht auf einem anderen Blatt - aber wissen, dass man sich - irgendwann - bei sowas zusammenreißen muss, das kann man ruhig schon anfangen zu vermitteln) und das nächste mal die Entscheidung eben bis zum dritten nachfragen getroffen werden muss, da es sonst wieder nichts gibt, da auch andere Leute warten.

Dass man irgendwann "aufgibt" und ein Handyvideo anmacht, um das Kind noch irgendwie ins Auto zu bekommen finde ich nicht verwerflich. Es ist und bleibt eine Ausnahmesituation. Man kann ja auch nicht ewig Parkplätze blockieren und schaden tuts Mini auch nicht. Man sollte die Gefühle benennen, Verständnis zeigen im Sinne von: "ich verstehe warum du wütend bist" aber auch eine entsprechende Strenge im Sinne von "so geht es eben auch nicht". Kinder brauchen Regeln und Grenzen, innerhalb derer sie sich bewegen können. Bei zu viel Handlungs- und Entscheidungsfreiraum (in deinem Fall: Mini hat a) zu viel Zeit zum Entscheiden und b) zu viele Auswahl-Möglichkeiten) kochen die Emotionen noch mehr hoch, so meine Erfahrung.

Ich hab meine Tochter, zu dem Zeitpunkt auch zweieinhalb, einmal aus dem Supermarkt schreiend/windend/tretend rausgetragen, weil sie nicht mehr gehört hat, nur noch weggerannt ist, ständig gekrischen und gewütet hat. Ich hab ihr zweimal gesagt es reicht, beim dritten mal angekündigt, dass ich gleich mit ihr rausgehe und Papa dann alleine weiter einkauft und sie nichts mehr aussuchen kann und beim vierten Mal habe ich die Ankündigung gnadenlos durchgezogen. Draußen hab ich sie abgesetzt, sachte festgehalten, bin zu ihr runter und hab's ihr kurz und knapp erklärt, in entsprechend strengem Tonfall und konnte dann nach kurzer Zeit sogar wieder mit ihr rein. Ich musste nie wieder so reagieren und mittlerweile reicht eine oder zwei strenge Ansagen, wenn sie bei solchen Ausflügen über die Stränge schlägt.

Um's abzukürzen: das hat gar nichts mit Versagen zu tun sondern schlicht damit, dass Kinder sich und ihre Emotionen, Grenzen, den Willen, Grenzen der anderen und das Leben kennenlernen. Da müssen wir alle durch. Am wichtigsten ist es cool zu bleiben und die Richtung vorzugeben und auch einzuhalten und nicht selbst emotional überzukochen. Sowas wird noch öfter auf dich zukommen und man reagiert nicht immer wie im Bilderbuch, gerade auch wenn's vielleicht gefährlich wird oder man unter Zeitdruck steht. Wir sind alles nur Menschen und ja, Kinder dürfen das sehen, dass auch wir nicht perfekt sind und es auch uns mal reicht. Authentizität ist das Stichwort - nur so lernen sie es.

Alles Gute :)

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Ich würde denken, er war mit der Auswahl an Autos überfordert und das noch unter Zeitdruck. Daher wäre für mich der Ansatz, es gar nicht so weit kommen zu lassen und bei Auswahlfragen immer nur 2 Optionen zu lassen (das oder das).
Wir persönlich fahren in der Quengelzone schon immer eine absolutes Nein, was dazu geführt hat, dass es inzwischen (mit knapp 3) keine Diskussion mehr darüber gibt.

Wenn es aber erstmal zu so einem Ausraster gekommen ist, fällt mir außer raus aus der Situation und abwarten, bis der Sturm vorbei ist, auch nichts ein.

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Normalerweise kommt er mit der Auswahl gut klar. Vermutlich war es dann echt der Zeitdruck. Wenn er Zeit hat, sucht er sich ganz besonnen 1 Auto aus und diskutiert auch nicht.

Warten bis der Sturm rum ist konnte ich wegen des Babys leider nicht…

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Ach Quatsch, du bist kein Versager! Hast Du doch ganz gut gemeistert.
Ich würde Dir allerdings empfehlen im Kassenbereich konsequent Nein zu sagen, dann gibt es später keine Diskussionen und auch nicht die Erwartungshaltung, dass es jedes Mal was gibt.
Mein Kind hat dann zwar auch mal ab und an gefragt, ob es diese oder jenes darf, aber mein Nein wird ohne weitere Diskussion akzeptiert.
Mittlerweile machen wir sogar einen Spaß draus, es fragt, ich sag Nein und Kind antwortet...ja, ich weiß, das haben die extra dahingestellt, damit die Kinder das wollen. Und dann lachen wir beide.

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Hat er überhaupt den Wunsch geäußert, ein Auto haben zu wollen?
Wenn nicht, hätte ich gar kein angeboten.
Wenn ja, hätte es wohl keins gegeben.

Ansonsten, es hätte kein Auto gegeben, da er sich nicht entscheiden konnte und ja, Handy hätte es auch nicht gegeben.

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Da stellt sich mir die Frage, wann hätte der Junge denn ein Auto bekommen?

Wenn er fragt - nein.
Wenn er nicht fragt - auch nein.

Er ist ja noch ziemlich klein, da kann Entscheidungsfindung schwerfallen und die Welt bedeuten. Ich hätte eher in der Kombination mit Zeitdruck (andere Leute hinter uns, Baby quengelt) in DIESEM Moment zwei Autos in die Hand genommen und gesagt "Möchtest Du eines davon?".

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Manchmal ist einfach doof und man kann nicht besser reagieren. Ich denke, dass er von dem Druck rasch was auszuwählen überfordert gewesen sein könnte - für uns erscheint es eher trivial, aber für Kinder oft eine wichtige Wahl. Dann das weggetragen werden - manchmal muss das sein, aber das fühlt sich natürlich auch fürs Kind doppelt blöd an, wenn man einfach weggeschleppt wird.
Dann Vorschläge zu machen hilft bei unserem Sohn eigentlich nie und macht es nur schlimmer. Naja und dann war er eben so drin in dieser Wut dass gar nichts mehr ging.
Passiert, manchmal ist das so, dass sich Situationen so hochschaukeln. Hak es ab unter dumm gelaufen, eine Versagerin bist du nicht.

Vielleicht kannst du davon mitnehmen, dass dein Kind sich nur was aussuchen darf wenn Zeit für die Auswahl ist. Oder wenn du vorher klar vereinbart hast, dass es ganz flott machen muss. Aber grundsätzlich vermeiden lassen sich solche Wutanfälle denke ich nicht. Und man reagiert halt auch nicht immer perfekt. Ich denke das gehört dazu.

Bearbeitet von Outdoorgirls
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Statt dich wie der letze Versager zu fühlen, analysiere die Situation und ziehe Schlüsse für die Zukunft!
Wie hier schon geschrieben: Aussuchen an der Kasse muss offenbar nicht sein und ist auch kontraproduktiv (die Sachen sind überteuert und das Kind gewöhnt sich daran).
Besser: Kind in den Einkauf mit einbinden, wenn es an der Kasse etwas möchte, immer nein sagen und darauf verweisen, dass es später etwas Besseres/ Schöneres woanders gibt. (Nicht jedes Mal und nicht zwingend an diesem Tag).

Auto: Da hätte ich einfach gewartet. Ja, für das Baby war es auch schon ein langer Einkauf, aber statt ihn irgendwie ins Auto zu bekommen, hätte ich vor dem Auto mit ihm gewartet, bis er sich wieder beruhigt und bereit ist, ins Auto zu steigen. Ggf. Handy für mich angemacht, um nicht nur warten zu müssen, wenn das möglich gewesen wäre.Ggf. noch mal bestätigt, dass es sicher doof für ihn ist, dass es jetzt nichts gibt. Ggf. gesagt, dass er sich beim nächsten Einkauf eine Sache dort aussuchen darf, und das dann nicht erst gemacht, wenn ihr zur Kasse wollt, sondern gleich zu Anfang des Einkaufs.

Allgemein ist das Thema hier eher "wie bleibe ich gelassen" als "was habe ich falsch gemacht". Oder auch "warum regt mein Sohn sich auf". Weil er schon den ganzen Einkauf hinter sich hatte (ggf. Geduld aufbringen musste), mit der plötzlichen Auswahl und dem Zeitdruck überfordert war, dann enttäuscht, als er sich auf ein Auto gefreut hatte und es dann doch keines gab.
Also, das beim nächsten Mal einfach berücksichtigen.

Grundsätzlich: Der Fehler von heute ist die Grundlage für den besseren Ablauf morgen!

Was man noch hätte machen können: Wenn der Sohn sich wieder beruhigt hat und man die Einkäufe zu Hause verstaut hat, hätte man irgendeine Aktivität vorschlagen können, die ihm auch Spaß macht, damit es allen wieder besser geht. Zum Spielplatz gehen, nach dem Essen draußen toben, ruhiges Spiel zu Hause spielen, das ihm Spaß macht etc.

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Ich glaube auch wie diverse Vorrednerinnen, dass der Zeitdruck ein Problem war. Mein Kind hat zumindest sehr Mühe damit und ich hätte daher entweder kein Fahrzeug gekauft oder Zeit fürs Auswählen genommen. Kurz Gefühle spiegeln auf Augenhöhe machen wir auch. Ich hätte dann aber anstatt "stampf- und puste-option" gefunden, "so nun gehen wir weiter, zu Hause haben wir doch auch schon klasse Fahrzeuge, welches findest du das Beste? Das rote oder das blaue? Weshalb ich das Stampfen und Pusten in der Situation nicht als erstes anbieten würde, ist, dass ich den Eindruck habe, dass ich dem Ganzen so mehr Bedeutung zumesse und damit das Kind bestärke, dass es eigentlich wirklich tragisch ist (was aus Kinderaugen durchaus sein kann). Vielleicht hätte es auch geholfen zu sagen "tut mir leid, dass ich dich so unter Druck gesetzt habe, hat Mami nicht so gut getan. Aber schau, nun machen wir das und das mit dem Baby und du kannst mir so und so helfen."

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Novemberrain hats schon ganz gut auf den Punkt gebracht 👍

Eine Frage an dich hätte ich allerdings. Funktioniert in so einer Situation bei euch das Handy? 😳

Bei uns ist ein Wutanfall ein Wutanfall. Wenn ich dann das Handy auspacken würde, würde es nur noch schlimmer werden. Dann ist das Programm nicht genehm, wehe wenn das Internet kurz aussetzt, oder Werbung kommt, huiuiui. Und spätestens wenn das Handy dann wieder wegkommt, geht der Wutanfall nahtlos weiter 😵‍💫 und je länger Handy, desto schlimmer kehrt der Wutanfall zurück...

Bei uns gibts das Handy daher nur, wenn er gute Laune hat und höflich fragt, ob er bisschen was gucken darf. Darf er ziemlich oft, hab ich kein Problem mit. Aber mitten im Wutanfall? Nie und nimmer nicht, das endet in einer Katastrophe 😬

Ist das bei euch anders?

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Bei uns wäre es genau dasselbe Szenario wie bei euch 😂

Bei unserer Tochter hilft eigentlich IMMER was vorzulesen. Egal was. Kann ein Kochbuch sein oder die Tageszeitung 😅

Aber ich weiß von einer Freundin, dass sie bei solchen Ausrastern oder wenn einfach alles doof und die Laune im Keller ist, die Kinder fernsehen lässt. "Zum Runterkommen" - funktioniert bei uns überhaupt nicht. Bei denen offenbar schon.

Ist vielleicht Typsache. Oder Gewöhnung. Das weiß ich nicht.

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Meiner schält mich dann aus. Also tappst mir mit der Hand auf den Arm oder das Bein und sagt "nich anhörn" - so als hätte ich nen Ausschaltknopf mit Sprachsteuerung 😂

Auf ihn einreden oder gar singen hat im Babyalter wunderbar zur Beruhigung funktioniert... Mittlerweile gar nicht mehr 🤪

Zum "runterkommen" funktioniert bei uns TV/Handy am Abend ganz gut. Unsre Hupfdohle bekommt kurz vorm einschlafen so einen enormen Bewegungsdrang, da hilft das Handy, ihn im Bett zu halten und ruhig zu werden 😅 aber im Wutanfall - undenkbar...

Ist schon spannend. Wir haben alle die gleichen Probleme, aber die Lösungsansätze und vor allem die Reaktionen der Kinder darauf sind komplett unterschiedlich 😅

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